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Steuerrecht
01.01.1970
Steuerrecht
: Bewertung der negativen Einnahmen der Arbeitnehmer bei Rückgängigmachung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms

Bewertung der negativen Einnahmen der Arbeitnehmer bei Rückgängigmachung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.3.2008 12 K 9231/07

Volltext des Urteils: BBL2008-1605-1 unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze

1. Müssen Arbeitnehmer Aktien, die sie im Rahmen eines Mitarbeiteraktienprogramms erhalten haben, wieder an den Arbeitgeber zurückgeben, so führt dies für die Arbeitnehmer zu negativen Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis.

2. Die Höhe der negativen Einnahmen ist auf den Betrag begrenzt, den die Arbeitnehmer bei Ausgabe der Aktien als Arbeitslohn versteuern mussten. Die in der Zeit zwischen der Ausgabe und der Rückübertragung eingetretene Wertsteigerung der Aktien kann nicht als negative Einnahme mitberücksichtigt werden; insoweit kommt auch keine analoge Anwendung von § 19 a EStG in Betracht.

Zusammenfassung

In dem dem Urteil des Finanzgerichts zugrunde liegenden Sachverhalt wurden Arbeitnehmern Aktien im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms ausgegeben. Die Klägerin begehrte mit einer Lohnsteueranrufungsauskunft die Bestätigung durch das Finanzamt, dass die auszugebenden Aktien ausschließlich nach dem Stuttgarter Verfahren zu bewerten seien. Das Finanzamt war nicht bereit die Lohnsteueranrufungsauskunft zuJahr: 2008 Heft: 30 Seite: 1606 erteilten, da nach seiner Ansicht die maßgebliche Bewertungsgrundlage für die Bewertung des den Mitarbeitern aufgrund der Überlassung der Aktien zufließenden geldwerten Vorteils der Börsenkurs der Aktie für Privatanleger am Tag der Börseneinführung sei. Daraufhin stellte die Klägerin ihr Mitarbeiterbeteiligungsprogramm ein und die Mitarbeiter mussten ihre erhaltenen Aktien zurückgeben. Der Preis pro Aktie betrug bei Hingabe 12 Euro, wobei die Mitarbeiter 0,25 Euro selbst zu tragen hatten und somit (unstreitig) ein geldwerter Vorteil von 11,75 Euro gewährt wurde, bei Rückgabe betrug der Preis pro Aktie dagegen 16,24 Euro. Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamts, dass die Rückgabe der Aktien zu negativen Einnahmen führe, die mit dem Hingabepreis (d. h. 0,25 Euro pro Aktie) zu bewerten seien. Nach Ansicht des Finanzgerichts dient das Institut der negativen Einnahmen dem Rückgängigmachen der steuerlichen Belastung, die durch die Hingabe eines Geldbetrages oder Gegenstandes, den der Empfänger später zurückzugewähren hat, eingetreten ist. Wollte man die negative Einnahme unter Berücksichtigung von zwischen Hin- und Rückgabe eingetretenen Wertsteigerungen bewerten, so würde die zunächst eingetretene Steuerbelastung nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert. Eine Bewertung mit dem Rückgabepreis wäre nach Ansicht des Finanzgerichts nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit der Rückgabe noch eigene Mittel aufwenden müsste, um den Rückgabeanspruch des Arbeitgebers zu befriedigen. Zudem sei eine analoge Anwendung von § 19 a EStG zur Bewertung der zurückzugebenden Aktien nicht möglich, da es sich hierbei um eine Sondervorschrift handele, die die Vermögensbildung von Arbeitnehmern durch Überlassung von Vermögensbeteiligungen begünstigen soll und damit keinen tauglichen Bewertungsmaßstab im Fall der Rückübertragung darstellen kann. Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt (Az. beim BFH: VI R 17/08).

Praxisfolgen

In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass die Bewertung negativer Einnahmen bei Sachbezügen anhand des Sachwerts bei Hingabe (ggf. abzüglich angefallener AfA) zu erfolgen hat (vgl. Drenseck, in: Schmidt, EStG Kommentar, 27. A., § 9, Rn. 64 a. E.; Thürmer, in: Blümich, EStG Kommentar, Loseblattsammlung, § 9, Rn. 182; v. Bornhaupt, in: Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, EStG Kommentar, Loseblattsammlung, § 9, Rn. 232; a. A. Kreft, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG Kommentar, Loseblattsammlung, § 9, Rn. 81: Rückgabepreis). Allerdings führen beide Literaturmeinungen keine konkreten Argumente oder Beispiele für ihren Standpunkt an. Das Urteil betrifft daher eine bisher noch nicht höchstrichterlich geklärte Frage, nämlich wonach negative Einkünfte infolge der Rückgabe von Sachbezügen in Form von noch nicht ausgegebenen Aktien zu bewerten sind. Für die Bewertung nach dem Hingabepreis spricht, dass im Streitfall bereits bei Hingabe ein geldwerter Vorteil von 11,75 Euro (unstreitig) angenommen wurde und dieser durch die Rückgabe steuerlich nur dann neutralisiert wird, wenn als Rückgabepreis der Hingabepreis angenommen wird. Andernfalls würden Wertsteigerungen/-senkungen des Aktienpreises Steuervorteile/-nachteile auslösen, was dem Sinn und Zweck der Steuerneutralität des Instituts der negativen Einkünfte widersprechen würde. Zudem gilt vorliegend der vom Arbeitgeber übernommen Anteil am Hingabepreis in Höhe von 11,75 Euro als geldwerter Vorteil und nicht ein zukünftiger Rückgabepreis, der im Zeitpunkt der Ausgabe noch gar nicht bestimmbar ist.

Darüber hinaus wird der BFH im Revisionsverfahren zu klären haben, nach welchen Vorschriften der geldwerte Vorteile der Ausgabe der Aktien zu bewerten ist, da auch hier ungeklärt ist nach welchen Vorschriften eine Bewertung zu erfolgen hat: § 8 Abs. 2 EStG oder § 19 a EStG, da § 19 a EStG lex spezialis zu § 8 Abs. 2 EStG ist, wenn die Mitarbeiterbeteiligung eine Vermögensbeteiligung i. S. d. 5. Vermögensbildungsgesetzes darstellt. Im Fall des § 19 a EStG erfolgt die Bewertung nach dem BewG, so dass grundsätzlich auch nachrangig das Stuttgarter Verfahren (vgl. § 11 Abs. 2 S. 2 BewG) zur Anwendung kommen kann (vgl. SenVer. Berlin, Rd. Erl. v. 11.12.2006, DStR 2007, S. 303). Darüber hinaus ist zu begrüßen, wenn der BFH auch die vom Finanzgericht vorliegend vertretene Ablehnung der analogen Anwendung von § 19 a EStG zwecks Bewertung bestätigen wird (vgl. insoweit auch Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 9.4.2003 - III 313/02, EFG 2004, S. 334, rechtskräftig), um hinsichtlich dieser Frage weitere Klarheit zu erhalten.

Abschließend greift das Finanzgericht einen weiteren interessanten Punkt auf, zu dem eine Stellungnahme des BFH begrüßenswert wäre: bei eigenen Aufwendungen würde eine Bewertung möglicherweise doch nach dem Rückgabepreis zu erfolgen haben. Insoweit stellt sich die Frage, ob eigene Aufwendungen tatsächlich die Bewertung der negativen Einnahmen vollständig nach dem Rückgabepreis zur Folge hätten oder ob diese eigenen Aufwendungen im Rahmen der Rückgabe nicht zu dem geldwerten Vorteil nach Maßgabe des Hingabepreises hinzuzurechnen wären.

Tim Lühn, RA/StB/Dipl.-Jur., Düsseldorf

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