FG Düsseldorf: Betriebsaufspaltung bei Beherrschung der Betriebsgesellschaft durch die Besitzkapitalgesellschaft
FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 7.3.2014 – 12 K 946/11 G
Sachverhalt
I. Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Anteile sich im Streubesitz von ca. 140 Aktionären befinden; kein Aktionär ist mit mehr als 5%, der überwiegende Teil mit weniger als 1 % am Grundkapital beteiligt. Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer bebauter Grundstücke und Inhaberin diverser Beteiligungen. In den Streitjahren 2005 bis 2008 war die Klägerin mittelbar über eine zwischengeschaltete GmbH zu 100% an der M GmbH (M‑ GmbH) beteiligt. Die M- GmbH druckte eine Tageszeitung und stellte weitere Druckereiprodukte her. Die Klägerin überließ der M- GmbH einen Teil ihrer bebauten Grundstücke zur Miete, zum Teil auch im Wege einer Erbpacht. In ihren Gewerbesteuererklärungen machte die Klägerin von der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) Gebrauch und wurde vom Beklagten entsprechend mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheiden (§ 164 Abgabenordnung -AO-) über den Gewerbesteuermessbetrag veranlagt. Nach einer steuerlichen Außenprüfung ging der Beklagte entsprechend der Ansicht des Prüfers davon aus, zwischen der Klägerin und der M - GmbH habe eine (kapitalistische) Betriebsaufspaltung bestanden, weshalb die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch genommen werden könne. Gegen die so geänderten Bescheide vom 9.10.2009 trägt die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 17.2.2011) vor:
Eine Betriebsaufspaltung liege nicht vor, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) entscheidend sei, dass die hinter beiden Unternehmen (Besitz- und Betriebsunternehmen) stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen in beiden Gesellschaften durchsetzen könnten. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil kein Aktionär die Klägerin kapitalmäßig beherrsche und keine Stimmrechte gepoolt worden seien. Das Institut der Betriebsaufspaltung sei mangels gesetzlicher Grundlage abzulehnen. Die Nichtanwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG könne nur auf § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG gestützt werden, dessen Voraussetzungen nicht vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2005 bis 2008 vom 9.10.2009 zu ändern, indem statt der darin enthaltenen Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gewährt wird;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor:
Auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner komme es nicht an, ausreichend sei, dass die Klägerin aufgrund ihrer kapitalmäßigen Beteiligung die M – GmbH beherrsche und ihr wesentliche Betriebsgrundlagen vermiete bzw. verpachte.
Aus den gründen
II. Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs.1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen abweichend von § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG nicht um 1,2 % des Einheitswerts der zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücke, sondern um den Teil des Gewerbeertrags gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, ist diese Vorschrift allerdings nicht nur unter den hier nicht erfüllten Voraussetzungen von § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG, sondern schon dann unanwendbar, wenn die Vermietungseinkünfte auch aus anderen Gründen als der Rechtsform des Steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 Einkommensteuergesetz bzw. Gewerbeertrag im Sinne von § 7 GewStG sind. Denn der Zweck der Norm besteht allein darin, Grundstücksunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft entsprechenden - gewerbesteuerfreien - Personenunternehmen gleichzustellen (BFH – Urteil vom 1. August 1979 I R 111/78, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1980, 77; vom 15. April 1999 IV R 11/98, BStBl II 1999, 532; BFH - Beschluss vom 24. Januar 2012, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2012, 1176; alle mit weiteren Nachweisen).
Der Klägerin ist die erweiterte Kürzung nicht zu gewähren, weil ungeachtet ihrer Rechtsform aufgrund der engen personellen und sachlichen Verflechtung zwischen ihr und der M - GmbH von einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung auszugehen ist, so dass die Einnahmen aus der Grundstücksüberlassung zu Einkünften aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG bzw. Gewerbeertrag im Sinne von § 7 GewStG führen. Bei der Betriebsaufspaltung wird die von einem Besitzunternehmer entfaltete Tätigkeit der Nutzungsüberlassung von Grundstücken und/oder anderen Gegenständen an das gewerblich tätige Betriebsunternehmen nicht als vermögensverwaltend, sondern als das Betreiben eines Gewerbebetriebs angesehen.
Der Senat geht mit der Rechtsprechung (z.B. BFH - Urteil vom 1. August 1979 I R 111/78, BStBl II 1980, 77; vom 22. Oktober 1986 I R 180/82, BStBl II 1987, 117; vom 27. August 1992 IV R 13/91, BStBl II 1993, 134; BFH- Beschluss vom 26. Februar 1998 III B 170/94, BFH/NV 1998, 1258; BFH- Urteil vom 15. April 1999 IV R 11/98, BStBl II 1999, 532; BFH- Beschluss vom 9. August 2002 III B 34/02, BFH/NV 2002, 1616; BFH- Urteil vom 29. November 2007 IV R 82/05, BStBl II 2008, 471; vom 20. Mai 2010 III R 28/08, BFH/NV 2010, 1946; BFH- Beschluss vom 24. Januar 2012 I B 136/11, BFH/NV 2012, 1176) und der überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. die Nachweise bei Gluth in Hermann Heuer Raupach -HHR- Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz Kommentar, § 15, E 320; zur Kritik im Schrifttum ebenda E 326, Rz. 773) davon aus, dass das Institut der Betriebsaufspaltung auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung (vgl. aber § 134 Abs. 1 Umwandlungsgesetz, Spaltung in Anlagegesellschaft und Betriebsgesellschaft) im Steuerrecht anzuwenden ist (“keine rechtsstaatlichen Bedenken“, Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62, BStBl II 1969, 369; vom 12. März 1985 1 BvR 571/81 u.a., BStBl II 1985, 475). Der Senat geht ferner mit der Rechtsprechung des BFH davon aus, dass eine Betriebsaufspaltung nicht nur zwischen einem Personenunternehmer bzw. einer Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft, sondern auch zwischen einer die Wirtschaftsgüter überlassenden Kapitalgesellschaft und einer Betriebskapitalgesellschaft bestehen kann (sog. kapitalistische Betriebsaufspaltung, z.B. BFH - Urteil vom 1. August 1979 I R 111/78, BStBl II 1980, 77; vom 22. Oktober 1986 I R 180/82, BStBl II 1987, 117; BFH - Beschluss vom 26. Februar 1998 III B 170/94, BFH/NV 1998, 1258; vom 9. August 2002 III B 34/02, BFH/NV 2002, 1616; BFH - Urteil vom 20. Mai 2010 III R 28/08, BFH/NV 2010, 1946; BFH - Beschluss vom 24. Januar 2012 I B 136/11, BFH/NV 2012, 1176).
Höchstrichterlich nicht ausdrücklich entschieden ist allerdings, welche Anforderungen an die personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebskapitalgesellschaft zu stellen sind, d.h. ob es - wie der Beklagte meint - ausreicht, wenn die Besitzkapitalgesellschaft die Betriebskapitalgesellschaft beherrscht, weil sie die Mehrheit der Gesellschaftsanteile hält (vergleichbar der Betriebsaufspaltung zwischen einem Einzelunternehmer und der von ihm beherrschten Betriebskapitalgesellschaft) oder ob es - wie die Klägerin meint - zusätzlich erforderlich ist, dass auch die Besitzkapitalgesellschaft von einem ihrer Gesellschafter oder einer Gesellschaftergruppe mit gleichgerichteten Interessen beherrscht wird (vergleichbar der Betriebsaufspaltung zwischen einer Personengesellschaft und der von ihren Gesellschaftern beherrschten Kapitalgesellschaft).
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Beherrschung der Betriebsgesellschaft seitens der Besitzkapitalgesellschaft ausreichend ist.
Die personelle Verflechtung als Tatbestandsmerkmal für eine Betriebsaufspaltung besagt nichts anderes, als dass in Besitz- und Betriebsunternehmen ein einheitlicher geschäftlicher Wille gebildet werden können und sicher gestellt sein muss, dass das Betriebsunternehmen hiervon nicht abweicht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Besitzgesellschaft infolge eigenen (ggfs. auch mittelbaren: vgl. BFH- Urteil vom 29. November 2007 IV R 82/05, BStBl II 2008, 471) Anteilsbesitzes die Betriebsgesellschaft beherrscht und ihre Entscheidungen deshalb dort durchsetzen kann. Auf die hinter einer Besitzgesellschaft stehenden Anteilseigner kann es nur dann ankommen, wenn ohne den Durchgriff auf die Gesellschafter nicht von einer einheitlichen Leitung beider Unternehmen ausgegangen werden kann, eine einheitliche Leitung aber angenommen werden könnte, wenn die die Besitzgesellschaft beherrschenden Personen auch die Betriebsgesellschaft beherrschen. Ein solcher Durchgriff auf die Gesellschafter der Besitzgesellschaft ist wegen der Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft schon nicht zulässig (BFH- Urteile vom 29. November 2007 IV R 82/05, BStBl II 2008, 471; BFH- Beschluss vom 9. August 2002 III B 34/02; BFH- Urteil vom 16. September 1994 III R 45/92, BStBl. II 1999, 75; vom 27. August 1992 IV R 13/91, BStBl II 1993, 134; vom 1. August 1979 I R 111/78, BStBl II 1980, 77), für die Annahme einer einheitlichen Willensbildung in Besitz- und Betriebsgesellschaft aber auch nicht erforderlich, wenn die Besitzkapitalgesellschaft selbst beherrschende Anteilseignerin der Betriebskapitalgesellschaft ist. Es ist kein Grund ersichtlich, für die personelle Verflechtung neben der Beherrschung des Betriebsunternehmens durch das Besitzunternehmen zusätzlich noch die Beherrschung des Besitzunternehmens durch eine Person oder Personengruppe zu fordern (vgl. dazu auch BFH - Urteil vom 20. Mai 2010 III R 28/08, BFH/NV 2010, 1946, in dem es, ohne die hinter der Besitzgesellschaft stehenden Gesellschafter zu erwähnen, heißt “….entstand jedenfalls durch die Veräußerung der Fertigungsstrasse eine kapitalistische Betriebsaufspaltung, da die Fertigungsstrasse …..eine wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH war und die Klägerin 60 % des Stammkapitals der GmbH hielt und diese dadurch beherrschte.“), denn entscheidend ist nicht der Prozess der Willensbildung in der Besitzgesellschaft, sondern dass der in der Besitzgesellschaft gebildete Wille in der Betriebsgesellschaft durchgesetzt werden kann, damit beide Unternehmen als von einem einheitlichen geschäftlichen Willen geleitet angesehen werden können.
Die Voraussetzungen der sachlichen Verflechtung zwischen der Klägerin und derM - GmbH sind infolge der Grundstücksüberlassung erfüllt, wie der Prüfer festgestellt und die Klägerin nicht in Zweifel gezogen hat.
Die Tätigkeit des Besitzunternehmens kann nur einheitlich beurteilt werden (z.B. Kaligin Die Betriebsaufspaltung 8. Auflage 2013, 97 mit weiteren Nachweisen), weshalb durch die Überlassung der Grundstücke im Rahmen der Betriebsaufspaltung sämtliche Tätigkeiten gewerbliche sind. Es ist daher unerheblich, an wen die übrigen Grundstücke vermietet worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.
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