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Steuerrecht
14.05.2020
Steuerrecht
FG Münster: Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung

FG Münster, Urteil vom 25.2.2020 – 5 K 795/17 U

ECLI:DE:FGMS:2020:0225.5K795.17U.00

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2020-1183-1

Leitsätze (der Redaktion)

1. Werden Umsätze im Rahmen einer abschließenden Besprechung zu einer Betriebsprüfung aufgrund einer tatsächlichen Verständigung in steuerpflichtige Umsätze und steuerfreie Umsätze aufgeteilt, so ist der Besteuerung im Hinblick auf diese Aufteilung die tatsächliche Verständigung zugrunde zu legen, wenn hierzu keine formellen Mängel feststellbar sind.

2. Eine tatsächliche Verständigung ist dann zulässig, wenn ein besonders schwer zu ermittelnder Sachverhalt vorliegt und auf Seiten des Steuerpflichtigen als auch auf Seiten der Finanzbehörde zur Vertretung berechtigte Personen schriftlich ihren Rechtsbindungswillen zweifelsfrei zum Ausdruck bringen. Ferner darf die tatsächliche Verständigung nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen.

3. Zur Feststellung was einvernehmlicher Inhalt einer tatsächlichen Verständigung ist, sind die allgemeinen Auslegungsregeln §§ 133, 157 BGB heranzuziehen.

AO § 204; BGB § 133, § 157

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung, die Frage, ob die Umsatzsteuerschulden des Klägers (im Wege der Gesamtrechtsnachfolge) auf eine KG übergegangen sind sowie über die Aufteilung von erzielten Gesamtumsätzen in steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze.

Bis zum 30.09.2009 betrieb der Kläger einen KfZ-Zulassungsservice und Schilderdienst als Einzelunternehmer. Zum 01.10.2009 brachte der Kläger sein Einzelunternehmen in die N B GmbH & Co. KG ein. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Eintrittsvertrag nebst Gesellschaftsvertrag vom 22.09.2009 (Bl. 32 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.

Für das Streitjahr 2009 fanden beim Kläger eine Betriebsprüfung sowie eine Steuerfahndungsprüfung statt. Im Rahmen der abschließenden Besprechung wurde am 22.12.2011 eine tatsächliche Verständigung geschlossen, wonach für die Besteuerung steuerpflichtige Umsätze zu 19% in Höhe von 385.031,00 €, steuerfreie Umsätze in Höhe von 124.733 € und Vorsteuern in Höhe von 45.241,00 € berücksichtigt werden sollten. Ausgenommen von der Verständigung war, ob ein Teil der Umsätze nach §§ 4 Nr. 10a, b, 11 UStG steuerfrei sein sollte (Protokoll über eine Verhandlung zur Vereinfachung und Beschleunigung des Besteuerungsverfahrens, tatsächliche Verständigung vom 22.12.2011, Bl. 8 ff. der Umsatzsteuerakte).

Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung vertrat das Finanzamt G im Betriebsprüfungsbericht vom 19.01.2012 die Rechtsauffassung, dass auch die Umsätze aus dem Weiterverkauf von Versicherungsdoppelkarten (brutto: 124.733,00 €, netto 104.818,00 €), die der Kläger zunächst als umsatzsteuerfrei gem. § 4 Nr. 10 UStG behandelt hatte, steuerpflichtig seien (Bericht über steuerliche Feststellungen vom 19.01.2012, Tz. 12, Bl. 1 ff. der Umsatzsteuerakte sowie Fahndungsbericht vom 19.01.2012, Bl. 25 ff. der Rechtsbehelfsakte), so dass sich steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 489.849 € (385.031 €+104.818 €) ergäben.

Das Finanzamt G setzte diese Prüfungsfeststellungen im nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 20.03.2012 (Bl. 17 der Rechtsbehelfsakte) um und berücksichtigte neben den Vorsteuern in Höhe von 45.241,00 € steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 489.849,00 € (385.031,00 € + 104.818,00 €).

In der am 12.09.2012 beim Finanzamt G abgegebenen Umsatzsteuererklärung

für 2009 (Bl. 13 ff. der Umsatzsteuerakte) erklärte der Kläger folgende Besteuerungsgrundlagen:

Steuerpflichtige Umsätze zu 19%

427.844,00 €

Steuerfreie Umsätze

126.744,00 €

Vorsteuern

55.841,93 €

Im Rahmen der Veranlagung ging das Finanzamt G weiterhin von der Steuerpflicht der strittigen Umsätze aus dem Weiterverkauf von Versicherungsdoppelkarten aus und erhöhte die steuerpflichtigen Umsätze zu 19% um den Nettobetrag aus den vom Kläger als steuerfrei erklärten Umsätzen, d.h. in Höhe von 106.507,00 €. Im nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 30.10.2013 ging das Finanzamt G daher von Umsätzen zu 19% in Höhe von 534.351,00 € und Vorsteuern in Höhe von 55.841,93 € aus (Bl. 19 der Rechtsbehelfsakte). Das Finanzamt G hob mit Bescheid vom 30.10.2013 zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 11.11.2013 Einspruch ein (Bl. 101 der Umsatzsteuerakte). Zur Begründung führte der Kläger aus, dass die Umsätze aus dem Verkauf der Versicherungsdoppelkarten steuerfrei seien und verwies insoweit auf das beim BFH anhängige Verfahren V R 9/13. Das Einspruchsverfahren ruhte auf Antrag des Klägers bis zur Entscheidung des BFH im Verfahren V R 9/13. Nach Abschluss des BFH-Verfahrens, in dem der BFH den Weiterverkauf von Versicherungsdoppelkarten als steuerfrei beurteilt hatte (BFH, Urt. vom 24.07.2014 – V R 9/13, BFH/NV 2014, 1783), erging am 12.06.2015 ein nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderter Umsatzsteuerbescheid, mit dem das Finanzamt G die steuerpflichtigen Umsätze zu 19% um 106.507,00 € minderte und die Umsatzsteuer auf nunmehr 25.448,43 € festsetzte (Bl. 20 der Rechtsbehelfsakte).

Hiergegen legte der Kläger am 14.07.2015 (erneut) Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass die steuerpflichtigen Umsätze aufgrund der geschlossenen tatsächlichen Verständigung nur in Höhe von 385.031 € (statt in Höhe von 427.844,00 €) berücksichtigt werden dürften (Bl. 37 der Rechtsbehelfsakte).

Mit Einspruchsentscheidung vom 08.02.2017 (Bl. 5 ff. der Gerichtsakte) wies der zwischenzeitlich örtlich zuständig gewordene Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die antragsgemäße Veranlagung einer beidseitigen Aufhebung bzw. Änderung der tatsächlichen Verständigung gleichstehe. Der Kläger verfolge offenbar das Interesse, weitere Vorsteuerbeträge geltend zu machen. Es sei jedoch unbillig, die tatsächliche Verständigung nur einseitig hinsichtlich der steuerpflichtigen Umsätze als bindend anzusehen, ihr andererseits hinsichtlich der höheren Vorsteuern nicht zu folgen. Entweder seien also sämtliche erklärten Besteuerungsgrundlagen im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 2009 basierend auf der Umsatzsteuererklärung des Klägers zu berücksichtigen oder die Umsätze und Vorsteuern auf Basis der tatsächlichen Verständigung. Selbst bei Berücksichtigung der beantragten Umsätze aus der tatsächlichen Verständigung vom 22.12.2011 in Höhe von 385.031,00 € (ohne die steuerfreien Umsätze aus dem Weiterverkauf der Versicherungsdoppelkarten) und Vorsteuern in Höhe von 45.241,00 € führe dies im Ergebnis zu einem ungünstigeren Ergebnis für den Kläger (Umsatzsteuer 27.914 €), so dass es an einer Beschwer des Klägers i.S.v. § 350 AO fehle.

Mit seiner am 13.03.2017 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren gerichtlich weiter. Er trägt nunmehr vor, die damals angefallenen Umsatzsteuern seien nicht vom ihm, dem Kläger, zu tragen, sondern von der N B GmbH & CO. KG, da diese im Rahmen der Einbringung alle Passiva, mithin auch die Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Klägers übernommen habe.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 12.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2017 dahingehend zu ändern, dass steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 166.376,40 € (brutto) der Besteuerung zugrunde gelegt werden und die restlichen Umsätze umsatzsteuerfrei sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Streitfall liege ein Einbringungsvorgang im Wege der Einzelrechtsnachfolge vor (BMF-Erlass vom 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.47 c) aa) 1. Spiegelstrich). Zudem gehe aus dem vom Kläger vorgelegten Vertrag auch nicht hervor, dass die Nachfolgefirma die bis zum 30.09.2009 verursachte Umsatzsteuer tragen müsse. Etwaige Ausgleichsansprüche müsse der Kläger im zivilrechtlichen Wege gegen die Nachfolgefirma geltend machen.

Mit Beschluss vom 06.09.2019 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.09.2019 (Bl. 97 ff. der Gerichtsakte) hat der Einzelrichter die Klage abgewiesen.

Am 14.10.2019 hat der Kläger einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt (Bl. 113 der Gerichtsakte). Zur Begründung trägt er nunmehr vor, dass die Aufteilung der von ihm erklärten Umsätze in steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze unzutreffend sei. Im Betrieb des Klägers seien vor allem Versicherungen vermittelt worden, ca. 90% der Umsätze seien auf den Weiterverkauf von Versicherungsdoppelkarten entfallen. Der Kläger habe die Buchführungsunterlagen bei seiner damaligen steuerlichen Beraterin und die Strafakte zum Steuerstrafverfahren angefordert, anhand dieser Unterlagen werde er den genauen Anteil der umsatzsteuerfreien Umsätze beziffern.

Mit Schreiben vom 15.10.2019 (Bl. 114 der Gerichtsakte) – zugestellt am 17.10.2019 (Bl. 127 f. der Gerichtsakte) – hat der Einzelrichter dem Kläger eine Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 2 FGO gesetzt, mit der er den Kläger aufgefordert hat, bis zum 30.11.2019 den Anteil der Umsätze aus dem steuerfreien Verkauf von Versicherungsdoppelkarten durch Vorlage sämtlicher Ausgangsrechnungen (alle Umsätze) für das Streitjahr 2009 nachzuweisen.

Mit Schreiben vom 28.11.2019 hat der Kläger beantragt, die Ausschlussfrist bis zum 30.12.2019 zu verlängern. Zum Nachweis des Anteils der steuerfreien Umsätze benötige der Kläger die Buchführungsunterlagen seiner damaligen Steuerberaterin, diese verweigere jedoch wegen ausstehender Beratungsgebühren derzeit die Herausgabe.

Mit Schreiben vom 29.11.2019 (Bl. 133 der Gerichtsakte) hat der Einzelrichter die Ausschlussfrist letztmalig und unter Aufrechterhaltung der Belehrungen bis zum 31.12.2019 verlängert.

Mit Schriftsatz vom 31.12.2019 hat der Kläger mitgeteilt, dass es ihm nicht gelungen sei, die Buchführungsunterlagen für das Jahr 2009 zu erlangen. Er übersandte jedoch Aufzeichnungen über die Tageseinnahmen für einen Teil des Jahres 2008. Hiernach ergäbe sich bei überschlägiger Berechnung im Durchschnitt ein Anteil der steuerfreien Vermittlungsumsätze in Höhe von 70%. Übertragen auf das Streitjahr ergebe sich ein Anteil steuerfreier Umsätze in Höhe von 388.211,60 € und ein steuerpflichtiger Anteil in Höhe von 166.376,40 €.

In der Sache hat am 25.02.2020 eine mündliche Verhandlung vor dem Einzelrichter stattgefunden, in der die Tochter des Klägers, Frau B H als Zeugin vernommen worden ist. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 12.06.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2017 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Der Besteuerung ist entgegen der Auffassung des Klägers im Hinblick auf die Aufteilung zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen die tatsächliche Verständigung vom 22.12.2011 zugrunde zu legen.

a) Formelle Mängel im Hinblick auf die geschlossene tatsächliche Verständigung sind weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar.

Voraussetzung einer tatsächlichen Verständigung ist das Vorliegen eines schwierig zu ermittelnden Sachverhalts. Ferner müssen sowohl auf Seiten des Steuerpflichtigen als auch auf Seiten der Finanzbehörde zur Vertretung berechtigte Personen schriftlich ihren Rechtsbindungswillen zweifelsfrei zum Ausdruck bringen. Zudem darf die tatsächliche Verständigung nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen (Mues, in: Gosch, AO, § 78 Rdn. 39 ff. m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall eingehalten. Die Frage der Höhe der tatsächlichen Umsätze stellte wegen ungeklärter Geldeingänge auf verschiedenen Konten (vgl. Seite 2 der tatsächlichen Verständigung vom 22.11.2012, Bl. 9 der Umsatzsteuerakte) einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt dar, die tatsächliche Verständigung ist schriftlich geschlossen worden und es haben sowohl auf Seiten des Steuerpflichtigen (der Kläger selbst und dessen Rechtsanwältin S) als auch auf Seiten des Finanzamts (der Prüfer X und die Sachgebietsleiter C und L) die zur Vertretung berechtigten Personen gehandelt. Für eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung bestehen keine Anhaltspunkte. Die tatsächliche Verständigung weicht insbesondere nicht wesentlich von der später abgegebenen Steuererklärung des Klägers ab.

b) In inhaltlicher Hinsicht ist in der tatsächlichen Verständigung auch die (Mindest-)höhe der steuerpflichtigen Umsätze bindend festgelegt worden.

Was einvernehmlicher Inhalt der tatsächlichen Verständigung ist, muss nach allgemeinen Auslegungsregeln ermittelt werden (FG Münster, Urt. vom 16.05.2019 – 5 K 1303/18 U, EFG 2019, 1341 mit Anm. Kulmsee).

In der geschlossenen tatsächlichen Verständigung wurden die vom Kläger erzielten Gesamtumsätze und die zu berücksichtigende Vorsteuer verbindlich zwischen den Beteiligten festgelegt. Ferner ergibt die Auslegung der tatsächlichen Verständigung gem. §§ 133, 157 BGB nach Auffassung des Einzelrichters, dass auch verbindlich festgelegt wurde, dass einem Teil der Umsätze in Höhe von 385.031 € netto keine (nach §§ 4 Nrn. 10a, 10b oder 11 UStG) möglicherweise steuerfreien Leistungen aus dem Verkauf von Versicherungsdoppelkarten zugrunde gelegen haben, sondern zum allgemeinen Steuersatz steuerpflichtige Umsätze aus Kennzeichenverkäufen etc. Hinsichtlich des verbleibenden Teils der Umsätze in Höhe von 124.733 €, die in der tatsächlichen Verständigung als „steuerfreie“ Umsätze bezeichnet werden, bestanden zwischen den Beteiligten im Vorfeld des Abschlusses der tatsächlichen Verständigung unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber, ob diese Umsätze nach § 4 Nrn. 10a, 10b oder 11 UStG steuerfrei oder aber steuerpflichtig sind. Allein diese Rechtsfrage, die als solche schon nicht Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung sein kann, wurde daher von der tatsächlichen Verständigung ausgenommen und sollte dem Rechtsbehelfsverfahren bzw. einem späteren gerichtlichen Verfahren vorbehalten bleiben. Der Höhe nach sollten diese möglicherweise steuerfreien Umsätze aber durch die tatsächliche Verständigung festgelegt werden. Denn anderenfalls hätte die Aufteilung zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen in der tatsächlichen Verständigung nicht erfolgen müssen, es hätte eine Vereinbarung über die Höhe der Gesamtumsätze genügt. Ohne eine solche verbindliche Aufteilung wäre zudem der Sinn der tatsächlichen Verständigung, die Beseitigung aller tatsächlichen Unsicherheiten, nicht erreicht worden.

Auch in der Folgezeit gingen beide Beteiligte von einem solchen Verständnis der tatsächlichen Verständigung aus. Die Betriebsprüfung lehnte die Steuerfreiheit der in der tatsächlichen Verständigung als „steuerfreie Umsätze“ bezeichneten Umsätze entsprechend seiner Rechtsauffassung unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der § 4 Nrn. 10a, 10b und 11 UStG ab (Seite 3 f. des Berichts über steuerliche Feststellungen vom 19.01.2012, Bl. 3 f. der Umsatzsteuerakte) und das Finanzamt folgte dieser Auffassung im daraufhin ergangenen Steuerbescheid vom 20.03.2012. Nachfolgend kam es zu dem Einspruchsverfahren, in dem es nicht um die Höhe des steuerfreien Anteils der Umsätze, sondern ausschließlich um die Rechtsfrage der Steuerfreiheit der in der tatsächlichen Verständigung als steuerfrei bezeichneten bzw. der vom Kläger später als steuerfrei erklärten Umsätze ging.

c) Soweit der Beklagte im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid – nach Auffassung des Einzelrichters zu Unrecht – nicht die Besteuerungsgrundlagen aus der tatsächlichen Verständigung, sondern diejenigen aus der späteren Steuererklärung des Klägers zugrunde gelegt hat, so fehlt es im Streitfall an einer Rechtsverletzung des Klägers (§ 40 Abs. 2 FGO), da die Steuer im angefochtenen Bescheid mit 25.448,43 € niedriger festgesetzt wurde als sie bei Umsetzung der tatsächlichen Verständigung (27.914 €) festgesetzt worden wäre (vgl. Teller, in: Gräber, FGO, § 40 Rdn. 95: Rechtsverletzung nur wegen einer zu hohen Steuerfestsetzung). An einer solchen Verböserung des angefochtenen Steuerbescheides zu Lasten des Klägers unter Zugrundelegung der abweichenden Vereinbarungen in der tatsächlichen Verständigung ist der Einzelrichter jedoch aufgrund des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbotes gehindert.

2. Selbst wenn – entgegen der unter Ziff. 1 dargelegten Auffassung des Einzelrichters – die tatsächliche Verständigung nicht bzw. nicht im Hinblick auf die Frage der Aufteilung der Umsätze in steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze der Besteuerung zugrunde zu legen wäre, so ergibt sich ebenfalls keine niedrigere Steuerfestsetzung zugunsten des Klägers.

Der Kläger, der für die Steuerfreiheit von Umsätzen die Feststellungslast trägt, hat nicht zur Überzeugung des Einzelrichters nachgewiesen, dass ein höherer Anteil der von ihm erzielten Umsätze umsatzsteuerfrei ist.

Soweit der Kläger vorträgt, dass die Aufteilung zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätzen im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid unzutreffend sei, da ca. 90% bzw. ca. 70% der Umsätze in seinem Unternehmen auf den steuerfreien Verkauf von Versicherungsdoppelkarten entfallen seien, so hat der Kläger diese Tatsache bereits nicht innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist durch Vorlage geeigneter Buchführungsunterlagen und Ausgangsrechnungen nachgewiesen. Vielmehr widerspricht dieser Vortrag nicht nur den Verhältnissen der tatsächlichen Verständigung, sondern auch den Angaben des Klägers in seiner eigenen – nach Abschluss der tatsächlichen Verständigung abgegebenen – Umsatzsteuererklärung vom 12.09.2012, in der er steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 427.844 € und steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 10 UStG in Höhe von 126.744 € erklärt hat. Diese von ihm erklärten Umsätze sind der Besteuerung zugrunde gelegt worden. Zudem hat der Kläger sich erstmalig im Klageverfahren und auch erst nach Ergehen des Gerichtsbescheides gegen die Aufteilung der Gesamtumsätze in umsatzsteuerpflichtige und umsatzsteuerfreie Umsätze gewendet. Während des Einspruchsverfahrens war zu keinem Zeitpunkt die Aufteilung der Umsätze streitig, sondern es ging allein um die Rechtsfrage, ob die vom Kläger als steuerfrei erklärten und vom Beklagten als steuerpflichtig behandelten Umsätze steuerfrei waren. Im Hinblick auf diese Frage war das Einspruchsverfahren wegen des anhängigen Verfahrens beim BFH auf Antrag des Klägers ausgesetzt worden.

Auch die vom Kläger benannte und in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeugin L hatte keine konkrete Erinnerung mehr an einzelne/konkrete Umsätze im Jahr 2009.

Die für das Jahr 2008 eingereichten und zudem unvollständigen Buchführungsunterlagen sind für das Streitjahr 2009 bereits nicht relevant. Ferner kann ohne Vorlage weiterer Unterlagen (insbesondere von Ausgangsrechnungen) schon nicht nachvollzogen werden, inwiefern in diesem Jahr zu Recht steuerfreie Umsätze vom Kläger erfasst worden sind.

3. Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass nicht er Steuerschuldner sei, sondern die Umsatzsteuerschulden im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die N B GmbH & CO. KG übergegangen seien und der angefochtene Umsatzsteuerbescheid deshalb gänzlich aufzuheben sei, so folgt der Einzelrichter dieser Rechtsauffassung ebenfalls nicht.

Der Einzelrichter ist mit der Auffassung der Finanzverwaltung und der Auffassung der steuerrechtlichen Literatur der Ansicht, dass die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft keinen Fall der Gesamtrechtsnachfolge (§ 45 AO), sondern einen Fall der Einzelrechtsnachfolge darstellt (BMF-Erlass vom 11.11.2011, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.47 c) aa) 1. Spiegelstrich; Nitzschke, in: Blümich, UmwStG, § 24 Rdn. 28; Bär/Merkle, in: Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG, § 24 Rdn. 12) so dass die bis zum 30.09.2009 verursachte Umsatzsteuerschuld weiter vom Kläger zu tragen ist. Der Umstand, dass nach Absatz 2 Ziff. 2 b) des Eintrittsvertrages nebst Gesellschaftsvertrag vom 22.09.2009 (Bl. 33 der Gerichtsakte) auch die Schulden und Erstattungsansprüche hinsichtlich der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer in die N B GmbH & CO. KG eingebracht worden sind, ändert nichts daran, dass der Kläger – mangels Gesamtrechtsnachfolge – im Außenverhältnis bis zum 30.09.2009 Unternehmer und Steuerschuldner bleibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Der Einzelrichter folgt in seiner Entscheidung der ständigen Rechtsprechung des BFH, im Übrigen beruht die Entscheidung auf den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles.

 

 

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