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Steuerrecht
20.02.2025
Steuerrecht
Niedersächsisches FG: Betriebsausgabenabzug im Zusammenhang mit dem Betrieb von steuerfreien Photovoltaikanlagen

Niedersächsisches FG, Urteil vom 11.12.2024 – 9 K 83/24

ECLI:DE::2024:1211.9K83.24.00

Volltext BB-Online BBL2025-470-4

 

Amtliche Leitsätze

1. Werden beim Betrieb einer nach § 3 Nr. 72 EStG steuerbefreiten Photovoltaikanlage in den Veranlagungszeiträumen vor 2022 erzielte Einspeisevergütungen im Jahr 2022 zurückgezahlt, ist die Rückzahlung als Betriebsausgabe abzugsfähig. Der Betriebsausgabenabzug ist nicht nach § 3c Abs. 1 EStG eingeschränkt.

2. Die Regelung des § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG enthält kein Gewinnermittlungsverbot und schränkt einen gegebenen Betriebsausgabenabzug nicht ein.

 

 

Sachverhalt

Streitig ist, ob im Streitjahr 2022 zurückzuzahlende Einspeisevergütungen aus den Jahren 2018 bis 2021 aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb geltend gemacht werden können.

Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Im Jahr 2014 erwarb eine von den Klägern gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die "A GbR", eine Photovoltaikanlage. Die A GbR betrieb die Anlage auf dem Dach des privaten Wohnhauses der Kläger. Die Anlage hat eine installierte Bruttoleistung von 6,6 kWp. Der produzierte Strom wurde teilweise in das öffentliche Netz eingespeist. Hierzu schloss die A GbR einen Einspeisevertrag mit der Stadtwerke M GmbH.

Umsatzsteuerlich ordnete die A GbR die Photovoltaikanlage vollständig dem unternehmerischen Vermögen zu und nahm die Kleinunternehmerregelung nicht in Anspruch.

Die A GbR übte über den Betrieb der Photovoltaikanlage hinaus keine weiteren Tätigkeiten aus. Ihren Gewinn ermittelte die A GbR durch Einnahmen-Überschussrechnung.

In den Veranlagungszeiträumen (VZ) 2014 bis 2021 gingen in die Veranlagungen der Kläger zur Einkommensteuer folgende Gewinne aus Gewerbebetrieb aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage ein, die den Klägern jeweils hälftig zugerechnet wurden:

 

              VZ          Gewinn aus Gewerbebetrieb in €

2014      XX,XX  

2015      XX,XX  

2016      XX,XX  

2017      XX,XX  

2018      XX,XX

2019      XX,XX

2020      XX,XX

2021      XX,XX

 

Die Gewinne aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage wurden vom Beklagten in den VZ 2014 bis 2019 gesondert und einheitlich festgestellt (Steuernummer: 1234). Für die VZ 2020 und 2021 sowie für das Streitjahr führte der Beklagte im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Februar 2020 (IV R 6/17, BFHE 268, 132, BStBl II 2021, 17) aufgrund der Annahme eines Falls von geringer Bedeutung keine einheitliche und gesonderte Feststellung mehr durch, sondern erfasste die Gewinne aus Gewerbebetrieb unmittelbar im Rahmen der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer.

Mit Schreiben vom 30. November 2021 machte die Stadtwerke M GmbH gegenüber der A GbR die Rückzahlung von überzahlten Einspeisevergütungen der Jahre 2018 bis 2021 geltend und stellte sie bis zum 16. Dezember 2021 fällig. Die A GbR leistete die Rückzahlung in den Monaten Januar bis Juni 2022 mit Teilzahlungen von monatlich 500,00 € sowie einer Abschlusszahlung im Juli 2022 in Höhe von 1.550,56 €.

Für das Streitjahr erklärten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung sowie in einer zusätzlich abgegebenen Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die A GbR einen gewerblichen Verlust aus dem Photovoltaikbetrieb in Höhe von 2.826,00 €, den sie jedem Ehegatten zu jeweils 1.413,00 € zuordneten.

In der Einnahmen-Überschussrechnung für 2022 erklärte die A GbR die im Streitjahr ausgezahlten Einspeisevergütungen in Höhe von 2.668,42 € als Betriebseinnahmen.

Die erklärten Betriebsausgaben in Höhe von 5.494,98 € setzten sich zusammen aus Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 573,00 €, Schuldzinsen in Höhe von 211,90 €, Kosten für Rechts- und Steuerberatung in Höhe von 159,52 € sowie Rückzahlungen von Einspeisevergütungen der Jahre 2018 bis 2021 in Höhe von 4.550,56 €.

Der Beklagte sah für das Streitjahr - aufgrund der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - von der Durchführung eines einheitlich und gesonderten Feststellungsverfahrens ab.

Im Einkommensteuerbescheid 2022 vom ... Juni 2023 ließ der Beklagte die erklärten gewerblichen Verluste unberücksichtigt.

Gegen den Bescheid legte die Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schreiben vom 6. Juni 2023, eingegangen beim Beklagten am 7. Juni 2023, Einspruch ein. Im Betreff des Einspruchsschreibens ist nur der Kläger als Einspruchsführer genannt. Weiter heißt es in dem Einspruchsschreiben:

"(...) namens und im Auftrage unserer Mandanten legen wir gegen den oben aufgeführten Bescheid Einspruch ein."

Der Beklagte erfasste beide Kläger als Einspruchsführer.

Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ... April 2024 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Den Klageschriftsatz hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger am ... Mai 2024 über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach als elektronisches Dokument im Word-Format (Dateiendung: ".docx") bei Gericht eingereicht.

Die Kläger meinen, dass die von ihnen zurückzuzahlenden Einspeisevergütungen als Betriebsausgaben im Streitjahr zu berücksichtigen seien. Die Rückforderung der Stadtwerke M GmbH sei aufgrund eines fehlerhaften, defekten Zählers in den Jahren 2018 bis 2021 entstanden. Die Aufwendungen stünden nicht im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den im Jahr 2022 erzielten steuerfreien Betriebseinnahmen, sondern im Zusammenhang mit der fehlerhaften Ermittlung der Einkünfte der Vorjahre.

Die Nichtberücksichtigung der Betriebsausgaben würde im Ergebnis zu einer unrichtigen Besteuerung führen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2022 vom ... Juni 2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... April 2024 mit der Maßgabe zu ändern, dass Betriebsausgaben im Zusammenhang mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage in Höhe von 4.550,56 € steuermindernd berücksichtigt werden und jeweils zur Hälfte auf die Kläger verteilt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die geltend gemachten Betriebsausgaben seien gemäß § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG nicht zu berücksichtigen. Aufgrund der mit dem Jahressteuergesetz 2022 eingeführten Steuerbefreiung der von der A GbR erzielten Betriebseinnahmen sei kein Gewinn mehr zu ermitteln. Die Befreiung der GbR von ihrer Verpflichtung zur Gewinnermittlung führe dazu, dass auch vom Beklagten bei der Veranlagung kein Gewinn oder Verlust mehr angesetzt werden dürfe. Aus diesem Grund scheide ab dem VZ 2022 auch die Berücksichtigung solcher Betriebsausgaben aus, die im zeitlichen Zusammenhang mit den VZ vor 2022 stünden.

Ferner dürften nach § 3c Abs. 1 EStG Aufwendungen, soweit sie mit steuerfreien Betriebseinnahmen im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden. Betriebsausgaben, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Veranlagungszeitraum vor 2022 stünden und wegen des Abflussprinzips nach § 11 EStG erst im Jahr 2022 oder später zu berücksichtigen seien, unterfielen ebenfalls § 3c Abs. 1 EStG. Für die Annahme eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs im Sinne des § 3c Abs. 1 EStG sei es erforderlich, dass die Aufwendungen auf demselben Ereignis beruhten wie die steuerfreien Einnahmen (mit Verweis auf BFH, Urteil vom 18. Juli 1990 I R 72/86, BFHE 161, 132, BStBl II 1990, 926). Im Streitfall sei das gemeinsame Ereignis der Betrieb der Photovoltaikanlage. Die Betriebsausgaben seien nach Maßgabe des § 11 EStG grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung zu berücksichtigen. Erfolge der Abfluss im Zeitraum, in dem die steuerfreien Betriebseinnahmen erwirtschaftet würden, stünden sie im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesen steuerfreien Betriebseinnahmen.

Die Steuerfreistellung gemäß § 3 Nr. 72 EStG führe nicht zu einer Betriebsaufgabe der Photovoltaikanlage mit zwingendem Wechsel der Gewinnermittlungsart. Vielmehr handele es sich weiterhin um einen gewerblichen Betrieb im Sinne des § 15 EStG.

Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2020 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) komme ebenfalls nicht in Betracht, weil die Rückzahlung nach dem Vortrag der Kläger und dem Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG im Jahr 2022 zu erfassen sei.

Der Berichterstatter hat der Prozessbevollmächtigten der Kläger erstmals mit Schreiben vom 4. November 2024 den Hinweis erteilt, dass der Klageschriftsatz im Word-Format für das Gericht nicht zur Bearbeitung geeignet und deshalb unwirksam sei. Gleichzeitig hat der Berichterstatter die Prozessbevollmächtigte aufgefordert, den Klageschriftsatz unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachzureichen und zugleich glaubhaft zu machen, dass dieser mit dem zuerst eingereichten Klageschriftsatz inhaltlich übereinstimme. Die Prozessbevollmächtigte hat daraufhin am 5. November 2024 den Klageschriftsatz erneut im PDF-Format übersandt.

Das Gericht hat die Steuerakten der Kläger (Steuernummer: 1234) sowie die Feststellungsakte der A GbR (Steuernummer: 1234) beigezogen.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig und begründet.

 

I. Die Klage ist zulässig.

 

Die zunächst (möglicherweise) unwirksame Klageerhebung ist zumindest mit der Nachreichung des Klageschriftsatzes im PDF-Format mit Datum vom 5. November 2024 und der Glaubhaftmachung der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem am 13. Mai 2024 eingereichten Klageschriftsatz geheilt worden.

 

1. Als Steuerberater war der Vertreter der Prozessbevollmächtigten der Kläger nach § 52d Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze, zu denen auch der Klageschriftsatz gehört, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Nach § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO muss das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein elektronisches Dokument jedenfalls bei führender elektronischer Akte nur dann im Sinne des § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet, wenn es in einem der in § 2 Abs. 1 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) genannten Dateiformate bei Gericht eingeht (vgl. BFH, Beschluss vom 30. August 2024 V R 1/24, BFH/NV 2024, 1405). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV ist das elektronische Dokument im Dateiformat PDF zu übermitteln.

 

Ob eine zwingende Einreichung der Klageschrift im PDF-Format auch dann zu erfolgen hat, wenn - wie zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Mai 2024 im Niedersächsischen Finanzgericht - noch die Papierakte die führende Akte ist, hat der BFH bislang offengelassen (vgl. BFH, Beschluss vom 30. August 2024 V R 1/24, BFH/NV 2024, 1405). Nach der Rechtsprechung des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ist auch bei führender Papierakte zwingend ein PDF-Dokument einzureichen (vgl. zu einem AdV-Antrag: FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Februar 2024 1 V 659/23, juris). Für die Arbeitsgerichtsbarkeit hat das Bundesarbeitsgericht ein als Word-Datei eingereichtes elektronisches Dokument bei führender Papierakte als zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet angesehen (vgl. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29. Juni 2023 3 AZB 3/23, NJW 2023, 2445).

 

2. Der Senat braucht über diese Rechtsfrage jedoch nicht zu entscheiden. Denn auch bei einer Verpflichtung der Prozessbevollmächtigten der Kläger zur Einreichung der Klageschrift im PDF-Format und einer angenommen unwirksamen Klageerhebung, ist dieser Formfehler geheilt worden.

 

a) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs nach § 52a Abs. 6 Satz 1 FGO unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt nach § 52a Abs. 6 Satz 2 FGO als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

 

b) Die Voraussetzungen der Heilungsnorm des § 52a Abs. 6 Satz 2 FGO sind im Streitfall erfüllt.

 

Der Prozessbevollmächtigte hat unverzüglich nach dem Hinweis des Gerichts vom 4. November 2024 auf die unzulässige Einreichung der Klageschrift im Word-Format am 5. November 2024 die Klageschrift erneut im PDF-Format übermittelt. Gleichzeitig hat er glaubhaft gemacht, dass die Klageschriftsätze inhaltlich übereinstimmen.

 

Damit gilt die Klageschrift als rechtzeitig am 13. Mai 2024 und innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO eingegangen.

 

II. Die Klage ist begründet.

 

Der Einkommensteuerbescheid 2022 vom ... Juni 2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... April 2024 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Unrecht hat der Beklagte bei der Ermittlung des Gewinns der A GbR die Rückzahlung der überzahlten Einspeisevergütungen der Vorjahre in Höhe von 4.550,56 € nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt.

 

1. Der Einkommensteuerbescheid 2022 ist auch gegenüber der Klägerin nicht in formelle Bestandskraft erwachsen.

 

Der von der Prozessbevollmächtigten eingelegte Einspruch ist in entsprechender Anwendung von §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtsschutzgewährend dahingehend auszulegen, dass beide Kläger Einspruchsführer sein sollten. Zwar ist im Betreff des Schreibens vom 6. Juni 2023 nur der Kläger als Einspruchsführer genannt. Der Einleitungssatz bekräftigt aber, dass die Prozessbevollmächtigte namens und im Auftrag beider Kläger Einspruch einlegen wollte.

 

2. Die Rückzahlung der überzahlten Einspeisevergütungen der Vorjahre ist in Höhe von 4.550,56 € als Betriebsausgabe bei der Ermittlung des Gewinns der A GbR abzugsfähig (hierzu unter b) aa)). Für diese Aufwendungen greift weder das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG ein (hierzu unter b) bb)), noch lässt sich aus § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG ein Abzugsverbot herleiten (hierzu unter b) cc)).

 

a) Die Kläger erzielen mit ihrem jeweiligen Gesellschaftsanteil an der A GbR Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG. Der Betrieb einer Photovoltaikanlage erfüllt die Merkmale eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG.

 

Das Vorliegen der für jede Einkunftsart erforderlichen Einkünfteerzielungsabsicht ist nach Lage der Akten gegeben und zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die A GbR hat in sämtlichen Wirtschaftsjahren - mit Ausnahme des Streitjahrs - positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt, sodass die Gewinnerzielungsabsicht nicht infrage steht. Es ergibt sich auch unter Einbezug des für das Streitjahr erklärten Verlustes ein Totalgewinn.

 

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die von der A GbR erklärten Betriebsausgaben jedoch nicht vollständig nach § 3c Abs. 1 EStG vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen. Zumindest die geleistete Rückzahlung von Einspeisevergütungen kann als Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 EStG Berücksichtigung finden. Ob weitere der erklärten Betriebsausgaben abzugsfähig sind, braucht und darf der Senat aufgrund seiner Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) nicht entscheiden.

 

aa) Die Rückzahlung der Einspeisevergütungen im Streitjahr stellt zweifelsohne - dies wird vom Beklagten auch nicht bestritten - eine Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 EStG dar, weil sie in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage steht.

 

Zeitlich sind die Betriebsausgaben nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG auch im Streitjahr 2022 zu berücksichtigen, weil die A GbR die Einspeisevergütungen erst im Streitjahr an den Versorger zurückzahlte.

 

bb) Der Abzug der Rückzahlung der Einspeisevergütungen als Betriebsausgabe ist auch nicht nach § 3c Abs. 1 EStG ausgeschlossen.

 

(1) Nach § 3c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne von § 3c Abs. 1 EStG ist anzunehmen, wenn die Ausgaben und die steuerfreien Einnahmen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (vgl. BFH, Urteile vom 28. Mai 1998 X R 32/97, BFHE 186, 275, BStBl II 1998, 565, und vom 29. August 2017 VIII R 17/13, BFHE 260, 35, BStBl II 2018, 408). Das Erfordernis eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs ist auf solche Aufwendungen bezogen, die nach ihrer Entstehung oder Zweckbestimmung mit den steuerfreien Einnahmen in einem unlösbaren Zusammenhang stehen, d.h. ohne diese nicht angefallen wären. Danach setzt die Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG voraus, dass Bezüge und Aufwendungen konkret einander zuzuordnen sind, d.h. zueinander in einer erkennbaren und abgrenzbaren Beziehung stehen (vgl. BFH, Urteil vom 29. August 2017 VIII R 17/13, BFHE 260, 35 [BFH 28.11.2017 - VII R 1/16], BStBl II 2018, 408 [BFH 06.12.2017 - II R 55/15]). Der Annahme eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die betreffenden Ausgaben und Einnahmen unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen zuzuordnen sind. Dies bedeutet, dass (periodenübergreifend) auch künftige steuerfreie Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Ausgaben stehen können; insoweit kommt es auf einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Ausgaben und Einnahmen nicht an (vgl. BFH, Urteile vom 20. September 2006 I R 59/05, BFHE 215, 130, BStBl II 2007, 756, und vom 13. Dezember 2012 IV R 51/09, BFHE 240, 55, BStBl II 2013, 203).

 

(2) Nach der bisher ergangenen Rechtsprechung der Finanzgerichte ist § 3c Abs. 1 EStG auf sog. "nachlaufende" Betriebsausgaben bei Photovoltaikbetrieben nicht anzuwenden, weil die Aufwendungen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Betriebseinnahmen der Vorjahre stünden (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 19. September 2024 4 K 1440/23, EFG 2024, 2035, Revision beim BFH anhängig unter dem Az. III R 35/24; FG Münster, Urteil vom 6. November 2024 7 K 105/24 E, juris; FG Münster, Beschluss vom 21. Oktober 2024 1 V 1757/24 E, BB 2024, 2274 [BFH 13.06.2024 - III R 26/21]).

 

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in seinem Anwendungsschreiben vom 17. Juli 2023 (Az. IV C 6-S 2121/23/10001:001, BStBl I 2023 1494, Rn. 21) lediglich festgestellt, dass alle Betriebsausgaben, die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem (ggf. zukünftigen) Betrieb von nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG begünstigten Photovoltaikanlagen stünden, nach Maßgabe des § 3c Abs. 1 EStG nicht abzugsfähig seien. Ein Betriebsausgabenabzug in VZ vor 2022 bleibe unberührt. Die Finanzbehörden legen das Schreiben des BMF zum Teil dahingehend aus, dass § 3c Abs. 1 EStG nicht veranlagungszeitraumübergreifend anwendbar sei. Da die Betriebseinnahmen beim Einnahmen-Überschussrechner ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Verursachung ab dem 1. Januar 2022 steuerfrei verblieben, sei auch für die Betriebsausgaben keine Periodenabgrenzung nach ihrer wirtschaftlichen Verursachung vorzunehmen, sodass sämtliche im Jahr 2022 abfließenden Betriebsausgaben nach § 3c Abs. 1 EStG nicht abzugsfähig seien (vgl. den Vortrag der jeweils beklagten Finanzbehörden in den Urteilen: FG Nürnberg, Urteil vom 19. September 2024 4 K 1440/23, EFG 2024, 2035, Revision beim BFH anhängig unter dem Az. III R 35/24; FG Münster, Urteil vom 6. November 2024 7 K 105/24 E, juris, Revision zugelassen).

 

(3) Die Beteiligten gehen im Streitfall zunächst zu Recht übereinstimmend davon aus, dass die von der A GbR im Streitjahr erklärten Betriebseinnahmen nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG steuerfrei sind.

 

Nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 16. Dezember 2022 (BGBl I 2022, 2294) sind Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb (Buchstabe a) von auf, an oder in Einfamilienhäusern (einschließlich Nebengebäuden) oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 30 kW (peak) und (Buchstabe b) von auf, an oder in sonstigen Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- und Gewerbeeinheit, insgesamt höchstens 100 kW (peak) pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft, steuerfrei. Die Regelung ist nach § 52 Abs. 4 Satz 28 EStG für Einnahmen und Entnahmen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2021 erzielt oder getätigt werden.

 

Diese Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG für die Steuerbefreiung der Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage liegen vor. Die A GbR hat die Photovoltaikanlage auf dem privaten Wohnhaus der Kläger betrieben. Unabhängig davon, ob es sich bei dem privaten Wohnhaus der Kläger um ein Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhaus handelt, ist eine solche Photovoltaikanlage von der Steuerbefreiung erfasst. Denn die installierte Bruttoleistung betrug lediglich 6,6 kW (peak) und lag damit sowohl unterhalb des Schwellenwerts für Einfamilienhäuser von 30 kW (peak) als auch unterhalb des Schwellenwertes für sonstige Gebäude von 15 kW (peak) je Wohneinheit.

 

Für die Frage, ob Einnahmen im Sinne des § 52 Abs. 4 Satz 28 EStG nach dem 31. Dezember 2021 erzielt werden, kommt es auf die vom Steuerpflichtigen gewählte Gewinnermittlungsart an (vgl. auch Seifert, NWB 2024, 3052, 3052f. [FG Nürnberg 19.09.2024 - 4 K 1440/23]; im Ergebnis auch FG Münster, Beschluss vom 21. Oktober 2024 1 V 1757/24 E, BB 2024, 2274 [BFH 13.06.2024 - III R 26/21]). Ermittelt der Steuerpflichtige - wie die A GbR - ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschussrechnung, werden solche Betriebseinnahmen nach dem 31. Dezember 2021 erzielt, die dem Steuerpflichtigen im Sinne von § 11 Abs. 1 EStG nach diesem Tag zufließen. Dementsprechend sind sämtliche von der A GbR erklärten Betriebseinnahmen von der Einkommensteuer nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei zu stellen, weil sie nach dem 31. Dezember 2021 zugeflossen sind.

 

(4) Hingegen ist im Streitfall nach den dargestellten Grundsätzen des BFH ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der geleisteten Rückzahlung der Einspeisevergütungen mit den zuvor genannten steuerfreien Einnahmen des Streitjahres nicht gegeben, sodass ein Betriebsausgabenabzug nach § 3c Abs. 1 EStG nicht ausscheidet. Vielmehr besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Rückzahlung mit den in den Vorjahren steuerpflichtig vereinnahmten überhöhten Einspeisevergütungen.

 

Denn es handelt sich im Streitfall nicht bloß um einen einfachen Veranlassungszusammenhang zwischen Aufwand und Betriebseinnahme. Vielmehr stellt sich die Rückzahlung der Einspeisevergütung als "actus contrarius" zu den überhöht gezahlten Vergütungen der Vorjahre dar. Demnach bestehen keine Zweifel daran, dass es sich um Aufwendungen handelt, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den (in den Vorjahren) steuerpflichtigen Betriebseinnahmen aus der Photovoltaikanlage stehen.

 

Eine Verengung der Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG auf im Jahr 2022 zufließende Betriebseinnahmen und abfließende Betriebsausgaben widerspräche dem Sinn und Zweck der Regelung, wonach ein Betriebsausgabenabzug dann entfallen soll, wenn die ihm zugrundeliegenden Betriebseinnahmen steuerfrei verbleiben. Im Streitfall war die A GbR durch die Versteuerung der überhöhten Einspeisevergütungen in den Vorjahren tatsächlich steuerlich belastet. Dem entspricht es, die Rückzahlung der bereits versteuerten Einspeisevergütung als Betriebsausgabe entlastend zu berücksichtigen.

 

(5) Dabei verkennt der Senat nicht, dass eine solche Auslegung es dem Steuerpflichtigen im VZ 2022 ermöglicht, Aufwendungen, die ihre wirtschaftliche Verursachung in den Vorjahren haben, als Betriebsausgaben geltend zu machen, während Betriebseinnahmen, die im Jahr 2022 zufließen, aber bereits in den Vorjahren entstanden sind, steuerfrei bleiben. So kann der Steuerpflichtige, der im Jahr 2021 eine Photovoltaikanlage anschafft, den entsprechenden Vorsteuerabzug bei Abfluss des Kaufpreises im Jahr 2021 als Betriebsausgabe im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung geltend machen, während er eine erst im Jahr 2022 erfolgende Vorsteuererstattung des Finanzamts unversteuert lassen könnte (so das Beispiel bei Gragert, NWB 2024, 2479, 2485).

 

Diese Rechtsfolge ist das Ergebnis der gesetzlichen Systematik des § 3c Abs. 1 EStG, wonach für den Betriebsausgabenabzug im Zusammenhang mit steuerfreien Betriebseinnahmen auf den unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang abgestellt wird. Es findet sich weder in § 3 Nr. 72 EStG noch in § 52 Abs. 4 Satz 28 EStG eine Rechtsgrundlage, wonach die Betriebseinnahmen - außerhalb der Pflicht zur Bilanzierung - nach dem Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung periodengerecht abzugrenzen sind.

 

cc) Der Berücksichtigung der zurückgezahlten Einspeisevergütungen als Betriebsausgabe steht auch nicht § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG entgegen.

 

(1) Werden Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt und sind die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen insgesamt steuerfrei nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG, ist nach § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG kein Gewinn zu ermitteln. Diese Regelung in Satz 2 des § 3 Nr. 72 EStG zielt auf Photovoltaikbetriebe wie den Betrieb der A GbR ab, mit denen ausschließlich steuerfreie Betriebseinnahmen nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG erzielt werden, weil keine weiteren Tätigkeiten neben dem Betrieb der Photovoltaikanlage verfolgt werden.

 

(2) Welche konkreten Rechtsfolgen die Regelung in Satz 2 des § 3 Nr. 72 EStG für den Steuerpflichtigen und die Finanzbehörde hat, ist der Vorschrift nicht eindeutig zu entnehmen.

 

Nach der Rechtsprechung des FG Nürnberg enthält § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG ein sog. Gewinnermittlungsverbot und nicht nur eine Befreiung von einer Gewinnermittlungspflicht. Dürfe ein Gewinn nicht mehr ermittelt werden, scheide auch ein Betriebsausgabenabzug aus (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 19. September 2024 4 K 1440/23, EFG 2024, 2035, Revision beim BFH anhängig unter dem Az. III R 35/24).

 

Nach der Rechtsprechung des FG Münster hat die Regelung rein deklaratorischen Charakter und schränkt den Anwendungsbereich von § 3c Abs. 1 EStG nicht ein (vgl. FG Münster, Urteil vom 6. November 2024 7 K 105/24 E, juris, Revision zugelassen; so wohl auch FG Münster, Beschluss vom 21. Oktober 2024 1 V 1757/24 E, BB 2024, 2274 [BFH 13.06.2024 - III R 26/21]).

 

Der BFH hat in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass die Regelung des Satzes 2 von § 3 Nr. 72 EStG die gewinnerhöhende Hinzurechnung eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG nicht notwendigerweise ausschließe (vgl. BFH, Beschluss vom 15. Oktober 2024 III B 24/24 (AdV), BFH/NV 2024,1470 [BFH 13.08.2024 - IX R 31/23]).

 

Das BMF nimmt in seinem Anwendungsschreiben vom 17. Juli 2023 für die Frage eines Betriebsausgabenabzugsverbots nur § 3c Abs. 1 EStG, nicht hingegen § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG in Bezug (vgl. BMF, Schreiben vom 17. Juli 2023 IV C 6-S 2121/23/10001:001, BStBl I 2023 1494, Rn. 21).

 

Nach einer Auffassung im Schrifttum stellt die Regelung lediglich klar, dass der Steuerpflichtige keine Gewinnermittlung mehr zu erstellen habe (vgl. Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 318. EL, § 3 Nr. 72 Rn. 7; Seifert, NWB 2024, 3052, 3053 [FG Nürnberg 19.09.2024 - 4 K 1440/23]). Die Regelung in Satz 2 bestätige das Abzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG (vgl. von Beckerath, in: Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl. 2024, § 3 Rn. 215). Nach anderer Auffassung folgt aus Satz 2 für alle ab dem VZ 2022 abfließenden Betriebsausgaben abweichend von § 3c Abs. 1 EStG ein vollständiges Abzugsverbot (vgl. Levedag, in: Schmidt, EStG, 43. Aufl. 2024, § 3 Rn. 239).

 

(3) Der Senat legt § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG nicht als Einschränkung eines gegebenen Betriebsausgabenabzugs aus, sodass die Rückzahlung der Einspeisevergütungen im Streitfall zu einem uneingeschränkten Betriebsausgabenabzug führt.

 

Bereits der Wortlaut der Regelung, wonach ein Gewinn nicht zu ermittelt ist, lässt nicht erkennen, dass die gewerblichen Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage nicht mehr in die Veranlagung zur Einkommensteuer mit einzubeziehen sein sollen. Dabei ist die Pflicht zur Erstellung einer Gewinnermittlung durch den Steuerpflichtigen zu unterscheiden von der sachlichen Steuerpflicht von Einkünften. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterliegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 1, Abs. 2 EStG der Einkommensteuer. Die Ermittlung dieser Einkünfte obliegt - ggf. im Schätzungswege - der Finanzbehörde. Hingegen regeln §§ 4 bis 7 EStG und § 60 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) lediglich die Pflicht zur Gewinnermittlung durch den Steuerpflichtigen. Seine Gewinnermittlung ist die Grundlage für die Ermittlung der Einkünfte im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer. Die Befreiung von der Gewinnermittlungspflicht ist demnach nicht gleichbedeutend mit einer Herausnahme der gewerblichen Einkünfte aus der sachlichen Steuerpflicht des § 2 EStG. So lässt der BFH auch in anderen Fällen, in denen eine Gewinnermittlung nicht mehr durchzuführen ist (etwa im Fall einer Betriebsaufgabe), den Abzug nachlaufender Betriebsausgaben zu (BFH, Beschluss vom 11. Februar 1999 XI S 14/98, BFH/NV 1999, 926).

 

Auch die systematische Stellung der Regelung im Gesetz spricht dafür, dass Satz 2 den Steuerpflichtigen bei einem sog. Nur-Photovoltaik-Betrieb entsprechend dem Gesetzeszweck, den Steuerpflichtigen von bürokratischen Hürden zu befreien und so Anreize für die Anschaffung von Photovoltaikanlagen zu schaffen, lediglich von seiner Verpflichtung zur Erstellung und Übermittlung einer Gewinnermittlung befreien, nicht aber ein allgemeines Gewinnermittlungsverbot statuieren wollte.

 

Gegen eine Einwirkung des § 3 Nr. 72 Satz 2 auf die Möglichkeit des Betriebsausgabenabzugs spricht auch, dass die Regelung auf § 3c EStG in keiner Weise Bezug nimmt. Dies hätte jedoch nahegelegen, zumal der Gesetzgeber in den Absätzen 2, 3 und 4 des § 3c EStG sowie in § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG oder § 3 Nr. 26a Satz 3 EStG zu anderen Steuerbefreiungstatbeständen bereits Sonderregelungen in Bezug auf den Betriebsausgabenabzug sowie eine Einschränkung des § 3c Abs. 1 EStG getroffen hat.

 

Auch der Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 (BT-Drs. 20/3879, S. 87.) nimmt die bürokratische Entlastung des Steuerpflichtigen durch die Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe einer Einnahmen-Überschussrechnung in den Fokus, ohne von einem grundsätzlichen Gewinnermittlungsverbot zu sprechen.

 

3. Der bei der Ermittlung des Gewinns der A GbR zu berücksichtigende Betriebsausgabenabzug führt zu einem im Streitjahr anzusetzenden Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 4.550,56 €, der jeweils hälftig auf die beiden Kläger aufzuteilen ist. Für die Klägerin und den Kläger sind jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von -2.275,28 € zu berücksichtigen.

 

4. Der Senat konnte eine Entscheidung in der Sache treffen, ohne das Verfahren nach § 74 FGO wegen Vorgreiflichkeit eines Verfahrens für 2022 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der A GbR aussetzen zu müssen.

 

a) Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

 

Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen zuzurechnen sind. Die Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist - von wenigen Ausnahmen abgesehen, insbesondere in Fällen von geringer Bedeutung (vgl. § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO) - ausschließlich im Gewinnfeststellungsverfahren gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO zu beantworten. In einem derartigen Fall muss das Finanzgericht das Klageverfahren über den Folgebescheid bis zum Ergehen einer abschließenden Entscheidung in Sachen Gewinnfeststellung regelmäßig nach § 74 FGO aussetzen (BFH, Beschluss vom 24. Juni 2014 III B 12/13, BFH/NV 2014, 1581).

 

b) Im Streitfall ist ein solches die A GbR betreffendes Feststellungsverfahren nicht durchgeführt worden. Eine Feststellung konnte indessen unterbleiben, weil ein Fall von geringer Bedeutung im Sinne von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 AO vorliegt.

 

Betreiben zusammen veranlagte Ehegatten - wie die Kläger - in GbR eine Photovoltaikanlage auf ihrem eigengenutzten Wohnhaus, so hat eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig zu unterbleiben, wenn kein Streit über Höhe und Aufteilung der daraus resultierenden Einkünfte besteht. Dabei ist es unschädlich für die Annahme eines Falles von geringer Bedeutung, dass die Voraussetzungen hierfür in jedem VZ vorliegen müssen und deshalb - insbesondere abhängig von dem Entstehen von Streit zwischen den Beteiligten über die Höhe der Einkünfte - nicht fortlaufend gegeben sein müssen (vgl. BFH, Urteil vom 6. Februar 2020 IV R 6/17, BFHE 268, 132, BStBl II 2021, 17).

 

Im Streitfall stehen die Art und Aufteilung der Einkünfte zwischen den hälftig an den Einkünften aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage beteiligten Eheleuten, den Klägern, fest und es besteht hierüber kein Streit. Auch über die Höhe der streitbefangenen Betriebsausgaben besteht kein Streit. Die Beteiligten streiten allein über die Frage der Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 72 EStG sowie der hieraus resultierenden möglichen Anwendung von § 3c Abs. 1 EStG, sodass ein Fall von geringer Bedeutung gegeben ist. In diesem Sinne hat auch der BFH einen Fall von geringer Bedeutung angenommen, in dem allein die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht streitig war (vgl. BFH, Beschluss vom 4. Juli 2018 IX B 114/17, BFH/NV 2018, 1088).

 

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

 

IV. Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Zahl der betroffenen Steuerpflichtigen zuzulassen. Die streitige Rechtsfrage ist höchstrichterlich nicht geklärt. Ferner weicht die Entscheidung des Senats vom Urteil des FG Nürnberg vom 19. September 2024 (Az. 4 K 1440/23, EFG 2024, 2035, Revision beim BFH anhängig unter dem Az. III R 35/24) ab.

Hinweis:

 

Revision beim BFH unter Az. X R 2/25

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