Hessisches FG: Betrug- und Untreue eines Arbeitnehmers durch Vortäuschung fiktiver Geschäfte lösen keine Umsatzsteuer aus
Hessisches FG, Urteil vom 16.2.2016 – 1 K 2513/12
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob im Zusammenhang mit gemeinschaftlich begangenen Betrugs- und Untreuehandlungen des Klägers gegenüber seinem damaligen Arbeitgeber umsatzsteuerpflichtige Leistungen des Klägers vorlagen. Dem liegt der nachfolgende Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger war von ... bis ... bei der Firma E GmbH beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte die Vergabe und Steuerung von Aufträgen an externe Firmen für Bau- und Sanierungsarbeiten an Liegenschaften in der Verwaltung seines Arbeitgebers und deren anschließende Abrechnung. Im Zuge dieser Tätigkeit stellte er Schwächen im internen Kontrollsystem seines Arbeitgebers fest, die es ermöglichten, das geltende Vieraugenprinzip zu umgehen und dabei auch auf offene Bau- und Sanierungsbudgets anderer Sachbearbeiter seines Arbeitgebers zuzugreifen.
Im ... 2007 begann der Kläger, dieses Wissen im Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer einer X GmbH, einem Bauunternehmen für Gebäudesanierung, zur Abzweigung von Geldern seines Arbeitgebers auszunutzen. Zu diesem Zweck generierte der Geschäftsführer der X GmbH nach den Vorgaben des Klägers fiktive Angebotstexte. Der Kläger legte daraufhin entsprechende Aufträge an die X GmbH im EDV-System seines Arbeitgebers ab, die zu keiner Zeit abgerufen wurden. Anschließend generierte der Geschäftsführer der X GmbH nach den Vorgaben des Klägers Rechnungstexte, die auf die X GmbH als Rechnungsausstellerin lauteten. Der Kläger speiste wiederum die Rechnungen in das EDV-System seines Arbeitgebers ein und sorgte dafür, dass die Rechnungsbeträge ohne sachliche Prüfung bzw. ohne Beanstandungen an die X GmbH überwiesen wurden.
Das erhaltene Geld wurde zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der X GmbH aufgeteilt. Zur Verschleierung der Auskehrung der auf den Kläger entfallenden Anteile schrieb dieser Abdeckrechnungen ohne Umsatzsteuerausweis über tatsächlich nie erhaltene und durchgeführte Aufträge. In ... Fällen schrieb der Kläger Abdeckrechnungen an die X GmbH, woraufhin deren Geschäftsführer die Überweisung der jeweiligen Rechnungsbeträge auf Konten des Klägers bei der ...(Bank) oder der ...(Bank) in ... veranlasste. In den übrigen ... Fällen wurden mit dem Geschäftsführer der X GmbH befreundete bzw. bekannte, in ..., ..., in ... und in ... ansässige Unternehmen eingebunden. Diese stellten gegen eine „Bearbeitungsgebühr“ Rechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Leistungen an die X GmbH aus, die daraufhin die Rechnungsbeträge an die Unternehmen überwies. Die Unternehmen wiederum kehrten die erhaltenen Beträge nach Erhalt der Abdeckrechnungen des Klägers durch Überweisung auf dessen Konten bei der ...(Bank) oder ...(Bank) in ... aus.
Diese Machenschaften blieben bis Ende 2011 unentdeckt. Der Kläger erstattete im ... 2012 eine Selbstanzeige gegenüber der zuständigen Staatsanwaltschaft und zeigte diesen Sachverhalt mit Schreiben eines Bevollmächtigten vom ...2012 dem Beklagten an.
Im Einzelnen wurden in 2007 von der X GmbH ... Rechnungen über insgesamt ... € an den Arbeitgeber des Klägers ausgestellt. Der Anteil des Klägers hieran belief sich auf insgesamt ... €. In 2008 wurden ... Rechnungen über insgesamt ... € ausgestellt und belief sich der Anteil des Klägers hieran auf insgesamt ... €. In 2009 wurden ... Rechnungen über insgesamt ... € ausgestellt. Der Anteil des Klägers betrug insgesamt ... €. In 2010 wurden ... Rechnungen über insgesamt ... € ausgestellt und belief sich der Anteil des Klägers hieran auf insgesamt ... €. In 2011 wurden ... Rechnungen über insgesamt ... € ausgestellt. Hinzu kam eine vom Kläger veranlasste Barzahlung seines Arbeitgebers an die X GmbH in Höhe von ... €. Der Anteil des Klägers an diesen Geldzahlungen betrug insgesamt ... €. Wegen der Einzelheiten der ausgestellten Rechnungen, der Rechnungsbeträge und des Anteils des Klägers an den erhaltenen Geldern wird auf die Aufstellung in der Umsatzsteuerakte (Bl. 44, 45) verwiesen.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass es sich bei diesen Taten zulasten des Arbeitgebers des Klägers um einen umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und der X GmbH gehandelt habe, innerhalb dessen der Kläger sonstige Leistungen erbracht habe. Er erließ daher am 19.11.2012 entsprechende Umsatzsteuerbescheide, in denen er für 2007 Umsatzsteuer in Höhe von ... €, für 2008 in Höhe von ... €, für 2009 in Höhe von ... €, für 2010 in Höhe von ... €, für 2011 in Höhe von ... € festsetzte. Darüber hinaus setzte er in den Bescheiden Zinsen zu Umsatzsteuer in Höhe von ... € für 2007, ... € für 2008, ... € für 2009 und in Höhe von ... € für 2010 fest. Bei der Berechnung der Umsatzsteuer rechnete er aus dem Anteil des Klägers an den erhaltenen Geldern die Umsatzsteuer heraus und legte den Nettobetrag als Bemessungsgrundlage zu Grunde. Wegen der Einzelheiten der Berechnung und Festsetzung der Umsatzsteuer für die Streitjahre wird auf die Umsatzsteuerbescheide in der Gerichtsakte (Bl. 5 bis 18) verwiesen.
Der Kläger macht zur Begründung seiner am 29.11.2012 erhobenen Sprungklage, der der Beklagte am 20.12.2012 zugestimmt hat, geltend, die streitgegenständlichen Vorgänge enthielten keinen umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch. Er sei im Rahmen seiner Haupttätigkeit nur als Arbeitnehmer und nicht selbstständig tätig gewesen. Sein Tatbeitrag zu den Betrugshandlungen sei nur als Bestandteil seiner nichtselbstständigen Tätigkeit denkbar, so dass es an der Unternehmereigenschaft fehle. Soweit in der Rechtsprechung in Bestechungs- und Schmiergeldfällen gelegentlich eine Unternehmereigenschaft angenommen werde, unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von den entschiedenen Fällen, in denen in der mehrfachen Entgegennahme von Schmiergeldern die Begründung einer Unternehmereigenschaft und in der pflichtwidrigen Steuerung von Aufträgen durch einen Angestellten umsatzsteuerbare Leistungen gesehen worden seien.
Den Zahlungen an den Kläger hätten aber, anders als in den Schmiergeldfällen, keine realen Aufträge zugrunde gelegen. Es habe weder einen Auftrag noch eine Bauleistung gegeben, für deren Beschaffung oder Bevorzugung der Kläger von Bauunternehmen mit der Schmiergeldzahlung belohnt worden sei. Es habe nur die in betrügerischer Absicht erstellten Scheinrechnungen gegeben, für deren Bezahlung der Kläger gesorgt habe. Die Leistung eines Schmiergeldempfängers liege in der Vermittlung und Förderung eines Geschäfts für einen Dritten, was zulässiger Gegenstand des Rechtsverkehrs sein könne. Die Umgehung von Kontrollsystemen zur Ermöglichung einer Betrugshandlung könne dagegen nicht als Gegenstand eines Rechtsverkehrs angesehen werden. Der Kläger habe mit seinen Tatbeiträgen der X GmbH auch keinen verbrauchsfähigen wirtschaftlichen Vorteil verschafft. Die Betrugshandlungen der Beteiligten hätten allein darauf abgezielt, der X GmbH vorgebliche Entgeltzahlungen zu verschaffen, denen tatsächlich kein Leistungsverhältnis und keine Lieferung oder sonstige Leistung zu Grunde gelegen habe. Ebenso wie die schlichte Entgeltentrichtung durch Geldzahlung nach ständiger Rechtsprechung keine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne darstelle, könne auch die Veranlassung unberechtigter Entgeltzahlungen durch den Kläger keine umsatzsteuerpflichtige Leistung darstellen. Die X GmbH als Empfängerin der unberechtigten Entgeltzahlungen habe nur einen tatsächlichen Vorteil erlangt, indem sie die Gelder in Händen gehabt habe. Diesem Vorteil habe jedoch sofort und in gleicher Höhe die Verbindlichkeit aus Schadensersatzansprüchen und ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber gestanden, so dass wirtschaftlich kein verbrauchbarer Vorteil auf Seiten der X GmbH verblieben sei.
Im Übrigen erfordere eine sonstige Leistung die Zuwendung des wirtschaftlichen Gehalts eines verkehrsfähigen Wirtschaftsgutes. Auch die sechste EG-Richtlinie stelle zur Umschreibung des umsatzsteuerlichen Leistungsbegriffs auf eine wirtschaftliche Tätigkeit ab. Der EuGH (EuGH-Urteil vom 06.12.1990 C-343/89) habe für den Bereich der Lieferungen eine wirtschaftliche Tätigkeit beim Handel mit Gegenständen, die innerhalb der EU einem absoluten Handelsverbot unterlägen, abgelehnt, was folgerichtig und systemgerecht sei, da die Umsatzsteuer nicht als quasisteuerliche Sanktion flankierend zum Strafrecht missbraucht werden dürfe. Die Umsatzsteuer solle den Konsumenten, nicht aber den Händler belasten. Nichts anderes könne für sonstige Leistungen zur Tatbestandsverwirklichung von Betrug und Untreue gelten. Das Einschleusen von Scheinrechnungen in den Verwaltungsablauf eines Unternehmens sei unter keinem Gesichtspunkt als Leistung des Wirtschaftsverkehrs denkbar. Diese Tätigkeit sei weder verkehrsfähig noch habe sie für sich allein betrachtet einen wirtschaftlichen Gehalt. Sie diene ausschließlich der Täuschung des Arbeitgebers und der Erlangung rechtswidriger Zahlungen. Die Behandlung derartiger Tathandlungen als Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs widerspräche auch der Wertneutralität des Umsatzsteuerrechts.
Zudem hätten sich der Kläger und die X GmbH nicht als Leistender und Leistungsempfänger gegenüber gestanden. Die diesbezügliche Betrachtung der Taten durch den Beklagten sei willkürlich und werde den Umständen des Falles nicht gerecht. Sie unterstelle, dass der Kläger im Auftrag des Geschäftsführers der X GmbH gehandelt habe, welcher folglich Herr der Taten gewesen sein müsste, der die Leistungen des Klägers zugekauft habe. Tatsächlich sei aber der Kläger Initiator der Taten gewesen, weshalb naheliegender sei, den Kläger als denjenigen anzusehen, der Leistungen in Gestalt der Rechnungserstellung und Erlösweiterleitung beim Geschäftsführer der X GmbH zugekauft habe und damit Leistungsempfänger gewesen sei.
Letztendlich träfen beide Lesarten nicht zu. Denn tatsächlich hätten sich der Kläger und der Geschäftsführer der X GmbH zu gemeinsamen Betrugshandlungen verabredet. Die Tatbeiträge seien in etwa gleichwertig gewesen. Keiner der beiden könne als Gehilfe oder Auftragnehmer betrachtet werden. Es habe sich also um einen Zusammenschluss zweier Personen zu einem gemeinsamen Zweck bei unterschiedlichen Beiträgen, also um eine BGB-Gesellschaft gehandelt. Die jeweiligen Leistungen der Beteiligten seien Beiträge zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks gewesen, der Anteil an der Beute nicht Gegenleistung für einen Beitrag zu einer fremden Tat, sondern Anteil an der Beute einer gemeinsamen Tat gewesen. Die Tätigkeiten seien daher als Gesellschafterbeiträge nicht steuerbar gewesen, da sie nicht gegen eine Sondervergütung erfolgt seien, sondern im Rahmen der allgemeinen Gewinnerwartung.
Bejahe man im vorliegenden Fall einen Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und der X GmbH im Sinne einer sonstigen Leistung, greife zu Gunsten des Klägers die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8b des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Der Beklagte habe, soweit die Einkommensteuerpflichtigkeit der Tathandlungen des Klägers in Rede stehe, ausgeführt, dass der Kläger aufgrund seiner Rechtsstellung im Rahmen seines Dienstverhältnisses, seines beruflichen Aufgabengebiets und seiner Kenntnisse der Abläufe dafür gesorgt habe, dass die auf keiner Lieferung oder sonstigen Leistungen basierenden Rechnungen bezahlt worden seien. Danach habe die Leistung des Klägers darin bestanden, dass er für einen Geldfluss gesorgt, diesen gefördert und ermöglicht habe. Sonstige Leistungen, mit denen anderweitige Lieferungen oder Leistungen gefördert oder ermöglicht würden, stellten Vermittlungsleistungen dar. Es liege auf der Hand, dass Geldflüsse Leistungen darstellten. Umsatzsteuerlich seien solche Geldzahlungen jedoch irrelevant, wenn sie zur Entgeltentrichtung erfolgten, sich ihre wirtschaftliche Bedeutung also in der Tilgung einer Geldschuld erschöpften. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Den Zahlungen des Arbeitgebers hätten unstreitig keine Lieferungen oder sonstige Leistungen zu Grunde gelegen; es hätten also auch keine Verbindlichkeiten bestanden. Zweck der Leistung des Klägers sei es gewesen, der X GmbH die Zahlung als solche zu verschaffen. Damit handele es sich um nichts anderes, als einen Umsatz an gesetzlichen Zahlungsmitteln, den der Kläger vermittelt habe. Soweit der Beklagte einwende, es sei nicht Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift, Umsatzsteuerbefreiungen für Betrugs- und Untreuehandlungen zu gewähren, müsse dies konsequent auch für die Umsatzsteuerbarkeit derartiger Taten gelten, da Sinn und Zweck der Umsatzsteuer sei, den privaten Konsum zu belasten, und nicht, einen Straftäter zu bestrafen oder dessen Vorteile abzuschöpfen. Hierfür gebe es die strafrechtlichen Instrumente des Verfalls und der Einziehung.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für 2007 bis 2011, jeweils vom 19.11.2012, aufzuheben;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er führt zur Begründung im Wesentlichen aus, es sei von einem Leistungsaustausch auszugehen, weil der Kläger als Leistungsanbieter für seine Untreuehandlungen gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber von der X GmbH ein Entgelt dafür erhalten habe, dass er die kriminellen Handlungen aktiv mitgestaltet und gedeckt habe und damit den eigenen wirtschaftlichen Interessen des Entrichtenden, nämlich der Fortdauer der Bezahlung von Scheinrechnungen, entsprochen habe. Er sei auch als Unternehmer anzusehen, da er nachhaltig Leistungen gegen Entgelt ausgeführt habe. Diese hätten in dem Einpflegen von Aufträgen an die X GmbH und der Einspeisung der Rechnungen der X GmbH in das EDV-System seines Arbeitgebers bestanden. Entgegen der Auffassung des Klägers seien die Handlungen auch nicht nach § 4 Nr. 8b UStG umsatzsteuerfrei. Dieser Befreiungstatbestand gelte für Umsätze, die auf der Vermittlung von Umsätzen an gesetzlichen Zahlungsmitteln beruhten. Es sei aber für eine außenstehende Person zu keinem Zeitpunkt ersichtlich, dass es sich bei den ausgeführten Leistungen um Umsätze gehandelt habe, die auf der Vermittlung von Umsätzen an gesetzlichen Zahlungsmitteln beruht hätten. Zudem fehle auf sämtlichen Rechnungen der entsprechende Hinweis, dass für die sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gelte. Es sei auch nicht Sinn und Zweck dieser Befreiungsvorschrift, eine Umsatzsteuerbefreiung für Betrugs- und Untreuehandlungen zu schaffen.
Die einschlägigen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (ein Band Umsatzsteuerakten, ein Band Einkommensteuerakten, ein Sonderband Prüfungsberichte) waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet.
1. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO).
Die vom Kläger gemeinschaftlich mit dem Geschäftsführer der X GmbH begangenen Betrugs- und Untreuehandlungen gegenüber seinem damaligen Arbeitgeber sind keine umsatzsteuerpflichtigen Leistungen des Klägers im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (UStG).
a) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen oder sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
(aa) Neben der Unternehmereigenschaft des Leistenden erfordert die Umsatzsteuerbarkeit einer Leistung grundsätzlich das Vorliegen eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, sodass das Entgelt als Gegenleistung für die Leistung anzusehen ist (Leistungsaustausch; vgl Oelmeier in: Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 1 Rdn. 36). Es muss ein zweckgerichtetes Handeln des Leistenden gegeben sein, das sich auf eine gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung richtet, und sie damit auslöst, so dass die wechselseitigen Leistungen nicht bloß äußerlich miteinander verbunden sind (BFH-Urteil vom 18.04.1996 V R 123/93, BFHE 180, 204, BStBl II 1996, 387 [BFH 18.04.1996 - V R 123/93]). Ob ein Leistungsaustausch vorliegt und wer Leistender und Leistungsempfänger ist, ist regelmäßig den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zu entnehmen (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BFH/NV 2013, 1352 [BFH 24.04.2013 - XI R 7/11]).
(bb) Sonstige Leistungen (Dienstleistungen) sind alle Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28.11.2006 Abl. EU Nr. L 347 S.1 - MwStSystRL). Sie können in einem positiven Tun, einem Dulden oder Unterlassen bestehen (§ 3 Abs. 9 Satz 2 UStG, Art. 25 Buchst. b MwStSystRL). Der Leistungsempfänger muss einen Vorteil erhalten, aufgrund dessen er als Empfänger einer Dienstleistung angesehen (identifiziert) werden kann. Zudem setzt die Besteuerung der (sonstigen) Leistung einen Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beim Empfänger oder am Ende der Unternehmerkette voraus (Oelmeier in: Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 1 Rdn. 5, 9; EuGH-Urteile vom 03.03.1994 C-16/93, ABl EG 1994, Nr C 103, 2 = HFR 1994, 357 [EuGH 03.03.1994 - C 332/92] und vom 29.02.1996 C-215/94 ABl EG 1996, Nr C 133, 8 = HFR 1996, 294).
b) Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat der Kläger nach Auffassung des Senats dadurch, dass er fiktive Angebote der X GmbH und entsprechende Aufträge an diese sowie Rechnungen der X GmbH an seine Arbeitgeberin für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen in den Geschäftsablauf der Arbeitgeberin einschleuste, was zur Auszahlung der Rechnungsbeträge an die X GmbH führte, und ihm hierfür ein Anteil der Rechnungsbeträge ausgezahlt wurde, keine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung gegen Entgelt erbracht.
(aa) Zwar wurde in den vom Kläger in das System seines Arbeitgebers eingeschleusten Angeboten und Rechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Leistungen die X GmbH als Adressatin bzw. Rechnungsausstellerin aufgeführt und wurde die Vereinnahmung der vom Arbeitgeber des Klägers auf die Rechnungen gezahlten Beträge und die Verteilung der Beute über das Geschäftskonto der X GmbH abgewickelt.
Indessen bestand die für die Frage eines umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustauschs maßgebliche Rechtsbeziehung entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zwischen dem Kläger und der X GmbH, sondern ausschließlich zwischen dem Kläger und dem insoweit im eigenen Namen und im eigenen Interesse handelnden Geschäftsführer der X GmbH.
(bb) Nach dem zwischen den Beteiligten unstreitigen Vorbringen des Klägers und den vorgelegten Unterlagen, insbesondere den vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten schriftsätzlichen Angaben des Prozessbevollmächtigten des Geschäftsführers der X GmbH in dem gegen diesen eröffneten Strafverfahren, wurden die Handlungen zum Nachteil der Arbeitgeberin des Klägers von diesem initiiert und geplant. Die Umsetzung des Plans erfolgte dergestalt, dass der Kläger fiktive Angebotstexte und Rechnungstexte entwarf und diese von seinem privaten E-Mail-Account dem Geschäftsführer der X GmbH übersandte. Dieser übertrug die Texte in Briefbögen und Rechnungsvordrucke der X GmbH und übersandte sie an die Arbeitgeberin des Klägers zu dessen Händen. Der Kläger wiederum legte die fiktiven Angebote sowie die entsprechenden Aufträge und Rechnungen im EDV-System seines Arbeitgebers ab. Während die Aufträge tatsächlich nie abgerufen wurden, sorgte der Kläger dafür, dass unter Ausnutzung sowohl eigener Budgets als auch von Budgets anderer Sachbearbeiter die Rechnungsbeträge auf das Geschäftskonto der X GmbH überwiesen wurden.
Nach Eingang der jeweiligen Rechnungsbeträge auf dem Konto der X GmbH wurde die „Beute“ zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der X GmbH aufgeteilt. Zur Verschleierung der Beuteteilung wurden entsprechend der vorgefassten Planung durch den Kläger nach Absprache zwischen ihm und dem Geschäftsführer wiederum die X GmbH und vom Geschäftsführer der X GmbH „engagierte“ Mittelsmänner einbezogen.
Zu diesem Zweck erstellte der Kläger unter der Firma „...“ Abdeckrechnungen ohne Umsatzsteuerausweis über fiktive Dienstleistungen wie beispielsweise Bauleitung, Beratungsleistungen oder ähnliches. ... Abdeckrechnungen adressierte er direkt an die X GmbH. Anschließend veranlasste deren Geschäftsführer die Überweisung der Rechnungsbeträge auf die Konten des Klägers. In den übrigen ... Fällen veranlasste der Geschäftsführer der X GmbH mit ihm befreundete Unternehmen, gegen eine „Bearbeitungsgebühr“ Rechnungen über fiktive Leistungen an die X GmbH zu adressieren. Daraufhin veranlasste der Geschäftsführer die Überweisung der Rechnungsbeträge an die Unternehmen. Diese wiederum überwiesen die - mit den Rechnungsbeträgen in den Abdeckrechnungen des Klägers an sie identischen - Beträge auf die Konten des Klägers.
(cc) Durch diese Manipulationen des Klägers hat die X GmbH keinerlei Vorteile für ihre unternehmerische Betätigung erlangt, aufgrund derer sie als Empfänger einer Dienstleistung angesehen werden könnte. Ihr wurden durch die Manipulationen des Klägers weder Aufträge zugeschanzt noch flossen ihr irgendwie geartete sonstige, im Rahmen ihrer unternehmerischen Betätigung nutzbare Vorteile zu. Dies gilt insbesondere auch für die aufgrund der Manipulationen des Klägers auf ihrem Geschäftskonto eingegangenen Geldbeträge. Diese Gelder wurden nicht von ihr für ihre unternehmerischen Zwecke verbraucht, sondern umgehend von ihrem Geschäftsführer für dessen eigene Zwecke abgezogen und verwendet.
Dies unterscheidet den vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Beklagten von den in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung mehrfach entschiedenen sogenannten Schmiergeld- bzw. Bestechungsfällen. Nach dieser Rechtsprechung können durch Schmiergeldzahlungen beeinflusste Auftragsvergaben zum Nachteil von Mitbewerbern über mehrere Jahre hinweg (FG München Beschluss vom 02.03.2012 8 V 2836/11, Juris-Recherche) oder die Verschaffung günstiger Geschäftsabschlüsse durch Einflussnahme beim Entscheidungsträger des Arbeitgebers gegen Zahlung von Provisionen (FG München Urteil vom 29.07.2004 14 K 4355/01, DStRE 2004, 1361) umsatzsteuerpflichtige Leistungen sein. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall lagen den dortigen Fällen reale wirtschaftliche bzw. geschäftliche Betätigungen zugrunde. Die bevorzugten Unternehmen erlangten Vorteile, die sie unmittelbar für ihre tatsächliche unternehmerische Betätigung nutzten. Insoweit fand auch ein echter „Verbrauch“ der ihnen gegenüber erbrachten Dienstleistungen statt.
c) Bei den Manipulationen des Klägers handelte es sich nach Auffassung des Senats auch nicht um umsatzsteuerpflichtige Leistungen des Klägers an den Geschäftsführer der X GmbH gegen Entgelt.
(aa) Der Kläger und der Geschäftsführer der X GmbH haben sich auf der Grundlage vorgefasster Absicht und Planung des Klägers zu einem gemeinschaftlichen Handeln zum Nachteil der Arbeitgeberin des Klägers verabredet, um wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Zur Erreichung dieses angestrebten Zwecks leistete jeder der an der Verabredung Beteiligten den zur Erfüllung der ihm zugedachten Aufgabe erforderlichen Beitrag: der Kläger, indem er das EDV-System seiner Arbeitgeberin manipulierte, dort fiktive Angebote der X GmbH und entsprechende Aufträge und Rechnungen ablegte und für die Auszahlung der Rechnungsbeträge sorgte; der Geschäftsführer der X GmbH, indem er Briefbögen und Rechnungsvordrucke der GmbH sowie deren Geschäftskonto zur Verfügung stellte und die Aufteilung des erlangten wirtschaftlichen Vorteils organisierte.
Danach standen die Handlungen des Klägers nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Entgeltzahlung des Geschäftsführers der X GmbH. Der Kläger erfüllte seinen Tatbeitrag nicht um der Zahlung eines Entgelts durch den Geschäftsführer der X GmbH willen, sondern damit dieser seinen Tatbeitrag zur Erlangung des durch die gemeinschaftliche Tatbegehung angestrebten Erfolges erfülle. Insoweit waren die einzelnen Tatbeiträge auch nicht Entgelt für die jeweils anderen. Vielmehr brachte jeder der an der Verabredung Beteiligten seine Leistungen in die Unternehmung ein, um den mit ihr verfolgten gemeinsamen Zweck, nämlich die Abschöpfung und Vereinnahmung von Geldern der Arbeitgeberin des Klägers zu erreichen. Die „Abgeltung“ der jeweiligen Tatbeiträge erfolgte durch die Aufteilung der erlangten Gelder. Leistungen, die ausschließlich der Erreichung eines gemeinschaftlichen Zwecks dienen und durch die „Beteiligung am Gewinn“ abgegolten werden und nicht in einem konkreten Einzel- bzw. Sonderinteresse liegen, stellen aber keine umsatzsteuerpflichtigen Leistungen gegen (Sonder-)Entgelt dar (vgl. BFH-Beschluss vom 10.06.2002 V B 135/01, BFH/NV 2002, 1504).
(bb) Allerdings hat das FG Baden-Württemberg in einem Prozesskostenhilfebeschluss vom 20.02.1992 (12 K 387/88, Juris-Recherche) entschieden, dass die Beziehungen innerhalb einer kriminellen Vereinigung, deren Zweck die Schädigung des Arbeitgebers von Mitgliedern der Vereinigung sei, der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, wenn die Mitglieder nur deswegen mitwirkten, weil sie an der Beute beteiligt würden, wobei Tatbeitrag und Anteil an der Beute im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG stünden. Das Finanzgericht Niedersachsen hat in einem Urteil vom 28.10.1999 (V 360/92, EFG 2000, 659) erkannt, dass die Mitwirkung an Diebstählen zuungunsten des Arbeitgebers gegen Beteiligung am Veräußerungserlös des Diebesguts umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen darstellten.
Indessen überzeugen diese Entscheidungen den Senat bereits deshalb nicht, da sie in den mitgeteilten Entscheidungsgründen jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, innerhalb welcher (Rechts-)Beziehung zwischen den einzelnen Beteiligten ein Leistungsaustausch stattgefunden hat und ob und inwieweit einzelne Tatbeiträge zur Erreichung eines verabredeten und gemeinsam verfolgten Erfolges der Umsatzsteuer unterliegende Leistungen gegen (Sonder-)Entgelt oder einen umsatzsteuerlich irrelevanten Leistungsaustausch gegen „Beteiligung am erzielten Gewinn“ darstellen, vermissen lassen.
(cc) Wollte man die Beteiligung an der Beute als Entgelt für die Tatbeteiligung eines Mittäters ansehen, so stellte sich die damit zwangsweise verbundene Frage, wer in Fällen wie dem vorliegenden dem „Leistenden“ seinen Anteil an der Beute gewährt, d.h. wer als Leistungsempfänger anzusehen wäre, der Mittäter oder die kriminelle Vereinigung selbst?
Folgerichtig müsste dann auch der Tatbeitrag des Mittäters - hier des Geschäftsführers der X GmbH - der Umsatzbesteuerung unterworfen werden.
Sähe man den jeweiligen Mittäter als Unternehmer und gleichzeitig als Leistungsempfänger des Tatbeitrags des jeweiligen anderen Mittäters an, so hätte dieser - bei Vorliegen der übrigen in § 15 UStG normierten Tatbestandsvoraussetzungen - auch einen Anspruch auf Berücksichtigung der Vorsteuern, die auf den Tatbeitrag des jeweils anderen entfallen, ohne den die gemeinsam begangene Tat nicht hätte verwirklicht werden können.
2. Da der Klage im vollen Umfang stattgegeben wurde, hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, 3 FGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
4. Im Hinblick auf die oben zitierte Rechtsprechung zu den sogenannten Schmiergeld- bzw. Bestechungsfällen und die Entscheidungen des FG Baden-Württemberg und des FG Niedersachsen erscheint die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO geboten.