FG Hamburg: Beschränkung des Verlustsabzugs nach § 8c KStG verfassungswidrig?
FG Hamburg, Beschluss vom 4.4.2011 - 2 K 33/10, g
Sachverhalt
Teil A: Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt und Vortrag der Beteiligten)
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft. Sie wurde durch notariellen Vertrag vom ... 2006 gegründet, Gründungsgesellschafter waren ... (R) mit einem Stammkapital von 13 000 Euro und ... (W) mit einem Stammkapital von 12 000 Euro. Nach Maßgabe ihres Gesellschaftszwecks veranstaltete die Klägerin Pauschalreisen, deren Vertrieb über einen Kooperationspartner, eine Zeitschrift, erfolgte.
Im Jahr ihrer Gründung beschränkten sich die geschäftlichen Aktivitäten der Klägerin überwiegend auf die Akquisition von geplanten Pauschalreisen. Dies führte dazu, dass sie bei geringen Umsatzerlösen von 58 512,00 Euro erhebliche betriebliche Aufwendungen für angekaufte Reisen hatte, die nach den gesetzlichen Bilanzierungsvorschriften als teilfertige Arbeit nicht aktiviert werden konnten. Hierdurch entstand in dem Veranlagungszeitraum 2006 ein Verlust von 389 454,62 Euro. Im Folgejahr 2007 steigerte die Klägerin ihre Umsatzerlöse auf 3 331 185,53 Euro, sie setzte zugleich ihre Vertriebstätigkeit mit erheblichem Aufwand fort und schloss mit einen Verlust von 206 178,15 Euro ab. Der festgestellte verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2007 betrug 594 769 Euro, der auf den 31.12.2007 festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust 590 333 Euro.
Ende 2007 kündigte der Kooperationspartner die Zusammenarbeit mit der Klägerin auf. Im Veranlagungszeitraum 2008, dem Streitjahr, kaufte die Klägerin daher keine neuen Reisen ein und setzte nur noch die bereits erworbenen Pauschalreisen ab. Hierdurch erzielte sie Umsatzerlöse von 1 953 056,30 Euro und erwirtschaftete einen Gewinn von 595 044,53 Euro.
Der Gesellschafter W wurde auf Schadensersatz in Millionenhöhe verklagt. Weil in seiner Person Vermögenslosigkeit eingetreten war, entstand Ende 2007/Anfang 2008 die Befürchtung, dass seine Gläubiger in seinen Gesellschaftsanteil an der Klägerin vollstrecken könnten. Zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen und im Vorgriff auf eine sonst nach § 9 des Gesellschaftsvertrages in Betracht kommende Einziehung des Gesellschaftsanteils übertrug W mit notariellem Übertragungsvertrag vom ... 2008 seinen Gesellschaftsanteil im Nennwert von 12 000 Euro mit Wirkung ab ... 2008 auf ... (B). Im Zuge dieser Anteilsübertragung wurde der Klägerin kein neues Betriebsvermögen zugeführt.
Nachdem die Klägerin keinen neuen Kooperationspartner gefunden hatte, beschloss sie Ende 2008 die Liquidation. In der Totalperiode ihrer Tätigkeit zwischen 2006 und 2008 hatte sie einen Gesamtverlust 588,24 Euro erzielt.
In den Bescheiden über Körperschaftsteuer 2008, gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008, den Gewerbesteuermessbetrag 2008 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 berücksichtigte der Beklagte den zum 31.12.2007 verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer bzw. den per 31.12.2007 festgestellten Gewerbesteuerverlust nicht in voller Höhe, sondern kürzte ihn gem. § 8c KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes vom 14.8.2007 um den prozentual auf den ausgeschiedenen Gesellschafter W entfallenden Anteil von 48 % (= 12 000 Euro Anteil am Stammkapital von 25 000 Euro), d. h. bei der Körperschaftsteuer um 285 489 Euro und bei der Gewerbesteuer um 283 359 Euro. Für das Streitjahr betrug die Körperschaftsteuer danach 43 085,00 Euro und die Gewerbesteuer 47 620,40 Euro. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Mit der Klage beruft sich die Klägerin auf die Verfassungswidrigkeit von § 8c KStG. Im Streitfall sei die Anteilsübertragung auf den neuen Gesellschafter B unzweifelhaft nicht in rechtsmissbräuchlicher Absicht erfolgt, führe aber gleichwohl zu dem quotalen Verlustabzug. Die Vorschrift verletze das objektive Nettoprinzip als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips und damit des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Einschränkung des objektiven Nettoprinzips bedürfe eines sachlich rechtfertigenden Grundes, der in dem Anteilseignerwechsel nicht gesehen werden könne. Die Regelung verletzte zudem das sog. Trennungsprinzip, das die Leistungsfähigkeit der Körperschaft unabhängig von ihren Anteilseignern beurteile.
Die Klägerin beantragt, die Bescheide über Körperschaftsteuer 2008, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2008 vom 4.3.2011 sowie die Einspruchsentscheidung vom 3.2.2010 und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2008 sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008, jeweils vom 30.11.2009, mit der Maßgabe zu ändern, dass das Einkommen um 285 489 Euro bzw. der Gewerbeertrag um 283 359 Euro herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält § 8c KStG für verfassungsrechtlich unbedenklich, insbesondere lasse der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum eine Beschränkung des körperschaftsteuerlichen Verlustabzuges zu. Das Anknüpfen an einen Anteilseignerwechsel stelle den Verlust der Körperschaft in einen Nutzungszusammenhang. Der hinter der Körperschaft stehende Anteilseigner sei der eigentliche Nutznießer der Verluste und dies rechtfertige es, ihn in die Überlegungen der Regelung einzubeziehen. Zweck der Regelung sei es, die Monetarisierung von Verlusten durch Einbeziehung in den Kaufpreis der Beteiligung zu verhindern. Aus diesem Grund könnten Verlust-Körperschaften mit Anteilseignerwechsel nicht mit solchen ohne Anteilseignerwechsel unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung verglichen werden, da sich beide Gruppen nicht in der gleichen Lage befänden. Hieran knüpfe § 8c KStG an, der darauf abstelle, ob ein neuer Anteilseigner maßgebend auf die Geschicke der Kapitalgesellschaft einwirken könne und es so in der Hand habe, die Verwertung der Verluste zu steuern.
Die gesetzliche Neuregelung sei auch folgerichtig umgesetzt und verstoße nicht gegen das Trennungsprinzip. Das Anknüpfen an die persönliche und sachliche Struktur der Körperschaft sei durchaus zulässig, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur früheren Mantelkaufregelung entschieden habe (1 BvR 512/66). Auch das Privatrecht kenne einen Durchgriff auf die persönlichen Grundlagen der Körperschaft, etwa wenn alle Gesellschaftsanteile auf einen neuen Gesellschafter übertragen würden. Insoweit sei es anerkannt, die äußere Rechtsform zu Gunsten des wirtschaftlich erstrebten Erfolgs zu durchbrechen.
Auch wenn die steuerliche Auswirkung durch die Verlustbeschränkung für die Klägerin unbefriedigend sei, könne dies keinen Einfluss auf die verfassungsrechtliche Beurteilung der in Rede stehenden Norm haben, die sich allein an objektiven Kriterien auszurichten habe.
Der Senat hat mit Zwischengerichtsbescheid vom 23.12.2010 die Zulässigkeit der Klage bejaht.
Teil B: Vorlageentscheidung
Die für die Entscheidung des Klageverfahrens maßgebliche Vorschrift des § 8c S. 1 KStG ist zur Überzeugung des Senats insoweit verfassungswidrig, als bei der unmittelbaren Übertragung innerhalb von fünf Jahren von mehr als 25 Prozent (im Streitfall 48 %) des gezeichneten Kapitals an einer Körperschaft an einen Erwerber (schädlicher Beteiligungserwerb) insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar sind. Das Verfahren ist deshalb gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.
I. Anwendung von § 8c S. 1 KStG im Streitfall und Rechtsentwicklung
1.) § 8c S. 1 KStG beschränkt den Verlustabzug nach § 10d EStG bei Körperschaften, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 Prozent des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehenden Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (schädlicher Beteiligungserwerb), dahingehend ein, dass insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar sind. Folgt man dieser gesetzlichen Vorgabe, hat der Beklagte zu Recht die auf den 31.12.2007 festgestellten Verluste der Klägerin, soweit sie prozentual auf den ausgeschiedenen Gesellschafter W entfallen (48 %), bei der Steuerfestssetzung für das Streitjahr unberücksichtigt gelassen. Die Klage wäre daher abzuweisen. Erweist sich § 8c S. 1 KStG dagegen als verfassungswidrig, steht der Klägerin der volle Verlustabzug zu und wäre der Klage stattzugeben.
2.) § 8c KStG ist durch Art. 2 Nr. 7 des Gesetzes vom 14.8.2007 (UntStRefG, BGBl. I 2007, 1912) in das KStG eingefügt worden. Die Vorschrift regelt den Verlustabzug nach § 10d EStG bei Körperschaften. Vor der Neuregelung war die Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften in dem mit Steuerreformgesetz 1990 vom 25.7.1988 (BGBl. I 1988, 1093) eingefügten § 8 Abs. 4 KStG geregelt. Damit war die Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften erstmals kodifiziert worden. Hintergrund für die gesetzliche Regelung war die Bekämpfung sog. Mantelkaufgestaltungen.
Unter einem Mantelkauf wird im steuerlichen Kontext der Erwerb einer Kapitalgesellschaft verstanden, die über keinen Geschäftsbetrieb und kein nennenswertes Betriebsvermögen mehr verfügt, aber Verlustvorträge hat, die der Erwerber für sich nutzbar machen will. Derartige Gestaltungen sahen sich seit jeher einem Missbrauchsvorwurf ausgesetzt. Für die Verlustnutzung durch den Erwerber verlangte daher bereits die Rechtsprechung des RFH und ihm folgend auch des BFH eine rechtliche Identität zwischen demjenigen, der den Verlust erlitten hat und demjenigen, der den Verlust steuerlich geltend macht (z. B. BFH Urteil vom 8.1.1958 - I 131/57 U, BStBl. III 1958, 97). Mit Beschluss vom 26.3.1969 (1 BvR 512/6, BStBl. II 1969, 331) bestätigte das BVerfG diese auf einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise beruhende Rechtsprechung. Die Entscheidung betraf einen Fall, in dem 100 % der Anteile übertragen worden waren. Das Gericht führte aus, dass der Gesetzgeber nicht gehalten sei, bei der Regelung des Verlustabzugs durchgängig an die bürgerlich-rechtliche Ordnung anzuknüpfen. Daher sei auch der von der Rechtsprechung vorgenommene Durchgriff auf die persönlichen und sachlichen Grundlagen der Kapitalgesellschaft nicht zu beanstanden. Mit Urteilen vom 29.10.1986 auf (I R 202/08 (BStBl. II 1987, 308), I R 318-319/83 (BStBl. II 1087, 310) und I R 271/83 (BFH/NV 1987, 866) gab der BFH seine bisherige Rechtsprechung zum Mantelkauf auf und stellte nunmehr darauf ab, dass der Verlustabzug keine wirtschaftliche Identität zwischen der Person, die den Verlust erlitten hat, und derjenigen, die den Verlustabzug geltend macht, verlange. Abgesehen davon, dass der Begriff der wirtschaftlichen Identität in der bisherigen Rechtsprechung inhaltlich nicht näher konkretisiert worden sei, könne ein entsprechendes Tatbestandsmerkmal weder dem Wortlaut noch Zweck von § 10d EStG entnommen werden.
Hierauf reagierte der Gesetzgeber mit Steuerreformgesetz 1990 vom 22.6.1988, mit dem § 8 Abs. 4 KStG eingefügt wurde. Die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut:
„1Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes ist bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. 2Wirtschaftliche Identität liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als drei Viertel der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt. 3Entsprechendes gilt für den Ausgleich des Verlustes vom Beginn des Wirtschaftsjahrs bis zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung."
Ziel der Regelung war es, den Handel mit Verlusten durch Veräußerung der Geschäftsanteile einer Kapitalgesellschaft zu verhindern (BT-Drs 11/2157, S. 121).
Diese erste Fassung lief jedoch de facto leer, da sie nur bei der Wiederaufnahme eines vorher komplett eingestellten Geschäftsbetriebes zum Tragen kam und bereits eine auf „Sparflamme weiter betriebenes Geschäft ausreichte, eine Gesellschaft mit Verlustvorträgen frei veräußern zu können (s. a. Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), S. 29; Thiel, Festschrift (FS) für Schaumburg, 2009, 253, 255; Orth FR 2004, 613). Die Vorschrift wurde in der Folgezeit mehrfach geändert. Das Unternehmensteuerreformgesetz vom 29.11.1997 (BGBl. I 1997, 2590) verschärfte die Voraussetzungen für die Verlustnutzung in zwei Punkten: Die wirtschaftliche Identität ging bereits dann verloren, wenn - statt bisher mehr als 75 % - mehr als 50 % der Anteile übertragen und der Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufgenommen oder fortgeführt wurde, d. h. die Verluste konnten jetzt auch untergehen, wenn ein laufender Betrieb übernommen wurde. § 8 Abs. 4 S. 2 KStG erhielt folgende Fassung:
"2Wirtschaftliche Identität liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt."
Die Vorschrift erwies sich als streitanfällig, sie wurde als „in hohem Maße auslegungsbedürftig, aber nur begrenzt auslegungsfähig" angesehen (vgl. z. B. Roser/ Gosch, KStG, 2. A., § 8 Rz 1393 m. w. N.). In zahlreichen Entscheidungen hat der BFH die Vorschrift ausgelegt und konkretisiert (z. B. BFH Urteil vom 28.5.2008 - I R 87/07, BFH/NV 2008, 2129; BFH Beschluss vom 20.12.2007 - I B 91/07, jeweils m. w. N.).
Im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 ist § 8 Abs. 4 KStG a. F. durch Art. 2 Nr. 7 des Gesetzes vom 14.8.2007 aufgehoben[1] und die Verlustbeschränkung bei Anteilsübertragungen in dem neu geschaffen § 8c KStG geregelt worden. Auf das Erfordernis der Zuführung neuen Betriebsvermögens wird nunmehr vollständig verzichtet, maßgeblich für den Verlust der wirtschaftlichen Identität ist nur noch ein „schädlicher Beteiligungserwerb". Die Übertragung von mehr als 25 % der Anteile führt zu einem quotalen Verlustabzug, die Übertragung von mehr als 50 % der Anteile führt zum vollständigen Verlustuntergang. Der im Streitfall maßgebliche Satz 1 hat folgenden Wortlaut:
„1Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 Prozent des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehenden Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor (schädlicher Beteiligungserwerb), sind insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar."
In der Folgezeit ist § 8c KStG bereits mehrfach „nachgebessert" worden, was auch als Beleg für die Unzulänglichkeit der Regelung als zu weitgehende Verlustvernichtungsvorschrift angesehen wird (z. B. Ernst, IfSt-Schrift Nr. 470 (2011), S. 35). Durch Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) vom 12.8.2008 (BGBl. I 2008, 1672) wurde ein Absatz 2 angefügt, der Ausnahmen von Absatz 1 für den Fall vorsah, dass der schädliche Beteiligungserwerb durch eine bzw. über eine Wagniskapitalgesellschaft (WKB) erfolgt. Der körperschaftsteuerliche Verlust sollte in dem Umfang erhalten bleiben, in dem das Betriebsvermögen stille Reserven enthält. Diese Regelung stand unter Beihilfevorbehalt und ist mangels Zustimmung der EU-Kommission nicht in Kraft getreten. Auf die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise Ende 2008 reagierte der Gesetzgeber durch das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) vom 17.10.2008 (BGBl. I 2008,1982) und sah dort in § 14 Abs. 3 vor, dass § 8c KStG für Anteilserwerbe durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds und Rückerwerbe nicht anzuwenden sei. Damit privilegierte der Gesetzgeber die von „seinen" Staatsfonds erworbenen Beteiligungen. Im Zuge des sog. Bürgerentlastungsgesetzes vom 16.7.2009 (BGBl. I 2009, 1959) wurde § 8c KStG um einen Abs. 1a erweitert, mit dem eine allgemeine Sanierungsklausel eingeführt worden ist, die aber wiederum von zahlreichen Zusatzvoraussetzungen abhängt. Die ursprüngliche Befristung auf zwei Jahre ist später im Zuge des Wachstumsbescheunigungsgesetzes (WachstumsBG) vom 22.12.2009 (BGBl. I 2009, 3950) wieder gestrichen worden. Diese Sanierungsklausel ist jedoch bis auf weiteres nicht anwendbar, weil die Europäische Kommission hierin eine unzulässige Beihilfe sieht. Mit WachstumsBG sind im Übrigen weitere gravierende Änderungen vorgenommen worden, insbesondere ist eine Konzernklausel und eine Verschonungsvorschrift bei stillen Reserven eingeführt worden. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2010 ist die Stille- Reserven Klausel bereits wieder neu gefasst worden im Hinblick auf ausländisches Betriebsvermögen; ferner ist für den Fall von negativem Eigenkapital eine Umgehungsverhinderungsregelung (Satz 8) eingeführt worden (vgl. Einzelheiten bei Dötsch D/J/P/W, KStG, § 8c Rz. 4; Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), S. 35 ff.).
II. Einfachgesetzliche Beurteilung des Streitfalles und verfassungskonforme Auslegung
1.) Der von der Klägerin begehrte volle Verlustabzug könnte zum Tragen kommen, wenn § 8c S. 1 KStG dahin ausgelegt werden könnte, dass die Vorschrift nur auf Fälle missbräuchlicher Gestaltungen anzuwenden wäre. Eine derartige Auslegung ist auf einfachgesetzlicher Ebene nicht möglich.
Nach dem Wortlaut von § 8c S. 1 KStG kommt es im Falle eines schädlichen Beteiligungserwerbs zu einem quotalen Verlustuntergang. Einzige Tatbestandsvoraussetzung ist die Anteilsübertragung in bestimmter Höhe innerhalb eines bestimmten Zeitraumes an einen bestimmten Erwerber bzw. Erwerberkreis. Weitere Voraussetzungen, etwa eine Missbrauchsabsicht bei der Anteilsübertragung, ver langt die Vorschrift eindeutig nicht. Eine von diesem klaren Wortlaut abweichende, einengende Auslegung auf missbräuchliche Gestaltungen kommt nur in Betracht, wenn die Vorschrift eine planwidrige, mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbarende Unvollständigkeit aufweisen würde. Der Gesetzgeber müsste den Plan gehabt haben, die Begrenzung des Verlustabzugs auf Fälle missbräuchlicher Gestaltungen zu beschränken und diesen Gesetzeszweck nicht erfolgreich umgesetzt haben. Für eine derartige rechtsfortbildende lückenschließende Auslegung besteht indes kein Raum. Vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung zum Problemkreis Mantelkauf, die von den von der Rechtsprechung des RFH und BFH entwickelten Kriterien für missbräuchliche Gestaltungen bei Anteilsübertragungen bis hin zur ersten Kodifizierung in § 8 Abs. 4 KStG a. F. mit diversen Folgeänderungen und Verschärfungen der Tatbestandsvoraussetzungen reicht, kann bei der Schaffung von § 8c KStG keine planwidrige Lücke festgestellt werden. Vielmehr ging es dem Gesetzgeber darum, eine „einfache" und breit angelegte Erfassung „schädlicher" Anteilsübertragungen mit der gesetzlichen Regelung zu erfassen. § 8 Abs. 4 KStG sollte durch eine zielgenauere Verlustabzugsbeschränkung ersetzt werden, maßgebliches Kriterium für die Verlustabzugsbeschränkung soll ausweislich der Gesetzesbegründung allein der Anteilseignerwechsel sein, weil „der Neuregelung der Gedanke zugrunde liegt, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteileigners ändert (Bt-Drs. 16/4841, S. 74, 76).
Eine Reduzierung des Anwendungsbereiches - contra legem- auf Missbrauchsfälle ist danach nicht möglich. Auch in der Literatur wird die Reduzierung der Vorschrift auf Missbrauchsbekämpfung angesichts der geringen Eingangsquote von 25 % für den schädlichen Beteiligungserwerb ausgeschlossen (z. B. Hans, FR 2007, 775, 778; Schwedhelm, GmbHR 2008, 404, 406; Orth, FR 2007, 741, 744).
2.) Eine Beschränkung der Fälle des schädlichen Beteiligungserwerbs auf missbräuchliche Gestaltungen kann auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung erreicht werden.
Eine verfassungskonforme Auslegung kommt dann in Betracht, wenn eine Norm mehrere Auslegungen zulässt, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen (BVerfG Beschluss vom 2.4.2001 - 1 BvR 355/00, 1 BvR 409/00, 1 BvR 674/00, NJW 2001, 2160). § 8c KStG lässt eine derartige Auslegung aber gerade nicht zu. Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung zu § 8 Abs. 4 a. F. KStG eindeutig formuliert worden. Der mögliche Wortsinn von § 8c KStG - als Grenze der Auslegung (vgl. BVerfG Beschluss vom 11.6.1980 - 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277; BFH Vorlagebeschluss vom 19.4.2007 - IV R 4/06, BFH/NV 2007, 1780, BB 2007, 1664 Ls) - ist unmissverständlich. Eine Beschränkung der Regelung auf missbräuchliche Gestaltungen widerspräche dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers.
III. Verfassungsrechtliche Beurteilung
Der Senat ist der Überzeugung, dass § 8c S. 1 KStG insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als bei der unmittelbaren Übertragung von mehr als 25 Prozent des gezeichneten Kapitals an einer Körperschaft an einen Erwerber insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar sind.
1.) Grundrechtsschutz
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.
Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.
Das Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit wird durch das objektive Nettoprinzip konkretisiert. Dabei gilt der Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips (BVerfG Beschluss vom 22.7.1991 - 1 BvR 313/88, DStR 1991, 1278). Das Einkommensteuerrecht sieht grundsätzlich eine Verlustverrechnung vor. Es erlaubt in der „Summe der Einkünfte" eine Verrechnung von positiven und negativen Einkünften innerhalb eines Veranlagungszeitraums (Verlustausgleich) und gestattet darüber hinaus die Verrechnung der negativen Ergebnisse mit den positiven Ergebnissen der vergangenen und künftigen Veranlagungszeiträume gemäß § 10d EStG, soweit mit anderen Einkünften nicht ausreichend positive Ergebnisse im Veranlagungszeitraum der erwirtschafteten Verluste erzielt worden sind, § 2 Abs. 3 EStG (BVerfG Beschluss vom 30.9.1998 - 2 BvR 1818/91, BB 1998, 2508, DStR 1998, 1743)
Das BVerfG hat bisher offen lassen können, ob das objektive Nettoprinzip, wie es in § 2 Abs. 2 EStG zum Ausdruck kommt, Verfassungsrang hat; jedenfalls aber kann der Gesetzgeber dieses Prinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Hiernach entfaltet schon das einfachrechtliche objektive Nettoprinzip Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen. Die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer gehört zu diesen Grundentscheidungen, so dass Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes bedürfen (vgl. BVerfG Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07, BFH/NV 2009, 338; Beschluss vom 11.11.1998 - 2 BvL 10/95, BStBl. II 1999, 370; Beschluss vom 4.12.2002 - 2 BvR 400/98, BStBl. II 2003, 636).
Der Grundrechtsschutz gilt auch für inländische Kapitalgesellschaften, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind, Art. 19 Abs. 3 GG. Es ist anerkannt, dass die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit das objektive Nettoprinzip gleichermaßen im Bereich der Körperschaftsteuer gilt (BVerfG Beschluss vom 12.10.2010 - 1 BvL 12/07, BB 2011, 92 mit BB-Komm. Ribbrock, BB 2011, 98, DStR 2010, 2393). Die Körperschaftsteuer bemisst sich nach dem Einkommen der Körperschaft und damit nach der Ertragskraft des Unternehmens. Nach § 8 Abs. 1 KStG bestimmt sich das Einkommen und die Einkommensermittlung nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts. Danach unterliegt auch im Bereich der Unternehmenbesteuerung grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, d. h. der Saldo aus Einnahmen und Betriebsausgaben der Besteuerung.
2.) Rechtfertigungsgründe
Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils be- troffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (st. Rspr., vgl. zuletzt u. a. BVerfG Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07, BFH/NV 2009, 338; Beschluss vom 16.3.2005 - 2 BvL 7/00, BFH/NV 2005, Beil. 4, 356 m. w. N.).
Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen erkennt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken auch Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse (zuletzt BVerfG Beschluss vom 6.7.2010 - 2 BvL 13/09, BB-Entscheidungsreport Lühn, BB 2010, 2157, DStR 2010, 63) sowie die Bekämpfung missbräuchlicher Gestaltungen an (z. B. BVerfG Beschluss vom 22.7.1970 - 1 BvR 285/66, BStBl. II 1970, 652). Bei der Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung ist zu beachten, dass jede gesetzliche Regelung verallgemeinern muss. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Typisierung bedeutet, bestimmte, in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung gestützt werden. Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (st. Rspr., zuletzt u. a. BVerfG Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07, BFH/NV 2009, 338; Beschluss vom 21.6.2006 - 2 BvL 2/99, BFH/NV 2006, Beil. 4, 481).
Als besonderer sachlicher Grund für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen ist demgegenüber der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung nicht anzuerkennen. Der Finanzbedarf des Staates oder eine knappe Haushaltslage reichen für sich allein nicht aus, um ungleiche Belastungen durch konkretisierende Ausgestaltung der steuerrechtlichen Grundentscheidungen zu rechtfertigen. Auch wenn der Staat auf Einsparungsmaßnahmen angewiesen ist, muss er auf eine gleichheitsgerechte Verteilung der Lasten achten (zuletzt u. a. BVerfG Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 2/07, DStR 2008, 2460; vgl. auch Beschluss vom 21.6.2006 - 2 BvL 2/99, BFH/NV 2006, Beil. 4, 481)
3.) Verfassungsverstoß im Streitfall
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen des allgemein Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG entspricht § 8c S. 1 KStG nicht. Die Regelung wird den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine folgerichtige Umsetzung der steuerlichen Belastungsentscheidungen nicht gerecht und verletzt damit das obj. Nettoprinzip (a). Verfassungsrechtlich hinreichende sachliche Gründe (b) hierfür ergeben sich weder aus dem Gesichtspunkt der Missbrauchsbekämpfung (aa) noch aus den gesetzgeberischen Typisierungsbefugnissen (bb). Es liegt auch kein verfassungskonformer Systemwechsel vor, der den Gesetzgeber von der Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die folgerichtige Umsetzung steuerlicher Belastungsentscheidungen befreien könnte (cc).
a) Die Anwendung von § 8c S. 1 KStG verletzt den Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips, das dem Steuerpflichtigen die periodenübergreifende Verlustverrechnung erlaubt. Die Klägerin hat während der Totalperiode ihrer Tätigkeit zwischen 2006 und 2008 ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis erwirtschaftet, und zwar Verluste in den ersten beiden Jahren, Gewinne im letzten Jahr der Tätigkeit. Die Verluste der Anfangsjahre könnte sie auf der Grundlage von § 10d EStG mit den Gewinnen verrechnen mit der Folge, dass lediglich eine steuerliche Belastung von 222 Euro Körperschaftsteuer und 1 001 Euro Gewerbesteuer anfal- len würde. Unter Anwendung von § 8c S. 1 KStG, der den quotalen Verlustuntergang anordnet, tritt eine steuerliche Gesamtbelastung von rund 100 000 Euro ein.
Allerdings ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten, die Verlustverrechnung uneingeschränkt zuzulassen. Die Beschränkung des Verlustvortrags auf bestimmte Einkunftsarten und damit der Ausschluss anderer Einkunftsarten von jeglichem Verlustvortrag ist ebenso wenig verfassungsrechtlich beanstandet worden wie die Beschränkung des Verlustvortrags auf bestimmte, durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Betriebsverluste (BVerfG Beschluss vom 8.3.1978 - 1 BvR 117/78, DB 1978, 1764; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 30.10.1980 - 1 BvR 785/80, HFR 1981, 181). Unter Berücksichtigung des Verfassungsgrundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Beschränkung des Verlustabzugs auf einen einjährigen Verlustrücktrag und einen fünfjährigen Verlustvortrag gesehen worden (BVerfG Beschluss vom 22.7.1991 - 1 BvR 313/88, DStR 1991, 1278). Dagegen ist der völlige Ausschluss der Verlustverrechnung bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände (§ 22 Nr. 3 S. 3 EStG 1983) für verfassungswidrig erklärt worden (BVerfG Beschluss vom 30.9.1998 - 2 BvR 1818/91, BB 1998, 2508; siehe dazu auch BFH Beschluss vom 26.8.2010 - B 49/10, BFH/NV 2010, 2356 m. w. N.).
Wenn der Gesetzgeber danach den Verlustabzug grundsätzlich beschränken darf, muss er sich dabei aber an der folgerichtigen Umsetzung der gesetzlichen Belastungsentscheidung orientieren. Hieran fehlt es im Streitfall, der Gesetzgeber hat insbesondere gegen das sog. Trennungsprinzip verstoßen und benachteiligt damit Kapitalgesellschaften mit Anteilseignerwechsel gegenüber solchen ohne Anteilseignerwechsel.
Das Körperschaftsteuerrecht basiert auf dem Grundgedanken des Trennungsprinzips: Wer Beteiligter der Kapitalgesellschaft ist, hat keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Die Kapitalgesellschaft schirmt ihre Vermögenssphäre gegenüber ihren Anteilseignern ab. Diese Abschirmung bewirkt, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entsteht, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert werden darf. Das Steuerrecht nimmt damit bei der Bestimmung verschiedener Zurechnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit - verfassungsrechtlich unbedenklich - die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, nach der bei Personengesellschaften das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerechnet wird (vgl. § 718 BGB i. V. m. § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB), während das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbständig ist (vgl. BVerfGE Beschluss vom 12.10.2010 - 1 BvL 12/07, BB 2011, 92 mit BB-Komm. Ribbrock, BB 2011, 98, DStR 2010, 2393 m. w. N.; vom 21.6.2006 - 2 BvL 2/99, DStR 2006, 1316). Der Gesetzgeber muss das Trennungsprinzip und damit die originäre Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft als einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzten und darf hiervon nur aufgrund sachlicher Gründe abweichen (BVerfG Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07, BFH/NV 2009, 338).
Dadurch, dass § 8c S. 1 KStG für den Erhalt der Verlustvorträge maßgeblich auf Vorgänge abstellt, die sich auf der Anteilseignerebene abspielen, wird das Trennungsprinzip durchbrochen. Für die Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts Kapitalgesellschaft wird auf die Ebene der Anteilseigner durchgegriffen. Die Frage, wer Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist und wer sie kontrolliert, hat aber nichts mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft zu tun. Das für den Verlustuntergang maßgebliche Tatbestandsmerkmal der Veräußerung der Beteiligung, erfüllt nur der Anteilseigner und kann von der Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht einmal beeinflusst werden (in diesem Sinne auch Thiel, FS für Schaumburg, 2009, 515, 532; Hey, BB 2007,1303, 1306; Wiese, DStR 2007, 741, 744; Suchanek in H/H/R § 8c Rz 5; Frotscher/Frotscher, KStG, § 8c Rz 11; Drüen, Ubg 2010, 543; Oenings, FR 2008, 606; Schwedhelm, GmbHR 2008, 404, Lenz/Ribbrock, BB 2008, 587; Hans, FR 2007, 775).
b) Sachliche Rechtfertigungsgründe hierfür sind nicht erkennbar.
aa) Missbrauchsbekämpfung kommt als sachliche Rechtfertigung nicht in Betracht. Diente die Vorgängerreglung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. im Ausgangspunkt der Bekämpfung missliebiger Mantelkaufgestaltungen, hat sich die Neuregelung in § 8c KStG hiervon vollständig gelöst. Die Definition des schädlichen Beteiligungserwerbs, der bereits bei Anteilsübertragungen ab 25 % ansetzt, verdeutlicht, dass die Verlustbeschränkung nicht mehr mit einer missbräuchlichen Gestaltung verbunden wird. Denn die Übertragung von Beteiligungen ab einem Viertel des Kapitals ist ein üblicher wirtschaftlicher bzw. gesellschaftsrechtlicher Vorgang, der mit Missbrauch im Regelfall nichts zu tun hat. Wegen dieses sachwidrigen Typisierungsansatzes und der niedrigen Schwelle wird § 8c KStG auch in der Literatur nicht mehr als Missbrauchsbekämpfungsvorschrift angesehen (z. B. Drüen, Ubg 2009, 23, 28; Schwedhelm, GmbHR 2008, 404; Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), 63; Breuniger/Schade, Ubg 2008, 261; Oenings, FR 2009, 606; Roser, DStR 2008, 77, 80).
Der Gesetzgeber hat sich in der Gesetzesbegründung auch nicht auf Missbrauchsbekämpfung berufen. Hierzu heißt es lediglich, dass „künftig nur noch darauf abgestellt wird, ob ein neuer Anteilseigner maßgebend auf die Geschicke der Kapitalgesellschaft einwirken kann und es prinzipiell in der Hand hat, die Verwertung der Verluste zu steuern" (BT-Drs. 16/4841, S. 34 f.). Dies belegt die rein mechanische Wirkungsweise der Vorschrift als Mittel zur Verlustvernichtung.
bb) Der Gesetzgeber hat sich vielmehr darauf berufen, die Neuregelung des § 8c KStG diene der Vereinfachung der Rechtsanwendung. Die streitanfällige Tatbestandsvoraussetzung „Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens" werde aufgegeben. Maßgebliches Kriterium für die Verlustabzugsbeschränkung sei künftig der Anteilseignerwechsel (BT-Drs. 16/4841, S. 75).
Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an vereinfachende, typisierende Regelungen (oben unter III. 2.) genügt § 8c S. 1 KStG indes nicht. Die Vorschrift ist weder nach der gesetzgeberischen Zielsetzung noch nach dem objektiven Rege- lungsgehalt das Ergebnis eines Typisierungsvorgangs. Der Gesetzgeber hat nicht von seiner Typisierungsbefugnis Gebrauch gemacht, sondern sich von Erwägungen leiten lassen, die mit einer zulässigen Typisierung in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen.
Eine typisierende Vereinfachung könnte mit Blick auf die Vorgängerreglung des § 8 Abs. 4 KStG zu erwägen sein, die hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Zuführung neuen Betriebsvermögen" zu zahlreichen Auslegungsproblemen geführt und sich als streitanfällig erwiesen hatte. Diese Regelung diente jedenfalls nach überwiegender Ansicht der Missbrauchsbekämpfung (z. B. Orth, FR 2004, 613, 617 f.; Gosch, DStR 2003, 1917; Roser/Gosch, KStG, 2. A., § 8 Rz. 1396). Mit der Schaffung von § 8c KStG hat der Gesetzgeber aber keine vereinfachende, weil typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschrift geschaffen, die Vorschrift dient gerade nicht mehr der Missbrauchsbekämpfung, sondern erfasst jegliche Anteilsübertragungen jenseits der 25 % - Grenze. Der niedrige „Einstiegsprozentsatz" von 25 % der Anteile bildet auch nicht realitätsgerecht einen Missbrauchsfall der Anteilsübertragung ab (s. auch vorstehend unter b) aa). Die Übertragung von - im Streitfall allein zu betrachtenden-- Minderheitsbeteiligungen an Kapitalgesellschaften ist vielmehr ein gängiges wirtschaftliches Phänomen und regelmäßig ohne jeden Missbrauchsmakel. Die Übertragung von Minderheitsbeteiligungen ist kein typischer Fall für den Handel mit Verlusten, den es im Rahmen der Mantelkaufgestaltungen zu bekämpfen galt. Selbst wenn von einer Typisierung ausgegangen würde, wäre sie jedenfalls sachwidrig, weil sie sich vollständig von der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention der Bekämpfung sog. Mantelkaufgestaltungen gelöst hat (s. a. Drüen, Ubg 2009, 23, 28).
cc) Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG (Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 2/07, DStR 2008, 2460) ist der Gesetzgeber von den Anforderungen an eine hinreichende Folgerichtigkeit der Ausgestaltung einer am Maßstab finanzieller Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung des Einkommens nach dem objektiven Nettoprinzip allerdings befreit, wenn er bei einer Neureglung einen Systemwechsel bzw. eine neue Zuordnungsentscheidung einleitet.
Hiernach umfasst die dem Steuergesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit von Verfassungs wegen die Befugnis, neue Regeln einzuführen, ohne durch Grundsätze der Folgerichtigkeit an frühere Grundentscheidungen gebunden zu sein. Dies setzt nach der Rspr. des BVerfG allerdings voraus, dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen wird; anderenfalls ließe sich jedwede Ausnahmeregelung als (Anfang einer) Neukonzeption deklarieren. Die umfassende Gestaltungsfreiheit bei Entscheidungen für neue Regeln kann vom Gesetzgeber dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn solche neuen Regeln nach Ziel und Wirkung die Orientierung an alternativen Prinzipien nicht erkennen lassen. Einen zulässigen Systemwechsel kann es ohne ein Mindestmaß an neuer Systemorientierung nicht geben. Insbesondere dann, wenn bei im Übrigen unveränderten Grundentscheidungen eine von diesen abweichende Belastungsentscheidung lediglich in einem schmalen Teilbereich mit der Behauptung eines Systemwechsels begründet wird, bedarf es greifbarer Anhaltspunkte - etwa die Einbettung in ein nach und nach zu verwirklichendes Grundkonzept -, die die resultierende Ungleichbehandlung vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen können (vgl. ausführlich BVerfG Urteil vom 9.12.2008 - 2 BvL 1/07, BFH/NV 2009, 338).
Diese Voraussetzungen für einen Paradigmenwechsel sind bei der Einführung von § 8c Satz gKStG aber nicht erfüllt. Die in der Gesetzesbegründung dargelegte Erläuterung, dass § 8c KStG der Gedanke zugrunde liege, dass sich die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners ändere und daher die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste unberücksichtigt blieben, soweit sie auf dieses neue wirtschaftliche Engagement entfielen (BT-Drs. 16/4841, S. 76), könnte zwar auf einen derartigen Paradigmenwechsel hinweisen, nämlich weg von der Missbrauchsregelung, hin zu einem wertneutral verstandenen Gedanken des wirtschaftlichen Engagements der Gesellschafter, der Unternehmeridentität (s. a. v. Lishaut, FR 2007, 789, 790; Drüen, Ubg 2009, 23, 28). Hiermit wäre eine grundlegende Neuausrichtung des Besteuerungssystems der Kapitalgesellschaften verbunden. Dann würde nicht mehr an die eigenständige Subjektqualität der Kapitalgesellschaft angeknüpft, sondern diese letztlich als eine Art rechtliche Entität angesehen werden, durch die die Anteilseigner ihr wirtschaftliches Engagement betreiben (vgl. Oennings, FR 2009, 606, 610; Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), 60). Damit würde die Besteuerungssystematik an die transparente Betrachtung der Personengesellschaft angenähert. Bei dieser besteht allerdings der entscheidende Unterschied, dass die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft Träger des Unternehmens und des Gesellschaftsvermögens sind und die auf die Gesellschafter entfallenden Verluste bei seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht verloren gehen (vgl. auch Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), 60).
Abgesehen davon, dass die an einen „change of control" anknüpfende Betrachtungsweise im Widerspruch zu der auch in der Finanzverfassung mit dem Dualismus von Körperschaft- und Einkommensteuer vorstrukturierten Grundentscheidung des Trennungsprinzips steht (s. oben III. 3. a), wäre der Prinzipienwechsel auch nicht konsistent und konsequent vollzogen. Denn der Untergang der Verlustvorträge bewirkt lediglich eine systemfremde „Teiltransparenz" (Drüen, Ubg 2009, 23, 29; Oenings, FR 2009, 606, 611; s. a. Eisgruber, DStZ 2007, 630, 633); während im Übrigen das Trennungsprinzip nicht angetastet wird.
Bereits die Grundannahme trägt nicht, dass die wirtschaftliche Identität der Körperschaft maßgeblich durch das Engagement der Gesellschafter bestimmt wird. Denn der Verlust der wirtschaftlichen Identität wird bereits dann angenommen, wenn lediglich ein Anteil von mehr als 25 % (aber nicht mehr als 50 %) übertragen wird. Gesellschaftsrechtlich besteht hier nur eine Sperrminorität, ein aktives Gestalten der Entscheidungen auf Ebene der Gesellschaft durch den Neugesellschafter allein aufgrund der Höhe seiner Beteiligung ist damit nicht möglich. Dann ist es aber sachlich auch nicht gerechtfertigt, von einem „Durchschlagen" des Engagements des Neugesellschafters auf das Wesen der Gesellschaft auszugehen.
Darüber hinaus ist die Regelung auch in folgender Hinsicht nicht konsistent: Sie sieht die Kapitalgesellschaft mit § 8c KStG als transparent bzw. teiltransparent an und lässt die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste unberücksichtigt, soweit sie auf das neue wirtschaftliche Engagement entfallen. Danach dürften die wirtschaftlichen Nachteile, die mit dem Fortfall der nicht genutzten Verluste verbunden sind, aber nur die neuen Gesellschafter treffen, die den Tatbestand des schädlichen Beteiligungserwerbs verwirklichen. Tatsächlich wirkt sich der Wegfall des Verlustabzugs bei dem Erwerber aber nur anteilig aus, die bisher und weiterhin beteiligten Gesellschafter sind ebenfalls betroffen. Denn die Kapitalgesellschaft und nicht der neue Gesellschafter als Rechtsnachfolger seines Vorgängers verliert den Verlustabzug (dazu auch Thiel, FS Schaumburg, 515, 534).
Schließlich kann ein folgerichtiger Systemwechsel auch nicht mit Blick auf den Verlustuntergang bei Verschmelzungsvorgängen angenommen werden (vgl. Kussmaul/Zabel, BB 2007, 967, 972). Im Rahmen der Neuregelungen durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.2006 (BGBl. I 2006, 2782) ist die in § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG a. F. geregelte Übernahme des verbleibenden Verlustvortrags i. S. von § 10d EStG durch die übernehmende Körperschaft bei Verschmelzung gestrichen worden. Bei dieser Vorschrift handelte es sich um eine wirtschaftlich sinnvolle, aber nicht zwingend gebotene Steuererleichterung für Umstrukturierungen. Ihre Streichung wird folglich als steuersystematisch vertretbar hingenommen, weil sich der Gesetzgeber hierbei auf seine Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Gewährung von Steuervergünstigungen bewegen konnte (Hey, BB 2007, 1303, 1307 m. w. N.; Schwedhelm, GmbHR 2008, 404, 406). Die Streichung dieser Steuervergünstigung kann aber nicht als ein Baustein eines neuen Systems angesehen werden, dessen nächster Schritt die Einführung von § 8c KStG wäre (s. hierzu auch Hey, BB 2007, 1303, 1307; Schwedhelm, GmbHR 2008, 404, 406). Insoweit sind die Vorschriften in ihrer Zielrichtung zu unterschiedlich.
§ 8c S. 1 KStG zeigt danach nicht jenes Mindestmaß an konzeptioneller Neuorientierung, das für einen Systemwechsel oder für eine grundlegend neue Zuordnungsentscheidung zu fordern ist. Die Neuregelung zur Verlustbeschränkung ist nicht hinreichend konsequent und konsistent, als dass von einem Prinzipien- oder Systemwechsel gesprochen werden kann. Es handelt sich um eine verfassungsrechtlich nicht hinreichend sachlich begründete, allein fiskalisch motivierte und gestaltete, einseitig Gesellschaften mit Anteilseignerwechsel belastende Maßnahme. In diesem Sinne ist die Regelung auch unzweideutig als Gegenfinanzierungsmaßnahme zur „Finanzierung der tariflichen Entlastung der Unternehmen" im Rahmen des UntStRefG 2008 einkalkuliert und mit einem steuerlichen Mehrerlös von 1.475 Mrd. Euro p. a. ab 2010 veranschlagt worden (BT-Drs. 16/4841, S. 43; Bt-Drs. 16/1545, S. 33 f.; s. a. Drüen, Ubg 2009, 23, 28). Dies ist auch vor dem Hintergrund eines in (Fach)Presseveröffentlichungen (vgl. z. B. Dorenkamp, IFSt- Schrift Nr. 461 (2010), S. 36 m. w. N.; Möhlenbrock, DStJG Bd. 33 (2009), 339, 345 Fn. 28 ) angenommenen Potentials von körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvorträgen in Höhe von jeweils rd. 500 - 700 Mrd. Euro zu sehen.
Der Umstand, dass im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 neben der hier in Rede stehenden Belastung der Kapitalgesellschaften durch die Verlustabzugsbeschränkung auch entlastende Maßnahmen getroffen wurden, insbesondere die Senkung des nominalen Körperschaftsteuersatzes um 10 Prozentpunkte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Senkung des Steuersatzes kommt allen Kapitalgesellschaften gleichermaßen zu Gute, während die Verlustabzugsbeschränkung, wie dargestellt, nur einen bestimmten Kreis von Kapitalgesellschaften trifft. Aus diesem Grund müssen die aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleiteten Anforderungen für die belastende Verlustabzugsbeschränkung beachtet werden. Dies ist zur Überzeugung des Senats nicht geschehen.
IV. Weitere Verfassungsverstöße
Ob und inwieweit § 8c KStG a. F. auch unter dem Gesichtpunkt eines Verstoßes gegen Art. 14 GG verfassungswidrig ist, lässt der Senat offen. Die zuvor dargelegte Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG reicht aus, um die Vorlage zu rechtfertigen (Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG; Maunz/Schmidt- Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 80 Rz. 114). Die Be- urteilung sonstiger verfassungsrechtlicher Fragen und Vorfragen obliegt allein dem BVerfG; sie gehört nicht zur Begründung des Vorlagebeschlusses (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22.6.1995 - 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655, 660, BB 1995, g; Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 80 Rz. 277, 296 ff.).
[1] Für bestimmte, im Streitfall nicht einschlägige Konstellationen Fortgeltungsanordnung nach Maßgabe von § 34 Abs. 6 S. 4 KStG i. d. F. des UntStRefG 2008:
„(6) 4§ 8 Abs. 4 in der am 23. Dezember 2001 geltenden Fassung ist neben § 8c des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912) letztmals anzuwenden, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren übertragen werden, der vor dem 1. Januar 2008 beginnt, und der Verlust der wirtschaftlichen Identität vor dem 1. Januar 2013 eintritt."