FG Münster: Ein vom Darlehensnehmer bei Auszahlung erhobenes Agio als Entgelt für eine umsatzsteuerfreie Finanzdienstleistung
FG Münster, Urteil vom 4.12.2018 – 5 K 2889/16 U
ECLI:DE:FGMS:2018:1204.5K2889.16U.00
Volltext BB-Online BBL2019-342-2
Sachverhalt
Streitig ist, ob eine Rechtsvorgängerin der Klägerin, die B GmbH (B GmbH), durch den Abschluss von Darlehensverträgen eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung ausgeführt hat.
Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Liechtenstein, ist nach Durchführung mehrerer Verschmelzungsvorgänge Rechtsnachfolgerin der B GmbH mit ehemals Sitz in E. Diese betrieb seit ihrer Gründung und Eintragung in das Handelsregister am 00.00.2012 ein Unternehmen, dessen Gegenstand die Beteiligung an Personen- und Kapitalgesellschaften, die Verwaltung eigenen Vermögens, die Erbringung aller Dienstleistungen hinsichtlich der Konzeption und Verwaltung von Kapitalanlagen sowie der Erwerb, Handel, Verwaltung und Vermietung von Immobilien war. In den Streitjahren widmete sich die B GmbH jedoch ausschließlich der Konzeption von Kapitalanlagen und deren Verwaltung.
Die B GmbH wurde am 00.11.2015 mit der BB GmbH (Sitz in F) als übernehmende Rechtsträgerin verschmolzen, welche im Anschluss daran umbenannt wurde in BBB GmbH. Diese Firma ist dann durch Verschmelzung mit der BBB GmbH mit Sitz in I als übernehmende Rechtsträgerin erloschen. Das Erlöschen der Firma wurde am 00.11.2015 im Handelsregister bekannt gemacht. Die BBB GmbH mit Sitz in I wurde wiederum im Jahr 2016 mit der Klägerin als übernehmende Rechtsträgerin verschmolzen.
Zur Finanzierung ihrer Tätigkeit sammelte die B GmbH von privaten Kapitalanlegern Geld ein. Die Überlassung der finanziellen Mittel erfolgte im Rahmen eines Darlehens mit der B GmbH als Darlehensnehmerin. Bei den Darlehen handelte es sich um sog. Nachrangdarlehen, bei denen die sich aus der Darlehensvereinbarung ergebenden Forderungsansprüche des Gläubigers gegenüber allen anderen Ansprüchen von anderen Gläubigern der B GmbH zurücktreten (vgl. § 7 des Musters eines Vertrages über den Abschluss eines Nachrangdarlehens – Serie B, Bl. 89 der Gerichtsakte). Die Darlehenssumme konnte entweder in einer Summe (Serie A) oder in Raten (Serie B) eingezahlt werden (vgl. Bl. 108 der Akte USSt, Band I). Die B GmbH als Darlehensnehmerin war berechtigt, einen Ausgabeaufschlag (Agio) bei der Aufnahme des Nachrangdarlehens zu erheben. Ein erhobenes Agio musste im Rahmen der Rückzahlung des Darlehens dem Darlehensgeber nicht erstattet werden (vgl. § 2 Nr. 4 des Musters eines Vertrages über den Abschluss eines Nachrangdarlehens – Serie B, Bl. 88 der Gerichtsakte). Die vereinbarte Laufzeit eines Darlehens betrug mindestens 5 Jahre und höchstens 30 Jahre (vgl. § 3 Nr. 1 des Musters eines Vertrages über den Abschluss eines Nachrangdarlehens – Serie B, Bl. 88R der Gerichtsakte). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den eingereichten Mustervertrag der B GmbH Bezug genommen (Bl. 87 ff. der Gerichtsakte).
Die Akquise von Kapitalanlegern bzw. Gläubigern von Nachrangdarlehen erfolgte über sog. Vertriebspartner. Diese dienten als Vermittler. Im Fall der erfolgreichen Vermittlung eines Nachrangdarlehens an die B GmbH erwarb der Vertriebspartner einen Anspruch auf eine Provision, solange die B GmbH selbst eine Provision erhalten hatte (vgl. § 4 Nr. 1 des Musters einer Rahmen-Vertriebsvereinbarung zwischen der B GmbH und dem jeweiligen Vertriebspartner, Bl. 84R der Gerichtsakte). Der jeweilige Vertriebspartner hatte einen Anspruch auf eine einmalige Abschlussprovision in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes, wenn im Vertrag über das Nachrangdarlehen ein Agio von 5 % vereinbart worden war. Wurde eine abweichende Höhe des Agios vertraglich vereinbart, reduzierte sich der Provisionsanspruch des Vermittlers um den Prozentsatz des nachgelassenen Agios (vgl. Provisionsvereinbarung, Anlage 1, Bl. 86R der Gerichtsakte).
Die B GmbH schloss im Juni 2013 mit der H GmbH (H GmbH) einen Vertrag über die Kooperation im Bereich des Kapitalmanagements. Nach den vertraglichen Vereinbarungen überließ die B GmbH der H GmbH die von ihr akquirierten finanziellen Mittel, damit die H GmbH diese Gelder im eigenen Namen und auf eigene Rechnung am Kapitalmarkt anlegte. Für die Überlassung des Kapitals erhielt die B GmbH einen Rohertrag von 24 % pro Jahr bezogen auf den valutierenden Einzahlungsbetrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Kooperationsvertrag vom 17.06.2013 Bezug genommen (Bl. 93 ff. der Akte USSt, Band I).
Die B GmbH reichte am 22.09.2014 ihre Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2013 ein, in welcher sie die erzielten Umsätze i.H.v. insgesamt 306.763 € als nach § 4 Nr. 8 ff. des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei behandelte. Die festzusetzende Steuer betrug danach 0 €. Die eingereichte Steuererklärung stand als Steueranmeldung mit Zustimmung des Beklagten vom 26.09.2014 einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Der Beklagte führte mit Beginn am 03.07.2014 bei der B GmbH eine Umsatzsteuersonderprüfung für das Besteuerungsjahr 2013 durch. Die Prüferin traf u.a. folgende Feststellungen: Nach den Vereinbarungen mit den Kapitalanlegern erhalte die B GmbH jeweils bei Abschluss eines Vertrages ein nicht zurückzuzahlendes Agio. Die Summe der in 2013 erhaltenen Agios betrage 343.312,01 €. Dabei handele es sich um umsatzsteuerliches Entgelt, welches nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 ff. UStG falle. Danach habe die B GmbH insoweit steuerpflichtige Umsätze (netto) i.H.v. 288.497,49 € ausgeführt und die Umsatzsteuer betrage danach 54.814,52 €. Ferner dürfe die B GmbH 10 % der ihr gewährten Darlehenssumme zur Deckung ihrer laufenden Kosten verwenden. Auch insoweit liege ein steuerpflichtiges Entgelt vor, welches mangels Steuerbefreiung der Steuerpflicht unterliege. Ausgehend von einem hierdurch erzielten Bruttoumsatz von 807.945,73 € betrage die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage 678.945,99 € und die Umsatzsteuer 128.999,74 €. Darüber hinaus seien im Schätzungswege steuerpflichtige Umsätze aus der Geschäftsbeziehung mit der H GmbH i.H.v. 80.000 € brutto und eine sich daraus ergebende Umsatzsteuer i.H.v. 12.773 € anzusetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 18.09.2014 (Bl. 65 der Akte USSt, Band I) Bezug genommen.
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin. Mit einem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid vom 27.10.2014 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 2013 auf 196.587,30 € fest. Der Änderungsbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gegen diesen Bescheid legte die B GmbH am 25.11.2014 Einspruch ein. Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 24.04.2015, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, minderte der Beklagte die Umsatzsteuer um die geschätzten Umsätze (67.226 € netto) aus der Geschäftsbeziehung mit der H GmbH und setzte die Umsatzsteuer auf 183.813,98 € fest. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Aus seiner Sicht seien sowohl die Agios als auch die für die laufenden Kosten verwendeten 10 % der erhaltenen Darlehenssummen steuerpflichtige Entgelte.
Am 02.07.2015 stellte die B GmbH den Antrag, die Umsatzsteuer 2013 auf 0 € festzusetzen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 30.07.2015 ab, wogegen die B GmbH am 26.08.2015 Einspruch einlegte. Während des sich anschließenden Einspruchsverfahrens setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 2013 mit Bescheid vom 17.09.2015 auf 192.652,59 € fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 23.10.2015 minderte der Beklagte die Umsatzsteuer 2013 auf 185.493 €. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Dem Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2013 half der Beklagte teilweise ab und minderte die Umsatzsteuer 2013 mit einem weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 09.11.2015 auf 54.814,43 €. Er schloss sich der Auffassung der B GmbH an, dass es sich bei den 10 % der Darlehenssummen, die zur Deckung der laufenden Kosten verwendet werden dürften, nicht um steuerpflichtige Entgelte handele. Im Übrigen wies er den Einspruch mit seiner Entscheidung vom 12.08.2016 als unbegründet zurück. Er begründete seine Entscheidung damit, dass es sich bei den erhaltenen Agios um Entgelte handele, welche als Gegenleistung für eine Leistung der B GmbH gezahlt worden seien. Die Leistung der B GmbH habe darin bestanden, das Geld des jeweiligen Kapitalanlegers zu verwalten. Die Entgelte seien auch nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfrei. Denn die B GmbH sei Kreditnehmerin und nicht Kreditgeberin.
Hinsichtlich des Besteuerungsjahres 2014 führte der Beklagte mit Beginn am 29.06.2015 bei der B GmbH ebenfalls eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Die Prüferin traf dabei u.a. folgende Feststellungen: Die B GmbH habe von den Kapitalanlegern Agios in Höhe von 1.248.423,86 € erhalten. Dabei handele es sich wie im Vorjahr um steuerpflichtige Entgelte. Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage betrage 1.049.095,68 € und die Umsatzsteuer 199.328,18 €. Ebenfalls steuerpflichtige Entgelte seien wie im Besteuerungsjahr 2013 die 10 % der gewährten Darlehenssummen, welche die B GmbH zur Deckung ihrer laufenden Kosten habe verwenden dürfen. Ausgehend von einem Bruttoumsatz von 4.498.521,39 € würde sich der Nettoumsatz auf 3.780.270,08 € belaufen und die Umsatzsteuer betrage 718.251,31 €. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 28.08.2015 (Akte USSt, Band II, unter dem Reiter Bericht) Bezug genommen.
Der Beklagte folgte auch für das Besteuerungsjahr 2014 den Feststellungen der Prüferin und erließ jeweils geänderte Bescheide über die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Januar bis Dezember 2014. Gegen diese Änderungsbescheide legte die B GmbH jeweils fristgemäß Einsprüche ein. Diesen half der Beklagte hinsichtlich der als steuerpflichtig behandelten 10 % der erhaltenen Darlehenssummen ab, die er in den geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden für die Monate Januar bis Dezember 2014, jeweils vom 12.11.2015, nicht mehr als steuerpflichtige Entgelte behandelte. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch mit seiner Entscheidung vom 12.08.2016, die weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, als unbegründet zurück. Bei den Agios handele es sich um ein Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches. Die Leistung der B GmbH habe darin gelegen, dass sie das Geld der Kläger anlege. Die Hingabe des Agios durch den jeweiligen Kapitalanleger sei nicht für die Ausgabe von Gesellschaftsanteilen oder einer Inhaberschuldverschreibung erfolgt. Die ausgeübten Umsätze unterlägen mangels Steuerbefreiung auch der Steuerpflicht. Insbesondere seien diese nicht nach den Regelungen des § 4 Nr. 8 ff. UStG steuerfrei.
Am 13.09.2016 hat die B GmbH Klage hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2013 und 2014 erhoben.
Der Beklagte hat nach Klageerhebung die Umsatzsteuer 2014 durch Schätzungsbescheid vom 07.06.2017 entsprechend der bisher festgesetzten Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Januar bis Dezember 2014 auf 199.328,05 € festgesetzt.
Die Klägerin trägt vor, sie sei als Rechtsnachfolgerin der B GmbH Klägerin geworden. Die Erhebung der Agios sei nicht in einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch erfolgt. Die B GmbH habe vom jeweiligen Kapitalanleger nur ein Darlehen aufgenommen. Die damit verbundene Entgegennahme und Aufbewahrung des Geldes stelle keine Leistung dar. Folglich fehle es für das einbehaltene Agio als Geldzahlung schon an einer umsatzsteuerlichen Leistung als Gegenleistung. Das Agio ist als Nebenleistung zur Gewährung des Darlehens durch den jeweiligen Kapitalanleger an die B GmbH zu sehen. Da aber weder die Hingabe noch die Entgegennahme und das Halten eines Darlehens eine umsatzsteuerliche Leistung darstelle, teile das Agio als Nebenleistung das Schicksal als nichtsteuerbare Leistung. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei dem Agio um ein Entgelt für eine umsatzsteuerliche Leistung handele, so sei der damit getätigte Umsatz nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei. Dies entspräche dem Sinn und Zweck der Befreiung, der die bloße Hin- und Herbewegung von Kapital als steuerunwürdigen Endverbrauch steuerfrei zu stellen beabsichtige. Vorliegend stehe das Geldgeschäft im Vordergrund. Der BFH habe in seinem Urteil vom 30.11.2016 (V R 18/16) entschieden, dass die Vermittlung und Übernahme von Verbindlichkeiten nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei seien. Denn es handele sich um eine darunter fallende Finanzdienstleistung, welche nach dem Urteil des EuGH vom 19.04.2007 (C-455/05) nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerfrei sei. Das Agio stehe auch im Zusammenhang mit der Eingehung des Darlehens durch die B GmbH. Sie habe das Agio zur Deckung der Vertriebskosten, welche im Zusammenhang mit der Akquise der Darlehen bzw. der Kapitalanleger durch die Vertriebspartner entstanden seien, verwendet.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 30.07.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.08.2016 zu verpflichten, die Umsatzsteuer 2013 auf 0 € festzusetzen,
den Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 07.06.2017 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 0 € festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Unterliegensfall,
die Revision zuzulassen.
Er trägt vor, dass es sich bei den vereinnahmten Agios um steuerpflichtige Entgelte handele. Es liege ein Leistungsaustausch vor, denn dem Agio stünde als umsatzsteuerliche Leistung die Annahme des gewährten Darlehens sowie dessen Verzinsung gegenüber. Mangels einer einschlägigen Steuerbefreiung sei der Umsatz auch steuerpflichtig. Die B GmbH habe keine Leistung im Sinne des § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG erbracht.
In der Sache hat am 25.07.2017 ein Erörterungstermin vor der ehemals zuständigen Berichterstatterin stattgefunden. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
In der Sache ist am 04.12.2018 mündlich vor dem Senat verhandelt worden. Auf das Verhandlungsprotokoll wird Bezug genommen.
Aus den Gründen
29 Die Klage hat Erfolg.
30 Die Klage ist zulässig.
31 Zwar war die B GmbH im Zeitpunkt der Klageerhebung infolge der Verschmelzung bereits erloschen. Nach den Gesamtumständen des Einzelfalls ist die Klage aber als im Namen der Gesamtrechtsnachfolgerin erhoben anzusehen.
32 Die Klage ist auch begründet.
33 Die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2013 vom 30.07.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.08.2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten darauf, dass die Umsatzsteuer 2013 auf 0 € festgesetzt wird. Der Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 07.06.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
34 Es kann dahingestellt bleiben, ob die B GmbH mit Abschluss der Darlehensverträge eine steuerbare Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat. Denn diese Leistung wäre jedenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.
35 1. Nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG ist die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze von der Steuerpflicht befreit.
36 a) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (zuvor: Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG) (vgl. hierzu und zum Folgenden BFH, Urteil vom 30.11.2016, V R 18/16, BFHE 255, 572). Steuerfrei ist danach die Vermittlung und Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber. Diese Steuerfreiheit bezieht sich auf Finanzdienstleistungen (EuGH, Urteil vom 19.04.2007, C-455/05 (Velvet & Steel Immobilien), EU:C:2007:232, Rz. 21, ergangen zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Hierzu gehört nicht die Übernahme der Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, da es sich der Art nach nicht um ein Finanzgeschäft handelt (EuGH, a.a.O., Rz. 23). Der EuGH hat dies insbesondere damit begründet, dass die Befreiung von Finanzgeschäften bezwecke, Schwierigkeiten zu beseitigen, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage verbunden sind (EuGH, a.a.O., Rz. 24). Der Begriff der "Übernahme von Verbindlichkeiten" im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG schließt somit andere als Geldverbindlichkeiten, wie die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, von der Steuerfreiheit aus (EuGH, a.a.O., Rz. 26).
37 Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL ist eng auszulegen und definiert die danach steuerfreien Umsätze durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung (EuGH, Urteil vom 22.10.2009, C-242/08 (Swiss Re), EU:C:2009:647, Rz. 44). Dabei ist die entgeltliche Übertragung eines Bestands von Lebensrückversicherungsverträgen eine einheitliche Leistung, die nicht künstlich in zwei Leistungen, die Übernahme von Verbindlichkeiten im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG und einen Umsatz im Geschäft mit Forderungen im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG, aufgespalten werden kann (EuGH, a.a.O., Rz. 52).
38 b) Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei der gegen Entgelt eingegangenen Verpflichtung eines Unternehmers, ein Mietverhältnis einzugehen, um einen nach § 4 Nr. 8 Buchst. g. UStG befreiten Umsatz. Denn es kommt nicht darauf an, ob der Leistende eine bereits bestehende Verbindlichkeit übernimmt oder erstmals eine Verbindlichkeit begründet, da sich die Steuerfreiheit bei richtlinienkonformer Auslegung nach der Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert (BFH, Urteil vom 30.11.2016, V R 18/16, BFHE 255, 572, mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 22.10.2009, C-242/08 (Swiss Re), EU:C:2009:647, Rz. 44).
39 2. Nach diesen Grundsätzen ist die Annahme eines Nachrangdarlehens durch die B GmbH als Darlehensnehmerin eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfreie Leistung.
40 a) Es handelt sich dabei um ein Finanzgeschäft im Sinne des Art. 135 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL, denn bei der von der B GmbH gegenüber den Kapitalanlegern bzw. Gläubigern eingegangenen Verbindlichkeit handelt es sich um eine Geldverbindlichkeit. Die B GmbH verpflichtete sich mit Abschluss des Darlehensvertrages zur Rückzahlung des gewährten Darlehensbetrages sowie zur Zahlung von Zinsen.
41 b) Die B GmbH hat mit Abschluss des jeweiligen Darlehensvertrages eine Verbindlichkeit im Sinne des § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG übernommen. Die erstmalige Eingehung einer Darlehensverbindlichkeit fällt in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung. In sprachlicher Hinsicht umfasst die Übernahme einer Verbindlichkeit die Eingehung einer Verbindlichkeit (so auch Philipowski in: Rau/Dürrwächter, UStG, Stand: Juli 2018, § 4 UStG Rz. 471). Ferner kommt es nach richtlinienkonformer Auslegung zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Steuerbefreiung auf die Art der erbrachten Dienstleistung an. Die Annahme eines Darlehens ist ebenso auf die Eingehung einer Geldverbindlichkeit gerichtet wie im Fall einer befreienden Schuldübernahme nach §§ 415, 416 des Bürgerlichen Gesetzbuches, bei dem es sich um einen typischen Anwendungsfall der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g. UStG handelt (vgl. hier nur Handzik in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, Stand: Januar 2017, § 4 Rz. 245).
42 c) Bei den Agios handelt es sich auch um Entgelte für die Annahme des Nachrangdarlehens durch die B GmbH. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. So gehört z.B. im Fall einer Bürgschaftsübernahme auch die Provision, die der Bürge für seine Bürgschaftserklärung erlangt, zum Entgelt (Philipowski in: Rau/Dürrwächter, UStG, Stand: Juli 2018, § 4 UStG Rz. 487; Handzik in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, Stand: Januar 2017, § 4 Rz. 253). Das Agio wurde von dem jeweiligen Kapitalanleger aufgewendet, um die B GmbH zum Abschluss des Darlehensvertrages zu veranlassen.
43 3. Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2013 gem. § 164 Abs. 2 AO dahingehend, die Umsatzsteuer auf 0 € festzusetzen.
44 § 164 Abs. 2 AO räumt der Finanzbehörde zwar ein Ermessen hinsichtlich der Änderung eines Steuerbescheides ein. Dieses reduziert sich jedoch auf Null, wenn die Behörde erkannt hat, dass der Steuerbescheid rechtswidrig ist. Denn in diesem Fall hat bereits nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO von Amts wegen ein Änderung zu erfolgen (BFH, Urteil vom 11.11.2008, IX R 53/07, BFH/NV 2009, 364).
45 Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerbescheid 2013 vom 09.11.2015 ist rechtswidrig, soweit in diesem von der B GmbH erhobene Agios als steuerpflichtige Umsätze angesetzt werden. Denn diese sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei (vgl. hierzu oben). Die Umsatzsteuer ist um 54.814,43 € zu mindern und auf verbleibende 0 € festzusetzen.
46 4. Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
47 5. Die Revision ist nicht zuzulassen. Es liegen keine Gründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO vor.