R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
03.07.2025
Steuerrecht
EuGH: Bestimmungen zur Körperschaftsteuer - in Spanien steuerlich ansässige Gesellschaften den Geschäfts- oder Firmenwert abschreiben können

EuGH, Urteil vom 26.6.2025 – verb. Rs. C‑776/23 P bis C-780/23 P

ECLI:EU:C:2025:487

Volltext BB-Online BBL2025-1621-1

Tenor

1. Die Rechtsmittel in den Rechtssachen C‑776/23 P bis C‑780/23 P werden zu-rückgewiesen.

2. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Königreichs Spanien, der Banco Santander SA, der Santusa Holding SL, der Abertis Infraestructuras SA, der Axa Mediter-ranean Holding SA, der Sociedad General de Aguas de Barcelona SA, der Telefónica SA, der Iberdrola SA, der Ferrovial SE, der Serveo Servicios SA, der Amey UK Ltd und der Arcelormittal Spain Holding SL in den Rechtsmittelverfahren.

 

Aus den Gründen

1          Mit ihren Rechtsmitteln beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung der Urteile des Gerichts der Europäischen Union vom 27. September 2023, Spanien/Kommission (T‑826/14, EU:T:2023:582) (Rechtssache C‑776/23 P), vom 27. September 2023, Banco Santander u. a./Kommission (T‑12/15, T‑158/15 und T‑258/15, EU:T:2023:583) (Rechtssache C‑777/23 P), vom 27. September 2023, Sociedad General de Aguas de Barcelona/Kommission (T‑253/15, EU:T:2023:585) (Rechtssache C‑778/23 P), vom 27. September 2023, Telefónica und Iberdrola/Kommission (T‑256/15 und T‑260/15, EU:T:2023:586) (Rechtssache C‑779/23 P), sowie vom 27. September 2023, Ferrovial u. a./Kommission (T‑252/15 und T‑257/15, EU:T:2023:584) (Rechtssache C‑780/23 P) (im Folgenden: angefochtene Urteile), mit denen das Gericht den Beschluss (EU) 2015/314 der Kommission vom 15. Oktober 2014 über die staatliche Beihilfe SA.35550 (13/C) (ex 13/NN) (ex 12/CP) Spaniens – Regelung für die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen (ABl. 2015, L 56, S. 38, im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat.

 

Vorgeschichte des Rechtsstreits

2          Am 27. Dezember 2001 erließ der spanische Gesetzgeber die Ley 24/2001 de Medidas Fiscales, Administrativas y del Orden Social (Gesetz Nr. 24/2001 über Steuer-, Verwaltungs- und soziale Maßnahmen) (BOE Nr. 313 vom 31. Dezember 2001, S. 50493). Das Gesetz fügte mit Wirkung zum 1. Januar 2002 einen neuen Art. 12 Abs. 5 in die Ley del Impuesto sobre Sociedades (Körperschaftsteuergesetz) ein. Diese Bestimmung war Teil einer Reform, die durch den Erlass des Real Decreto Legislativo 4/2004, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Impuesto sobre Sociedades (Königliches gesetzesvertretendes Dekret Nr. 4/2004 zur Billigung der Neufassung des Körperschaftsteuergesetzes) vom 5. März 2004 (BOE Nr. 61 vom 11. März 2004, S. 10951) zu einer Neufassung des Körperschaftsteuergesetzes (im Folgenden: TRLIS) führte.

 

3          Art. 12 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 21 TRLIS sah vor, dass jede in Spanien steuerlich ansässige Gesellschaft, die ohne Unterbrechung mindestens ein Jahr lang unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 5 % an einer Gesellschaft beteiligt war, die erstens in einem anderen Land steuerlich ansässig war, dort zweitens einer der spanischen Körperschaftsteuer vergleichbaren Steuer unterlag und drittens Einkünfte erwirtschaftete, von denen mindestens 85 % aus Tätigkeiten außerhalb Spaniens stammten, den finanziellen Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus dieser Beteiligung ergab, von ihren in Spanien steuerpflichtigen Einkünften in Form einer Abschreibung abziehen konnte.

 

4          In den Jahren 2005 und 2006 richteten Mitglieder des Europäischen Parlaments schriftliche Anfragen (E‑4431/05, E‑4772/05, E‑5800/06 und P‑5509/06) zur Vereinbarkeit der Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS mit den unionsrechtlichen Vorschriften im Bereich staatlicher Beihilfen an die Kommission.

 

5          In ihren Antworten vom 19. Januar und 17. Februar 2006 auf die Anfragen E‑4431/05 und E‑4772/05 teilte die Kommission mit, dass diese Steuerregelung ihrer Ansicht nach nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschriften falle.

 

6          Mit Schreiben vom 26. März 2007 ersuchte die Kommission gleichwohl das Königreich Spanien um Auskünfte, um den Geltungsbereich und die Auswirkungen dieser Steuerregelung beurteilen zu können. Insbesondere wollte sie wissen, welche Vorgänge unter diese Regelung fielen.

 

7          Mit Schreiben vom 4. Juni 2007 antworteten die spanischen Behörden der Kommission, dass die in Art. 12 Abs. 5 TRLIS vorgesehene Steuerregelung nach deren behördlicher Auslegung nur für den finanziellen Geschäfts- oder Firmenwert gelte, der sich aus direkten Erwerben von Beteiligungen ergebe (im Folgenden: Schreiben vom 4. Juni 2007).

 

8          Mit Schreiben vom 10. Oktober 2007, von dem am 21. Dezember 2007 eine Zusammenfassung veröffentlicht wurde (ABl. 2007, C 311, S. 21), teilte die Kommission dem Königreich Spanien ihre Entscheidung mit, hinsichtlich der Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten.

 

9          In Bezug auf die sogenannten „innergemeinschaftlichen“ Beteiligungen, d. h. diejenigen, mit denen in Spanien steuerlich ansässige Gesellschaften einen Teil des Kapitals von in einem anderen Mitgliedstaat steuerlich ansässigen Gesellschaften hielten, wurde dieses förmliche Prüfverfahren mit der Entscheidung 2011/5/EG der Kommission vom 28. Oktober 2009 über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 7, S. 48) abgeschlossen.

 

10        In der Entscheidung 2011/5 heißt es:

„Artikel 1

(1) Die Beihilferegelung, die das Königreich Spanien nach Artikel 12 Absatz 5 [TRLIS] durchgeführt und unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 [EG] rechtswidrig angewendet hat, ist in Bezug auf die den Begünstigten für die Durchführung innergemeinschaftlicher Erwerbe gewährten Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

(2) Steuerabzüge, die den Begünstigten nach Artikel 12 Absatz 5 TRLIS im Rahmen innergemeinschaftlicher Erwerbe direkter oder indirekter Beteiligungen an ausländischen Unternehmen gewährt wurden, die – mit Ausnahme der Voraussetzung, das[s] die Begünstigten ihre Beteiligungen während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens einem Jahr gehalten haben – die einschlägigen Voraussetzungen der Beihilferegelung vor dem 21. Dezember 2007 erfüllten, können hingegen während des gesamten in der Beihilferegelung vorgesehenen Abschreibungszeitraums weiter geltend gemacht werden.

(3) Steuerabzüge, die den Begünstigten nach Artikel 12 Absatz 5 TRLIS im Rahmen der Durchführung innergemeinschaftlicher Erwerbe gewährt wurden, können unter der Voraussetzung, dass vor dem 21. Dezember 2007 die unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen worden ist, die genannten Beteiligungen zu halten, ferner, dass der Vertrag die aufschiebende Bedingung enthält, dass die fragliche Transaktion an die zwingende Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde gebunden ist, und dass die Transaktion vor dem 21. Dezember 2007 angemeldet worden ist, für den Teil der Beteiligungen, die ab dem Datum gehalten werden, an dem die aufschiebende Bedingung erfüllt ist, während des gesamten in der Beihilferegelung vorgesehenen Abschreibungszeitraums weiter geltend gemacht werden.

Artikel 4

(1) Spanien fordert mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen, die nach der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Regelung in Form von Steuerermäßigungen gewährt wurden, von den Begünstigten zurück, es sei denn, deren im Rahmen innergemeinschaftlicher Erwerbe erworbenen Beteiligungen an ausländischen Unternehmen erfüllen die in Artikel 1 Absatz 2 aufgeführten Voraussetzungen.

(4) Spanien widerruft die im Rahmen der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Regelung gewährten ausstehenden Steuerermäßigungen mit Wirkung ab dem Datum des Erlasses dieser Entscheidung; dies gilt mit Ausnahme der Steuerermäßigungen, die für Beteiligungen an ausländischen Unternehmen gewährt wurden, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllen.

…“

 

11        Art. 1 Abs. 2 und 3 der Entscheidung 2011/5 stützt sich u. a. auf folgende Erwägungsgründe:

„(167) Die Kommission zieht... den Schluss, dass die durch die streitige Maßnahme Begünstigten berechtigterweise darauf vertrauten, dass die Beihilfe nicht zurückgefordert würde, und ordnet daher nicht die Rückforderung der Steuerbeihilfen an, die diesen Begünstigten im Rahmen von Beteiligungen, die ein erwerbendes spanisches Unternehmen vor dem Datum der Veröffentlichung... der Entscheidung der Kommission über die Eröffnung des Verfahrens zur förmlichen Prüfung nach Artikel 88 Absatz 2 [EG] im Amtsblatt der Europäischen Union direkt oder indirekt an einem ausländischen Unternehmen gehalten hat und für die es die streitige Maßnahme damals in Anspruch genommen hat, gewährt worden sind....

(170) In Fällen, in denen das erwerbende spanische Unternehmen die Beteiligungen erst nach dem 21. Dezember 2007 direkt oder indirekt gehalten hat, werden von diesem Begünstigten... alle mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen zurückgefordert, es sei denn, folgende Voraussetzungen sind erfüllt: Erstens, ein erwerbendes spanisches Unternehmen ist vor dem 21. Dezember 2007 eine unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen, die genannten Beteiligungen zu halten, zweitens, der Vertrag enthielt eine aufschiebende Bedingung hinsichtlich des Umstands, dass die fragliche Transaktion an die zwingende Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde gebunden ist, und drittens, die Transaktion ist vor dem 21. Dezember 2007 angemeldet worden....

(175) … Da bis zum Datum der Veröffentlichung der Eröffnungsentscheidung... der Grundsatz des Vertrauensschutzes anwendbar war, verzichtet die Kommission bei Beihilfen für Beteiligungen an ausländischen Unternehmen, die ein erwerbendes spanisches Unternehmen vor dem Datum der Veröffentlichung der Entscheidung der Kommission über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 [EG] im Amtsblatt der Europäischen Union direkt oder indirekt gehalten hat, ausnahmsweise auf die Rückforderung der sich aus der Anwendung der Beihilferegelung ergebenden Steuervorteile; Ausnahmen bilden folgende Fälle: erstens, ein erwerbendes spanisches Unternehmen ist vor dem 21. Dezember 2007 eine unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen, die genannten Beteiligungen zu halten, zweitens, der Vertrag enthielt die aufschiebende Bedingung, dass die fragliche Transaktion an die zwingende Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde gebunden ist, und drittens, die Transaktion ist vor dem 21. Dezember 2007 angemeldet worden.“

 

12        In Bezug auf die Beteiligungen in Spanien steuerlich ansässiger Unternehmen am Kapital von Gesellschaften mit steuerlichem Sitz außerhalb der Europäischen Union wurde das förmliche Prüfverfahren mit dem Beschluss 2011/282/EU der Kommission vom 12. Januar 2011 über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 135, S. 1) abgeschlossen, der am 3. März und 26. November 2011 berichtigt wurde (im Folgenden: Beschluss 2011/282).

 

13        Im Beschluss 2011/282 heißt es:

„Artikel 1

(1) Die Beihilferegelung, die das Königreich Spanien nach Artikel 12 Absatz 5 [TRLIS] durchgeführt und unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 [AEUV] rechtswidrig angewendet hat, ist in Bezug auf die den Begünstigten für die Durchführung von Erwerben außerhalb der Union gewährten Beihilfen mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

(2) Steuerabzüge, die den Begünstigten nach Artikel 12 Absatz 5 TRLIS im Rahmen von Erwerben direkter oder indirekter Beteiligungen an ausländischen Unternehmen in Drittländern gewährt wurden, die – mit Ausnahme der Voraussetzung, das[s] die Begünstigten ihre Beteiligungen während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens einem Jahr gehalten haben – die einschlägigen Voraussetzungen der Beihilferegelung vor dem 21. Dezember 2007 erfüllten, können hingegen während des gesamten in der Beihilferegelung vorgesehenen Abschreibungszeitraums weiter geltend gemacht werden.

(3) Steuerabzüge, die den Begünstigten nach Artikel 12 Absatz 5 TRLIS im Rahmen der Durchführung von Erwerben außerhalb der Union gewährt wurden, können unter der Voraussetzung, dass vor dem 21. Dezember 2007 die unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen worden ist, die genannten Beteiligungen zu halten, ferner, dass der Vertrag die aufschiebende Bedingung enthält, dass die fragliche Transaktion an die zwingende Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde gebunden ist, und dass die Transaktion vor dem 21. Dezember 2007 angemeldet worden ist, für den Teil der Beteiligungen, die ab dem Datum gehalten werden, an dem die aufschiebende Bedingung erfüllt ist, während des gesamten in der Beihilferegelung vorgesehenen Abschreibungszeitraums weiter geltend gemacht werden.

(4) Auch Steuerabzüge, die den Begünstigten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union im Rahmen der Durchführung von Erwerben außerhalb der Union im Zusammenhang mit direkten oder indirekten Mehrheitsbeteiligungen an ausländischen Unternehmen in China, Indien oder in anderen Ländern, in denen das Vorliegen ausdrücklicher rechtlicher Hindernisse für grenzüberschreitende Unternehmensverschmelzungen nachgewiesen wurde oder nachgewiesen werden kann, gewährt wurden, können während des gesamten in der Beihilferegelung vorgesehenen Abschreibungszeitraums weiter geltend gemacht werden.

(5) Während des gesamten in der Beihilferegelung vorgesehenen Abschreibungszeitraums weiter geltend gemacht werden können Steuerabzüge, die den Begünstigten nach Artikel 12 Absatz 5 TRLIS im Rahmen der Durchführung von Erwerben außerhalb der Union gewährt wurden, unter der Voraussetzung, dass vor der Veröffentlichung dieses Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union die unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen wurde, die genannten Beteiligungen an ausländischen Unternehmen in China, Indien oder in anderen Ländern, in denen das Vorliegen ausdrücklicher rechtlicher Hindernisse für grenzüberschreitende Unternehmensverschmelzungen nachgewiesen wurde oder nachgewiesen werden kann, zu halten, sofern auch folgende Voraussetzungen erfüllt sind: [D]er Vertrag enthielt eine aufschiebende Bedingung hinsichtlich des Umstands, dass die fragliche Transaktion an die zwingende Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde gebunden ist, und die Transaktion wurde vor der Veröffentlichung dieses Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union angemeldet; in diesen Fällen beginnt der Abschreibungszeitraum mit dem Datum der Aufhebung der aufschiebenden Bedingung zu laufen.

Artikel 4

(1) Spanien fordert mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfen, die nach der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Regelung in Form von Steuerermäßigungen gewährt wurden, von den Begünstigten zurück, es sei denn, deren im Rahmen von Erwerben außerhalb der Union erworbene Beteiligungen an ausländischen Unternehmen erfüllen die in Artikel 1 Absätze 2 bis 5 aufgeführten Voraussetzungen.

(4) Spanien widerruft die im Rahmen der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Regelung gewährten ausstehenden Steuerermäßigungen mit Wirkung ab dem Datum des Erlasses dieses Beschlusses; dies gilt mit Ausnahme der Steuerermäßigungen, die für Beteiligungen an ausländischen Unternehmen gewährt wurden, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllen.

…“

 

14        Art. 1 Abs. 2 bis 5 des Beschlusses 2011/282 beruht u. a. auf dessen 210. Erwägungsgrund, in dem es heißt:

„Da bis zum Datum der Veröffentlichung der Eröffnungsentscheidung jedoch der Grundsatz des Vertrauensschutzes anwendbar war, verzichtet die Kommission ausnahmsweise auf die Rückforderung der sich aus der Anwendung der Beihilferegelung ergebenden Steuervorteile und akzeptiert, dass diese Steuervorteile bis zum Ende des in der Beihilferegelung vorgesehenen Abschreibungszeitraums weiter gewährt werden können, wenn es sich um Beihilfen bei Beteiligungen an ausländischen Unternehmen handelt, die ein erwerbendes spanisches Unternehmen bereits vor dem Datum der Veröffentlichung der Entscheidung der Kommission über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV im Amtsblatt der Europäischen Union direkt oder indirekt gehalten hat. Ausnahmen bilden folgende Fälle: [E]rstens, ein erwerbendes spanisches Unternehmen ist vor dem 21. Dezember 2007 eine unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen, die genannten Beteiligungen zu halten; zweitens, der Vertrag enthielt eine aufschiebende Bedingung hinsichtlich des Umstands, dass die fragliche Transaktion an die zwingende Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde gebunden ist; und drittens, die Transaktion ist vor dem 21. Dezember 2007 angemeldet worden. Ebenso hat die Kommission auf die Rückforderung der sich aus der Anwendung der Beihilferegelung ergebenden Steuervorteile zu verzichten und akzeptiert die Fortsetzung der Anwendung bis zum Ende des in der Beihilferegelung vorgesehenen Abschreibungszeitraums im Fall von Transaktionen zum Erwerb von Mehrheitsbeteiligungen, die vor der Veröffentlichung dieses Beschlusses durchgeführt wurden, wenn sie Drittstaaten betreffe[n], in denen das Bestehen ausdrücklicher rechtlicher Hindernisse für grenzüberschreitende Unternehmensverschmelzungen gemäß den in diesem Beschluss festgelegten Grundsätzen entsprechend nachgewiesen ist.“

 

15        Mit E‑Mail vom 12. April 2012 informierten die spanischen Behörden die Kommission, dass die Dirección General de Tributos (Generaldirektion Steuern, Spanien, im Folgenden: DGT) am 21. März 2012 einen Steuervorbescheid erlassen habe, der auch auf Vorgänge vor diesem Datum anwendbar sei.

 

16        Nach dem Steuervorbescheid ist Art. 12 Abs. 5 TRLIS in Verbindung mit Art. 21 TRLIS dahin zu verstehen, dass er sowohl auf direkte als auch auf indirekte Beteiligungen anwendbar sei. Insoweit sei davon auszugehen, dass im Ausland ausgeübte Tätigkeiten im Sinne von Art. 21 TRLIS gegebenenfalls von einer Betriebsgesellschaft einer Tochtergesellschaft auf einer zweiten oder darunterliegenden Stufe einer Holdinggesellschaft ausgeübt werden könnten. Da Art. 12 Abs. 5 TRLIS die Internationalisierung und ausländische Investitionen spanischer Unternehmen fördern solle, würde es der Zielsetzung dieser Bestimmung entgegenstehen, Investitionen in im Ausland ansässigen Holdinggesellschaften aus der Anwendung auszuschließen. Art. 21 TRLIS nehme im Übrigen ausdrücklich auf indirekte Beteiligungen Bezug, und auch in der Entscheidung 2011/5 und im Beschluss 2011/282 werde auf diese Beteiligungen Bezug genommen.

 

17        Zwischen dem 4. Juli 2012 und dem 1. Juli 2013 richtete die Kommission verschiedene Fragen und Auskunftsersuchen zu der neuen behördlichen Auslegung an das Königreich Spanien.

 

18        Mit Schreiben vom 17. Juli 2013, von dem am 7. September 2013 eine Zusammenfassung veröffentlicht wurde (ABl. 2013, C 258, S. 8), setzte die Kommission das Königreich Spanien von ihrem Beschluss in Kenntnis, wegen der Auswirkungen der am 21. März 2012 eingeführten behördlichen Auslegung, mit der die Auslegung geändert worden sei, die der Kommission mit Schreiben vom 4. Juni 2007 mitgeteilt worden sei, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten.

 

19        In dem genannten Beschluss, wie er im Amtsblatt der Europäischen Union zusammengefasst worden ist, führte die Kommission Folgendes aus:

„Am 28. Oktober 2009 bzw. am 12. Januar 2011 erließ die Kommission zwei Negativbeschlüsse, in denen die Rückforderung der den Beihilfeempfängern auf der Grundlage des Artikels 12 Absatz 5 TRLIS gewährten Beihilfen angeordnet wurde... Allerdings begrenzte die Kommission den Umfang der Rückforderungspflicht, da berechtigtes Vertrauen begründet worden war.

Im März 2012 erließ das spanische Finanzministerium... auf einen Antrag auf ein steuerrechtliches Gutachten eine verbindliche behördliche Auslegung des Artikels 12 Absatz 5 TRLIS, die rückwirkend die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei verschiedenen Formen der Beteiligung ermöglichte. Wie Spanien in den Verwaltungsverfahren, die [zu der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282] führten, erläuterte, war es bis dahin ständige Praxis gewesen, dass die Maßnahme nur auf den finanziellen Geschäfts- oder Firmenwert angewandt werden konnte, der sich aus direkten Beteiligungen ergab.

Wenn [in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282] sowohl der direkte als auch der indirekte Erwerb von Beteiligungen erwähnt wird, so nur deshalb, weil [die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282] auf den Wortlaut der einschlägigen Rechtsvorschriften Bezug nehmen. Die Kommission stellt jedoch fest, dass bei der Bestimmung des Geltungsbereichs eines Beihilfebeschlusses nicht nur auf den tatsächlichen Wortlaut des Beschlusses abgestellt werden darf, sondern auch die Beihilferegelung, wie sie von dem betreffenden Mitgliedstaat während des Verwaltungsverfahrens beschrieben wurde, berücksichtigt werden muss....

Die Kommission ist beim derzeitigen Stand des Verfahrens der Auffassung, dass Spanien durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Maßnahme und damit der Zahl der in Betracht kommenden Erwerbe und letztlich auch der potenziellen Begünstigten der Regelung wesentliche Änderungen an der Regelung vorgenommen hat, die von der Kommission für unzulässig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt worden war.

Die Kommission ist daher beim derzeitigen Stand des Verfahrens der Auffassung, dass die neue behördliche Auslegung eine neue Beihilfe darstellt.

Die Kommission ist beim derzeitigen Stand des Verfahrens der Auffassung, dass das berechtigte Vertrauen, das [in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282] anerkannt wurde, nicht (rückwirkend) auf Fälle (indirekter Erwerb von Beteiligungen) ausgedehnt werden kann, die zum Zeitpunkt des Erlasses [der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282] nicht in den Anwendungsbereich der Maßnahme fielen.“

 

20        Nach Abschluss dieses förmlichen Prüfverfahrens erließ die Kommission den streitigen Beschluss, in dem es heißt:

„Artikel 1

Die vom Königreich Spanien angenommene neue behördliche Auslegung, mit der der Geltungsbereich von Artikel 12 Absatz 5 [TRLIS] ausgeweitet wird, um den indirekten Erwerb von Beteiligungen an nicht in Spanien ansässigen Unternehmen infolge des direkten Erwerbs von Beteiligungen an nicht in Spanien ansässigen Holdinggesellschaften einzuschließen, und die das Königreich Spanien unter Verletzung des Artikels 108 Absatz 3 AEUV rechtswidrig durchgeführt hat, ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Artikel 4

(1) Das Königreich Spanien stellt die in Artikel 1 genannte Beihilferegelung im Zusammenhang mit Beihilfen, die Begünstigten für den indirekten Erwerb von Beteiligungen an nicht in Spanien ansässigen Unternehmen infolge des direkten Erwerbs von Beteiligungen an Holdinggesellschaften gewährt werden, ein, da sie mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist.

(2) Das Königreich Spanien fordert die mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfen, die aufgrund der in Artikel 1 genannten Beihilferegelung gewährt wurden, von den Begünstigten zurück.

(3) Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die von dem Zeitpunkt, ab dem die Beihilfen den Begünstigten zur Verfügung standen, bis zu deren tatsächlicher Rückzahlung berechnet werden.

(5) Das Königreich Spanien stellt mit dem Tag des Erlasses dieses Beschlusses alle aufgrund der in Artikel 1 genannten Beihilferegelung ausstehenden Zahlungen ein.

…“

 

21        Im 25. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses erläuterte die Kommission, sie verstehe unter „direktem Erwerb“ den Kauf von Anteilen am Eigenkapital eines Unternehmens durch ein anderes Unternehmen und unter „indirektem Erwerb“ den von einem Unternehmen getätigten Kauf von Anteilen am Eigenkapital eines anderen Unternehmens auf zweiter oder darunterliegender Stufe (Tochter- oder Enkelgesellschaft), der einem vorherigen direkten Erwerb einer Beteiligung folge, wobei das erwerbende Unternehmen dadurch indirekt Beteiligungen an den Tochter- oder Enkelgesellschaften erwerbe.

 

22        Im 26. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses führte die Kommission aus, dass im vorliegenden Fall die indirekten Beteiligungen die Folge des direkten Erwerbs von Beteiligungen an einer nicht in Spanien ansässigen Holdinggesellschaft seien, dass der Begriff „Holdinggesellschaft“ ein Unternehmen bezeichne, dessen vorrangiges Geschäftsziel darin bestehe, Anteile an anderen Betriebsgesellschaften zu besitzen, und dass eine Holdinggesellschaft keine Wirtschaftstätigkeit an sich ausübe und daher keinen Geschäfts- oder Firmenwert generieren könne, der wiederum auf nachrangigen Stufen von Betriebsgesellschaften generiert werden könne.

 

23        In den Erwägungsgründen 33 bis 36 des streitigen Beschlusses werden Dokumente angeführt, aus denen hervorgeht, dass die DGT und das Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan, Spanien) ursprünglich indirekte Beteiligungen vom Geltungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS ausgeschlossen hatten.

 

24        In den Erwägungsgründen 95 bis 101 des streitigen Beschlusses wies die Kommission darauf hin, dass in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282 habe geprüft werden sollen, ob die Regelung nach Art. 12 Abs. 5 TRLIS, so wie sie von den spanischen Behörden im Verlauf des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass der Entscheidung und des Beschlusses geführt habe, dargelegt worden sei, mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Im Schreiben vom 4. Juni 2007 habe das Königreich Spanien erklärt, dass nur der Abzug des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts für den direkten Erwerb von Beteiligungen zulässig sei. Außerdem hätten in Anbetracht der Praxis der DGT und des Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan) die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 nur direkte Beteiligungen betroffen. Daher sei die im März 2012 eingeführte neue behördliche Auslegung von der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282 nicht gedeckt.

 

25        Im 151. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses heißt es:

„… Die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Beteiligungen wurde … für den Zweck der [in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282] erforderlichen Beurteilung als nicht relevant erachtet. …“

 

26        Im 189. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses merkte die Kommission an, dass das Königreich Spanien und die Beteiligten geltend gemacht hätten, dass der in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282 anerkannte Vertrauensschutz auch für den indirekten Erwerb von Beteiligungen gelte.

 

27        Aus den in den Erwägungsgründen 190 bis 200 des streitigen Beschlusses dargelegten Gründen schloss sich die Kommission diesem Vorbringen nicht an. Hierzu führte sie u. a. aus:

„(190) Die Kommission … vertritt die Auffassung, dass der [in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282] anerkannte Vertrauensschutz nicht auf Situationen (indirekte Beteiligungen, die sich aus dem Erwerb von Beteiligungen an einer Holdinggesellschaft ergeben) ausgedehnt werden kann, die zum Zeitpunkt des Erlasses [der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282] nicht in den Geltungsbereich der Maßnahme fielen. Schützenswertes Vertrauen kann sich nicht auf zukünftige Ereignisse wie die Einführung einer neuen behördlichen Auslegung, sondern nur auf Fakten stützen, die zum Zeitpunkt des Erlasses eines Beschlusses bekannt sind.

(193) ... Nach Auffassung der Kommission können die Unternehmen, die indirekte Beteiligungen erworben hatten, keinen Vertrauensschutz dahingehend geltend machen, dass Artikel 12 Absatz 5 TRLIS ebenfalls den indirekten Erwerb von Beteiligungen abdeckte, da diese Unternehmen sehr wohl Kenntnis von der bis 2012 geltenden Verwaltungspraxis der Steuerbehörde und des [Tribunal Económico-Administrativo Central (Zentrales Verwaltungskontrollorgan)] hatten....

(197) In Bezug auf die Argumentation Spaniens und der Beteiligten, der zufolge die Antworten auf die schriftlichen parlamentarischen Anfragen ein schützenswertes Vertrauen bei den Beihilfeempfängern geschaffen hatten, stellt die Kommission fest, dass sich die schriftlichen parlamentarischen Anfragen nicht auf die unterschiedliche Behandlung von direkten und indirekten Beteiligungen konzentrierten, sondern es um die Frage ging, ob die in Artikel 12 Absatz 5 TRLIS vorgesehene Regelung möglicherweise eine staatliche Beihilfe darstellt. Aus diesem Grund kann aus den Antworten der Kommission auf die schriftlichen parlamentarischen Anfragen nicht geschlossen werden, dass sowohl direkte als auch indirekte Beteiligungen abgedeckt waren.

(199) Des Weiteren vertritt die Kommission die Auffassung, dass der Schriftverkehr zwischen Spanien und der Kommission – aus dem hervorgeht, dass in der Praxis nur der finanzielle Geschäfts- oder Firmenwert abzugsfähig war, der sich aus dem direkten Erwerb von Beteiligungen an Betriebsgesellschaften ergab – kein berechtigtes Vertrauen bei den Beihilfeempfängern dahingehend erweckt, dass indirekte Beteiligungen ebenfalls durch Artikel 12 Absatz 5 TRLIS abgedeckt waren, auch wenn dieser Schriftverkehr nicht im Wortlaut der [Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282] wiedergegeben wird. Den Beihilfeempfängern war die … kohärente und systematische … Praxis bereits bekannt, nach der der indirekte Erwerb von Beteiligungen durch den Erwerb von Beteiligungen an einer Holdinggesellschaft aus dem Geltungsbereich von Artikel 12 Absatz 5 TRLIS ausgeschlossen war.“

 

Verfahren vor dem Gericht und angefochtene Urteile

Rechtssache T‑826/14

28        Mit einer auf vier Gründe gestützten Klage beantragte das Königreich Spanien, den streitigen Beschluss oder, hilfsweise, die in Art. 4 des Beschlusses enthaltene Anordnung der Rückforderung für nichtig zu erklären.

 

29        Der erste Klagegrund war auf eine Verletzung der Begründungspflicht gestützt.

 

30        Der zweite Klagegrund war auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gestützt, weil ein Rechtsfehler hinsichtlich der Voraussetzung der Selektivität vorliege.

 

31        Der dritte Klagegrund war auf das Nichtvorliegen einer neuen Beihilfe im Sinne u. a. von Art. 108 Abs. 3 AEUV gestützt.

 

32        Der vierte, hilfsweise geltend gemachte Klagegrund war u. a. auf einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit gestützt.

 

33        In ihrer am 15. November 2021 beim Gericht eingegangenen Stellungnahme nahm das Königreich Spanien in Anbetracht der Urteile vom 6. Oktober 2021, Sigma Alimentos Exterior/Kommission (C‑50/19 P, EU:C:2021:792), vom 6. Oktober 2021, World Duty Free Group und Spanien/Kommission (C‑51/19 P und C‑64/19 P, EU:C:2021:793), vom 6. Oktober 2021, Banco Santander/Kommission (C‑52/19 P, EU:C:2021:794), vom 6. Oktober 2021, Banco Santander u. a./Kommission (C‑53/19 P und C‑65/19 P, EU:C:2021:795), vom 6. Oktober 2021, Axa Mediterranean/Kommission (C‑54/19 P, EU:C:2021:796), sowie vom 6. Oktober 2021, Prosegur Compañía de Seguridad/Kommission (C‑55/19 P, EU:C:2021:797), und in Anerkennung dessen, dass der Gerichtshof mit diesen Urteilen über den selektiven Charakter der in Art. 12 Abs. 5 TRLIS vorgesehenen Regelung und die Rechtmäßigkeit der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 entschieden hat, den ersten und den zweiten Klagegrund zurück.

 

34        Mit seinem Urteil in der Rechtssache T‑826/14 hat das Gericht dem dritten Klagegrund stattgegeben und den streitigen Beschluss für nichtig erklärt.

 

Verbundene Rechtssachen T‑12/15, T‑158/15 und T‑258/15

35        Mit auf vier Gründe gestützten Klagen beantragten die Banco Santander SA, die Santusa Holding SL (im Folgenden: Santusa), die Abertis Infraestructuras SA (im Folgenden: Abertis), die Abertis Telecom Satélites SA und die Axa Mediterranean Holding SA (im Folgenden: Axa), den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären.

 

36        Der erste Klagegrund war auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gestützt, weil ein Rechtsfehler hinsichtlich der Voraussetzung der Selektivität vorliege.

 

37        Der zweite Klagegrund war auf einen Rechtsfehler bei der Ermittlung der Begünstigten der Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS gestützt.

 

38        Der dritte Klagegrund war auf das Nichtvorliegen einer neuen Beihilfe u. a. im Sinne von Art. 108 Abs. 3 AEUV gestützt.

 

39        Der vierte Klagegrund war auf einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, des Estoppel (bzw. des Verbots des venire contra factum proprium) und der Rechtssicherheit gestützt.

 

40        In einer am 15. November 2021 beim Gericht eingegangenen schriftlichen Stellungnahme nahmen diese Gesellschaften in Anbetracht der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils genannten Urteile die Klagegründe 1 und 2 zurück.

 

41        Mit seinem Urteil in den verbundenen Rechtssachen T‑12/15, T‑158/15 und T‑258/15 hat das Gericht den Klagegründen 3 und 4 stattgegeben und den streitigen Beschluss für nichtig erklärt.

 

Rechtssache T‑253/15

42        Mit einer auf sieben Gründe gestützten Klage beantragte die Sociedad General de Aguas de Barcelona SA (im Folgenden: SGAB), den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären oder, hilfsweise, die Anordnung der Rückforderung der auf Art. 12 Abs. 5 TRLIS gestützten Beihilfen zu beschränken.

 

43        Der erste Klagegrund war auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gestützt, weil ein Rechtsfehler hinsichtlich der Voraussetzung der Selektivität vorliege.

 

44        Der zweite Klagegrund war auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gestützt, weil kein Wettbewerbsvorteil vorgelegen habe, da SGAB den ihr gewährten Steuervorteil zurückgezahlt habe.

 

45        Der dritte Klagegrund war auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gestützt, da die Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS eine allgemeine Maßnahme darstelle.

 

46        Die Klagegründe 4 bis 7 waren auf das Nichtvorliegen einer neuen Beihilfe, auf einen Ermessensmissbrauch, auf die Unanwendbarkeit der neuen behördlichen Auslegung auf SGAB und auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes gestützt.

 

47        In einer am 17. November 2021 beim Gericht eingegangenen schriftlichen Stellungnahme nahm SGAB in Anbetracht der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils genannten Urteile die Klagegründe 1 und 3 zurück.

 

48        Mit seinem Urteil in der Rechtssache T‑253/15 hat das Gericht den Klagegründen 4 und 7 stattgegeben und den streitigen Beschluss für nichtig erklärt.

 

Verbundene Rechtssachen T‑256/15 und T‑260/15

49        Mit auf sechs Gründe gestützten Klagen beantragten die Telefónica SA und die Iberdrola SA, den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären oder, hilfsweise, die in Art. 4 des Beschlusses enthaltene Anordnung der Rückforderung zu beschränken.

 

50        Der erste Klagegrund war auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV gestützt, weil ein Rechtsfehler hinsichtlich der Voraussetzung der Selektivität vorliege.

 

51        Der zweite Klagegrund war auf einen Rechtsfehler hinsichtlich der Voraussetzung der Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des Handels zwischen den Mitgliedstaaten gestützt.

 

52        Der dritte Klagegrund war auf Rechts- und Beurteilungsfehler gestützt, da die Kommission angenommen habe, dass die neue behördliche Auslegung eine neue Beihilfe darstellen könne.

 

53        Der vierte Klagegrund war auf Rechts- und Beurteilungsfehler gestützt, da die Kommission angenommen habe, dass die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 nicht den Erwerb von indirekten Beteiligungen erfasst hätten.

 

54        Der fünfte Klagegrund war auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Estoppel und der ordnungsgemäßen Verwaltung gestützt.

 

55        Der sechste Klagegrund war auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gestützt.

 

56        In ihren am 13. bzw. 15. November 2021 beim Gericht eingegangenen schriftlichen Erklärungen nahmen die Klägerinnen in den Rechtssachen T‑256/15 und T‑260/15 in Anbetracht der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils genannten Urteile die Klagegründe 1 und 2 zurück.

 

57        Mit seinem Urteil in diesen Rechtssachen hat das Gericht den Klagegründen 3 und 6 stattgegeben und den streitigen Beschluss für nichtig erklärt.

 

Verbundene Rechtssachen T‑252/15 und T‑257/15

 

58        Mit auf fünf bzw. vier Gründe gestützten Klagen beantragten zum einen die Ferrovial SA, die Ferrovial Servicios SA und die Amey UK plc sowie zum anderen die Arcelormittal Spain Holding SL (im Folgenden: Arcelormittal Spain), den streitigen Beschluss oder, hilfsweise, die in Art. 4 Abs. 2 des Beschlusses enthaltene Anordnung der Rückforderung für nichtig zu erklären.

 

59        Alle Klägerinnen machten vier Klagegründe geltend, die auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV wegen eines Rechtsfehlers hinsichtlich der Voraussetzung der Selektivität, auf das Nichtvorliegen einer neuen Beihilfe und auf einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, des Estoppel und der Rechtssicherheit gestützt waren.

 

60        Darüber hinaus machten Ferrovial, Ferrovial Servicios und Amey UK einen fünften Klagegrund geltend, der auf die Nichtigkeit der Anordnung der Rückforderung gestützt war, da die Anordnung die vor dem 10. März 2005 liegenden Vorgänge nicht ausschließe.

 

61        In ihren am 13. bzw. 15. November 2021 beim Gericht eingegangenen schriftlichen Erklärungen nahmen die Klägerinnen in den Rechtssachen T‑252/15 und T‑257/15 in Anbetracht der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils genannten Urteile die Klagegründe 1 und 2 zurück.

 

62        Mit seinem Urteil in diesen Rechtssachen hat das Gericht den Klagegründen 3 und 4 stattgegeben und den streitigen Beschluss für nichtig erklärt.

 

Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

63        Die Kommission beantragt,

–            die angefochtenen Urteile aufzuheben,

–            die Klagen abzuweisen und

–            den Klägern ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission im ersten Rechtszug und in den Rechtsmittelverfahren aufzuerlegen.

 

64        Die anderen Parteien des Verfahrens beantragen,

–            die Rechtsmittel zurückzuweisen und

–            der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der anderen Parteien des Verfahrens im ersten Rechtszug und in den Rechtsmittelverfahren aufzuerlegen.

 

65        Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2024 sind die Rechtssachen verbunden worden.

 

Zu den Rechtsmitteln

66        Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel in der Rechtssache C‑776/23 P auf zwei Gründe und ihre Rechtsmittel in den Rechtssachen C‑777/23 P bis C‑780/23 P auf drei Gründe, von denen die ersten beiden den Rechtsmittelgründen in der Rechtssache C‑776/23 P entsprechen.

 

Zum ersten Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C‑776/23 P bis C‑780/23 P: Rechtsfehler hinsichtlich des Geltungsbereichs der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282

Vorbringen der Parteien

 

67        Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht zu Unrecht angenommen, dass die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 sowohl direkte als auch indirekte Erwerbe beträfen.

 

68        Die Kommission weist darauf hin, dass sie mit Schreiben vom 4. Juni 2007 darüber informiert worden sei, dass die Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS nur für direkte Erwerbe gelte. Die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 seien anhand dieser Information zu verstehen.

 

69        Die Kommission führt u. a. die Urteile vom 16. Dezember 2010, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission (C‑537/08 P, EU:C:2010:769, Rn. 44), und vom 20. September 2018, Carrefour Hypermarchés u. a. (C‑510/16, EU:C:2018:751, Rn. 38), an, aus denen hervorgehe, dass der Geltungsbereich eines Beschlusses im Bereich staatlicher Beihilfen nicht nur unter Heranziehung des Wortlauts des Beschlusses, sondern auch unter Berücksichtigung der vom betreffenden Mitgliedstaat mitgeteilten Informationen zu bestimmen sei.

 

70        Das Gericht habe rechtsfehlerhaft von der Anwendung dieser Rechtsprechung mit der Begründung abgesehen, dass sie auf die Fälle beschränkt sei, in denen die Kommission die Vereinbarkeit einer angemeldeten Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt bejahe. Insoweit trägt die Kommission unter Verweis auf das Urteil vom 16. Dezember 2010, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission (C‑537/08 P, EU:C:2010:769, Rn. 45), vor, dass sie sich bei der Prüfung einer Beihilferegelung unabhängig davon, ob diese angemeldet worden sei, auf die vom betreffenden Mitgliedstaat übermittelten Informationen stützen müsse, die untrennbar zu dieser Beihilferegelung gehörten.

 

71        Indem das Gericht zwischen angemeldeten und nicht angemeldeten Beihilfen unterschieden habe, habe es im Übrigen die Rechtsprechung verkannt, wonach die von der Kommission vorgenommene Prüfung zur Feststellung, ob eine staatliche Beihilfe vorliege, die Mitgliedstaaten, die Beihilfen unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV zahlten, nicht zulasten derjenigen begünstigen dürfe, die Beihilfen in der Planungsphase anmeldeten und ihre Durchführung bis zum abschließenden Beschluss der Kommission unterließen (Urteil vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

72        Außerdem macht die Kommission gestützt auf die Erkenntnisse aus dem Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 165), geltend, dass sie nur dann, wenn sie beschließe, von dem vom betreffenden Mitgliedstaat abgegrenzten Anwendungsbereich der Beihilferegelung abzuweichen, dies in ihrem Beschluss angeben müsse, nachdem sie dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Im vorliegenden Fall hätte das Gericht die Entscheidung 2011/5 und den Beschluss 2011/282 in Anbetracht dessen, dass in ihnen nicht angegeben worden sei, dass die Kommission von der im Schreiben vom 4. Juni 2007 vorgenommenen Auslegung des nationalen Rechts abweiche, dahin auslegen müssen, dass sie nur direkte Erwerbe beträfen.

 

73        Dass die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 auf indirekte Erwerbe Bezug nähmen, liege am Wortlaut von Art. 21 TRLIS, auf den Art. 12 Abs. 5 TRLIS verweise. Diese Bezugnahmen bedeuteten jedoch nicht, dass die von der Kommission in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282 durchgeführte Prüfung indirekte Erwerbe erfasse. Ferner habe die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 nicht wissen können, dass eine neue behördliche Auslegung eingeführt werde, die den Anwendungsbereich der Beihilferegelung nach Art. 12 Abs. 5 TRLIS auf indirekte Erwerbe erstrecke.

 

74        Da das Gericht bei seiner Auslegung der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 die oben genannten verschiedenen Aspekte der Rechtsprechung zu staatlichen Beihilfen verkannt habe, habe es eine Auslegung vorgenommen, die weder den Kontext, in dem die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 erlassen worden seien, noch den Zweck der in diesem Bereich erlassenen Vorschriften berücksichtigt. Damit sei es von der Rechtsprechung abgewichen, wonach bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen seien, die mit der Regelung verfolgt würden, zu der sie gehöre.

 

75        Die Kommission weist darauf hin, dass der einzige Gesichtspunkt der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282, der für das Königreich Spanien und die von der Beihilferegelung nach Art. 12 Abs. 5 TRLIS begünstigten Unternehmen vorteilhaft sei, die Ausnahmen von der Rückforderungspflicht betreffe. Da die Rückforderungspflicht die Auswirkungen der rechtswidrigen Anwendung dieser Regelung beseitigen solle und daher auf die Vergangenheit ausgerichtet sei, sei es umso wichtiger, die Entscheidung 2011/5 und den Beschluss 2011/282 einschließlich ihrer Bestimmungen, die diese Ausnahmen anerkennten, unter Berücksichtigung der von den spanischen Behörden beschriebenen ursprünglichen Situation zu lesen, die dadurch gekennzeichnet gewesen sei, dass diese Regelung nicht für indirekte Beteiligungen gegolten habe.

 

76        Die Kläger stellen sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit des ersten Rechtsmittelgrundes in Abrede.

 

77        Insbesondere halten sie den ersten Rechtsmittelgrund für unzulässig. Zwar versuche die Kommission, den Anschein eines Rechtsfehlers zu erzeugen, doch beschränke sie sich in Wirklichkeit auf Tatsachenbehauptungen, ohne eine Verfälschung der Tatsachen geltend zu machen.

 

78        In diesem Zusammenhang betont das Königreich Spanien, dass die Kommission ihr Vorbringen im Wesentlichen auf die Auslegung des nationalen Rechts stütze, die sich aus dem Schreiben vom 4. Juni 2007 und dann aus dem Steuervorbescheid vom 21. März 2012 ergebe. Im Unionsrecht stelle die Auslegung des nationalen Rechts aber einen tatsächlichen Umstand dar. Daher könne im Rahmen eines Rechtsmittels vor dem Gerichtshof daraus kein Rechtsfehler abgeleitet werden.

 

79        Nach Ansicht von Banco Santander, Santusa, Abertis, Axa, Ferrovial, Serveo Servicios, Amey UK und Arcelormittal Spain ist der erste Rechtsmittelgrund auch deshalb unzulässig, weil er gegen den Grundsatz der Rechtskraft verstoße.

 

80        Dass die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 die Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS beträfen, ohne zwischen ihrer Anwendung auf direkte und indirekte Erwerbe zu unterscheiden, sei bereits in mehreren Urteilen festgestellt worden, die endgültig und damit rechtskräftig seien. Zur Stützung dieses Standpunkts verweisen die genannten Gesellschaften auf das Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission (C‑274/12 P, EU:C:2013:852), auf die Rn. 29 und 30 des Urteils vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission (T‑207/10, EU:T:2018:786), sowie auf das Urteil vom 6. Oktober 2021, Banco Santander u. a./Kommission (C‑53/19 P und C‑65/19 P, EU:C:2021:795). Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund wolle die Kommission im Wesentlichen erreichen, dass der Gerichtshof ein Urteil erlasse, das von einer Feststellung abweiche, die in der Begründung einer rechtskräftigen Entscheidung getroffen worden sei, so dass dieser Rechtsmittelgrund unzulässig sei.

 

81        Telefónica, Iberdrola und Arcelormittal Spain ergänzen, dass der erste Rechtsmittelgrund zudem ins Leere gehe, da die Kommission einen Teil der Würdigung des Gerichts nicht beanstandet habe, der für sich allein die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses rechtfertige, nämlich den Teil, in dem festgestellt worden sei, dass der streitige Beschluss im Wesentlichen einen Widerruf der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 darstelle, obwohl die in der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) vorgesehenen Voraussetzungen für einen Widerruf nicht erfüllt gewesen seien. Da die Kommission diese Feststellung nicht beanstandet habe, gehe ihr Rechtsmittelgrund ins Leere. Die mit diesem Rechtsmittelgrund gerügten Fehler der angefochtenen Urteile könnten nämlich selbst unter der Annahme ihres Vorliegens nicht zur Aufhebung dieser Urteile führen, da die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, die durch diese Urteile erfolgt sei, jedenfalls aufgrund der Feststellung gerechtfertigt sei, dass die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 widerrufen worden seien.

 

Würdigung durch den Gerichtshof

–          Zur Zulässigkeit und Erheblichkeit des Rechtsmittelgrundes

82        Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt die Kommission, das Gericht habe die Entscheidung 2011/5 und den Beschluss 2011/282 falsch ausgelegt, da es sich ausschließlich auf den Wortlaut der Entscheidung und des Beschlusses gestützt habe und damit weder den Kontext berücksichtigt habe, in dem sie erlassen worden seien – zu dem die vom Königreich Spanien vor dem Erlass übermittelten Informationen über den Geltungsbereich des nationalen Rechts gehörten –, noch den Zweck der Vorschriften im Bereich staatlicher Beihilfen.

 

83        Dieser Rechtsmittelgrund wirft somit die Frage auf, ob das Gericht die für die Auslegung von Rechtsakten der Union geltenden Grundsätze verkannt hat, was eine Rechtsfrage ist.

 

84        Zwar sind die Urteile vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission (C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 29 und 30), und vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission (T‑207/10, EU:T:2018:786), oder das Urteil vom 6. Oktober 2021, Banco Santander u. a./Kommission (C‑53/19 P und C‑65/19 P, EU:C:2021:795), auf die Banco Santander, Santusa, Abertis, Axa, Ferrovial, Serveo Servicios, Amey UK und Arcelormittal Spain verweisen, rechtskräftig. Aus ihrem Inhalt ergibt sich jedoch weder eine Bestätigung noch eine Widerlegung des Standpunkts dieser Gesellschaften, dass die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 sowohl direkte als auch indirekte Erwerbe beträfen. Daher trifft nicht zu, dass die Kommission mit dem Vorbringen, die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 beträfen nur direkte Erwerbe, gegen den Grundsatz der Rechtskraft verstößt.

 

85        Soweit einige der Kläger außerdem vortragen, dass der erste Rechtsmittelgrund ins Leere gehe, da die Kommission die – bereits für sich maßgebliche – Würdigung des Gerichts, wonach der streitige Beschluss im Wesentlichen einen Widerruf der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 darstelle, nicht beanstande, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen auf einem falschen Verständnis dieses Rechtsmittelgrundes beruht. Mit ihrem Vorbringen, das Gericht habe die Entscheidung 2011/5 und den Beschluss 2011/282 rechtsfehlerhaft ausgelegt, macht die Kommission geltend, dass das Gericht, wäre ihm dieser Fehler nicht unterlaufen, zwangsläufig festgestellt hätte, dass die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 nur direkte Erwerbe beträfen. Mit diesem Vorbringen bringt die Kommission klar ihren Standpunkt zum Ausdruck, dass der streitige Beschluss, der indirekte Erwerbe betrifft, die Entscheidung 2011/5 und den Beschluss 2011/282 nicht widerruft. Somit trifft nicht zu, dass die Kommission davon absieht, die Würdigung des Gerichts, wonach der streitige Beschluss im Wesentlichen einen solchen Widerruf vornimmt, zu beanstanden.

 

86        Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund zulässig und geht nicht ins Leere.

 

–          Zur Begründetheit

87        Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Art. 12 Abs. 5 TRLIS bei der Festsetzung der spanischen Körperschaftsteuer unter bestimmten Voraussetzungen den Abzug des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts aus Beteiligungen von in Spanien steuerlich ansässigen Gesellschaften am Kapital von in anderen Ländern steuerlich ansässigen Gesellschaften gestattete.

 

88        Mit der Entscheidung 2011/5, die für Beteiligungen am Kapital von Gesellschaften mit steuerlichem Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Union als dem Königreich Spanien gilt, und dem Beschluss 2011/282, der für Beteiligungen am Kapital von Gesellschaften mit steuerlichem Sitz außerhalb der Union gilt, stufte die Kommission Art. 12 Abs. 5 TRLIS als eine rechtswidrig durchgeführte staatliche Beihilferegelung ein.

 

89        In der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282 ordnete die Kommission an, diese Regelung einzustellen und die den Steuerabzügen entsprechenden Beträge zurückzufordern, wobei sie aus Gründen des Vertrauensschutzes ausdrücklich die Fortgeltung dieser Regelung für diejenigen direkten und indirekten Erwerbe gestattete, die die einschlägigen Voraussetzungen der Beihilferegelung vor dem 21. Dezember 2007 erfüllten, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zusammenfassung der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens. Ferner gestattete die Kommission die Fortgeltung dieser Regelung u. a. für diejenigen Mehrheitsbeteiligungen, die bis zum 21. Mai 2011, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beschlusses 2011/282, direkt oder indirekt an ausländischen Unternehmen in China, Indien oder anderen Ländern erworben wurden, in denen das Vorliegen ausdrücklicher rechtlicher Hindernisse für grenzüberschreitende Unternehmensverschmelzungen nachgewiesen wurde oder werden konnte.

 

90        Mit den in Rn. 33 des vorliegenden Urteils genannten Urteilen hat der Gerichtshof die Rechtsmittel gegen die Urteile des Gerichts zurückgewiesen, mit denen die Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 abgewiesen worden waren.

 

91        Folglich steht – sofern nicht der Gerichtshof die durch die oben in Rn. 33 genannten Urteile abgeschlossenen Verfahren wieder aufnimmt – die Rechtmäßigkeit der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 endgültig fest.

 

92        Bezüglich der Auslegung des Geltungsbereichs der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 ist das Gericht in Rn. 46 des in der Rechtssache C‑776/23 P angefochtenen Urteils, in Rn. 52 des in der Rechtssache C‑777/23 P angefochtenen Urteils, in Rn. 62 des in der Rechtssache C‑778/23 P angefochtenen Urteils, in Rn. 53 des in der Rechtssache C‑779/23 P angefochtenen Urteils und in Rn. 52 des in der Rechtssache C‑780/23 P angefochtenen Urteils zu Recht zu der Feststellung gelangt, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit, wonach Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren und folglich ihre Vorkehrungen treffen können, Anwendung findet, wenn die Kommission im Bereich staatlicher Beihilfen eine Entscheidung erlässt.

 

93        Dies gilt insbesondere für Negativentscheidungen, mit denen die Kommission die Einstellung und Rückforderung von Beihilfen anordnet. Der Mitgliedstaat, an den eine ihn zur Rückforderung der Beihilfen verpflichtende Entscheidung gerichtet ist, hat nach Art. 288 Abs. 4 AEUV alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Durchführung der Entscheidung sicherzustellen. Daher ist es nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit unerlässlich, dass in einer solchen Entscheidung klar, bestimmt und vorhersehbar angegeben wird, welche Beihilfen zurückgefordert werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 100 bis 104).

 

94        Im vorliegenden Fall geht aus Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung 2011/5 sowie deren Erwägungsgründen 167, 170 und 175 ebenso wie aus Art. 1 Abs. 2 und 4 und dem 210. Erwägungsgrund des Beschlusses 2011/282 ausdrücklich hervor, dass die Ausnahmen von den Einstellungs- und Rückforderungspflichten, die in der Entscheidung und dem Beschluss genannt sind, sowohl den direkten Erwerb von Beteiligungen, der nach der in Rn. 21 des vorliegenden Urteils angeführten Erläuterung der Kommission den Kauf von Anteilen am Kapital eines Unternehmens erfasst, als auch den indirekten Erwerb von Beteiligungen betreffen, der nach derselben Erläuterung den Kauf von Anteilen am Kapital eines Unternehmens auf zweiter oder darunterliegender Stufe (Tochter- oder Enkelgesellschaft) erfasst.

 

95        Daher ist festzustellen, dass das Gericht bereits aus dem Wortlaut der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 nicht nur ableiten konnte, sondern musste, dass die Entscheidung und der Beschluss sowohl direkte als auch indirekte Erwerbe betrafen. Eine Auslegung der Entscheidung und des Beschlusses in einem Sinne, der ihrem klaren Wortlaut zuwiderliefe, verstieße gegen den oben angeführten Grundsatz der Rechtssicherheit und wäre zudem mit der ständigen Rechtsprechung unvereinbar, wonach der Unionsrichter dann, wenn sich die Bedeutung einer Bestimmung des Unionsrechts eindeutig aus ihrem Wortlaut ergibt, nicht davon abweichen darf (Urteile vom 8. Dezember 2005, EZB/Deutschland, C‑220/03, EU:C:2005:748, Rn. 31, und vom 16. Januar 2025, DYKA Plastics, C‑424/23, EU:C:2025:15, Rn. 37).

 

96        Im Übrigen kann dem Gericht entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, den Kontext, in dem die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 erlassen wurden – insbesondere die Auskunft der spanischen Behörden im Schreiben vom 4. Juni 2007 –, oder den Zweck der Vorschriften im Bereich staatlicher Beihilfen nicht geprüft zu haben.

 

97        Zur Auskunft im Schreiben vom 4. Juni 2007, wonach Art. 12 Abs. 5 TRLIS nach der damals von den spanischen Behörden angewandten behördlichen Auslegung nur direkte Erwerbe betreffe, ist festzustellen, dass das Gericht diesen Aspekt des Kontexts in seine Erwägungen einbezogen hat. Dies gilt insbesondere für die Rn. 49 bis 53 des in der Rechtssache C‑776/23 P angefochtenen Urteils, die Rn. 55 bis 59 des in der Rechtssache C‑777/23 P angefochtenen Urteils, die Rn. 65 bis 69 des in der Rechtssache C‑778/23 P angefochtenen Urteils, die Rn. 56 bis 60 des in der Rechtssache C‑779/23 P angefochtenen Urteils und die Rn. 55 bis 59 des in der Rechtssache C‑780/23 P angefochtenen Urteils.

 

98        Wie das Gericht in diesen Passagen der angefochtenen Urteile festgestellt hat, hat die Kommission selbst im 151. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses festgestellt, dass die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Beteiligungen für die in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282 enthaltene Beurteilung nicht relevant sei. Somit zeigt sich, dass die Kommission in der Entscheidung und dem Beschluss Art. 12 Abs. 5 TRLIS unabhängig von der behördlichen Auslegung des TRLIS beurteilt hat, die die spanischen Behörden ihr mitgeteilt hatten.

 

99        In Anbetracht dieser Umstände ist es für die Auslegung der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 nicht erforderlich, das Vorbringen der Kommission zu prüfen, dass die in Rn. 69 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung, wonach der Geltungsbereich eines Beschlusses, mit dem die Kommission keine Einwände gegen eine angemeldete Beihilferegelung erhebt, nicht nur unter Heranziehung des Wortlauts dieses Beschlusses, sondern auch unter Berücksichtigung der von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgenommenen Anmeldung zu ermitteln ist, auf den vorliegenden Fall übertragbar sei, und zwar ungeachtet dessen, dass dieser Fall eine nicht angemeldete Regelung betreffe.

 

100      In Bezug auf den Zweck der Vorschriften im Bereich staatlicher Beihilfen ist festzustellen, dass von den mit diesen Vorschriften verfolgten Zielen dem Ziel der Vorhersehbarkeit der Rechtsbeziehungen, das Bestandteil des in Rn. 92 des vorliegenden Urteils genannten Grundsatzes der Rechtssicherheit ist, besondere Bedeutung zukommt, wenn der Rechtsstreit – wie im vorliegenden Fall – den Erlass mehrerer aufeinanderfolgender Beschlüsse durch die Kommission betrifft, die sich auf dasselbe nationale Steuersystem beziehen. Da die Kommission mit dem streitigen Beschluss die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts, der sich aus dem Erwerb indirekter Beteiligungen ergab, als staatliche Beihilfe eingestuft sowie deren Einstellung und Rückforderung angeordnet hat, obwohl die entsprechenden Abzüge vorbehaltlich der Erfüllung der in Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung 2011/5 und in Art. 1 Abs. 2 und 4 des Beschlusses 2011/282 genannten Voraussetzungen weiterhin angewandt werden durften, hatte das Gericht bei seiner Entscheidung in der Tat die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, zu denen der Grundsatz der Rechtssicherheit gehört, zu berücksichtigen, ohne dass es jedoch eine umfassende Prüfung der Ziele der Vorschriften im Bereich staatlicher Beihilfen hätte vornehmen müssen.

 

101      Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C‑776/23 P bis C‑780/23 P: Rechtsfehler hinsichtlich der Bedeutung einer verbindlichen Verwaltungspraxis

Vorbringen der Parteien

102      Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass eine neue behördliche Auslegung den Anwendungsbereich einer Beihilferegelung nicht erweitern könne.

 

103      In diesem Zusammenhang verweist die Kommission auf die Rechtsprechung, wonach bei der Prüfung der Frage, ob eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstelle, ihre Wirkungen maßgeblich seien (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 89, sowie vom 21. Dezember 2016, Kommission/Aer Lingus und Ryanair Designated Activity, C‑164/15 P und C‑165/15 P, EU:C:2016:990, Rn. 69). Desgleichen gehe aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass Verwaltungsrundschreiben die Wirkungen einer Beihilferegelung bestimmen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 91).

 

104      In den angefochtenen Urteilen habe das Gericht anerkannt, dass die spanischen Behörden bis zur neuen behördlichen Auslegung die Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS nur auf direkte Erwerbe angewandt hätten. Außerdem habe es anerkannt, dass die neue Auslegung die Behörden binde und sie die Regelung seit der Einführung dieser Auslegung auf indirekte Erwerbe angewandt hätten. Unter diesen Umständen liege es auf der Hand, dass das Gericht hätte feststellen müssen, dass die neue behördliche Auslegung den Anwendungsbereich der Steuerregelung erweitert habe.

 

105      Soweit das Gericht seine umgekehrte Feststellung damit begründet habe, dass die neue behördliche Auslegung den Anwendungsbereich der Beihilferegelung nicht habe erweitern können, da sie die betroffenen Steuerpflichtigen nicht binde, trägt die Kommission vor, dass der Umstand, dass einige Unternehmen die Regelung möglicherweise anders ausgelegt und daher den Steuerabzug vor Erlass der neuen behördlichen Auslegung auf Fälle indirekter Erwerbe angewandt hätten, was aufgrund des spanischen Systems der Selbstveranlagung bezüglich der Körperschaftsteuer in bestimmten Fällen der Kontrolle der Verwaltung möglicherweise entgangen sei, nichts am Anwendungsbereich der Regelung ändere.

 

106      Im Übrigen zeige der Umstand, dass jedes Unternehmen den Anwendungsbereich einer Beihilferegelung möglicherweise anders auslege und es letztlich Sache der Gerichte sei, die Tragweite dieser Regelung zu klären, wie wichtig es sei, in dem Verwaltungsverfahren, das zu der Entscheidung der Kommission über diese Regelung führe, die vom Mitgliedstaat mitgeteilten Informationen zu berücksichtigen. Die Kommission weist insoweit darauf hin, dass die Beihilferegelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS am 1. Januar 2002 in Kraft getreten sei. Es liege auf der Hand, dass sie nicht habe warten können, bis die nationalen Gerichte endgültig über die Tragweite dieser Regelung entschieden hätten.

 

107      Die Klägerinnen machen geltend, der zweite Rechtsmittelgrund sei unzulässig, da er – ohne Geltendmachung einer Verfälschung – auf eine Überprüfung der vom Gericht vorgenommenen Auslegung des nationalen Rechts abziele, was eine Tatsachenfrage darstelle und auf einem falschen Verständnis der angefochtenen Urteile beruhe.

 

108      Banco Santander, Santusa, Abertis, Axa und SGAB sind der Ansicht, dass der zweite Rechtsmittelgrund zudem ins Leere gehe, da es bei der Erörterung vor dem Gericht nicht darum gegangen sei, festzustellen, ob die neue behördliche Auslegung die Beihilferegelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS geändert habe, sondern darum, festzustellen, ob die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 sowohl direkte als auch indirekte Erwerbe betroffen hätten.

 

109      Die Kommission trägt vor, dass die etwaige Zurückweisung des ersten Rechtsmittelgrundes nicht bedeute, dass der Gerichtshof bestätige, dass die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 sowohl direkte als auch indirekte Erwerbe betroffen hätten, sondern nur, dass dem Gericht kein Fehler unterlaufen sei, als es von einer Anwendung der auf das Urteil vom 16. Dezember 2010, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission (C‑537/08 P, EU:C:2010:769), zurückgehenden Rechtsprechung abgesehen habe. Daher gehe der zweite Rechtsmittelgrund nicht ins Leere.

 

Würdigung durch den Gerichtshof

110      Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe durch seine Feststellung, dass eine neue behördliche Auslegung, die nur für die Verwaltung verbindlich sei, den Anwendungsbereich einer Beihilferegelung nicht erweitern könne, die in Rn. 103 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs verkannt, wonach die Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe nicht von ihrer Form, sondern von ihren Wirkungen abhänge. Entgegen dem Vorbringen der Kläger beanstandet die Kommission nicht – ohne Geltendmachung einer Verfälschung – die Auslegung des nationalen Rechts durch das Gericht, sondern macht einen Rechtsfehler geltend. Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher zulässig.

 

111      Dies vorausgeschickt, ergibt sich aus der Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes, dass das Gericht in Anbetracht der für die Auslegung von Rechtsakten der Union geltenden Grundsätze nicht nur feststellen konnte, sondern musste, dass die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 sowohl direkte als auch indirekte Erwerbe betrafen.

 

112      Folglich stand das Unionsrecht, zu dem der Grundsatz der Rechtssicherheit gehört, wie das Gericht zu Recht festgestellt hat, dem entgegen, dass die Kommission die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts, der sich aus indirekten Erwerben ergibt, als neue, rechtswidrig durchgeführte Beihilferegelung einstuft.

 

113      Angesichts dieses Ergebnisses der Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes ist die Prämisse falsch, auf der der zweite Rechtsmittelgrund beruht und nach der die neue behördliche Auslegung zur Folge gehabt habe, dass die Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS auf eine Kategorie von Beteiligungen – nämlich die Kategorie indirekter Beteiligungen – erweitert worden sei, die von der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282 nicht erfasst worden sei.

 

114      Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher nicht geeignet, die Richtigkeit der angefochtenen Urteile in Frage zu stellen, und zwar selbst dann nicht, wenn sich herausstellen sollte, dass dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist, indem es nicht anerkannt hat, dass eine neue behördliche Auslegung unter bestimmten Umständen den Anwendungsbereich einer Beihilferegelung erweitern kann.

 

115      Folglich geht der zweite Rechtsmittelgrund ins Leere.

 

Zum dritten Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C‑777/23 P bis C‑780/23 P: Rechtsfehler bei der Auslegung und Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

Vorbringen der Parteien

116      Die Kommission weist darauf hin, dass sie im 190. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses dargelegt habe, dass das in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282 anerkannte berechtigte Vertrauen keine indirekten Erwerbe betreffen könne, da diese zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung und des Beschlusses nicht in den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 5 TRLIS gefallen seien. Berechtigtes Vertrauen könne nur auf Tatsachen gestützt werden, die zum Zeitpunkt des Erlasses eines Beschlusses oder einer Entscheidung bekannt gewesen seien, und nicht auf zukünftige und ungewisse Ereignisse, wie im vorliegenden Fall die Einführung einer neuen behördlichen Auslegung.

 

117      In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Gerichts, insbesondere dem Urteil vom 15. November 2018, Deutsche Telekom/Kommission (T‑207/10, EU:T:2018:786, Rn. 98), die Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation abziele, die per definitionem vor der Handlung entstanden sei, die das Vertrauen begründet habe.

 

118      Das Gericht habe diese Rechtsprechung außer Acht gelassen und damit bei der Auslegung und Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einen Rechtsfehler begangen, indem es in den angefochtenen Urteilen festgestellt habe, dass die Begünstigten der Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS bis zum 21. Dezember 2007, dem Tag der Entscheidung über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens, auf der Grundlage der Antworten der Kommission auf die in Rn. 5 des vorliegenden Urteils genannten parlamentarischen Anfragen berechtigterweise hätten annehmen können, dass diese Regelung weder in Bezug auf direkte noch in Bezug auf indirekte Erwerbe eine staatliche Beihilfe darstelle, und indem es aus dieser Feststellung abgeleitet habe, dass die Kommission einen Rechtsfehler begangen habe, indem sie es im streitigen Beschluss abgelehnt habe, ein berechtigtes Vertrauen dieser Begünstigten im Hinblick auf ihre indirekten Erwerbe anzuerkennen.

 

119      Banco Santander, Santusa, Abertis, Axa, SGAB, Telefónica, Iberdrola, Ferrovial, Serveo Servicios, Amey UK und Arcelormittal Spain treten diesem Vorbringen entgegen.

 

120      Der dritte Rechtsmittelgrund gehe von der falschen Prämisse aus, dass indirekte Erwerbe nicht in den Anwendungsbereich der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 fielen.

 

121      Daher gehe der dritte Rechtsmittelgrund ins Leere, falls der Gerichtshof im Rahmen seiner Prüfung der ersten beiden Rechtsmittelgründe feststellen sollte, dass das Gericht zu Recht befunden habe, dass der Anwendungsbereich der Entscheidung 2011/5 und des Beschlusses 2011/282 indirekte Erwerbe einschließe.

 

Würdigung durch den Gerichtshof

122      Wie sich aus der Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes ergibt, sind die Entscheidung 2011/5 und der Beschluss 2011/282 angesichts ihres klaren Wortlauts dahin zu verstehen, dass das berechtigte Vertrauen, das die Kommission in der Entscheidung und dem Beschluss anerkannt hat, sowohl direkte als auch indirekte Erwerbe betrifft.

 

123      Selbst wenn das Gericht mit der Feststellung, dass die Begünstigten der Steuerregelung in Art. 12 Abs. 5 TRLIS auf der Grundlage der Antworten der Kommission auf die in Rn. 5 des vorliegenden Urteils genannten parlamentarischen Anfragen bis zum 21. Dezember 2007 berechtigterweise annehmen konnten, dass diese Regelung keine staatliche Beihilferegelung darstelle, einen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes begangen haben sollte, würde dies somit nichts daran ändern, dass die Kommission selbst in der Entscheidung 2011/5 und dem Beschluss 2011/282 ein solches berechtigtes Vertrauen festgestellt hat, und zwar ausdrücklich sowohl für direkte als auch indirekte Erwerbe.

 

124      Folglich ist der mit dem dritten Rechtsmittelgrund geltend gemachte Fehler des Gerichts bei der Auslegung oder Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht geeignet, die wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit erfolgte Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses fehlerhaft zu machen, die im Rahmen der Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes bestätigt worden ist.

 

125      Da der vorliegende Rechtsmittelgrund somit ins Leere geht, ist er zurückzuweisen.

 

126      Da keiner der Rechtsmittelgründe durchgreift, sind die Rechtsmittel zurückzuweisen.

stats