FG Münster: Besteuerung von Personenbeförderungsleistungen mit dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Unternehmer nicht selbst im Besitz einer Taxikonzession ist, sondern die Leistungen von einem Dritten einkauft?
FG Münster, Urteil vom 17.6.2014 – 15 K 3100/09 U
Sachverhalt
Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer(USt)-Festsetzung für 2006, ob Umsätze der Klägerin mit der Beförderung von Personen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b) des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der Fassung vom 21.2.2005 dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 00.00.2005 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in H . Gegenstand des Unternehmens ist laut Handelsregister (Handelsregisterauszug xxx des Amtsgerichts H ) der Transport von Personen und Materialien sowie die Übernahme von Kurierdiensten. Geschäftsführer der Klägerin waren im Streitjahr U D und B T . Diese vertraten die Gesellschaft gemeinsam oder jeweils einzeln zusammen mit einem Prokuristen.
Die Stadt H erteilte der Klägerin mit Datum vom 10.3.2005 bis zum 30.6.2008 befristete Genehmigungen für den Verkehr mit Mietwagen nach § 49 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) für die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen XX-XX 1, 2 bis 5, 6, 7 und XX-XX 8. Mit Datum vom 24.10.2006 erteilte die Stadt H der Klägerin Genehmigungen nach § 49 PBefG für die Fahrzeuge XX-XX 9, 10 und 11. Die Genehmigungen wurden später teilweise auf andere Fahrzeuge umgeschrieben. Zur Führung der Geschäfte i. S. des PBefG wurden in sämtlichen Genehmigungsurkunden die beiden Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Die Klägerin verfügte über keine Genehmigungen für den Verkehr mit Taxen nach § 47 PBefG.
Die Klägerin bezog im Streitjahr Personenbeförderungsleistungen mit Taxen von der Y GmbH. Die Y GmbH wurde mit notariell beurkundetem Gesellschaftvertrag vom 00.00.2006 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist laut Handelsregisterauszug (xxx des Amtsgerichts H) der Transport von Personen und Materialien sowie die Übernahme von Kurierdiensten. Gründungsgesellschafter der Y GmbH waren die Klägerin mit einem Anteil von 88 %, L M mit einem Anteil von 10 % und U D mit einem Anteil von 2 %. Geschäftsführer der Y GmbH waren im Streitjahr U D und L M . Diese waren befugt, die Gesellschaft gemeinsam oder jeweils einzeln zusammen mit einem Prokuristen zu vertreten. Ein Prokurist war im Streitjahr nicht bestellt.
Die Stadt H erteilte der Y GmbH mit Wirkung vom 1.9.2006 bis zum 30.6.2008 befristete Genehmigungen für den Verkehr mit Taxen nach § 47 PBefG für die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen XX-XX 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22 und 23. Unter diesen amtlichen Kennzeichen wurden ausweislich der Fahrzeugscheine sowohl kleinere Kfz mit bis zu 5 Sitzplätzen (z.B. Mercedes E 200 CDI) als auch Busse mit bis zu 9 Sitzplätzen (z.B. VW Transporter, VW Caravelle) geführt. Die Taxi-Genehmigungen wurden später teilweise auf andere Fahrzeuge umgeschrieben. Zur Führung der Geschäfte wurden in sämtlichen Genehmigungsurkunden die beiden Geschäftsführer der Y GmbH bestellt. Vor der Y GmbH war U D Inhaber der genannten Genehmigungen nach § 47 PBefG.
Die Y GmbH ist seit ihrer Gründung auf Weisung der Klägerin tätig geworden und erbrachte auftragsgemäß Fahrten mit Taxen für die Klägerin insbesondere für den Kunden N GmbH & Co. KG (N). Das Personal der Klägerin und der Y GmbH arbeitete in denselben Büroräumen unter der Anschrift A-Straße 52 in 00000 H. Für die Klägerin und die Y GmbH wurden eine einheitliche Telefonzentrale und ein einheitlicher Funk betrieben, über welche die Fahrten vergeben wurden.
Die Klägerin, vertreten durch B T , und die Y GmbH, vertreten durch U D , schlossen im Streitjahr insgesamt drei als „Treuhandverträge“ bezeichnete Vereinbarungen, nach denen sich die Y GmbH als Treuhänderin verpflichtete, eine Taxikonzession für ein Fahrzeug mit einem bestimmten amtlichen Kennzeichen bei der Stadt H zu beantragen und für die Klägerin als Treugeberin zu halten. Die Y GmbH durfte die Konzession nach der Vereinbarung für eigene Zwecke nutzen. Ein Entgelt sollte die Y GmbH von der Klägerin für ihre Tätigkeit ausdrücklich nicht erhalten. Die Verträge betrafen die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen XX-XX 20 (Vertrag vom 4.10.2006), XX-XX 21 (Vertrag vom 4.10.2006) und XX-XX 24 (Vertrag vom 22.12.2006). Weitere Treuhandverträge wurden in den Folgejahren geschlossen.
Die Klägerin führte im Streitjahr u.a. Patiententransporte für N durch. Der diesen Leistungen zu Grunde liegende Vertrag, auf den verwiesen wird, liegt weder der Klägerin noch dem Beklagten vor. Nach dem zwischen der Klägerin und N abgeschlossenen, auf zwei Jahre befristeten Vertrag vom 29.05.2007, der nach Angaben der Klägerin mit dem im Streitjahr geltenden Vertrag inhaltlich identisch ist, verpflichtete sich die Klägerin nach § 1 Abs. 1 des Vertrages Transporte für Rehabilitationspatienten von N mit Bussen oder Taxen durchzuführen. In den von der Klägerin gegenüber N ausgestellten Rechnungen wurden Personenbeförderungen mit Mietwagen mit 16 % USt und Personenbeförderungen mit Taxen mit 7 % USt bzw. bei Fahrten über 50 km stets mit 16 % USt abgerechnet. Sämtliche mit 7 % Umsatzsteuer abgerechneten Fahrten wurden mit Taxen durchgeführt. Beim jeweiligen Einsatz der Fahrzeuge wurden durch den Fahrer entsprechende „Voucher“ ausgefüllt und durch die Patienten gegengezeichnet. Die „Voucher“ wurden der Abrechnung zugrundegelegt. Soweit die Fahrt mit einem Taxi ausgeführt und die Leistung mit 7 % USt fakturiert wurde, wurden „Voucher“ mit dem Merkmal „T 7“ ausgefüllt. Wurde ein Mietwagen eingesetzt, füllte der jeweilige Fahrer den „Voucher“ mit „M 16“ aus. Wurde ein „Bus“ eingesetzt, enthielt der Voucher die Kennzeichnung „B 16“ soweit die Fahrstrecke mehr als 50 km betrug. Unterhalb von 50 km wurde ein Voucher mit „B 7“ ausgestellt.
In Ihrer USt-Erklärung für 2006, die am 27.12.2007 bei dem Beklagten einging, erklärte die Klägerin Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von xxx €. Die USt belief sich nach der Erklärung auf xxx €. Die Y GmbH gab am 21.12.2007 ebenfalls eine USt-Erklärung für 2006 ab, aus der sich eine USt von ./. xxx € ergab. Der Beklagte stimmte dieser Erklärung zu.
Der Beklagte führte 2008 eine u.a. das Streitjahr betreffende USt-Sonderprüfung bei der Klägerin durch. In dem hierüber gefertigten Bericht vom 5.5.2008, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, traf der Prüfer u.a. folgende Feststellungen:
Umsätze 16 / 19 % (Tz. 16):
Für Kurierfahrten und für die Beförderung von Kranken, für die die Klägerin eigene Mietwagen eingesetzt habe, sei der allgemeine Steuersatz anzuwenden. Die entsprechenden Genehmigungsurkunden für den Mietwagenverkehr hätten vorgelegen. Insofern hätten sich keine Beanstandungen ergeben.
Umsätze 7 % (Tz. 17):
Soweit bei Fahrten für N Taxen eingesetzt worden seien, habe die Klägerin die Erlöse mit dem ermäßigten Steuersatz versteuert. Allerdings habe die Klägerin die Transporte nicht mit eigenen Taxen durchgeführt, sondern diese Fahrten mit Fahrzeugen der Y GmbH ausführen lassen. Die Y GmbH sei auch im Besitz der betreffenden Genehmigungsurkunden. Eine Übertragung der Genehmigungen auf andere Unternehmer sei nicht zulässig, da die Genehmigungen fahrzeug- und personengebunden seien. Für die von der Y GmbH in Rechnung gestellten Vorleistungen sei daher die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes möglich, die Leistungen der Klägerin unterlägen jedoch dem Regelsteuersatz. Eine andere rechtliche Beurteilung ergäbe sich auch nicht, wenn zwischen der Klägerin und der Y GmbH ein Organschaftsverhältnis bestehe, da sich die Auswirkungen einer Organschaft auf das Innenverhältnis beschränken würden. Hiervon ausgehend reduzierten sich die Umsätze zum ermäßigten Steuersatz in 2006 um xxx €. Die Umsätze zum Regelsteuersatz seien demgegenüber um xxx € zu erhöhen.
Der Beklagte erließ auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen am 4.7.2008 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten USt-Bescheid für 2006, in dem er die USt auf xxx € festsetzte.
Die Klägerin erhob dagegen mit Schreiben vom 10.7.2008 Einspruch und bezog sich zur Begründung auf ihre Stellungnahme zum Prüfungsbericht: Aus ihrer Sicht bestehe eine umsatzsteuerliche Organschaft, die zur Folge habe, dass alle Handlungen der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen seien. Als Organträgerin sei sie für umsatzsteuerliche Zwecke Inhaberin aller Genehmigungen der Organgesellschaft. Dieser gesetzlichen Fiktion widerspräche es, wenn bei der Prüfung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG plötzlich die rechtliche Selbständigkeit der Y GmbH berücksichtigt werde.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 6.8.2009 als unbegründet zurück. Die gegenüber N erbrachten streitigen Leistungen unterlägen dem Regelsteuersatz. Eine Personenbeförderung durch die Klägerin mit einem Taxi im Sinne des § 47 PBefG komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Beförderungsentgelte mit N nicht nach § 51 PBefG abgerechnet, sondern vertraglich vereinbart worden seien. Soweit die Klägerin die von ihr zu erbringenden Beförderungsleistungen durch die Y GmbH als Subunternehmerin mit deren Taxen im Sinne des § 47 PBefG habe durchführen lassen, seien diese Umsätze auch bei Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit dem Regelsteuersatz zu versteuern. Die Regelungen zur Organschaft beträfen nur das USt-Verhältnis zum Steuergläubiger. Für das Verhältnis zu Dritten sei zu deren Schutz nur die Zivilrechtslage maßgebend. Da die streitigen Fahrten nicht mit Taxen der Klägerin im Sinne des § 47 PBefG durchgeführt worden seien, sei der Regelsteuersatz anzuwenden. Dies gelte auch, soweit die Fahrten nach dem Vortrag der Klägerin mit eigenen Fahrzeugen durchgeführt worden seien, für die die Y GmbH treuhänderisch die Taxikonzessionen gehalten habe. Diese Treuhandverträge seien nicht wie vereinbart durchgeführt worden. Die Y GmbH sei Inhaberin der Lizenzen gewesen und könne diese daher nicht treuhänderisch für die Klägerin gehalten haben. Hierzu hätte es einer vorherigen Übertragung der Lizenzen auf die Klägerin bedurft, für die aber nichts ersichtlich sei.
Die Klägerin hat am 27.8.2009 daraufhin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Es bestehe eine umsatzsteuerliche Organschaft mit der Y GmbH als Organgesellschaft und ihr als Organträgerin. Aufgrund der im Streitjahr bestehenden Organschaft könne dahinstehen, wer über welche Genehmigungen verfügt habe. Die Handlungen der Organgesellschaft seien dem Organträger zuzurechnen. Für ihre Rechtsauffassung spreche auch die Entscheidung des BFH in seinem Urteil vom 29.10.2008 (XI R 74/07). Dort werde eine einheitliche Leistung bei Leistungserbringung durch zwei Organgesellschaften angenommen. Die Organschaft werde als Einheit betrachtet. Im vorliegenden Fall käme hinzu, dass sie mit der Organgesellschaft hinsichtlich der eingesetzten Fahrzeuge Treuhandverträge geschlossen habe, so dass ihr die eingesetzten Fahrzeuge wirtschaftlich und rechtlich zuzurechnen seien. Zwar seien diese Treuhandverträge nicht der Stadt H angezeigt worden, doch sei dies auch nicht nötig gewesen, da der Stadt H das Organschaftverhältnis bekannt gewesen und U D in beiden Gesellschaften alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
den USt-Bescheid für 2006 vom 4.7.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 6.8.2009 dahingehend zu ändern, dass die USt auf ./. xxx € festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: Aufgrund der unmittelbaren Beteiligung der Klägerin an der Y GmbH habe von Beginn an (ab 1.8.2006) eine umsatzsteuerlichen Organschaft vorgelegen. Diese sei erst ab dem Veranlagungszeitraum 2007 berücksichtigt worden. Im Streitjahr hätte die Annahme einer Organschaft zur Folge, dass die gegenüber der Klägerin festgesetzte USt um xxx € herabzusetzen sei. Hinsichtlich der streitigen Umsätze mit N wirke sich die Organschaft aber nicht aus, da eine steuerliche Organschaft die zivilrechtliche Selbständigkeit der eingegliederten Gesellschaft nicht berühre. Auf die Frage, ob steuerlich anzuerkennende Treuhandverhältnisse vorgelegen haben, komme es nicht an, da die betreffenden Taxilizenzen nicht nur fahrzeug-, sondern auch personengebunden gewesen seien.
Mit Beschluss vom 27.11.2012, auf den verwiesen wird, hat der erkennende Senat das Verfahren ausgesetzt, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den Verfahren C-454/12 und C-455/12 entscheidet. Das Verfahren wurde wiederaufgenommen, nachdem der EuGH mit Urteil vom 27.2.2014 über die Verfahren C-454/12 und C-455/12 entschieden hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Aus den Gründen
Die Klage ist nur teilweise begründet.
I. Der Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 4.7.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 6.8.2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑ FGO ‑), soweit der Beklagte die durch die Klägerin mit Taxen erbrachten Personenbeförderungsleistungen nicht dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG) unterworfen hat (A.). Zwischen der Klägerin und der Y GmbH besteht hingegen keine umsatzsteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG), so dass die Zurechnung sämtlicher Umsätze und Vorsteuern der Y GmbH bei der Klägerin nicht in Betracht kommt (B.).
A. Die durch die Klägerin mit Taxen erbrachten Personenbeförderungsleistungen unterliegen dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b) UStG).
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b) UStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung ermäßigt sich der Steuersatz für die Beförderung von Personen im Verkehr mit Kraftdroschken innerhalb einer Gemeinde oder wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt. In der Fassung des UStG 2007 wurde der Begriff der Kraftdroschke in Anpassung an das Personenbeförderungsgesetz durch das Wort Taxen ersetzt. Gemeinschaftsrechtliche "Grundlage" für diese - bereits vor Erlass der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) bestehende - Regelung ist Art. 12 Abs. 3 Buchst. a) Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach können die Mitgliedstaaten auf die in Anhang H bezeichneten Lieferungen und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anwenden. Nach Anhang H Kategorie Nr. 5 gehört dazu auch die "Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks". Mit der Steuerbegünstigung sollen die Beförderungen im öffentlichen Nahverkehr, zu dem auch der besonderen Anforderungen unterliegende Betrieb von Taxen gehört, erfasst werden.
Bei sämtlichen streitigen Umsätzen, d.h. den zu 7 % abgerechneten und erklärten Umsätzen, handelt es sich um die Beförderung von Personen im Taxenverkehr. Soweit der Transport mit „Bussen“ erfolgt ist, handelt es sich dabei um Kleinbusse mit bis zu 9 Sitzen, für die ebenfalls eine Taxi-Genehmigung erteilt worden ist. Die Beförderungsstrecke beträgt nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin in allen Fällen, in denen mit dem ermäßigten Steuersatz abgerechnet wurde, nicht mehr als 50 km. Die Klägerin hat sich durch Vertrag gegenüber N zur Beförderung der Patienten gegen ein festgelegtes Entgelt verpflichtet. Diese Leistung hat sie in eigenem Namen und auf eigene Rechnung gegenüber N abgerechnet. Dass die Klägerin ihre Beförderungspflichten nicht selbst erfüllt, sondern sich hierfür der Y GmbH als Subunternehmerin bedient hat, ändert nichts an der umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehung zwischen Klägerin und N bzw. anderen Leistungsempfängern der Personenbeförderungsleistung mit einem Taxi. Sämtliche auf die steuerbegünstigte Leistung bezogenen sachlichen Tatbestandsmerkmale des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG sind erfüllt. Da die Klägerin gegenüber ihren Vertragspartnern auf eigene Rechnung und im eigenen Namen tätig wird, liegt auch nicht lediglich die Vermittlung von Kunden an ein anderes Unternehmen oder eine Leistungskommission (§ 3 Abs. 11 UStG) vor.
Die Ansicht des Beklagten, dass die Steuervergünstigung zu versagen ist, weil die Klägerin selbst die für die Taxen notwendigen Genehmigungen nicht besitzt (vgl. Abschn. 12.13 Abs. 7 Satz 6 UStAE), ist abzulehnen (so auch FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4.8.2009 1 V 1346/09, EFG 2010, 87). Der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG enthält keinen Hinweis auf die Notwendigkeit eines personenbezogenen Merkmals derart, dass nur der Inhaber der Taxi-Genehmigung selbst in den Genuss der Steuervergünstigung kommen soll. Der Gesetzgeber knüpft die Steuerermäßigung für die Personenbeförderung an zwei Voraussetzungen: die Beförderungsart (Taxenverkehr) und die Beförderungsstrecke (Nahverkehr oder Beförderungsstrecke von nicht mehr als 50 km). Beides sind objektiv an die Leistung und nicht an den Leistungserbringer anknüpfende Merkmale. Soweit das Personenbeförderungsrecht die Beförderungsleistung und die Person des sie ausführenden Taxenunternehmers dahin verknüpft, dass nur fachlich geeignete Personen eine für die Personenbeförderung notwendige Genehmigung erhalten (§ 13 Abs. 1 PBefG), liegen dem spezifisch polizeirechtliche, nicht aber steuerliche Gründe zugrunde. Eine Erstreckung der an den Unternehmer im Sinne des Personenbeförderungsrechts zu stellenden Anforderungen auf die Steuervergünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG ist nicht geboten. Aufgrund des allgemeinen Verbrauchsteuercharakters der Umsatzsteuer werden Steuervergünstigungen grundsätzlich nur im Interesse der Letztverbraucher gewährt (Klenk in: Sölch/Ringleb, UStG, § 12 Rdnr. 471). Bei der Auslegung der Steuervergünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG ist daher in erster Linie dem Gedanken Rechnung zu tragen, dass die Preise für den Personennahverkehr durch den ermäßigten Steuersatz verbilligt werden sollen. Aus der Sicht des Letztverbrauchers spielt es aber keine Rolle, ob die von ihm in Anspruch genommene Beförderungsleistung eines Taxenunternehmers auf einem Direktauftrag beruht oder die Beförderungsleistung eingekauft und weiterveräußert wurde (vgl. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4.8.2009 1 V 1346/09, EFG 2010, 87).
Für die gegenüber N erbrachten Personenbeförderungsleistungen ist es auch unschädlich, dass durch Vertrag eine besondere Vergütungshöhe für die Beförderungsleistung vereinbart wurde, die von dem üblichen durch Verordnung vorgegebenen Entgelt für den Taxenverkehr abweicht. § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG stellt keine entsprechenden Anforderungen an die Höhe des Entgelts auf. Abweichende Vereinbarungen sind auch grundsätzlich - wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen - personenbeförderungsrechtlich zulässig (§ 51 Abs. 2 PBefG).
2. Es kann dahinstehen, ob sich die vorstehende rechtliche Beurteilung bereits unmittelbar durch Auslegung des Wortlauts von § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG ergibt. § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil vom 27.2.2014 C-454/12 und C-455/12, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑ HFR ‑ 2014, 470) unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Neutralität jedenfalls europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Personenbeförderung mit einem Taxi durch den Inhaber der Genehmigung nicht anders behandelt werden darf, als die Personenbeförderungsleistung mit einem Taxi, die ‑ wie vorliegend ‑ ein Unternehmer erwirbt und im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an einen anderen weiterveräußert.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH lässt es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität insbesondere nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. EuGH-Urteil vom 10.11.2011, The Rank Group, C-259/10 und C-260/10, HFR 2012, 98, Rn. 32 m. w. N.). Zur Klärung der Frage, ob zwei Dienstleistungen im Sinne dieser Rechtsprechung gleichartig sind, ist in erster Linie auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen, wobei künstliche, auf unbedeutenden Unterschieden beruhende Unterscheidungen vermieden werden müssen. Zwei Dienstleistungen sind daher gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach Maßgabe eines Kriteriums der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, die eine oder die andere dieser Dienstleistungen zu wählen, nicht erheblich beeinflussen (EuGH-Urteil vom 27.2.2014 C-454/12 und C-455/12, HFR 2014, 470, Rn. 52-54). Für die Beurteilung der Vergleichbarkeit von Leistungen kommt es aber nicht allein auf die Gegenüberstellung einzelner Leistungen an, sondern es ist auch der Kontext zu berücksichtigen, in dem sie erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil vom 23.4.2009 C-357/07, HFR 2009, 727). Insoweit hat der EuGH anerkannt, dass in bestimmten Ausnahmefällen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Wirtschaftszweige Unterschiede im rechtlichen Rahmen und in der rechtlichen Regelung der betreffenden Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen in den Augen des Verbrauchers zu einer Unterscheidbarkeit im Hinblick auf die Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse führen können. (EuGH-Urteil vom 27.2.2014 C-454/12 und C-455/12, HFR 2014, 470, Rn. 55-56).
b) Nach diesen Grundsätzen bestehen zwischen einer durch den Inhaber einer Taxigenehmigung erbrachten Personenbeförderungsleistung mit einem Taxi und einer Personenbeförderungsleistung mit einem Taxi, die durch einen Unternehmer erbracht wird, der die Personenbeförderungsleistung erwirbt und im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an einen anderen weiterveräußert, aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers keine hinreichenden Unterschiede, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Für einen Durchschnittsverbraucher unterscheiden sich die Leistungen qualitativ überhaupt nicht. In beiden Situationen handelt es sich um die Personenbeförderungsleistung mit einem Taxi.
Auch ist nicht erkennbar, dass aus Sicht des die Personenbeförderungsleistung in Anspruch nehmenden Letztverbrauchers in Bezug auf die zu vergleichenden Personenbeförderungsleistungen unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen herrschen. Nach der Rechtsprechung des EuGH werden rechtliche Rahmenbedingungen, wie die Betriebspflicht und die Regeln über die Auftragsannahme sowie die Werbung, für geeignet gehalten, eine unterschiedliche Behandlung zwischen Personenbeförderungsleistungen mit Taxen einerseits und mit Mietwagen andererseits zu rechtfertigen (EuGH-Urteil vom 27.2.2014 C-454/12 und C-455/12, HFR 2014, 470, Rn. 58). Da der erste die Personenbeförderungsleistung mit einem Taxi erbringende Unternehmer sämtliche rechtliche Regelungen betreffend Taxen zu erfüllen hat, gelten aus der Sicht des Letztverbrauchers in Bezug auf die Personenbeförderungsleistung keine anderen rechtlichen Rahmenbedingungen, auch wenn ein weiterer Unternehmer in der Leistungskette dazwischengeschaltet wird. Eine unterschiedliche Behandlung einer Personenbeförderungsleistung mit einem Taxi, die durch den Inhaber der Taxigenehmigung erbracht wird, gegenüber einer Personenbeförderungsleistung mit einem Taxi, die durch einen Unternehmer erbracht wird, der diese Leistung bei einem Subunternehmer zur Weiterveräußerung eingekauft hat, kommt daher nicht in Betracht.
3. Vor dem Hintergrund des Vorstehenden bedarf es daher keiner Entscheidung, ob zwischen der Klägerin und der Y GmbH unter ordnungsgemäßer Vertretung der Y GmbH wirksam Treuhandverträge über die Taxikonzessionen abgeschlossenen wurden, ob eine Treuhand über Taxikonzessionen wirksam vereinbart werden kann und ob diesen Vereinbarungen, ihre Wirksamkeit vorausgesetzt, umsatzsteuerrechtliche Relevanz zukommt.
B. Die Klage ist hingegen unbegründet, soweit die Klägerin die Zurechnung sämtlicher Umsätze und die diese Umsätze übersteigenden Vorsteuern der Y GmbH begehrt. Die Y GmbH ist nicht Organgesellschaft des Unternehmens der Klägerin. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
1. Es kann dahinstehen, ob die Y GmbH bei vorliegender finanzieller Eingliederung auch hinreichend wirtschaftlich eingegliedert ist.
2. Die Y GmbH ist jedenfalls nicht organisatorisch in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert. Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5.12.2007 V R 26/06, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 219, 463, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2008, 451; vom 14.2.2008 V R 12, 13/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2008, 1365; vom 28.10.2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl. II 2011, 391 und vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE 242, 433 m. w. N.).
a) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der eine hinreichende organisatorische Eingliederung anzunehmen ist, wenn eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 5.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl. II 2008, 451 sowie BFH-Urteil vom 28.10.2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl. II 2011, 391), wurde aufgegeben (vgl. BFH-Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE 242, 433). Die "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" aufgrund der Organschaft hat zur Folge, dass der Organträger als Steuerpflichtiger für alle Organgesellschaften "öffentliche Gelder" als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" zu vereinnahmen hat. Dies erfordert, dass zwischen Organträger und Organgesellschaft ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht, durch das der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann. Nicht ausreichend ist, dass der Organträger bei der Organgesellschaft lediglich eine von seinem Willen abweichende Willensbildung ausschließen kann, da ein derartiges Vetorecht es dem Organträger nicht ermöglicht, die Aufgabe des "Steuereinnehmers" für die Organgesellschaft zu erfüllen. Eine organisatorische Eingliederung aufgrund eines bloßen Ausschlusses einer vom Willen des Organträgers abweichenden Willensbildung in der Organgesellschaft lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass für eine Organschaft die Eingliederungsvoraussetzungen nicht gleichermaßen stark ausgeprägt sein müssen. Denn eine weniger starke Ausprägung einer einzelnen Eingliederungsvoraussetzung rechtfertigt nicht den Verzicht auf das Erfordernis einer Willensdurchsetzung (vgl. BFH-Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BFHE 242, 433). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Der Senat ist außerdem der Auffassung, dass diese Rechtsprechung, die zu einem Fall ergangen ist, in dem ein vorläufiger, schwacher Insolvenzverwalter bestellt wurde, auf sämtliche Fälle zu übertragen ist, in denen eine Willensdurchsetzung des Organträgers gegenüber der „Organgesellschaft“ nicht möglich ist (so auch Strobl-Haarmann/Maul GmbHR 2014, 297; Marchal/Oldiges DStR 2013, 2211). Der Vorläufige Insolvenzverwalter nimmt insoweit zwar eine besondere Stellung ein, als dieser aus seiner Funktion heraus grundsätzlich die Weiterleitung vereinnahmter Umsatzsteuern zu verhindern hat. Die Möglichkeit der Willensdurchsetzung in der laufenden Geschäftsführung ist jedoch auch außerhalb eines vorläufigen Insolvenzverfahrens notwendig, um der Aufgabe des „Steuereinnehmers“ für die Organgesellschaft nachkommen zu können.
b) Geschäftsführer der Klägerin waren in dem Streitjahr U D und B T . Geschäftsführer der Y GmbH waren im Streitjahr U D und L M . Diese waren befugt, die Gesellschaft gemeinsam oder jeweils einzeln zusammen mit einem Prokuristen zu vertreten. Ein Prokurist war nicht bestellt. Die Geschäftsführer der Y GmbH konnten diese, ausweislich des Handelsregistereintrags der Y GmbH, nur gemeinsam oder jeweils einzeln zusammen mit einem Prokuristen vertreten (Gesamtvertretungsbefugnis mit wahlweiser unechter Gesamtvertretungsbefugnis). Der Geschäftsführer der Y GmbH U D , der auch Geschäftsführer der Klägerin war, konnte seinen Willen aufgrund der Vertretungsregelung nicht durchsetzen, sondern lediglich Maßnahmen des anderen Geschäftsführers verhindern. Dies ist jedoch für die Annahme der organisatorischen Eingliederung nicht ausreichend. Die erforderliche Möglichkeit der Willensdurchsetzung bei der Tochtergesellschaft hinsichtlich der laufenden Geschäftsführung war nicht sichergestellt. Es sind auch sonst keine Maßnahmen gesellschaftsrechtlicher Art getroffen worden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.