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Steuerrecht
20.02.2025
Steuerrecht
EuGH-SA: Dienstleistungen gegen Entgelt – Ausgleichszahlungen zur Deckung von Verlusten – unmittelbar mit dem Preis zusammenhängende Subventionen (Polnisches Vorabentscheidungsersuchen)

GAin Kokott, Schlussanträge vom 13.2.2025 – C-615/23; Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej gegen P. S.A.

ECLI:EU:C:2025:92

Volltext BB-Online BBL2025-469-1

Schlussantrag

Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sind dahingehend auszulegen, dass eine nachträgliche Ausgleichszahlung für finanzielle Verluste, die der Höhe nach durch eine EU-Verordnung limitiert ist und die sich nicht nach der Anzahl der Nutzer, sondern nach den pauschal angebotenen Fahrzeugkilometern richtet, kein Entgelt für eine Dienstleistung an die zahlende Einheit der territorialen Selbstverwaltung darstellt. Eine solche Ausgleichszahlung stellt auch kein Entgelt von dritter Seite zugunsten der konkreten Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs dar, da sie keinen unmittelbaren, sondern allenfalls einen mittelbaren Einfluss auf die Preiskalkulation des bezuschussten Unternehmens hat.

 

Aus den Gründen

I.      Einleitung

1.        Im vorliegenden Verfahren ist der Gerichtshof mit der grundsätzlichen Frage beschäftigt, wie die Bezuschussung eines Steuerpflichtigen durch eine Gebietskörperschaft im öffentlichen Interesse (hier der Bereitstellung eines öffentlichen Personenverkehrs) mehrwertsteuerrechtlich zu behandeln ist. Stellt der Zuschuss einen Teil des Entgelts für die Leistung des Steuerpflichtigen an den Zuschussgeber oder seine Kunden dar, muss der Steuerpflichtige aus dem Zuschuss die Mehrwertsteuer abführen (bzw. der Zuschuss entsprechend höher ausfallen). Ist der Zuschuss hingegen kein Teil des Entgelts für eine Leistung (zugunsten des Zuschussgebers oder der Kunden), sondern ein allgemeiner Zuschuss zugunsten des Steuerpflichtigen, fehlt es an einem steuerbaren Umsatz, so dass auch keine Mehrwertsteuer anfällt.

2.        Die Grenze zwischen den beiden Konstellationen ist nicht immer einfach zu ziehen und hat den Gerichtshof schon in mehreren Verfahren beschäftigt.(2) In diesem Vorabentscheidungsverfahren muss sich der Gerichtshof nun mit der geplanten Bezuschussung eines Unternehmens des öffentlichen Personenverkehrs befassen, welches eine Ausgleichszahlung zur Deckung der Verluste erhält, die mit der Bereitstellung der Verkehrsverbindungen einhergehen. Diese Zahlung wird nicht nach der Zahl der Benutzer, sondern pauschal nach den angebotenen Fahrzeugkilometern berechnet. Insofern bietet sich für den Gerichtshof die Möglichkeit, die Kriterien für die Abgrenzung eines Zuschusses für eine Leistung von einem allgemeinen Zuschuss unabhängig von einer Leistung weiterzuentwickeln.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        Den unionsrechtlichen Rahmen bestimmt die Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).(3) Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

a)      Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt; …

c)      Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.

4.        Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft die Steuerbemessungsgrundlage und lautet:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“

B.      Polnisches Recht

5.        Polen hat die Mehrwertsteuerrichtlinie durch das Gesetz vom 11. März 2004 über die Steuer auf Gegenstände und Dienstleistungen (Ustawa o podatku od towarów i usług, Dz. U. 2011, Nr. 177, Pos. 1054, mit Änderungen – im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) umgesetzt.

6.        Dessen Art. 29a Abs. 1 sieht im Wesentlichen vor, dass als Bemessungsgrundlage alles gilt, was die Gegenleistung darstellt, die der Lieferer bzw. Dienstleistungserbringer aufgrund des Verkaufs vom Erwerber, vom Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhalten hat bzw. erhalten soll, einschließlich der erhaltenen Zuschüsse, Subventionen und anderen Zuzahlungen ähnlicher Art, die einen unmittelbaren Einfluss auf den Preis der durch den Steuerpflichtigen gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen haben.

7.        Darüber hinaus existiert das Gesetz vom 16. Dezember 2018 über den öffentlichen Personenverkehr (Ustawa o publicznym transporcie zbiorowym, Dz. U. 2018 Pos. 2016 mit Änderungen). Dessen Art. 50 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c bestimmt, dass die Finanzierung von Beförderungsleistungen von allgemeinem Interesse insbesondere darin bestehen kann, dass dem Betreiber eine Ausgleichsleistung für die Kosten, die ihm im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen im öffentlichen Personenverkehr entstehen, gezahlt wird.

III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsverfahren

8.        Die P. S.A. (im Folgenden: Gesellschaft) stellte bei der Steuerverwaltung einen Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids betreffend die Steuer auf Gegenstände und Dienstleistungen (Mehrwertsteuer).

9.        Die Gesellschaft ist ein Unternehmen, das eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Sie ist laut dem vorlegenden Gericht kein über das Kapital oder durch Personen mit den Einheiten der territorialen Selbstverwaltung verbundenes Rechtssubjekt, d. h., sie ist kein interner Betreiber im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007(4). Damit ist wohl gemeint, dass die Gesellschaft ein unabhängiges privates Unternehmen ist.

10.      Die Gesellschaft verfügt über eine vollständige Buchführung, ist ein Körperschaftsteuersubjekt und eine aktive Mehrwertsteuerpflichtige. Sie ist hauptsächlich im Bereich der Personenbeförderung tätig. Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 und des Gesetzes über den öffentlichen Personenverkehr erwägt die Gesellschaft die Möglichkeit, Verträge über die Erbringung von öffentlichen Straßenverkehrsdiensten mit Einheiten der territorialen Selbstverwaltung abzuschließen, die die Zahlung der in Art. 50 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c des Gesetzes über den öffentlichen Personenverkehr vorgesehenen Ausgleichsleistung an die Gesellschaft vorsehen würden. Die Gesellschaft würde als Betreiber auftreten, während die andere Vertragspartei der Organisator des öffentlichen Personenverkehrs wäre.

11.      Im Rahmen ihrer Tätigkeit im öffentlichen Personenverkehr würde die Gesellschaft Einnahmen aus dem Verkauf von Fahrkarten erzielen, aus denen die Kosten der Beförderungstätigkeit gedeckt werden würden. Die Fahrpreise würden alternativ 1. vom Organisator des öffentlichen Personenverkehrs durch Beschlüsse der zuständigen Behörden oder 2. vom Organisator in Form eines Mustervertrags über die Erbringung von öffentlichen Straßenverkehrsdiensten festgesetzt werden.

12.      Die Gesellschaft erhielte Einnahmen aus den folgenden Quellen:

1.      Einnahmen aus dem Verkauf von Fahrkarten und andere Zahlungen, die der Mehrwertsteuer (grundsätzlich einem Satz von 8 %) unterliegen;

2.      Ausgleichsleistung für durch die Anwendung der gesetzlichen Ansprüche auf Fahrpreisermäßigungen entstehende Einnahmeausfälle, die objektiven Charakter hat und der Mehrwertsteuer (8 %) unterliegt;

3.      Ausgleichsleistung für Einnahmeausfälle, die durch die Anwendung von im Zuständigkeitsbereich des Organisators festgelegten Ansprüchen auf Fahrpreisermäßigungen entstehen;

4.      sonstige Einnahmen (z. B. Bereitstellung von Werbeflächen), wobei die Einnahmequellen aus den Nrn. 2 bis 4 je nach dem Inhalt des jeweiligen Vertrags oder der gesetzlichen Bestimmungen gleichzeitig, teilweise oder gar nicht auftreten können.

13.      Die Finanzierung der erbrachten öffentlichen Verkehrsdienste mit den genannten Einnahmen würde die Kosten der Beförderungstätigkeit nicht decken, so dass die Gesellschaft vom Organisator eine Ausgleichsleistung zur Deckung der sich aus der Erbringung dieser Dienste ergebenden Verluste erhielte. Die Höhe der Ausgleichsleistung darf den Betrag nicht überschreiten, der dem gemäß der Verordnung Nr. 1370/2007 berechneten finanziellen Nettoeffekt der Erbringung öffentlicher Stadtverkehrsdienste entspricht.

14.      Der Vertrag mit dem Organisator würde die detaillierten Modalitäten für die Berechnung der Höhe des finanziellen Nettoeffekts der Dienstleistungen, die Art und Weise der Zahlung der Ausgleichsleistung und den Höchstbetrag der Ausgleichsleistung für einen bestimmten Zeitraum festlegen. Ein negativer Nettoeffekt bildet die Grundlage für eine Ausgleichsleistung. Die Ausgleichsleistung hätte keinen Einfluss auf den Fahrpreis, d. h. auf den Preis der erbrachten Dienstleistung. Sie ist allgemeiner Natur und stellt eine Finanzhilfe zu den allgemeinen Kosten der vertragsgemäß erbrachten Beförderungstätigkeit dar.

15.      Die Gesellschaft stellte der Steuerbehörde u. a. die Frage, ob es sich bei einer solchen Ausgleichsleistung (im Folgenden: Zuschuss) um einen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsatz im Sinne von Art. 29a Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes handele. Nach Ansicht der Gesellschaft würde der Zuschuss die Steuerbemessungsgrundlage im Sinne von Art. 29a Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes nicht erhöhen, da sie keinen unmittelbaren Einfluss auf den Preis der erbrachten Dienstleistungen im öffentlichen Personenverkehr habe.

16.      Im Steuervorbescheid vom 14. Mai 2019 sah die Behörde diesen Standpunkt als unzutreffend an und stellte fest, dass die Gesellschaft bei der Ausübung der im Antrag beschriebenen Tätigkeit, die der Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 2 des Mehrwertsteuergesetzes entspreche, als Mehrwertsteuerpflichtige handele. Die Behörde stellte fest, dass ein solcher Zuschuss eine Zuzahlung im Sinne von Art. 29a Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes darstelle, die einen unmittelbaren Einfluss auf den Preis der erbrachten Dienstleistungen habe.

17.      Mit Urteil vom 26. November 2019 hob das erstinstanzliche Gericht den angefochtenen Steuervorbescheid auf. In der Begründung stellte das Gericht fest, aus dem Antrag gehe hervor, dass der Zuschuss keinen Einfluss auf den Fahrpreis (Preis der Dienstleistung) hätte, weil der Organisator die Fahrpreise festsetze. Es verneinte einen eindeutigen und klar erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Preis der erbrachten Beförderungsleistungen und dem Zuschuss. Dagegen hat die Finanzverwaltung Rechtsmittel eingelegt.

18.      Das mit dem Rechtsstreit nun befasste Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) legte dem Gerichtshof folgende Frage vor:

Ist Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass eine Ausgleichsleistung wie die im Antrag auf einen Steuervorbescheid beschriebene, die von einer Einheit der territorialen Selbstverwaltung an ein gesondertes Rechtssubjekt (Betreiber) zum Zweck der Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste gezahlt wird, in die Steuerbemessungsgrundlage im Sinne dieser Bestimmung einbezogen ist?

19.      Zu dieser Frage haben im Verfahren vor dem Gerichtshof die polnische Finanzverwaltung, die Republik Polen, Ungarn und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung abgesehen.

IV.    Rechtliche Würdigung

A.      Zu der Vorlagefrage und dem Gang der Untersuchung

20.      Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Ergebnis wissen, nach welchen Kriterien die Zahlung eines Zuschusses (hier in Gestalt der Ausgleichszahlung zur Deckung der Verluste) in die Bemessungsgrundlage eines steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatzes – ausgeführt durch den Zuschussempfänger – nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie einzubeziehen ist.

21.      Dass eine Einheit der territorialen Selbstverwaltung (im Folgenden als „Zuschussgeber“ bezeichnet) im öffentlichen Interesse (hier im Interesse der Aufrechterhaltung eines öffentlichen Personenverkehrs) Ausgleichzahlungen zur Deckung der Kosten leistet, ist nichts Ungewöhnliches, denn sie hat ein gewisses (öffentliches) Interesse daran.

22.      Die generelle Einbeziehung aller staatlichen Zuschüsse in die mehrwertsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage hätte zur Folge, dass sich jeder Zuschuss entweder um die abzuführende Mehrwertsteuer reduziert, da der Empfänger diesen Anteil nicht mehr für den Förderzweck verwenden kann, oder es müsste die Fördersumme um den Mehrwertsteuerbetrag erhöht werden, was in Zeiten knapper Kassen der öffentlichen Haushalte nicht immer möglich sein wird. Wohl auch aus diesem Grund besteht Einigkeit darüber, dass nicht jede Zahlung durch die öffentliche Hand im öffentlichen Interesse an ein Unternehmen als mehrwertsteuerrechtlich relevante Gegenleistung für eine Lieferung oder eine Dienstleistung anzusehen ist,(5) die der Mehrwertsteuer unterfällt.

23.      Auch aus dem Wortlaut von Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie wird deutlich, dass nicht jeder Zuschuss in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer fällt. Vielmehr werden nur die unmittelbar mit dem Preis der Umsätze zusammenhängenden Subventionen erfasst. Insofern muss zwischen mehrwertsteuerrechtlich irrelevanten Subventionen und unmittelbar mit dem Preis der Umsätze zusammenhängenden Subventionen unterschieden werden. Letztere können auch als Gegenleistung (hier eines Dritten in Gestalt des Zuschussgebers) bezeichnet werden.

24.      Aus der Begründung des vorlegenden Gerichts im Vorabentscheidungsersuchen wird allerdings deutlich, dass dieses möglicherweise auch von einer direkten Leistung der Gesellschaft an den Zuschussgeber (Bereitstellen eines öffentlichen Personenverkehrs) ausgeht. Auch in diesem Fall wäre der Zuschuss als Gegenleistung für eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung zu betrachten. Folglich will das Gericht eigentlich wissen, ob der Zuschuss hier unter Art. 2 Abs. 1 Buchst. c (Dienstleistung gegen Entgelt) oder unter Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie (Entgelt eines Dritten, einschließlich der Subventionen) fällt.

25.      Der Gerichtshof hat schon mehrfach versucht, Kriterien für diese Auslegung zu entwickeln. So wurden Zahlungen der Mitglieder an einen Verband zur Absatzförderung(6) ebenso wie Zuschüsse an Landwirte zur Aufgabe der Milchproduktion(7) oder für einen Ernteverzicht(8) vom Gerichtshof nicht als Entgelt für eine Lieferung oder Dienstleistung angesehen. Gleiches gilt für den Zuschuss an eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt zur Aufrechterhaltung ihres Programms.(9) Hingegen sah der Gerichtshof ein Entgelt als möglicherweise gegeben an, wenn eine bestimmte Verbindung zwischen der Subvention und dem Preis für eine Leistung an einen Dritten besteht.(10) Dies wurde bei einem Zuschuss von 10 Pfund Sterling (GBP) pro durchgeführte Energieberatung(11) und bei Zuzahlungen eines Betriebsfonds zu konkreten Lieferungen einer Erzeugerorganisation an ihre Mitglieder(12) bejaht, nicht jedoch bei einem Zuschuss an Trockenfutterhersteller, um zu Weltmarktpreisen produzieren zu können.(13)

26.      Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, ob die bezuschusste Tätigkeit der Gesellschaft hier als eine Leistung gegen Entgelt angesehen werden kann, ist – wie so häufig – der Charakter der Mehrwertsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer (dazu unter B.1). Anschließend werde ich die nach der Mehrwertsteuerrichtlinie erforderlichen Kriterien für die Beantwortung dieser Frage darstellen (unter B.2), um im konkreten Fall eine nützliche Antwort geben zu können (unter B.3).

B.      Zur Abgrenzung eines mehrwertsteuerrechtlich irrelevanten Zuschusses von einer mehrwertsteuerrechtlich relevanten Gegenleistung

1.      Charakter der Mehrwertsteuer

27.      Ihrem Charakter nach ist die Mehrwertsteuer eine allgemeine Verbrauchsteuer, die den Aufwand (in der Regel eine Geldzahlung) des Leistungsempfängers für eine Lieferung oder Dienstleistung besteuern will,(14) den der Leistende vom Leistungsempfänger erhält. Dieser Betrag wird in Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie um den Aufwand, den ein Dritter trägt, erweitert. Mithin wird auch die Gegenleistung erfasst, die der Leistende von einem Dritten „für diese Umsätze“ erhält. Es muss sich aber in beiden Fällen um eine Gegenleistung für einen Umsatz desjenigen handeln, der die Geldzahlung erhält, hier der Gesellschaft.

28.      Was ein steuerbarer Umsatz ist, wird in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie definiert. Danach unterliegen der Mehrwertsteuer folgende Umsätze: Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaates erbringt. Insbesondere aus der Definition einer Lieferung in Art. 14 der Mehrwertsteuerrichtlinie („Übertragung der Befähigung“) wird deutlich, dass der Leistende dem Leistungsempfänger einen konkreten verbrauchbaren Vorteil (bei der Lieferung einen Gegenstand) verschaffen muss. Es geht mithin um die Besteuerung eines entgeltlichen Konsumguttransfers zwischen zwei Personen.

29.      Die Mehrwertsteuer ist eine Verbrauchsteuer, durch welche die Leistungsfähigkeit des Verbrauchers besteuert werden soll, die sich in der Aufwendung von Vermögen zur Verschaffung eines verbrauchbaren Nutzens zeigt. Folglich kann ein mehrwertsteuerrechtlicher Umsatz nur vorliegen, wenn der Steuerpflichtige einem bestimmten Verbraucher einen konkreten Vorteil verschafft. Verschafft hingegen der Zuschussempfänger lediglich der Allgemeinheit einen allgemeinen Vorteil, führt dies nicht zu einem steuerbaren Umsatz.

30.      Zuschüssen ist eigen, dass der Zuschussgeber den Zuschuss immer auch in seinem eigenen Interesse beziehungsweise bei Zuschüssen der öffentlichen Hand in seinem Kompetenzbereich vergibt. Jedoch vermag allein der Umstand, dass der Zuschussempfänger (hier die Gesellschaft) ein Ziel verfolgt, welches sich mit den Zielen des Zuschussgebers überschneidet oder gar deckt (hier das Interesse an einem funktionierenden Personenverkehr im eigenen Hoheitsgebiet), nicht zur Annahme eines verbrauchbaren Vorteils im Sinne des Mehrwertsteuerrechts führen. Andernfalls wäre die Formulierung in Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie obsolet, wonach die Subvention unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängen muss, und es würde jeder Zuschuss das Entgelt für einen verbrauchbaren Vorteil darstellen.

2.      Kriterien für eine Abgrenzung

31.      Der Gerichtshof hat daher von Beginn an danach abgegrenzt, ob eine Leistung im Sinne des Mehrwertsteuerrechts vorliegt, für die der Zuschuss aufgewendet wurde.(15) Dies hat der Gerichtshof(16) verneint, sofern der Unternehmer lediglich darin eingewilligt hat, dass er weniger Milch erzeugt und dafür eine Vergütung (Subvention) erhält. Der Gerichtshof befand, dass die Aufgabe der Milcherzeugung durch den Landwirt wohl im Interesse des Subventionsgebers stand, diesem aber keinen verbrauchbaren Vorteil verschaffte, sondern vielmehr im allgemeinen Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Milchmarktes in der Europäischen Union erfolgte.(17) Insbesondere – so der Gerichtshof ausdrücklich – erbringe der Landwirt keinem identifizierbaren Verbraucher Dienstleistungen, und er verschaffe keinen Vorteil, der einen Kostenfaktor in der Tätigkeit eines anderen Beteiligten am Wirtschaftsleben bilden könne.(18)

32.      Gleiches galt für einen Verein, der für bestimmte regionale Erzeugnisse Werbung betrieb und von der Region einen Zuschuss erhielt. Hier stellte der Gerichtshof klar, dass der Zuschuss gerade für die Lieferung eines bestimmten Gegenstands oder die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gezahlt werden müsse,(19) mithin zu prüfen sei, „ob jede einzelne Tätigkeit eine besondere, bestimmbare Zahlung auslöst“.(20) Allein dass die Region ein Interesse an der besseren Vermarktung von Produkten aus der Region habe, genügte dem Gerichtshof nicht. In ähnliche Richtung ging die Beurteilung der Zuschüsse des Staates an ein Fernsehunternehmen, welches von seinen Zuschauern keine Entgelte einnahm.(21) Die Zuschüsse zur Finanzierung des Sendebetriebs wurden nicht als Gegenleistung für eine konkrete Dienstleistung für einen konkreten Zuschauer angesehen. Auch die Existenz eines Sendebetriebs stellte keinen Vorteil für den Zuschussgeber dar, für den dieser einen Zuschuss als Entgelt aufgebracht hat.

33.      Demgegenüber entschied der Gerichtshof bei einem Zuschuss von 10 GBP pro durchgeführte Energieberatung,(22) dass der Betrag, den eine öffentliche Einrichtung einem Wirtschaftsteilnehmer im Zusammenhang mit der Dienstleistung einer Energieberatung zahlte, die gegenüber bestimmten Kategorien von Wohnungsinhabern erbracht wurde, eine Gegenleistung für eine Leistung war. Ebenso hat er Zahlungen aus den Betriebsfonds an eine Erzeugerorganisation für die Lieferung von Investitionsgütern, die den betroffenen Erzeugern zugutekamen, als ein Entgelt eines Dritten für eine Lieferung betrachtet.(23)

34.      Unter Berücksichtigung des Charakters der Mehrwertsteuer und der Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt folglich dann keine Lieferung oder Dienstleistung gegen Entgelt vor, wenn die Zahlung des Zuschusses primär im Interesse der Allgemeinheit an den Zuschussempfänger erfolgt.(24) Denn dann fehlt es an einem konkreten Leistungsempfänger. Der Zuschussgeber wird auch nicht allein deshalb zu einem konkreten Leistungsempfänger, weil er mittelbar ein eigenes Interesse an der bezuschussten Tätigkeit hat.

35.      Zu klären ist mithin, ob der Zuschusszahlung die Verschaffung eines konkreten Vorteils für einen konkreten Leistungsempfänger gegenübersteht. Dafür sind die beiden denkbaren Konstellationen zu unterscheiden. So kann der Zuschuss für eine Leistung an den Zuschussgeber (hier z. B. die Bereitstellung eines öffentlichen Personenverkehrs zugunsten der Gebietskörperschaft – dazu unter a) oder für eine Leistung an die beförderten Personen (Transportdienstleistung zugunsten der Fahrgäste – dazu unter b) gezahlt werden.

a)      Dienstleistung gegen Entgelt (Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie)

36.      Erst wenn der Zuschussempfänger dem Zuschussgeber einen konkreten Vorteil zuwendet, dem der Zuschuss gegenübersteht, kann von einer Leistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie, mithin einer steuerbaren Dienstleistung, gesprochen werden.

37.      Eine Dienstleistung wird nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aber nur dann im Sinne dieser Vorschrift „gegen Entgelt“ erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.(25)

38.      Dies ist bei einem Zuschuss zum nachträglichen Ausgleich von Verlusten fraglich. Es existiert zwar in der Regel eine Vereinbarung zwischen dem Zuschussgeber und dem Zuschussnehmer. Aber einem Zuschuss zum nachträglichen Ausgleich der Verluste aus der bisherigen Tätigkeit steht keine konkret dafür zu erbringende Tätigkeit gegenüber, wie auch Ungarn in seiner schriftlichen Stellungnahme betont. Insofern wird dem Zuschussgeber kein konkreter Vorteil erbracht.

39.      Etwas anderes würde wohl gelten, wenn die Gebietskörperschaft kraft Gesetzes verpflichtet ist, einen öffentlichen Personenverkehr vorzuhalten, und sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung eines Privaten bedient und diesen entsprechend bezuschusst. Hier wird der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Zuschusszahlung und dem konkreten Vorteil der Gebietskörperschaft (Befreiung von der gesetzlichen Verpflichtung) deutlich. Ohne eine solche Verpflichtung steht die Existenz eines öffentlichen Personenverkehrs aber primär im Interesse der Allgemeinheit und nicht im (konkreten) Interesse des Zuschussgebers.

40.      Auch wenn der Gerichtshof in der Rechtssache Fluvius klargestellt hat, dass das für das Vorliegen eines steuerbaren Umsatzes notwendige Rechtsverhältnis weit zu verstehen ist,(26) um eine Lieferung oder Dienstleistung gegen Entgelt anzunehmen, so setzt dies dennoch einen konkreten individualisierbaren Vorteil voraus, der dem Zuschussgeber verschafft wird. Der illegale Verbrauch von Strom durch einen Stromdieb ist unstreitig ein konkreter individualisierter Vorteil. Wenn dafür eine Gegenleistung abhängig vom konkreten Verbrauch (des gestohlenen Stroms) bezahlt werden muss, dann mag diese als Schadensersatz bezeichnet sein, sie unterscheidet sich aber nicht im Geringsten von einer Vergütung für den legalen Stromverbrauch,(27) mithin von einer Vergütung eines konkreten, individualisierten Vorteils.

41.      Gleiches gilt im Zusammenhang mit einem Zuschuss. Ob diese Geldsumme als Zuschuss oder als Gegenleistung bezeichnet wird, kann mehrwertsteuerrechtlich ebenfalls keinen Unterscheid machen. Ein individualisierter Vorteil gegenüber einer Gebietskörperschaft kann daher ohne Weiteres angenommen werden, wenn z. B. ein Steuerpflichtiger bestimmte Tätigkeiten (Parkinstandhaltung) gegen Zahlung eines als „Ausgleichszahlung“ bezeichneten Betrages übernimmt.(28) Die entgeltliche Parkinstandhaltung für eine Gemeinde ist der Prototyp für eine Dienstleistung gegen Entgelt. Dies gilt umso mehr, als dass in der betreffenden Rechtssache(29) die Gemeinde zur Parkinstandhaltung gesetzlich verpflichtet war und sich zur Erfüllung dieser Pflicht eines Dritten bediente und diesem seine Kosten ausglich. Die an den Dritten gezahlte Ausgleichszahlung war wie jede normale Gegenleistung weder limitiert noch wurde sie erst nachträglich festgelegt.

42.      Im Gegensatz dazu ist das Unterhalten einer Einrichtung im allgemeinen Interesse (z. B. eines Museums), für dessen Betriebskosten die Gemeinde einen Zuschuss zahlt, der losgelöst von den konkreten Besuchern ist, nicht der Prototyp einer konkreten Dienstleistung gegen Entgelt. Dieser Vorgang ist im Grundsatz (mangels konkreten Vorteils, dem der Zuschuss gegenübersteht) nicht steuerbar. Etwas anderes würde wiederum gelten, wenn die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, ein Museum zu unterhalten, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung einen Dritten einschaltet und dafür bezahlt.

b)      Dienstleistung und Entgelt eines Dritten (Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie)

43.      Der Zuschuss kann aber ebenfalls als Entgelt (von dritter Seite) betrachtet werden, wenn der Empfänger des Zuschusses (hier die Gesellschaft) einem anderen (hier den Fahrgästen) einen konkreten Vorteil (hier die Personenbeförderung) verschafft und der Zuschussgeber gerade dafür zahlt (sogenannte Preisauffüllung). Letzteres stellt Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie klar.

44.      Diese Vorschrift ist gemäß ihrem Wortlaut anwendbar, wenn die Subvention unmittelbar mit dem Preis des betreffenden Umsatzes zusammenhängt. Das ist nur dann der Fall, wenn die Subvention an den subventionierten Wirtschaftsteilnehmer gerade für die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gezahlt wird. Nur in diesem Fall kann die Subvention als Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung angesehen werden.(30)

45.      Weiter muss die dem Zuschussempfänger gewährte Subvention auch dem Leistungsempfänger (hier den Fahrgästen) zugutekommen. Der vom Leistungsempfänger zu zahlende Preis muss nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nämlich so festgesetzt sein, dass er sich entsprechend der dem Leistenden gewährten Subvention ermäßigt.(31) Damit erfasst der Begriff „unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängende Subventionen“ im Sinne von Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie nur die Zuschüsse, die vollständig oder teilweise die Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen oder für Dienstleistungen sind und dem Verkäufer oder Dienstleistungserbringer von einem Dritten gezahlt werden.(32)

c)      Zwischenergebnis

46.      Nimmt man sowohl den Verbrauchsteuercharakter als auch den Wortlaut von Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie ernst, dann muss folglich zwischen Zuwendungen unterschieden werden, denen kein konkreter individualisierter Vorteil gegenübersteht bzw. die sich lediglich mittelbar auf den Preis der Umsätze beziehen, und solchen Zuwendungen, die sich unmittelbar auf einen individualisierten Vorteil bzw. unmittelbar auf den Preis der Umsätze des Zuschussempfängers beziehen.

47.      Ein solch unmittelbarer Bezug kann sich nur aus den konkreten Zuschussbedingungen und den Umständen des Einzelfalls ergeben. Deren Würdigung ist primär die Aufgabe des vorlegenden Gerichts. Der Gerichtshof kann dafür jedoch nützliche Hinweise geben, denn die Interpretation einer Vorschrift und ihre Anwendung lassen sich bei Lichte betrachtet kaum trennen.

3.      Anwendung auf den konkreten Fall

a)      Gegenleistung für eine Leistung an den Zuschussgeber

48.      Im vorliegenden Fall hat die Einheit der territorialen Selbstverwaltung sicherlich ein Interesse an der Bereitstellung eines öffentlichen Personenverkehrs in ihrem Hoheitsgebiet. Der Zuschuss dient auch dazu, den Zuschussempfänger in die Lage zu versetzen, einen solchen weiterhin anzubieten. Die Frage ist nur, ob dies ausreicht, um einen konkreten Vorteil des Zuschussgebers anzunehmen, dem der Zuschuss gegenübersteht, oder ob die Bezuschussung nicht vielmehr im Interesse der Allgemeinheit erfolgt.

49.      Im vorliegenden Fall ist der Zuschuss nicht mit konkreten Verpflichtungen zugunsten des Zuschussgebers verbunden, denn er wird erst nachträglich als Ausgleich für eventuell entstandene Verluste gewährt. Welche und wie viele Strecken angeboten werden, entscheidet nicht der Zuschussgeber, sondern der Zuschussempfänger autonom. Hinzu kommt, dass der Zuschuss zur Deckung der sich aus der Erbringung dieser Dienste ergebenden Verluste der Höhe nach begrenzt ist und pauschal nach den der Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Fahrzeugkilometern mit bemessen wird, die der Zuschussempfänger anbietet, ohne dass die Anzahl der konkreten Nutzer der Transportdienstleistungen relevant ist.

50.      Eine einzelne Tätigkeit des Zuschussempfängers löst mithin keine besondere, bestimmbare Zahlung des Zuschussgebers aus, sondern der Zuschuss gleicht bis zu einer gewissen Höhe (die durch eine EU-Verordnung determiniert wird) lediglich die Verluste aus, damit der Zuschussempfänger überhaupt in die Lage versetzt wird, die Transportdienstleistungen an die konkreten Fahrgäste weiterhin zu erbringen. Eine konkrete Verpflichtung des Zuschussgebers, einen entsprechenden öffentlichen Personenverkehr vorzuhalten, von der ihn der Zuschussempfänger befreien würde, ist aus der Vorlage nicht ersichtlich.

51.      Die Bereitstellung eines öffentlichen Personenverkehrs erfolgt mithin zwar auch im Interesse des Zuschussgebers, aber verschafft nicht ihm einen konkreten verbrauchbaren Vorteil, sondern erst den Nutzern des Personenverkehrs, wenn sie ihn nutzen. Nach meinem Dafürhalten fehlt mithin das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs(33) für eine steuerbare Dienstleistung nötige „Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Entgelt“, wovon offenbar auch die polnische Finanzverwaltung selbst in ihrer schriftlichen Stellungnahme ausgeht.

52.      In Anlehnung an Rn. 37 in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Balgarska natsionalna televizia(34) könnte man auch formulieren: Im vorliegenden Fall besteht jedoch zwischen dem Staat, der aus seinem Haushalt einen Zuschuss zur Finanzierung des öffentlichen Personenverkehrs zahlt, und den Fahrgästen, denen diese Dienste zugutekommen, keine Beziehung, die mit der Beziehung zwischen einer Krankenkasse und ihren Versicherten(35) vergleichbar wäre. Diese Dienstleistungen kommen nämlich nicht Personen zugute, die klar identifiziert werden können, sondern allen potenziellen Fahrgästen. Außerdem wird die Höhe des betreffenden Zuschusses unter Bezugnahme auf eine durch Verordnung festgelegte Pauschale nach Fahrzeugkilometern berechnet, ohne jede Berücksichtigung der Identität und der Anzahl der Nutzer der erbrachten Dienstleistung.

b)      Gegenleistung eines Dritten für die Leistungen an die Fahrgäste

53.      Unterstellt, diese Sachverhaltswürdigung ist zutreffend, dann kommen nur noch die Nutzer als konkrete Leistungsempfänger der bezuschussten Fahrdienstleistungen in Betracht, denen gegenüber der Zuschussempfänger seine Personenbeförderung (Dienstleistung) erbringt. Nur wenn der Zuschuss der Gebietskörperschaft eine „unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängende Subvention“ darstellt, würde er die Bemessungsgrundlage der Transportdienstleistungen um den Zuschuss erhöhen.

54.      Im Unterschied zu den in der Vorlage auch erwähnten Zuschüssen zu den durch die Gesellschaft zu gewährenden Fahrpreisermäßigungen – diese beziehen sich auf eine konkrete Dienstleistung gegenüber einem konkreten Nutzer – fehlt es bei den Zuschüssen zur Deckung der Verluste am konkreten Bezug zu bestimmten Umsätzen. Es besteht lediglich ein allgemeiner Zusammenhang zu der (verlustbringenden) Tätigkeit. Daher besteht nur ein mittelbarer Zusammenhang zu den einzelnen Transportdienstleistungen. Der der Höhe nach begrenzte Zuschuss kann keinen Einfluss auf den Preis der einzelnen Transportdienstleistung haben, weil er zum einen nachträglich gewährt und zum anderen unabhängig von der konkreten Nutzung der Transportdienstleistungen ist. Vielmehr stellt er auf die angebotenen Fahrzeugkilometer und damit auf die potenzielle Nutzbarkeit durch die Allgemeinheit ab.

55.      Insofern hat die erste Instanz festgestellt, dass aus dem Antrag der Gesellschaft auf verbindliche Auskunft hervorgehe, dass die Ausgleichsleistung keinen Einfluss auf den Fahrpreis (Preis der Dienstleistung) hätte, weil der Organisator die Fahrpreise festsetze. Unter diesen Umständen soll der Zuschuss den Zuschussempfänger nur allgemein in die Lage versetzen, entsprechende Dienstleistungen anzubieten, ohne unmittelbar mit dem Preis dieser Dienstleistungen zusammenzuhängen. Wenn die Preise für die Nutzer der Personenbeförderung nicht vom Zuschussempfänger, sondern vorab von den zuständigen Behörden oder dem Zuschussgeber festgelegt werden, dann kann sich der nachträgliche Zuschuss zur Deckung der Kosten auch nicht unmittelbar auf die Preise der Dienstleistung auswirken.

56.      Darin unterscheidet sich dieser Fall auch – anders als offenbar die Kommission und die Republik Polen meinen – deutlich von dem Fall, der der Rechtssache Le Rayon d’Or(36) zugrunde lag und den das vorlegende Gericht ausdrücklich erwähnt. Dort wurde von der Krankenkasse eine Pflegepauschale pro zu pflegendem Patient gezahlt. Diese „Ausgleichszahlung“ wurde vom Gerichtshof völlig zu Recht als Zahlung eines Entgelts (sofern die Patienten auch noch einen Beitrag leisten mussten, dann wäre es ein preisauffüllendes Entgelt) betrachtet, da sowohl die Dienstleistung und der Leistungsempfänger als auch der Betrag „im Voraus und nach genau festgelegten Kriterien bestimmt“ waren.

57.      Auch die vom vorlegenden Gericht im Vorabentscheidungsersuchen und der Republik Polen in der schriftlichen Stellungnahme betonte Tatsache, dass durch die Ausgleichsleistung das Entgelt insgesamt voraussichtlich niedriger sei als ohne den Zuschuss, ändert daran nichts. Zum einen ist dies mehr als fraglich, wenn das Entgelt für die Transportdienstleistung nicht von dem Leistenden festgelegt werden kann. In dieser Konstellation würde es ohne den Zuschuss wahrscheinlich gar keine Dienstleistungen gegen Entgelt geben.

58.      Zum anderen ist diese Konsequenz bei Lichte betrachtet jedem Zuschuss eigen. Jeder Zuschuss ermöglicht es dem Zuschussempfänger, eine andere Preiskalkulation vorzunehmen. Wie aber der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, macht „(d)ie Möglichkeit allein, dass eine Subvention sich auf die Preise der von der subventionierten Einrichtung gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen auswirkt, … jedoch diese Subvention nicht schon steuerbar“.(37)

59.      Das ein solch mittelbarer Zusammenhang nicht ausreichen kann, zeigt auch die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Kommission/Deutschland,(38) denn mit dieser Argumentation wäre auch der Zuschuss an die Trockenfutterhersteller steuerbar und steuerpflichtig gewesen. Auch dieser Zuschuss ermöglichte den Herstellern eine andere Preiskalkulation. Da die Subvention aber im allgemeinen Interesse und nicht im Interesse der einzelnen Käufer von Trockenfutter erfolgte und sich insbesondere nicht auf die jeweils verkaufte Menge bezog, verneinte der Gerichtshof – zu Recht – ein Entgelt von dritter Seite. Mithin reichen allgemeine Auswirkungen auf die Preiskalkulation – die jedem Zuschuss eigen sind – nicht aus, um ein entsprechendes Entgelt von dritter Seite in Gestalt dieses Zuschusses anzunehmen.

V.      Ergebnis

60.      Somit schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefrage des Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) zu antworten:

Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sind dahingehend auszulegen, dass eine nachträgliche Ausgleichszahlung für finanzielle Verluste, die der Höhe nach durch eine EU-Verordnung limitiert ist und die sich nicht nach der Anzahl der Nutzer, sondern nach den pauschal angebotenen Fahrzeugkilometern richtet, kein Entgelt für eine Dienstleistung an die zahlende Einheit der territorialen Selbstverwaltung darstellt. Eine solche Ausgleichszahlung stellt auch kein Entgelt von dritter Seite zugunsten der konkreten Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs dar, da sie keinen unmittelbaren, sondern allenfalls einen mittelbaren Einfluss auf die Preiskalkulation des bezuschussten Unternehmens hat.


1      Originalsprache: Deutsch.


2      Urteile vom 16. September 2021, Balgarska natsionalna televizia (C‑21/20, EU:C:2021:743), vom 9. Oktober 2019, C und C (Mehrwertsteuer und Agrarsubventionen) (C‑573/18 und C‑574/18, EU:C:2019:847), vom 15. Juli 2004, Kommission/Deutschland (C‑144/02, EU:C:2004:444), vom 22. November 2001, Office des produits wallons (C‑184/00, EU:C:2001:629), vom 13. Juni 2002, Keeping Newcastle Warm (C‑353/00, EU:C:2002:369), vom 18. Dezember 1997, Landboden-Agrardienste (C‑384/95, EU:C:1997:627), vom 29. Februar 1996, Mohr (C‑215/94, EU:C:1996:72), und vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council (102/86, EU:C:1988:120).


3      Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der aktuellen Version, zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2022/890 des Rates vom 3. Juni 2022 (ABl. 2022, L 155, S. 1).


4      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1).


5      Vgl. nur die Urteile, in denen der Gerichtshof dies abgelehnt hat: Urteile vom 16. September 2021, Balgarska natsionalna televizia (C‑21/20, EU:C:2021:743), vom 15. Juli 2004, Kommission/Deutschland (C‑144/02, EU:C:2004:444), vom 18. Dezember 1997, Landboden-Agrardienste (C‑384/95, EU:C:1997:627), vom 29. Februar 1996, Mohr (C‑215/94, EU:C:1996:72), und vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council (102/86, EU:C:1988:120).


6      Urteil vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council (102/86, EU:C:1988:120).


7      Urteil vom 29. Februar 1996, Mohr (C‑215/94, EU:C:1996:72).


8      Urteil vom 18. Dezember 1997, Landboden-Agrardienste (C‑384/95, EU:C:1997:627).


9      Urteil vom 16. September 2021, Balgarska natsionalna televizia (C‑21/20, EU:C:2021:743).


10      Urteil vom 22. November 2001, Office des produits wallons (C‑184/00, EU:C:2001:629).


11      Urteil vom 13. Juni 2002, Keeping Newcastle Warm (C‑353/00, EU:C:2002:369).


12      Urteil vom 9. Oktober 2019, C und C (Mehrwertsteuer und Agrarsubventionen) (C‑573/18 und C‑574/18, EU:C:2019:847).


13      Urteil vom 15. Juli 2004, Kommission/Deutschland (C‑144/02, EU:C:2004:444).


14      Vgl. exemplarisch: Urteile vom 3. Mai 2012, Lebara (C‑520/10, EU:C:2012:264, Rn. 23), vom 11. Oktober 2007, KÖGÁZ u. a. (C‑283/06 und C‑312/06, EU:C:2007:598, Rn. 37 – „Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält“), und vom 18. Dezember 1997, Landboden-Agrardienste (C‑384/95, EU:C:1997:627, Rn. 20 und 23 – „Entscheidend ist allein die Natur der eingegangenen Verpflichtung: Damit eine solche Verpflichtung unter das gemeinsame Mehrwertsteuersystem fällt, muss sie einen Verbrauch implizieren“).


15      Vgl. dazu die Rechtsprechung des Gerichtshofs: Urteile vom 22. November 2001, Office des produits wallons (C‑184/00, EU:C:2001:629, Rn. 12 ff.), vom 18. Dezember 1997, Landboden-Agrardienste (C‑384/95, EU:C:1997:627, Rn. 21 ff.), und vom 29. Februar 1996, Mohr (C‑215/94, EU:C:1996:72, Rn. 19 ff.).


16      Urteil vom 29. Februar 1996, Mohr (C‑215/94, EU:C:1996:72).


17      So ausdrücklich Urteil vom 29. Februar 1996, Mohr (C‑215/94, EU:C:1996:72, Rn. 21 und 22).


18      So ausdrücklich Urteil vom 18. Dezember 1997, Landboden-Agrardienste (C‑384/95, EU:C:1997:627, Rn. 23).


19      Urteil vom 22. November 2001, Office des produits wallons (C‑184/00, EU:C:2001:629, Rn. 12), so auch schon Urteil vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council (102/86, EU:C:1988:120, Rn. 14 ff.).


20      Urteile vom 22. November 2001, Office des produits wallons (C‑184/00, EU:C:2001:629, Rn. 15), und vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council (102/86, EU:C:1988:120, Rn. 14 ff.).


21      Urteil vom 16. September 2021, Balgarska natsionalna televizia (C‑21/20, EU:C:2021:743).


22      Urteil vom 13. Juni 2002, Keeping Newcastle Warm (C‑353/00, EU:C:2002:369).


23      Urteil vom 9. Oktober 2019, C und C (Mehrwertsteuer und Agrarsubventionen) (C‑573/18 und C‑574/18, EU:C:2019:847).


24      Auch der Gerichtshof differenziert bei einer Gesellschaft danach, ob diese allgemeine Interessen der Mitglieder wahrnimmt (keine konkrete Leistung) oder nicht – vgl. Urteil vom 12. Februar 2009, Vereniging Noordelijke Land- en Tuinbouw Organisatie (C‑515/07, EU:C:2009:88, Rn. 31), und vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council (102/86, EU:C:1988:120, Rn. 14, wo von gemeinsamen Interessen die Rede ist).


25      Urteil vom 16. September 2021, Balgarska natsionalna televizia (C‑21/20, EU:C:2021:743, Rn. 31), vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. November 2018, MEO – Serviços de Comunicações e Multimédia (C‑295/17, EU:C:2018:942, Rn. 39), vom 22. Juni 2016, Český rozhlas (C‑11/15, EU:C:2016:470, Rn. 22), und vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council (102/86, EU:C:1988:120, Rn. 11, 12 und 16).


26      Urteil vom 27. April 2023, Fluvius Antwerpen (C‑677/21, EU:C:2023:348, Rn. 31). Folglich kann auch ein gesetzliches Rechtsverhältnis ausreichen.


27      Urteil vom 27. April 2023, Fluvius Antwerpen (C‑677/21, EU:C:2023:348, Rn. 33).


28      Urteil vom 22. Februar 2018, Nagyszénás Településszolgáltatási Nonprofit Kft. (C‑182/17, EU:C:2018:91, Rn. 35 ff.).


29      Urteil vom 22. Februar 2018, Nagyszénás Településszolgáltatási Nonprofit Kft. (C‑182/17, EU:C:2018:91; Rn. 38 und 39).


30      Urteile vom 9. Oktober 2019, C und C (Mehrwertsteuer und Agrarsubventionen) (C‑573/18 und C‑574/18, EU:C:2019:847, Rn. 31), und vom 15. Juli 2004, Kommission/Deutschland (C‑144/02, EU:C:2004:444, Rn. 27 und 28).


31      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Oktober 2019, C und C (Mehrwertsteuer und Agrarsubventionen) (C‑573/18 und C‑574/18, EU:C:2019:847, Rn. 32), und vom 15. Juli 2004, Kommission/Deutschland (C‑144/02, EU:C:2004:444, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).


32      Siehe zur Vorgängervorschrift in der Sechsten Richtlinie: Urteil vom 9. Oktober 2019, C und C (Mehrwertsteuer und Agrarsubventionen) (C‑573/18 und C‑574/18, EU:C:2019:847, Rn. 34), und vom 15. Juli 2004, Kommission/Deutschland (C‑144/02, EU:C:2004:444, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


33      Urteil vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council (102/86, EU:C:1988:120, Rn. 12).


34      Urteil vom 16. September 2021 (C‑21/20, EU:C:2021:743, Rn. 37).


35      Der Gerichtshof bezieht sich insoweit ausdrücklich auf die Rechtssache Le Rayon d’Or – vgl. Urteil vom 27. März 2014 (C‑151/13, EU:C:2014:185).


36      Urteil vom 27. März 2014 (C‑151/13, EU:C:2014:185, Rn. 32 ff.).


37      Urteil vom 22. November 2001, Office des produits wallons (C‑184/00, EU:C:2001:629, Rn. 12)


38      Urteil vom 15. Juli 2004 (C‑144/02, EU:C:2004:444, Rn. 34 ff.).

 

 

 

 

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