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Steuerrecht
06.09.2018
Steuerrecht
FG Münster: Besteuerung von Arbeitslohn in sog. Dreieckssachverhalten

FG Münster, Urteil vom 13.7.20181 K 42/18 E

ECLI:DE:FGMS:2018:0713.1K42.18E.00

Volltext BB-Online BBL2018-2134-2

Sachverhalt

Streitig ist, ob Arbeitslohn, den der Kläger in den Jahren 2012 und 2013 (Streitjahre) für eine in der Schweiz ausgeübte Tätigkeit erhalten hat, in Deutschland einkommensteuerpflichtig ist.

Die Kläger sind Eheleute und werden in den Streitjahren mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Ehemann) und sonstigen Einkünften (Ehefrau) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Während des Streitzeitraums lebten die Kläger zusammen in einer gemeinsamen Wohnung in A-Stadt (Deutschland). Dort befand sich auch – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen.

Der Kläger ist beruflich als Altenpfleger tätig und arbeitete in den Streitjahren in Pflegeheimen in der Schweiz. Seit dem 01.09.2012 ist er in dem Altenheim A in B-Stadt (Schweiz) tätig. Anlässlich dieser Tätigkeit mietete und bezog er im nur wenige Kilometer entfernten Ort C-Stadt (Frankreich) eine Zweitwohnung, von der aus er arbeitstäglich zu seiner Arbeitsstätte in B-Stadt pendelte. Der auf die Tätigkeit in der Schweiz entfallende Arbeitslohn wurde in Frankreich besteuert. Die Schweiz besteuerte den Arbeitslohn nicht.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre behandelten die Kläger den Arbeitslohn als in Deutschland steuerfrei. Der Beklagte folgte dem nicht, sondern bezog den Arbeitslohn mit Einkommensteuerbescheiden vom 28.01.2014 (2012) und 06.07.2015 (2013) in die Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzungen der Streitjahre ein. Gegen diese Bescheide legten die Kläger mit Schreiben vom 05.02.2014, zugegangen am 06.02.2014 (Einkommensteuerbescheid für 2012), und vom 07.07.2015, zugegangen am 08.07.2015 (Einkommensteuerbescheid 2013), jeweils Einspruch.

Zur Begründung führten sie an, dass der Kläger seit dem 01.09.2012 in B-Stadt gearbeitet und in Frankreich gewohnt habe. Der Arbeitslohn sei in Frankreich steuerpflichtig. Diese Rechtsfolge habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Beschluss vom 04.11.2014 (Az. I R 19/13) bestätigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Kläger vom 07.07.2015 und 07.03.2016 Bezug genommen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 05.12.2017 wies der Beklagte die Einsprüche vom 28.01.2014 und 07.07.2015 als unbegründet zurück.

Der Kläger sei aufgrund seines inländischen Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Sämtliche Einkünfte unterlägen daher gemäß § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) grundsätzlich der Besteuerung.

Hinsichtlich der Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit in der Schweiz sei das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und der Schweiz zu prüfen. Das Abkommen sei anwendbar, da der Kläger unstreitig in Deutschland ansässig sei. Gemäß Art. 15 Abs. 1 und Abs. 1 dieses DBA stehe der Schweiz für den streitgegenständlichen Arbeitslohn ein Besteuerungsrecht zu. Deutschland als Ansässigkeitsstaat vermeide die Doppelbesteuerung durch Freistellung der Einkünfte. Diese Freistellung sei dem Kläger jedoch gemäß § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG wieder zu versagen. Nach dieser Vorschrift sei eine Freistellung von solchen Einkünften abzulehnen, die im anderen Staat nach dessen innerstaatlicher Rechtslage zwar von der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst werden, jedoch bei fehlender Ansässigkeit unversteuert blieben.

Eine solche Rechtslage sei im Streitfall gegeben. Das DBA zwischen der Schweiz und Frankreich – dem Zweitwohnsitzstaat – sei nach deutschen Maßstäben Teil des in der Schweiz geltenden innerstaatlichen Rechts. Dass die Grenzgänger-Regelung des schweizerisch-französischen DBA selbst keinen Ausschluss für so genannte Doppelansässigkeitsfälle enthalte und daher eine grundsätzliche Anwendbarkeit auch auf unbeschränkt Steuerpflichtige ermögliche, könne hierfür unbeachtlich bleiben. Denn der Sinn und Zweck dieser Vorschrift verlange im Grundsatz eine tägliche Rückkehr in den Ansässigkeitsstaat, was prinzipiell die unbeschränkte Steuerpflicht im Tätigkeitsstaat ausschließe, so dass nur in besonderen Konstellationen eine Wohnsitznahme im Tätigkeitsstaat unschädlich für das Vorliegen der Eigenschaft als Grenzgänger sei. In der Hauptsache komme die Grenzgänger-Regelung bei beschränkt Steuerpflichtigen zur Anwendung. Somit habe die Schweiz aufgrund nationaler Rechtsvorschriften, die bei Steuerpflichtigen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt einschlägig seien, den Arbeitslohn nicht besteuert.

Neben der Betrachtungsweise, dass aufgrund der Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG im Verhältnis Deutschland zur Schweiz keine Freistellung der Einkünfte erfolge, sei abschließend noch das DBA zwischen Deutschland und Frankreich zu beachten. Da der Kläger in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte verfüge, in Deutschland sich aber der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinde, gelte er als in Deutschland ansässig. Bei den Einkünften aus der Tätigkeit in der Schweiz handele es sich um so genannte Drittstaateneinkünfte, für die gemäß Art. 18 des mit Frankreich abgeschlossenen DBA Deutschland das Besteuerungsrecht zustehe. Dabei seien das DBA zwischen Deutschland und der Schweiz und das DBA zwischen Deutschland und Frankreich aus deutscher Sicht nebeneinander und gleichwertig anzuwenden. Keinem der beiden Abkommen sei der Vorzug zu gewähren. Diese Rechtsauffassung entspreche auch dem von den Klägern angeführten BFH-Beschluss vom 04.11.2014.

Die Kläger haben am 05.01.2018 die vorliegende Klage erhoben.

Zur Begründung tragen sie vor, dass sich aus dem zwischen Deutschland und der Schweiz abgeschlossenen DBA kein Besteuerungsrecht Deutschlands ergebe. Vielmehr habe Deutschland im Verhältnis zur Schweiz den in der Schweiz erzielten Arbeitslohn des Klägers unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu stellen. Die Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG sei entgegen der Auffassung des Beklagten nicht anwendbar. Die Vorschrift habe den Zweck, eine „Keinmal-Besteuerung“ zu verhindern. Eine solche „Keinmal-Besteuerung“ sei im Streitfall jedoch nicht gegeben. Der Arbeitslohn des Klägers sei vollumfänglich in Frankreich besteuert worden. Darüber hinaus liege die Voraussetzung, dass die in Deutschland freizustellenden Einkünfte nur deshalb nicht in der Schweiz besteuert werden, da es dort an einer Ansässigkeit fehle, nicht vor. Das innerstaatliche Recht der Schweiz sehe sehr wohl eine beschränkte Steuerpflicht für Einkünfte vor, die aus einer in der Schweiz ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit stammten.

Im Rahmen des Klageverfahrens haben sich die Beteiligten über die Höhe des Arbeitslohns, der auf die Tätigkeit des Klägers in dem Altenheim in B-Stadt vom 01.09.2012 bis zum 31.12.2013 entfällt, sowie über die Höhe der anzusetzenden Werbungskosten verständigt. Zwischen den Beteiligten ist nunmehr unstreitig, dass dem Kläger während des Zeitraums vom 01.09. bis zum 31.12.2012 Arbeitslohn in Höhe von xxxxx EUR zugeflossen ist und hierauf Werbungskosten in Höhe von xxxx EUR entfallen. Hinsichtlich des Zeitraums 01.01. bis 31.12.2013 ist dem Kläger Arbeitslohn in Höhe von yyyyy EUR zugeflossen. Die Werbungskosten für diesen Zeitraum betragen yyyy EUR.

Mit Änderungsbescheiden vom 02.07.2018 hat der Beklagte die bis dato für die Streitjahre zugrunde gelegten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend gemindert.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 und 2013 – beide vom 02.07.2018 – dahingehend zu ändern, dass die (steuerpflichtigen) Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um xyxyx EUR (2012) bzw. yxyxy EUR (2013) gemindert werden und auf das sich danach ergebende zu versteuernde Einkommen der Jahre 2012 und 2013 der besondere Steuersatz des § 32b Abs. 2 EStG angewendet wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf seine Einspruchsentscheidung.

In der Sache hat am 29.05.2018 ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Aus den Gründen

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist begründet.

I. Die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre in Gestalt der Änderungsbescheide vom 02.07.2018, die gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind, sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte hat zu Unrecht den Arbeitslohn, den der Kläger für seine berufliche Tätigkeit in dem Altenheim in B-Stadt während der Zeit vom 01.09.2012 bis zum 31.12.2013 erhalten hat, in die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre einbezogen.

Zwar unterliegt der Kläger gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 EStG aufgrund seines inländischen Wohnsitzes mit seinem so genannten (gesamten) Welteinkommen der deutschen Einkommensteuer. Nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA- Schweiz) steht Deutschland für den auf die Tätigkeit in der Schweiz entfallenden Arbeitslohn jedoch kein Besteuerungsrecht zu. Stattdessen ist im Verhältnis dieser beiden Vertragsstaaten allein die Schweiz berechtigt, den Arbeitslohn des Klägers zu besteuern (dazu im Einzelnen 1.).

Entgegen der Auffassung des Beklagten hat Deutschland die Einkünfte des Klägers insoweit von der Einkommensteuer freizustellen. Die Voraussetzungen der Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG liegen nach Auffassung des Senats im Streitfall nicht vor, so dass die abkommensrechtlich gebotene Freistellung nicht durch innerstaatliches Recht verdrängt wird (dazu im Einzelnen 2.).

Nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Frankreich) steht Deutschland im Verhältnis zu Frankreich zwar ein Besteuerungsrecht für andere Einkünfte – darunter fallen auch die so genannten Drittstaateneinkünfte – zu. Deutschland hat jedoch die sich aus dem DBA-Schweiz ergebende Zuweisung des Besteuerungsrechts für den Arbeitslohn im Hinblick die Ausübung seiner Besteuerungsrechte im Verhältnis zu Frankreich zu beachten. Ein Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn ist deshalb auch im Verhältnis zu Frankreich ausgeschlossen (dazu im Einzelnen 3.).

1. Der Kläger fällt aufgrund seines inländischen Wohnsitzes unter das DBA-Schweiz (Art. 1 DBA-Schweiz). Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Vertragsstaat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort – d. h. in dem anderen Vertragsstaat (Quellenstaat) – ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

Aus dieser Verteilungsnorm folgt, dass beide Vertragsstaaten Vergütungen für eine unselbständige Arbeit (Arbeitslohn) besteuern können, wenn der Steuerpflichtige in einem Vertragsstaat ansässig ist und in dem anderen Vertragsstaat die vergütete Tätigkeit ausübt. Der sich hieraus ergebende Doppelbesteuerungskonflikt wird durch Art. 24 DBA-Schweiz beseitigt: Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d) DBA-Schweiz sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen im Sinne des Art. 15 DBA-Schweiz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, soweit die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Demzufolge steht Deutschland im Verhältnis zur Schweiz kein Besteuerungsrecht für den während der Zeit vom 01.09.2012 bis 31.12.2013 erzielten Arbeitslohn des Klägers zu. Deutschland ist jedoch nach dem Abkommen berechtigt, die freizustellenden Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes einzubeziehen. Dies geschieht innerstaatlich durch die Anwendung des besonderen Steuersatzes im Sinne des § 32b Abs. 2 EStG (Progressionsvorbehalt).

2. Die nach dem DBA-Schweiz gebotene Freistellung des streitgegenständlichen Arbeitslohns ist nicht nach innerstaatlichem Recht ausgeschlossen. Insbesondere sind die Voraussetzungen der Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG im Streitfall nicht erfüllt. Ob die Regelung gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 GG verstößt und damit verfassungswidrig ist (vgl. BFH-Vorlagebeschluss vom 20.08.2014 I R 86/13, BFHE 246, 486, BStBl. II 2015, 18; BVerfG 2 BvL 21/14), kann vorliegend dahinstehen. Mangels Entscheidungserheblichkeit dieser Frage war das vorliegende Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auszusetzen.

a) Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG wird die in einem DBA vorgesehene Freistellung von Einkünften ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, soweit die Einkünfte in dem anderen Staat – gemeint ist der jeweilige Vertragsstaat der Bundesrepublik Deutschland – nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Ausweislich der Gesetzesbegründung besteht der Sinn und Zweck des mit dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) eingefügten § 50d Abs. 9 EStG darin, eine Nichtbesteuerung von Einkünften bei Auslandssachverhalten zu verhindern. Im Rahmen von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vermeidet Deutschland als Wohnsitz- bzw. Sitzstaat traditionell die Doppelbesteuerung durch Freistellung der Einkünfte von der deutschen Besteuerung, wenn die Einkünfte aus einer aktiven Tätigkeit im anderen Staat stammen. Dabei kann es zu einer dem Sinn und Zweck der Freistellungsmethode widersprechenden Nichtbesteuerung kommen, wenn der andere Vertragsstaat – der Quellenstaat – die Einkünfte nicht besteuern kann, weil dessen innerstaatliches Recht diese Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nicht erfasst. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG soll dies durch Aufhebung der in dem DBA vorgesehenen Freistellung verhindern (vgl. BT-Drucks. 18/9956, S. 61 f.).

Die DBA-Freistellung ist jedoch nur dann zu versagen, wenn die betroffenen Einkünfte im anderen DBA-Staat – im Streitfall die Schweiz – allein mangels unbeschränkter Steuerpflicht nicht besteuert werden (vgl. Klein/Hagena in Hermann/Heuer/ Raupach, § 50d EStG Rn. 122). Beruht die Nichtbesteuerung demgegenüber darauf, dass der andere DBA-Staat die Einkünfte allgemein nicht besteuert oder erhebt der andere DBA-Staat sogar gar keine Steuer vom Einkommen, ist § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht anzuwenden (siehe BMF-Schreiben vom 26.09.2014 BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.1.2.4).

b) Ausgehend hiervon findet die Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG auf den Streitfall keine Anwendung. Grund für die Nichtversteuerung des streitgegenständlichen Arbeitslohns ist nicht, dass der Kläger in der Schweiz mangels Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts oder eines anderen Merkmals nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Denn das Einkommensteuerrecht der Schweiz sieht – so wie das deutsche Recht – ebenfalls eine beschränkte Steuerpflicht für solche Erwerbseinkünfte vor, die auf eine in der Schweiz ausgeübte Tätigkeit entfallen (siehe Weigell in Wassermeyer, DBA Schweiz, Anhang Rn. 42 ff.). Die Schweiz besteuert – jedenfalls grundsätzlich – Erwerbseinkünfte auch dann, wenn der Steuerpflichtige dort keinen Wohnsitz hat bzw. die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Steuerpflicht nach schweizerischem Recht nicht gegeben sind, wenn und soweit die Tätigkeit jedenfalls in der Schweiz ausgeübt wird.

Dass die Versteuerung des Arbeitslohns durch die Schweiz im Streitfall rechtlich ausgeschlossen und auch tatsächlich unterblieben ist, geht indessen auf den Umstand zurück, dass die Schweiz in Ausübung ihrer Besteuerungshoheit das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn des Klägers Frankreich zugewiesen hat. Denn nach dem Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (DBA Schweiz-Frankreich) darf allein Frankreich in Fällen, in denen eine in der Schweiz arbeitende Person im französischen Grenzgebiet einen Wohnsitz hat, den aus dieser Tätigkeit resultierenden Arbeitslohn besteuern (Art. 17 Abs. 4 DBA Schweiz-Frankreich).

Die Nichtversteuerung des Arbeitslohns in der Schweiz ist damit auf die in dem DBA Schweiz-Frankreich enthaltene so genannte Grenzgänger-Regelung zurückzuführen, die eine besondere Konstellation betrifft und nicht dahingehend zu verstehen ist, dass Arbeitslohn per se in der Schweiz unversteuert bleibt, wenn eine Person nicht in der Schweiz wohnt. Folge der Grenzgänger-Regelung ist lediglich, dass der andere Vertragsstaat, in dessen Grenzregion die betreffende Person einen Wohnsitz unterhält (im Streitfall Frankreich), den aus der Schweiz stammenden Arbeitslohn besteuern darf. Die Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG ist nach Auffassung des Senats auf eine solche Konstellation nicht anwendbar, da das innerstaatliche Recht der Schweiz, Erwerbseinkünfte an der Quelle im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zu besteuern, von der Grenzgänger-Regelung unberührt bleibt. Die nach dem DBA-Schweiz gebotene Freistellung des Arbeitslohns wird daher vorliegend nicht durch innerstaatliche Rückfallklauseln verdrängt. Die Bundesrepublik Deutschland würde nach Ansicht des Senats bei Anwendung der Rückfallklausel vielmehr unzulässiger Weise in das Besteuerungsrecht der Schweiz und auch das Besteuerungsrecht Frankreichs eingreifen. Nach Abgabe des Besteuerungsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland an den Quellenstaat (Schweiz) aufgrund der DBA-Regelungen zwischen beiden Staaten ist es vielmehr ausschließlich Sache der Schweiz, über dieses Besteuerungsrecht zu verfügen, mithin es auszuüben oder aufgrund eines weiteren DBA (hier mit Frankreich) weiterzureichen.

3. Das sich aus der unbeschränkten Steuerpflicht des Klägers ergebende Besteuerungsrecht Deutschlands ist nach Auffassung des Senats auch im Verhältnis zu Frankreich ausgeschlossen.

a) Die Besonderheit des Streitfalles besteht darin, dass es sich um eine so genannte Dreieckskonstellation handelt (zu einer solchen Konstellation vgl. auch BFH-Beschluss v. 04.11.2014 I R 19/13, BFH/NV 2015, 333). Da der Kläger sowohl einen Wohnsitz in Deutschland als auch in Frankreich hat und in der Schweiz arbeitet, bestehen aus deutscher Sicht Anknüpfungspunkte zu zwei anderen Staaten, mit denen DBA abgeschlossen worden sind. Dabei steht das Besteuerungsrecht für den streitgegenständlich Arbeitslohn im Verhältnis Deutschland-Schweiz der Schweiz zu (s.o. I.1.).

Im Verhältnis Deutschland-Frankreich fällt der streitgegenständliche Arbeitslohn unter die anderen Einkünfte im Sinne des Art. 18. DBA-Frankreich. Die Vorschrift enthält eine allgemeine Regelung zur Besteuerung von Einkünften, die in den vorhergehenden Artikeln des Abkommens nicht explizit geregelt sind. Da die spezielleren Verteilungsnormen des Abkommens überwiegend solche Einkünfte regeln, die aus einem der beiden Vertragsstaaten stammen, werden von Art. 18 DBA-Frankreich entsprechend seines Auffangcharakters vor allem solche Einkünfte erfasst, deren Quellen außerhalb Deutschlands und Frankreichs liegen. Zu diesen so genannten Drittstaateneinkünften gehört vorliegend auch der streitgegenständliche Arbeitslohn des Klägers, weil er auf eine Tätigkeit entfällt, die nicht in Deutschland oder Frankreich ausgeübt wird, sondern in der Schweiz, die im Verhältnis Deutschland-Frankreich ein Drittstaat ist.

Das Besteuerungsrecht für Drittstaateneinkünfte steht gemäß Art. 18 DBA-Frankreich ausschließlich dem Vertragsstaat zu, in dem die Person, die die Einkünfte erzielt, ansässig ist. Dies ist vorliegend Deutschland. Der Kläger unterhält zwar in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz. Für den Fall einer doppelten Ansässigkeit bestimmt Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) aa) DBA-Frankreich jedoch, dass die betreffende Person in dem Staat als ansässig gilt, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Da zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass die Kläger den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Deutschland haben, gilt der Kläger für Zwecke der Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Deutschland und Frankreich allein in Deutschland als ansässig.

b) Ausgehend hiervon, sehen die beiden aus deutscher Sicht maßgeblichen DBA unterschiedliche Rechtsfolgen für denselben steuerlich relevanten Sachverhalt („Arbeitslohn Schweiz“) vor: Nach Maßgabe des DBA-Schweiz darf Deutschland sein Besteuerungsrecht für den „Arbeitslohn Schweiz“ nicht ausüben, sondern hat die Einkünfte freizustellen. Demgegenüber darf im Verhältnis Deutschland zu Frankreich ausschließlich Deutschland den „Arbeitslohn Schweiz“ besteuern; Frankreich, das vorliegend tatsächlich besteuert hat, steht – bei isolierter Betrachtung des DBA-Frankreich – im Verhältnis zu Deutschland kein Besteuerungsrecht zu. Im Verhältnis Frankreich-Schweiz darf Frankreich den Arbeitslohn jedoch aufgrund der in dem DBA Schweiz-Frankreich enthaltenen Grenzgänger-Regelung besteuern.

Dieser aus der Dreieckskonstellation resultierende Besteuerungskonflikt ist nach Auffassung des Senats dahingehend aufzulösen, dass Deutschland sein ihm nach dem DBA-Frankreich zustehendes Besteuerungsrecht für Drittstaateneinkünfte nicht ohne Rücksicht auf das mit der Schweiz abgeschlossene DBA ausüben darf. Da Deutschland das Besteuerungsrecht für den Sachverhalt „Arbeitslohn Schweiz“ der Schweiz zugewiesen und sich verpflichtet hat, diese Einkünfte in Deutschland freizustellen – und diese Freistellung auch nicht durch eine innerstaatliche Rückfallklausel verdrängt wird (s.o. I.2.) – , kann sich Deutschland gegenüber Frankreich nunmehr nicht darauf berufen, dass ihm ein Besteuerungsrecht für Drittstaateneinkünfte zusteht.

Der Senat folgt damit der überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung, dass bei Dreieckskonstellationen, in denen – wie vorliegend – Deutschland ebenfalls ein DBA mit dem Drittstaat (hier der Schweiz) abgeschlossen hat, die Ausübung des Besteuerungsrecht für Drittstaateneinkünfte ausgeschlossen ist, wenn nach dem DBA mit dem Drittstaat ausschließlich letzterer die betreffenden Einkünfte besteuern darf (Schütte in Haase, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, 3 Aufl., Art. 21 MA Tz. 40; Tcherveniachki in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 21 MA Tz. 65; Rust in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6 Aufl., Art. 21 MA Tz. 19; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 21 MA Tz. 54). Ob diese Rechtsfolge auch dann gilt, wenn die Einkünfte am Ende tatsächlich nicht besteuert werden, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da Frankreich den streitgegenständlichen Arbeitslohn besteuert hat.

Dieses Ergebnis ist nach Auffassung des Senats sachgerecht, weil sich Deutschland entschlossen hat, sein aus § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 EStG folgendes Recht zur Besteuerung von Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit der Schweiz zuzuweisen, wenn die Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt wird und kein Ausnahmefall im Sinne der Art. 15 Abs. 2 u. 3, Art. 15a DBA-Schweiz vorliegt. Wenn sich die Schweiz in Ausübung ihrer eigenen Besteuerungshoheit nunmehr entschließt, ihr Besteuerungsrecht insoweit einem anderen Staat – hier Frankreich – zuzuweisen, kann dies nicht dazu führen, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands für diesen Sachverhalt wieder auflebt, weil Deutschland aufgrund einer Auffangvorschrift in dem DBA mit dem anderen Staat (hier Frankreich) im Verhältnis zu diesem ein Besteuerungsrecht zusteht.

Die seitens des Beklagten vertretene Auffassung würde demgegenüber zu kaum auflösbaren Besteuerungskonflikten führen. Denn hätte beispielsweise die Schweiz den Arbeitslohn des Klägers ebenfalls besteuert, etwa weil das Vorliegen der Voraussetzungen der Grenzgänger-Regelung zwischen Frankreich und der Schweiz streitig gewesen wäre, dann wäre derselbe Sachverhalt („Arbeitslohn Schweiz“) nicht „nur“ zweimal, sondern dreimal besteuert worden. Deutschland könnte in diesem Fall sein Besteuerungsrecht gegenüber der Schweiz nur damit begründen, dass ihm im Verhältnis zu Frankreich ein Besteuerungsrecht für Drittstaateneinkünfte zusteht. Hierzu müsste sich Deutschland gegenüber der Schweiz auf die in dem DBA-Frankreich enthaltene Ansässigkeitsfiktion berufen. Eine abkommensübergreifende Anwendung dieser Ansässigkeitsfiktion ist nach der Rechtsprechung des BFH jedoch gerade nicht zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 04.11.2014 I R 19/13, BFH/NV 2015, 333).

4. Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit sind um xyxyx EUR (2012) bzw. yxyxy (2013) zu reduzieren. Auf das sich danach ergebende zu versteuernde Einkommen der Jahre 2012 und 2013 ist der besondere Steuersatz des § 32b Abs. 2 EStG anzuwenden.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO

III. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (FGO).

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