FG Düsseldorf: Einfuhrabgaben - Insolvenzanfechtung: Abrechnungsbescheid bei Streit über Wiederaufleben einer Abgabenforderung gemäß § 144 InsO
FG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.2020 – 4 K 1109/19 Z
ECLI:DE:FGD:2020:1111.4K1109.19Z.00
Volltext BB-Online BBL2021-214-1
Leitsätze der Redaktion
1. Das Wiederaufleben einer Abgabenforderung durch Insolvenzanfechtung wird mittels Abrechnungsbescheides entschieden.
2. Dem steht nicht entgegen, dass im Wesentlichen insolvenzrechtliche Fragen zu beantworten sind, was zur Zuständigkeit der Finanzgerichte führt.
Sachverhalt
Streitig ist, ob Abgabenforderungen des beklagten Hauptzollamts (HZA) gegen die Klägerin infolge Anfechtung wiederaufgelebt sind (§ 144 Abs. 1 der Insolvenzordnung – InsO).
Das HZA bewilligte der E GmbH, einen Zahlungsaufschub nach Art. 110 Buchstabe b des Unionszollkodex (UZK). Die E GmbH verfügte über zwei Aufschubkonten, eines für Einfuhrumsatzsteuer und ein anderes für Einfuhrzölle. Die während eines Kalendermonats von der Zollstelle buchmäßig erfassten und aufgeschobenen Abgabenbeträge waren jeweils spätestens am 16. des Folgemonats zu entrichten. In dem Antrag zur Erteilung der Bewilligung heißt es unter der Überschrift „14. bei Zahlungsaufschub für fremde Abgabenschulden“ u.a.:
„Sie verpflichten sich damit unwiderruflich, die jeweils angeschrieben Beträge spätestens zum Fälligkeitstag für die Abgabenschuldner zu entrichten. … Bei verspäteter Zahlung werden Sie Verzugszinsen nach Art. 114 Abs. 1 UZK entrichten.“
Die durch die E GmbH direkt vertretene Klägerin meldete die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr an und beantragte jeweils, für die entstandenen Einfuhrabgaben die der E GmbH bewilligten Zahlungsaufschübe in Anspruch zu nehmen. Sie überwies die Einfuhrabgaben auf das Geschäftskonto der E GmbH.
Die E GmbH konnte die fälligen Beträge ab Januar 2015 nicht mehr fristgerecht zahlen. Mit Schreiben vom 07. und 30.01.2015 drohte das HZA Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an, sperrte das Aufschubkonto und drohte den Widerruf der Bewilligung des Zahlungsaufschubs an.
Der Geschäftsführer der E GmbH beantragte in 2015 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. In dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der E GmbH bestellte das Amtsgericht in 2015 einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Es eröffnete das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Der Insolvenzverwalter focht mit Schreiben vom 21.08.2017 die Zahlungen von Einfuhrzöllen und Einfuhrumsatzsteuer der E GmbH an das beklagte HZA gem. §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO, gem. §§ 129 Abs. 1, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO und gem. §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO an.
Hinsichtlich der Anfechtung nach § 131 InsO vertrat er die Auffassung, dass die Schuldnerin aufgrund der Schreiben des HZA vom 07.01. und 30.01.2015 alle Zahlungen ab dem 07.01.2015 zur Abwendung der Zwangsvollstreckung und zur Entsperrung des Aufschubkontos geleistet habe. Das HZA habe insoweit inkongruente Deckungen erhalten. Durch die Zahlungen, die von einem kreditorischen Konto getätigt worden seien, sei die Aktivmasse verkürzt worden. Dadurch sei eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten.
Das HZA gewährte zunäch ……. EUR zur Insolvenzmasse zurück. Es erkannte insofern einen Anfechtungsanspruch nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO hinsichtlich der Zahlungen, die innerhalb eines Monats vor Antragstellung, mithin ab dem 16.02.2015, erfolgt waren, an.
Mit Schreiben vom 05.06.2018 an den Insolvenzverwalter erkannte das HZA die Anfechtung in Höhe von weiteren ….. EUR an, weil es nunmehr – wie der Insolvenzverwalter – davon ausging, dass die E GmbH bereits am 16.01.2015 zahlungsunfähig gewesen sei, und gewährte den entsprechenden Betrag zur Insolvenzmasse zurück. Der Anfechtung nach § 133 InsO trat es weiterhin entgegen.
Am 31.10.2018 forderte das HZA die Klägerin mit einem als „Zahlungsaufforderung“ bezeichneten Bescheid zur Zahlung von Einfuhrzoll und Einfuhrumsatzsteuer aus im Einzelnen bezeichneten Anmeldungen auf. Zur Begründung führte das HZA aus, dass der Aufschubnehmer die fälligen Abgaben nicht entrichtet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopie des Bescheides (Heft I Bl. 6-8 des Einspruchsvorgangs) Bezug genommen.
Gegen die Zahlungsaufforderung legte die Klägerin Einspruch ein, dem das HZA teilweise stattgab. Es reduzierte die Zahlungsaufforderung. Die Zurückweisung im Übrigen begründete das HZA damit, dass die Abgabenforderung nach § 144 Abs. 1 InsO wieder aufgelebt sei, weil der Insolvenzverwalter die Zahlungen der E GmbH wirksam nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO angefochten habe. Zu den zur Masse zurückgewährten Leistungen der Insolvenzschuldnerin gehörten auch die Einfuhrabgaben der Klägerin. Die Leistungen seien nicht von einem Fremdgeld- oder Treuhandkonto der Insolvenzschuldnerin erbracht worden, sondern von dem Geschäftskonto.
Das HZA sei als Insolvenzgläubiger anzusehen. Der Zahlungsaufschub für fremde Abgabenschulden sei ein besonders vertraglich ausgestaltetes Verpflichtungsverhältnis zur Zahlung, welches in Ziff. 14 der Bewilligung speziell ausgestaltet werde.
Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor: Die Zahlungsaufforderung sei rechtswidrig, weil der jeweilige Abgabenanspruch infolge der Zahlung durch die E GmbH erloschen sei (Art. 124 Abs. 1 Buchstabe b UZK). Die Forderungen seien nicht nach § 144 Abs. 1 InsO wieder aufgelebt. Es fehle schon an einer anfechtbaren Rechtshandlung, da die E GmbH die Mittel treuhänderisch verwaltet habe. Der Treugeber hätte einen Aussonderungsanspruch hinsichtlich der verwalteten Mittel gehabt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das HZA hält an seiner Rechtsauffassung fest.
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
1. Der angefochtenen Bescheid ist als Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung – AO) auszulegen. Dem steht nicht entgegen, dass er als bloße Zahlungsaufforderung (Leistungsgebot) bezeichnet ist.
Ob ein Verwaltungsakt als ein Abrechnungsbescheid anzusehen ist, ist eine Frage der Auslegung. Bei dieser kommt es darauf an, ob der Verwaltungsakt als eine Entscheidung über eine Streitigkeit im Sinne des § 218 Abs. 2 Satz 1 AO anzusehen ist, ob die Finanzbehörde also in ihr nach dem für den Adressaten objektiv erkennbaren Erklärungswert mit unmittelbarer Wirksamkeit nach außen zwischen den Beteiligten rechtsfeststellend diese Streitigkeit entschieden hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist ein Abrechnungsbescheid auch dann gegeben, wenn die Finanzbehörde die Äußerung nicht ausdrücklich als Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO bezeichnet hat (BFH-Urteil vom 07.08.1990 VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569).
Aus Sicht der Klägerin, der Empfängerin des Verwaltungsakts, war im Streitfall nur die Frage des Wiederauflebens der Abgabenforderung nach § 144 InsO regelungsbedürftig. Diesbezügliche Rechtsausführungen des HZA finden sich in der Einspruchsentscheidung. Die Regelung betraf insoweit – entgegen ihrer Bezeichnung – einen Streit über die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis.
2. Das HZA durfte über die Frage des Wiederauflebens der Abgabenforderungen in Form eines Abrechnungsbescheides entscheiden. Mit einem Abrechnungsbescheid entscheidet das HZA über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen (§ 218 Abs. 2 Satz 1 AO). Bei den Abgabenforderungen (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) handelt es sich um Ansprüche im Sinne der §§ 218 Abs. 1 Satz 1 und 2, 37 Abs. 1 AO. Einfuhrabgaben nach Art. 5 Nr. 20 UZK sind gem. § 3 Abs. 3 Satz 1 AO Steuern im Sinne der Abgabenordnung.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13.12.2018 9 K 9117/16, EFG 2019, 674; Revisionsverfahren VII R 15/19) vertritt demgegenüber die Auffassung, dass ein Anspruch nach § 144 Abs. 1 InsO nicht nur im Zwei-Personen- (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 12.11.2013 VII R 15/13, BStBl. II 2014, 359), sondern auch im Drei-Personen-Verhältnis vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden müsste, weil es in einem solchen Streit ausschließlich um insolvenzrechtliche Fragen gehe. Es sei deshalb nicht einzusehen, warum die Zuständigkeit für Ansprüche nach § 143 InsO und § 144 InsO auseinanderlaufen sollte. Das Sächsische (Urteil vom 10.09.2015 2 K 195/15, EFG 2016, 175) und das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 11.07.2019 11 K 12119/17, EFG 2019, 1742) sind dagegen der Auffassung, der Streit betreffe den ursprünglichen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, so dass über sein Bestehen per Abrechnungsbescheid zu entscheiden sei.
Der Senat ist der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis regelt, nämlich von Abgabenforderungen, die auf den Anmeldungen der Klägerin beruhen (vgl. § 218 Abs. 1 Satz 2 AO). Es handelt sich – anders als im Falle des zivilrechtlichen Anspruchs nach § 143 InsO – um die nämlichen Abgabenforderungen, die zunächst infolge Tilgung erloschen waren. § 144 Abs. 1 InsO begründet schon nach seinem Wortlaut und anders als § 143 InsO keinen neuen (zivilrechtlichen) Anspruch, sondern regelt nur das Wiederaufleben eines früheren Anspruchs. Die Rechtsnatur dieses Anspruchs ändert sich durch das Wiederaufleben nicht.
Dem steht nicht entgegen, dass in der Sache im Wesentlichen insolvenzrechtliche Fragen zu beantworten sind. Unerheblich ist auch, dass die Entstehung und die ursprüngliche Höhe der Abgabenforderungen nicht im Streit stehen; denn der Abrechnungsstreit nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO betrifft niemals die Festsetzung der Abgaben, sondern nur den daraus resultierenden Zahlungsanspruch (Rüsken in Klein, AO, 15. A. 2020, § 218 Rn. 12). Dass für die Abrechnung im konkreten Streitfall letztlich Bestimmungen der Insolvenzordnung entscheidend sind, ändert nichts an der Rechtsnatur der Ansprüche. Auch in anderen Abrechnungsstreitigkeiten sind von den Finanzgerichten inzident insolvenzrechtliche Normen zu prüfen, ohne dass deshalb das Vorliegen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis in Frage gestellt würde. Dass infolge dieses Verständnisses u.U. verschiedene Gerichtsbarkeiten über die Frage der Anfechtbarkeit nach §§ 129 ff. InsO zu entscheiden hätten – je nachdem, ob es dabei um die Anfechtung nach § 143 InsO oder um das Wiederaufleben nach § 144 Abs. 1 InsO geht – rechtfertigt nach Auffassung des Senats keine andere Entscheidung.
3. Die streitigen Abgabenforderungen sind gem. § 144 Abs. 1 InsO wieder aufgelebt. Danach lebt eine Forderung wieder auf, wenn der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zur Masse zurückgewährt. Die Voraussetzungen eines Wiederauflebens der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind im Streitfall erfüllt:
a) Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass das HZA (unstreitig) rein tatsächlich die von der E GmbH für die Klägerin gezahlten Abgaben in die Masse zurückgezahlt hat. Denn der Anspruch lebt nach § 144 Abs. 1 InsO nur dann wieder auf, wenn ein Anfechtungsanspruch rechtlich bestanden hat. Die insolvenzrechtlichen Voraussetzungen der Anfechtung sind daher vom Senat inzident zu überprüfen.
Der Bundesfinanzhof hat dies allerdings in Frage gestellt (BFH-Urteil vom 26.08.2014 VII R 16/13, BFH/NV 2015, 8, Rn. 21 bei juris, unter Hinweis auf Kirchhof in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 144 Rn. 3 Fußnote 4). Die Finanzgerichte bejahen die Notwendigkeit einer inzidenten Prüfung der Anfechtungsvoraussetzungen demgegenüber schon im Hinblick auf den Wortlaut des § 144 Abs. 1 InsO (Sächsisches Finanzgericht Urteil vom 10.09.2015 2 K 195/15 a.a.O.; Finanzgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.12.2018 9 K 9117/16 a.a.O.; Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 11.07.2019 11 K 12119/17 a.a.O.).
Der Senat schließt sich der letztgenannten Rechtsauffassung an. Denn eine Forderung lebt nach § 144 Abs. 1 InsO nur dann wieder auf, wenn die Leistung anfechtbar gewesen ist. Eine rechtsgrundlose Rückzahlung zur Masse würde demgegenüber nicht zu einem Wiederaufleben der ursprünglichen Forderung nach § 144 Abs. 1 InsO führen, vielmehr müsste das HZA in diesem Fall einen (zivilrechtlichen) Rückforderungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter geltend machen (vgl. BFH-Urteil vom 12.11.2013 VII R 15/13 a.a.O.). Nur diese Auslegung führt nach Auffassung des Senats zu einer sachgerechten Verteilung der Risiken des Insolvenzverfahrens, da andernfalls die Risikoverteilung davon abhinge, ob rein faktisch oder freiwillig eine Rückzahlung in die Insolvenzmasse erfolgt ist oder nicht.
b) Die Leistungen der E GmbH an das HZA waren anfechtbar. Es lag der Anfechtungsgrund des §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO vor, wie das HZA und der Insolvenzverwalter zu Recht angenommen haben. Gem. §§ 129 Abs. 1, 131 Abs. 1InsO kann der Insolvenzverwalter eine Rechtshandlung anfechten, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde, die Insolvenzgläubiger benachteiligt und die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (sog. inkongruente Deckung), wenn weitere im Gesetz geregelte Voraussetzungen erfüllt sind.
aa) Die Zahlungen der E GmbH an das HZA stellten Rechtshandlungen im Sinne des § 129 InsO dar, da insofern nicht auf bereicherungsrechtliche Grundsätze abzustellen ist, sondern der Begriff der Rechtshandlung im weitesten Sinne zu verstehen ist (BGH-Urteil vom 05.02.2004 IX ZR 473/00, ZIP 2004, 917 zu § 30 Nr. 2 der Konkursordnung). Sie beeinträchtigten objektiv die anderen Gläubiger, da sie die Aktivmasse schmälerten.
Eine Anfechtung würde allerdings von vornherein ausscheiden, wenn es sich bei dem Konto, auf das die Klägerin zahlte, um ein von der Masse hinreichend abgesondertes Treuhandvermögen gehandelt hätte. Die Zahlungen der Klägerin erfolgten allerdings auf das Geschäftskonto der E GmbH, nicht auf ein Treuhandkonto.
bb) Das HZA hat eine inkongruente Deckung erhalten. Denn es konnte eine Befriedigung von der E GmbH nicht „in dieser Art“ beanspruchen. So ist allgemein anerkannt, dass Deckungen im Wege der Einzel-Zwangsvollstreckung während der Krise für sämtliche Gläubiger inkongruent sind (Kayser/ Freudenberg in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2019, § 131 Rn. 26 m.w.N.). Ebenso ist anerkannt, dass eine inkongruente Deckung im Sinne des Anfechtungsrechts auch dann vorliegt, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat (BGH-Urteil vom 15.05.2003 IX ZR 194/02, MDR 2003, 1199). Im Streitfall sind Insolvenzverwalter und HZA übereinstimmend und zu Recht davon ausgegangen, dass die Zahlungen ab dem 16.01.2015 zur Abwendung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgten.
cc) Die fraglichen Zahlungen sind weiterhin unstreitig innerhalb des Zeitraums nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InsO erfolgt. Die Schuldnerin war ab dem 16.01.2015 zahlungsunfähig.
dd) Das HZA war schließlich auch Insolvenzgläubiger im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO. Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, ermöglicht sie nur eine Anfechtung gegenüber einen Insolvenzgläubiger, nicht gegenüber Dritten. Auch diese Anfechtungs-Voraussetzung ist im Ergebnis zu bejahen:
(1) Es handelte sich allerdings zunächst um eine Zahlung der E GmbH auf eine Abgabenschuld der Klägerin, da diese bei der Anmeldung als ihre direkte Vertreterin aufgetreten ist (Art. 18 Abs. 1 UZK). Die E GmbH selbst war demnach nicht Abgabenschuldnerin. Ihre Zahlung stellte insofern eine Leistung durch Dritte (§ 48 Abs. 1 AO, Art. 109 Abs. 2 UZK, § 267 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB) auf fremde Schuld dar. Das HZA ist insoweit nicht als Insolvenzgläubiger im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 23.09.2009 VII R 43/08, BStBl. II 2010, 215).
(2) Dem HZA stand jedoch auch ein eigener Anspruch gegen die E GmbH zu. Dieser ergibt sich aus Ziff. 14 der Bewilligung des Zahlungsaufschubs. Der Senat legt diese Bestimmung in dem Sinne aus, dass die E GmbH der jeweiligen Abgabenschuld ihrer Kunden, soweit diese die Aufschubkonten nutzten, beitrat (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30.04.1980 VII R 57/77, BFHE 131, 6; Walz, ZIP 1991, 1405, 1409; OLG Düsseldorf Urteil vom 18.05.1978 18 U 32/77, MDR 1987, 853; LG Hannover Urteil vom 29.03.1955 17 O 50/54, MDR 1955, 684).
Die Bestimmung ist als Schuldbeitritt auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Dafür spricht schon die Formulierung, dass sich die E GmbH gegenüber dem Fiskus zur Entrichtung der Abgaben verpflichtete. Eine bloße Erfüllungsübernahme (vgl. § 329 BGB; vgl. zur Abgrenzung: Jagmann in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, § 329 Rn. 6) würde demgegenüber nur das Verhältnis zwischen dem Abgabenschuldner und dem Zolldienstleister betreffen. Nur die Auslegung als Schuldbeitritt entspricht den erkennbaren Interessen der Vertragsparteien, weil die E GmbH den ihr gewährten Zahlungsaufschub zum Vorteil ihrer Kunden nutzte und die Zollverwaltung daher ein Bedürfnis nach einer zusätzlichen Sicherheit hatte. Eine zusätzliche Sicherheit konnte die Zollverwaltung aber nur durch einen Schuldbeitritt der E GmbH und die von dieser zu stellenden weiteren Sicherheiten erlangen.
Ein solcher Schuldbeitritt, eine kumulative Schuldübernahme, war gem. § 48 Abs. 2 AO zulässig (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 48 AO, Rn. 7; Boeker in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 48 AO, Rn. 15). Dritte können sich danach vertraglich verpflichten, für Leistungen aus dem Steuerschuldverhältnis einzustehen. Dass in Art. 94 UZK spezialgesetzlich die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft geregelt ist, steht der Anwendung der Abgabenordnung im Übrigen nicht entgegen (vgl. auch Ratschow in Klein, AO, § 48 Rn. 8; Boeker a.a.O. Rn. 5).
(3) Der Insolvenzverwalter durfte sich mit seinem Anfechtungsanspruch an das HZA als Insolvenzgläubiger wenden. Wenn man annähme, dass sich der Insolvenzverwalter mit seinem Anfechtungsanspruch auch unmittelbar an die Klägerin hätte wenden können, so hätte der Insolvenzverwalter gem. § 421 BGB wählen können, an welchen Gesamtschuldner er sich wendet (BGH-Urteil vom 19.01.2012 IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221; Borries/ Hirte in Uhlenbruck, InsO, 15. A. 2019, § 129 Rn. 332).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.