FG Münster: Berechnung des Freibetrag gem. § 19a Abs. 1 EStG
FG Münster, Urteil vom 8.2.2012 - 6 K 1563/08 L
Sachverhalt
Streitig ist der Umfang der Steuerfreiheit von Lohnzahlungen in Form von Aktienbezügen gemäß §§ 19a EStG, 8 Abs. 2 EStG.
Die Klägerin (Klin.) ist eine Tochtergesellschaft der ....SE (frühere Rechtsform AG). Sie ist heute eine juristische Person in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), nachdem die Hauptversammlung vom 22.01.2010 die formwechselnde Umwandlung von einer Aktiengesellschaft (AG) in eine GmbH beschloss. Im Unternehmen der Klin. werden insbesondere ......produziert.
Um die Mitarbeiter an das Unternehmen der Klin. zu binden und zugleich die Arbeitsmotivation der Mitarbeiter zu steigern, beschloss der Vorstand der Muttergesellschaft der Klin. am 15.09.1998, die Mitarbeiter der Klin. durch Mitarbeiterbeteiligungsprogramme am Grundkapital der Muttergesellschaft der Klin., der damaligen ......AG, zu beteiligen. In den Folgejahren sind sodann unterschiedliche Mitarbeiterbeteiligungsprogramme aufgestellt worden, durch welche die Mitarbeiter der Klin. Aktien der ....AG zu vorher festgelegten Konditionen erwerben konnten. Dabei waren die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme grundsätzlich so ausgestaltet, dass eine lange Haltedauer der Aktien bei gleichzeitig fortdauernder Betriebszugehörigkeit durch die Zuteilung weiterer kostenloser Aktien belohnt wurde. Im Einzelnen existierten in dem Streitzeitraum der Jahre 2001 bis einschließlich 2004 nachfolgend skizzierte Mitarbeiterbeteiligungsprogramme:
2001: |
- Sog. „Plus-Aktienprogramm" (Kauf von Paketen zu je 10 Aktien ohne Verfügungsbeschränkungen; nach einer Haltedauer von 1, 3, 5, 7 und 10 Jahren erhält der Arbeitnehmer - unter der Voraussetzung, dass er noch Arbeitnehmer der Klin ist - jeweils eine Gratisaktie [auch „Incentiv-Aktie" genannt] pro Aktienzehnerpaket. Soweit ein Anspruch auf eine Gratisaktie besteht, wird diese im Juni eines jeden Jahres dem Depot des Arbeitnehmers gutgeschrieben). |
2002: |
- Plus-Aktienprogramm wie 2001. |
- Sog. „Doppel-Plus-Aktienprogramm" (Kauf von Paketen zu je 10 Aktien ohne Verfügungsbeschränkung; in den folgenden 10 Jahren erhält der Arbeitnehmer - unter der Voraussetzung, dass er noch Arbeitnehmer der Klin ist und das Aktienpaket noch hält - jährlich eine Gratisaktie [„Incentiv-Aktie"]. Soweit ein Anspruch auf eine Gratisaktie besteht, wird diese im Juni eines jeden Jahres dem Depot des Arbeitnehmers gutgeschrieben). |
2003: |
- Plus-Aktienprogramm wie 2001. |
- Doppel-Plus-Aktienprogramm wie 2002. |
- Sog. „Start-Plus-Aktienprogramm" (kostenloser Erwerb von 5 Aktien je Arbeitnehmer mit einer Verfügungsbeschränkung [Sperrfrist] von 10 Jahren. Die Einbuchung in das Depot des Arbeitnehmers erfolgte im Monat Mai 2003). |
2004: |
- Plus-Aktienprogramm wie 2001. |
- Doppel-Plus-Aktienprogramm wie 2002. |
- Start-Plus-Aktienprogramm wie 2003. |
Hinsichtlich der Einzelheiten der Mitarbeiterbeteiligungsprogramme wird auf die Erläuterungen in den jeweiligen Schreiben der Klin. an ihre Mitarbeiter vom 01.03.2001, 18.03.2002 und 20.03.2003 Bezug genommen. Soweit für die Aktien von den Mitarbeitern ein Kaufpreis zu zahlen war, erfolgte dies durch Verrechnung mit Gehaltsansprüchen zum Durchschnittskurs am Tag nach der Hauptversammlung der ......AG.
Die Gratisaktien aus den Plus- und Doppel-Plus-Aktienprogrammen, welche den Aktiendepots der begünstigten Mitarbeitern jeweils im Juni eines jeden Jahres gutgeschrieben wurden, hatten im Juni 2001 einen Wert von 46,20 €, im Juni 2002 einen Wert von 44,23 €, im Juni 2003 einen Wert von 38,86 € und im Juni 2004 einen Wert von 42,35 € - jeweils pro Gratisaktie.
In Bezug darauf, welche Mitarbeiter in den Streitjahren in welchem Umfang an den Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen teilnahmen, wird auf Anlage 7 zum Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 31.10.2005 und die dem Klägerschriftsatz vom 08.12.2011 beigefügten Mitarbeiterlisten verwiesen.
Die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme berücksichtigte die Klin. in den Jahren 2001 bis einschließlich 2004 bei der Ermittlung der LSt für die Arbeitnehmer in der Art, dass unter Beachtung der Betragsobergrenze des § 19a Abs. 1 EStG in der jeweils gültigen Fassung (154 € in den Jahren 2001 bis 2003 und 135 € im Jahr 2004) der sich aus der Überlassung der (Gratis-)Aktien ergebende geldwerte Vorteil bis zur Hälfte des Wertes aller dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr entgeltlich und unentgeltlich überlassenen Aktien steuerfrei belassen wurde. Erhielt beispielsweise ein Mitarbeiter im Mai 2003 fünf Gratisaktien (Start-Plus-Aktien) im Wert von jeweils 38,17 € und erwarb er überdies im Jahr 2003 für weitere 500,00 € Aktien entgeltlich, so ermittelte die Klin. einen steuerpflichtigen Sachbezug in Höhe von 36,85 €, indem sie von einem geldwerten Vorteil in Höhe von 190,85 € (5 Aktien zu je 38,17 €) ausging und sodann annahm, dass dieser geldwerte Vorteil gemäß § 19a EStG steuerfrei ist, soweit er die Hälfte der Vermögensbeteiligung in Höhe von 690,85 € (190,85 € Gratisaktien zuzüglich 500,00 € entgeltlich erworbene Aktien), somit 345,43 €, höchstens jedoch 154,00 € nicht übersteigt (190,85 € ./. 154,00 € = 36,85 €). Die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in der jeweils gültigen Fassung wendete die Klin. nicht an, obwohl diese den betroffenen Arbeitnehmern in den Monaten, in welchen die Gratisaktien den Arbeitnehmers gutgeschrieben wurden, noch ungemindert zur Verfügung stand.
In der Zeit vom 30.08.2004 bis zum 02.02.2005 fand bei der Klin. eine LSt-Außenprüfung für die Jahre 2001 bis einschließlich 2004 statt. Prüfungsgegenstand war - neben weiteren Punkten - die lohnsteuerliche Behandlung der Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. Die LSt-Außenprüfer sahen die bisherige lohnsteuerliche Behandlung der Aktienbeteiligungsprogramme als fehlerhaft an. Für die Ermittlung des maximalen Steuerfreibetrages gemäß § 19a Abs. 1 EStG in Höhe von 154 € in den Jahren 2001 bis 2003 und 135 € im Jahr 2004 sei nicht auf die Summe aller Aktien abzustellen, welche ein Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr erlangt habe, sondern jeder Zufluss von Aktien gesondert zu betrachten. Dabei sei die Begünstigung des § 19a EStG nicht auf solche Aktien anzuwenden, welche der Mitarbeiter entgeltlich erlangt habe. Schließlich sei die Überlassung der kostenlosen Aktien („Incentive-Aktien") als Sachbezug im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern. Bezogen auf das obige Beispiel kam der Prüfer zu einem steuerpflichtigen Sachbezug in Höhe von 95,42 € und somit zu einer Nachversteuerung eines Sachbezuges in Höhe von 58,57 €. Zu diesem Ergebnis kam der Prüfer, indem er - ebenso wie die Klin. - von einem geldwerten Vorteil in Höhe von 190,85 € ausging, sodann jedoch bei der Ermittlung des Freibetrages in Höhe der Hälfte der Vermögensbeteiligung und höchstens 154,00 € lediglich von einer Vermögensbeteiligung in Höhe von 190,85 € ausging und die entgeltlich erworbenen Aktien im Wert von 500,00 € nicht in die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung des Freibetrages mit einbezog. Damit ging der Prüfer von einem Freibetrag in Höhe von 95,43 € (50% von 190,85 €) aus, was zu einem steuerpflichtigen Sachbezug in Höhe von 95,42 € (190,85 € ./. 95,43 €) führte. Auf diese Weise ermittelte der Prüfer für 2002 ein Mehrbetrag an Lohnsteuer in Höhe von 4.928,00 €, für 2003 in Höhe von 8.705,00 € und für 2004 in Höhe von 5.801,00 €, jeweils zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, wobei keine Pauschalversteuerung der weiteren Sachbezüge erfolgte, sondern die individuellen Verhältnisse der Arbeitnehmer berücksichtigt wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten - insbesondere welche Arbeitnehmer der Prüfer mit welchen weiteren Sachbezügen berücksichtigt hat - wird auf Anlage 7 zum Prüfungsbericht vom 31.10.2005 verwiesen. Die Freigrenze für Sachbezüge des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in der jeweils gültigen Fassung ließ der Prüfer (weiterhin) unberücksichtigt. Diesbezüglich hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.12.2011 eine Auflistung von Arbeitnehmern übersandt, welche in den Jahren 2002 bis 2004 jeweils nur eine Incentiv-Aktie pro Jahr erhalten haben und deshalb ggf. noch von der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG profitieren können. Auf die Auflistung wird verwiesen.
Der Beklagte (Bekl.) ist der Auffassung der LSt-Außenprüfung gefolgt und erließ am 30.11.2005 einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid, durch welchen der Bekl. von der Klin. für die Jahre 2002 bis einschließlich 2004 LSt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 1.112.757,00 € forderte, wovon ein Teilbetrag in Höhe von 21.660,02 € auf die hier streitigen Mitarbeiterbeteiligungsprogramme entfällt. Die Klin. erklärte sich diesbezüglich mit der sofortigen Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin einverstanden.
Gegen den Haftungs- und Nachforderungsbescheid legte die Klin. mit Schreiben vom 19.12.2005 Einspruch ein, welchen sie mit Schreiben vom 08.05.2006 damit begründete, dass die LSt-Außenprüfung den § 19a EStG falsch angewendet habe. Für die Berechnung des geldwerten Vorteils eines jeden Arbeitnehmers sei nicht auf jede einzelne Aktie, sondern auf die Summe der Aktien abzustellen, die ein Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr erhalten habe. Für die gegenteilige Auffassung der LSt-Außenprüfung finde sich in § 19a EStG keine Stütze. Für die Auffassung der Klin., dass auf die Summe der Aktien abzustellen sei, spreche bereits die Überschrift von § 19a EStG und ebenso der Gesetzestext in § 19a Abs. 1 EStG. Hier werde jeweils von Vermögensbeteiligungen in der Mehrzahl gesprochen, welche begünstigt würden. Ferner liege die Bedeutung des § 19a EStG weitestgehend im außersteuerlichen Bereich. Der Gesetzgeber habe durch diese Regelung das Privateigentum von Arbeitnehmern und die partnerschaftliche Integration der Arbeitnehmer in das arbeitgebende Unternehmen fördern wollen. Des Weiteren solle die Kapitalstruktur der Wirtschaft verbessert und der Aufbau einer privaten Altersvorsorge durch die Arbeitnehmer gefördert werden. Vor diesem Hintergrund sei nicht auf einzelne Aktien, sondern auf die Summe von erlangten Aktien abzustellen. Ferner spreche § 19a EStG von „Sachbezügen". Wegen des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung seien hiermit sämtliche Sachbezüge eines Kalenderjahres gemeint. Der Auffassung der Außenprüfung, dass § 19a EStG auf die für sich gesehen entgeltlich erworbenen Aktien keine Anwendung finde, könne nicht gefolgt werden. Eine verbilligte Aktienüberlassung liege vielmehr auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer auf Grund des Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes beim entgeltlichen Erwerb eines Aktienpakets - ohne eine weitere Zuzahlung - in den Folgejahren jeweils weitere Aktien übereignet bekomme. Insoweit sei eine Gesamtbetrachtung geboten. Diese Gesamtbetrachtung ergebe, dass sowohl der Kauf des entgeltlichen Aktienpakets als auch der spätere Zufluss der Incentive-Aktien verbilligt erfolge. Die Aufteilung in den Kauf eines nicht verbilligten Aktienpakets und den anschließenden Erwerb unentgeltlicher Incentiv-Aktien sei verfehlt. Nicht zu beanstanden sei allerdings die Auffassung der LSt-Außenprüfung, dass Sachbezüge zum Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern seien.
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 31.03.2008 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führt er aus, dass eine unentgeltliche oder verbilligte Vermögensbeteiligung i.S.d. § 19a Abs. 1 EStG dann nicht vorliege, wenn die Vermögensbeteiligung ganz oder teilweise an die Stelle von Arbeitslohn treten würde, der zu diesem Zeitpunkt ohnehin geschuldet werde. Bei einer solchen Umwandlung von Arbeitslohn in eine Vermögensbeteiligung entstünde kein geldwerter Vorteil. Ein geldwerter Vorteil entstünde bei der Vermögensbeteiligung nur dann, wenn der Arbeitnehmer anstelle der Vermögensbeteiligung nicht auch eine Barleistung verlangen könne. Vorliegend sei es den Arbeitnehmern freigestellt, ihren ohnehin bestehenden Arbeitsentgeltanspruch in die Gewährung von Aktien umzuwandeln. Deshalb sei § 19a EStG hinsichtlich der entgeltlich erworbenen Aktienpakete nicht anwendbar. Die LSt-Außenprüfung sei zudem zu Recht davon ausgegangen, dass im Rahmen des § 19a EStG auf jeden einzelnen Aktienerwerb und nicht auf die Summe der durch einen Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr erworbenen Aktien abzustellen sei. Es sei zwar richtig, dass der (entgeltliche) Erwerb eines Aktienpakets Voraussetzung für den Erhalt der Incentive-Aktien sei, dies lasse jedoch nicht den Rückschluss zu, dass ein einheitlicher Vorgang der verbilligten Aktienüberlassung vorliege. Vielmehr sei jeder Aktienerwerb gesondert zu betrachten. Dies werde durch den Wortlaut des § 19a Abs. 1 EStG gestützt, in welchem auf den halben Wert der „Vermögensbeteiligung" abgestellt werde. Insofern spreche das Gesetz von Einzahl. Da auf jeden Aktienerwerb gesondert abzustellen sei, sei der entgeltliche Erwerb eines Aktienpaketes im Rahmen der Aktienbeteiligungsprogramme kein unentgeltlicher oder vergünstigter Erwerb i.S.d. § 19a EStG. Demgegenüber sei der nachträgliche - aus den entgeltlich erworbenen Aktienpaketen folgende - Erwerb der Incentive-Aktien unentgeltlich. Insoweit sei - hinsichtlich der kostenlosen Incentive-Aktien - die Vergünstigung des § 19a EStG zu Recht gewährt worden. Hinsichtlich des Zuflusszeitpunktes sei im Übrigen nicht auf die Grundregel des § 8 EStG, sondern auf die speziellere Regelung in § 19a Abs. 8 EStG abzustellen. Dies führe vorliegend jedoch zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen.
Mit der am 28.04.2008 erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie aus, dass eine unentgeltlich oder verbilligte Überlassung von Vermögensbeteiligungen i.S.d. 5. Vermögensbildungsgesetzes an Mitarbeiter nach § 19a Abs. 1 Satz 1 EStG steuerfrei sei, soweit diese nicht den halben Wert der Vermögensbeteiligung und insgesamt 135 € (bis 31.12.2003 154 €) übersteige. Zur Ermittlung des Freibetrages sei auf unentgeltlich und verbilligt überlassene Vermögensbeteiligungen gemeinsam abzustellen. Verbilligt überlassen würden auch die entgeltlich erworbenen Aktienpakete. Eine verbilligte Vermögensbeteiligung läge vor, wenn diese unter dem maßgeblichen Wert des § 19a Abs. 2 EStG überlassen würde. Dies sei auch dann der Fall, wenn ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf die Überlassung der Vermögensbeteiligung bestünde. Die Aktienbeteiligungsprogramme seien zudem nicht in ihre einzelnen Bestandteile aufteilbar. Ohne den entgeltlichen Erwerb eines Aktienpakets sei der Bezug von Incentiveaktien nicht denkbar. Die isolierte Betrachtung der entgeltlich erworbenen Aktien und der Incentive-Aktien bzw. der Start-Aktien würde zu einem falschen Ergebnis führen. Um die gewünschte Mitarbeitermotivation zu erlangen, sei es erforderlich, über den Kaufpreis der Aktien bestimmte Anreize zu setzen. Dies geschehe in der Art, dass der Arbeitnehmer mit dem Kauf eines Aktienpakets zum Verkehrswert zugleich den Anspruch auf die Incentive-Aktien erwerbe. Damit erlange der Arbeitnehmer, beispielsweise beim Doppel-Plus-Aktienprogramm, zum Preis von 10 Aktien - nach einer Haltedauer von 10 Jahren - insgesamt 20 Aktien, was - vereinfacht ausgedrückt - zu einem um 50 % verringerten Kaufpreis bezogen auf alle 20 Aktien führe. Dass die Einbuchung der Incentive-Aktien auf Grund unterschiedlicher Kurswerte zu unterschiedlichen Preisen erfolge, ändere an der grundsätzlich vergünstigten Überlassung sämtlicher (20) Aktien nichts. Es sei zwar richtig, dass der Arbeitnehmer die Incentive-Aktien aus einem erworbenen Aktienpaket erst über den Zeitraum von 10 Jahren vollständig erhalte, § 19a EStG schreibe allerdings nicht vor, dass die Vermögensbeteiligung zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen werden müsse. § 19a EStG stelle auch hier auf das gesamte Kalenderjahr als Besteuerungszeitraum ab. Eine Einschränkung sei dem Gesetz insoweit nicht zu entnehmen.
Schließlich sei für die Vergünstigung des § 19a EStG irrelevant, dass die Mitarbeiter die Aktien durch einen Teil ihrer variablen Vergütung bezahlen. Der klassische Fall einer Entgeltumwandlung liege nicht vor, da nicht steuerpflichtiges Entgelt in steuerfreie Sachbezüge umgewandelt würde. Der Freibetrag des § 19a EStG würde nicht auf einen steuerpflichtigen Entgeltbestandteil bezogen, sondern nur auf den „verbilligten" Teil der Aktien. Die teilweise Verwendung der variablen Bezüge stelle nur eine Form der Bezahlung dar, die sich nicht auf die steuerliche Behandlung des Sachverhalts auswirke.
Die Klin. beantragt, .den Haftungs- und Nachforderungsbescheid über LSt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für den Zeitraum 01.01.2001 bis 31.12.2004 vom 30.11.2005 in Gestalt der EE vom 31.03.2008 in der Weise zu ändern, dass die Lohnsteuer auf 1.019.850,00 € festgesetzt wird und die davon abhängigen Maßstabsteuern entsprechend gemindert werden, hilfsweise, .die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt, .die Klage abzuweisen, hilfsweise, .die Revision zuzulassen.
Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags nimmt der Bekl. zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die EE und führt aus, dass die entgeltliche und unentgeltliche Aktienüberlassung für die Beurteilung der Steuerbefreiung nach § 19a EStG nicht in einen einheitlichen Vorgang der verbilligten Überlassung zusammen gefasst werden könne.
Sofern das Gericht der Auffassung sei, dass die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden sei, könne dies zudem dazu führen, dass der Freibetrag des § 19a EStG zu reduzieren sei, weil gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerfrei erlangte Incentive-Aktien nicht mehr in die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Freibetrages gemäß § 19a EStG einzubeziehen seien.
Im Übrigen wird auf die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vom 10.11.2011 und vom 08.02.2012 Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der von der Klin. streitig gestellte Teil des Haftungsbescheides ist insoweit rechtswidrig, als der Beklagte bei den Mitarbeitern der Klin., welche im Rahmen der Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (nur) eine Gratisaktie im Monate erhalten haben, die (jeweilige) Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in der jeweils gültigen Fassung nicht angewendet hat. Dadurch ist die Klin. in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung).
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Insbesondere hat der Bekl. die Höhe des jeweiligen Steuerfreibetrages gemäß § 19a Abs. 1 EStG in der jeweils gültigen Fassung ordnungsgemäß ermittelt.
1. Bei der Ermittlung des Haftungsbetrages aus den streitigen Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen hat der Bekl. zu Unrecht die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht angewendet. Insoweit ist der Nachforderungs- und Haftungsbescheid rechtswidrig.
Bei der Ermittlung der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit bleiben gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in der jeweils gültigen Fassung Sachbezüge außer Ansatz, wenn sich der aus den Sachbezügen ergebende Vorteil für den Steuerpflichtigen einen Grenzbetrag von 50,00 DM im Jahr 2001, von 50,00 € in den Jahren 2002 und 2003 sowie von 44,00 EUR im Jahr 2004 im Kalendermonat nicht übersteigt. Die Einbuchung der Gratisaktien in die Depots der begünstigten Mitarbeiter führte bei diesen jeweils zu Sachbezügen, wobei die genannten Freigrenzen nicht überschritten wurden, soweit der jeweilige Mitarbeiter der Klin. aus den Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen jeweils (nur) eine Gratisaktie im Monat erhalten hat.
a) Die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG ist in Bezug auf die Gratisaktien anwendbar, obwohl die Gratisaktien zugleich von der Freibetragsregelung des § 19a Abs. 1 EStG in der jeweiligen Fassung erfasst werden.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 06.07.2011 entschieden, dass die Freigrenze für Sachbezüge in § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht von dem Freibetrag des § 19a Abs. 1 EStG außer Kraft gesetzt wird (BFH, Beschluss vom 06.07.2011, VI R 35/10, BFH/NV 2011, 1683). Der Freibetrag des § 19a Abs. 1 EStG sei vielmehr neben der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG anwendbar. Zur Begründung führte der BFH insbesondere aus, dass die beiden Normen unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen und deshalb § 19a EStG nicht als lex specialis zu § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG angesehen werden kann. Während der Freibetrag des § 19a Abs. 1 EStG eine Steuerbegünstigung ist, ist die Freigrenze in § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG lediglich eine Vereinfachungsregel. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
b) Die unentgeltliche Überlassung der Gratisaktien an die Arbeitnehmer aufgrund einer Zusage des Arbeitgebers führt bei den Arbeitnehmern zu Arbeitslohn in Form von Sachbezug.
Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist danach jeder geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Ein Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteil und Dienstverhältnis ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer einen erhaltenen Vorteil vernünftigerweise wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachten muss (BFH, Urteil vom 05.07.1996, VI R 10/96, BStBl. II 1996, 545). Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen (BFH, Urteil vom 25.05.2000, VI 195/98, BStBl. II 200, 690). Dabei reicht das Vorliegen eines eigenbetrieblichen Interesses - wie die Mitarbeitermotivation - allein nicht aus, um den Arbeitslohncharakter zu verneinen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vorteil ganz überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse gewährt wird. Dies ist im Streitfall nicht der Fall. Vielmehr stand die Bereicherung der Arbeitnehmer eindeutig im Vordergrund. Gegenteiliges wird auch nicht von der Klägerin angenommen.
Der Annahme von Arbeitslohn bzw. von Sachbezügen in Bezug auf die Gratisaktien steht auch nicht entgegen, dass die Gratisaktien im Zusammenhang mit den entgeltlich erworbenen Aktienpaketen stehen und der Kaufpreis für die entgeltlich erworbenen Aktien durch eine Verrechnung mit Lohnansprüchen entrichtet worden ist. Die Bezahlung der Aktienpakete durch Entgeltumwandlung ist lediglich ein abgekürzter Zahlungsweg hinsichtlich der entgeltlich erworbenen Aktienpakete.
c) Im Streitfall ist jeweiligen Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG in der jeweils gültigen Fassung erkennbar eingehalten, wenn Mitarbeiter der Klin. in den Streitjahren nur eine Gratisaktie im Monat erhalten haben, denn die den Mitarbeitern im Juni 2002 gutgeschriebenen Gratisaktien hatten einen Wert von 44,23 € je Aktie, die im Juni 2003 gutgeschriebenen Gratisaktien hatten einen Wert von 38,86 € je Aktie und die im Juni 2004 gutgeschriebenen Gratisaktien hatten einen Wert von 42.35 € je Aktie. Da auch diese Gratisaktien in den Haftungsbescheid vom 30.11.2005 eingeflossen sind, ist die dort festgesetzte Lohnsteuer - und die von der Lohnsteuer abhängigen Maßstabssteuern - entsprechend zu reduzieren.
Die betroffenen Mitarbeiter - hinsichtlich derer der Haftungsbescheid wegen § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG zu reduzieren ist - sind der Mitarbeiterliste zu entnehmen, welche die Klin. mit Schriftsatz vom 08.12.2011 eingereicht hat. Es sind diejenigen Mitarbeiter, welche in der genannten Mitarbeiterliste der Klin. mit einem Bezug von einer Gratisaktie in einem oder in mehreren der Streitjahre aufgeführt sind und zugleich in der Anlage 7 zum LSt-Außenprüfungsbericht wegen einer Nachversteuerung genannt werden. Konkret sind aus der Anlage 7 zum LSt-Außenprüfungsbericht aus dem Jahr 2002 alle Mitarbeiter vollständig aus der Nachversteuerung heraus zurechnen, welche dort mit einem Bruttosachbezug von 22,11 € (50 % der Gratisaktie im Wert von 44,23 €) aufgeführt sind. Für das Streitjahr 2003 ist bei allen Mitarbeitern, welche in der Anlage 7 mit einem Sachbezug von 39,14 € aufgeführt sind, die Bemessungsgrundlage um 19,43 € auf 19,71 € zu reduzieren. Die Reduzierung entspricht dem halben Wert der im Juni 2003 gutgeschriebenen Gratisaktie. Soweit Mitarbeiter im Jahr 2003 im Rahmen des „Start-Plus-Programms" (ggf. zusätzlich) fünf Gratisaktien im Wert von insgesamt 190,85 € erlangt haben, wird für diese Aktien aus dem „Start-Plus-Programm" die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG überschritten. Soweit diese Mitarbeiter (zusätzlich) im Juni 2003 jeweils eine Gratisaktie aus einem der anderen Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen erhalten haben, ist in Bezug auf diese Gratisaktie die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG wiederum anwendbar, weil die fünf Aktien aus dem „Start-Plus-Aktienprogramm" bereits im Mai 2003 gutgeschrieben worden sind und die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG auf den Kalendermonat zu beziehen ist. Für das Streitjahr 2004 ist der Haftungsbetrag wegen § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG hinsichtlich aller Mitarbeiter zu reduzieren, welche in der Anlage 7 zum Prüfungsbericht mit einem Sachbezug von 21,18 € geführt werden (50 % der Gratisaktie im Wert von 42,35 €). Diese sind aus der Nachversteuerung für das Jahr 2004 vollständig heraus zurechnen.
2. Dagegen hat der Bekl. bei der Besteuerung der Gratisaktien aus den Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen den Freibetrag des § 19a Abs. 1 EStG in der jeweils gültigen Fassung ordnungsgemäß berücksichtigt. Insoweit ist der Haftungsbescheid rechtmäßig und die Klin. nicht in ihren Rechten verletzt.
Erhält ein Arbeitnehmer im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses unentgeltlich oder verbilligt Sachbezüge in Form von näher bezeichneten Vermögensbeteiligungen, so ist der Vorteil gemäß § 19a Abs. 1 EStG in der jeweils gültigen Fassung steuerfrei, soweit er nicht höher als der halbe Wert der Vermögensbeteiligung ist und insgesamt 154,00 € (in 2001 bis 2003) bzw. 135,00 € (in 2004) nicht übersteigt .
Bei den Aktien der ......AG handelt es sich dem Grunde nach um taugliche Vermögensbeteiligungen im Sinne des § 19a Abs. 1 EStG. Dabei ist der „Vorteil" im Sinne des § 19a Abs. 1 EStG jeweils (nur) der Wert der einem jeden Mitarbeiter zugeflossenen Gratisaktien.
Der Bekl. hat die konkrete Höhe des jeweils aus § 19a Abs. 1 EStG folgenden Freibetrages richtig ermittelt. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Freibetrages ist die überlassene Vermögensbeteiligung. Dabei ist - nach Auffassung des Senats - als „Vermögensbeteiligung" lediglich die aus den Gratisaktien folgende Vermögensbeteiligung anzusehen, weil sich die Steuerbegünstigung des § 19a Abs. 1 EStG insgesamt nur auf „unentgeltlich oder verbilligte Sachbezüge in Form von Vermögensbeteiligungen" bezieht und die entgeltlich erworbenen Aktienpakete nach Ansicht des Senats nicht unentgeltlich oder verbilligt überlassen worden sind.
Der Auffassung der Klin., dass die maßgebliche „Vermögensbeteiligung", welche die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Freibetrages bildet, aus den Gratisaktien und den entgeltlich erworbenen Aktienpaketen gemeinsam besteht, kann nicht gefolgt werden. Insbesondere kann der Klin. nicht darin gefolgt werden, dass auch die entgeltlich erworbenen Aktienpakete verbilligt überlassen worden sind, weil mit dem entgeltlichen Erwerben der Aktienpakete jeweils die (unentgeltliche) Option hinsichtlich der Gewährung weiterer Gratisaktien in den folgenden zehn Jahren verbunden ist und eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung deshalb ergebe, dass - beispielsweise beim „Doppel-Plus-Aktienprogramm" - letztlich 20 Aktien zu einem Kaufpreis von zehn Akten erworben würden. Beim entgeltlichen Erwerb der Aktienpakete entfällt kein lohnsteuerrechtlich relevanter Anteil des Kaufpreises auf die Aktienoption, was wiederum dazu führt, dass die zum Kurswert erworbenen Aktienpakete nicht verbilligt überlassen worden sind.
Der BFH hat jüngst bestätigt, dass dem Arbeitnehmer der geldwerte Vorteil in Form von verbilligten Aktien erst in dem Zeitpunkt zufließt, in dem der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über die Aktien erlangt (BFH, Urteil vom 30.06.2011, VI R 37/09, DB 2011, 2127). Bei einem Aktienerwerb ist dies der Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien erfüllt wird (BFH, Urteil vom 30.06.2011, VI R 37/09, DB 2011, 2127 m. w. N.). Der Erhalt einer nicht übertragbaren Aktienoption führt beim Arbeitnehmer dagegen noch nicht zu einem (steuerpflichtigen) Vermögenszufluss. Aus der Kehrseite dieser Rechtsprechung folgert der Senat, dass Aktienoptionen, welche dem Arbeitnehmer vorerst lediglich eine nichtübertragbare Chancen auf einen unentgeltlichen oder verbilligten Aktienerwerb einräumen, in Bezug auf die Lohnsteuer unbeachtlich sind. Der Senat stützt sich insoweit auf die Entwicklung der sogenannten „Chancenrechtsprechung" (vgl. Deutschmann, DStR 2001, 934) des BFH. Danach hat ursprünglich der VI. Senat des BFH eine Besteuerung von Optionsrechten im Zeitpunkt der Einräumung der Option grundsätzlich mit dem Argument abgelehnt, dass der Arbeitnehmer durch die Einräumung der Aktienoption lediglich eine Chance zum preisgünstigen Erwerb einer Vermögensbeteiligung erhalte, mit der Folge, dass Arbeitslohn nicht bei der Gewährung der Option, sondern erst bei Optionsausübung in Höhe der Differenz zwischen dem Kurswert zum Zeitpunkt des Zuflusses der Aktie und dem Übernahmepreis zufließe (BFH, Urteil vom 10.03.1972 VI R 278/68, BStBl. 1972, 596; BFH, Urteil vom 23.07.1999, VI B 116/99, BStBl. II 1999, 684). Demgegenüber wurde in der Literatur die Auffassung vertreten, dass bereits zum Zeitpunkt der Einräumung der Aktienoption eine Besteuerung vorzunehmen sei (Portner/Bödefeld, DStR 1995, 629). Mit Urteil vom 24.01.2001 hat sich der I. Senat des BFH der sogenannten „Chancenrechtsprechung" (vgl. Deutschmann, DStR 2001, 934) hinsichtlich nicht verwertbarer Aktienoptionen angeschlossen (BFH, Urteil vom 24.01.2001, I R 100/98, BFHR 195, 102). Wird einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ein nicht handelbares Optionsrecht auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem bestimmten Übernahmepreis gewährt, so liegt darin zunächst nur die Einräumung einer Chance. Ein geldwerter Vorteil fließt dem Berechtigten erst zu, wenn dieser die Option ausübt und der Kurswert der Aktien den Übernahmepreis übersteigt (BFH, Urteil vom 24.01.2001, I R 100/98, BFHE 1995, 102). Dabei führt der BFH in der genannten Entscheidung vom 24.01.2001 weiter aus, dass die Einräumung einer Option durch den Arbeitgeber nicht deshalb einen Lohnzufluss bewirke, weil ein Optionsrecht ein im Grundsatz bewertbarer Vermögensgegenstand sein könne. Zwar sei unbestritten, dass der Option ein „innerer" Wert beizumessen sei, der sich in dem gegenwärtigen und künftigen Wert der Anteilsscheine ausdrücke, auf die die Option den Zugriff ermögliche. Es sei sicherlich auch richtig, dass insbesondere Ausübungshürden, wie Sperrfristen und Wartezeiten, entweder mittels eines Bewertungsabschlages berücksichtigt werden könnten oder aber im Hinblick auf § 9 des Bewertungsgesetzes unberücksichtigt bleiben müssten. Solange der Berechtigte aber infolge der Unübertragbarkeit und der Verwertungshindernisse nicht in der Lage sei, diesen Wert zu realisieren, sei er für ihn ohne jeden Nutzen. Zu einem für ihn messbaren Vorteil wird er erst in jenem Zeitpunkt, indem er die Option ausübte (BFH, Urteil vom 24.01.2001, I R 100/98, BFHE 195, 102).
Im Streitfall führt diese Rechtssprechung nach Ansicht des Senats dazu, dass beim entgeltlichen Erwerb der Aktienpakete noch kein lohnsteuerlich relevanter Anteil des Entgeltes auf die jeweils mit erworbene Aktienoption entfällt, was letztlich dazu führen würde, dass auch die die entgeltlich erworbenen Aktienpakete ihrerseits als verbilligt überlassen angesehen werden könnten. Die Aktienoptionen aus den streitgegenständlichen Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen sind nicht handelbar. Dementsprechend haben sie zum Zeitpunkt des entgeltlichen Erwerbes des jeweiligen Aktienpakets noch keinen eigenständigen Wert, welcher sich am Markt realisieren ließe. Vielmehr erlangt der jeweilige Arbeitnehmer mit der Aktienoption zunächst lediglich eine Chance, in künftigen Jahren weitere Aktien zu erhalten. Ob sich diese Chance tatsächlich realisiert, hängt unter anderem davon ab, ob der Mitarbeiter die maßgeblichen Aktienpakete in Zukunft noch hält und zudem Mitarbeiter der Klin. bleibt. Ferner erhalten die Mitarbeiter die aus den Optionsaktien folgenden Stimmrechte und Dividendenansprüche erst mit dem Zufluss der Optionsaktien, so dass auch insoweit den Optionen noch kein eigenständiger Wert beizumessen wäre. Schließlich spricht gegen die Auffassung der Klin., dass sich die Höhe des Kaufpreises ausschließlich aus dem Kurswert zum Zeitpunkt des (entgeltlichen) Erwerbes und der Anzahl der entgeltlich erworbenen Aktien bestimmte. Das Optionsrecht wurde nicht gesondert eingepreist.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des FG Düsseldorf vom 17.07.2002 zum Zweiten Börsengang der Deutschen Telekom AG (2 K 4068/01 E, EFG 2002, 1382). Dort hatte das Gericht über die Besteuerung von kostenlosen Bonusaktien zu entscheiden, welche Privatanleger vom Bund als Aktionär der Deutschen Telekom AG erhielten, wenn sie Aktienpakete im Rahmen des Zweiten Börsenganges der Deutschen Telekom AG erwarben und bestimmte Haltefrist einhielten. Das FG Düsseldorf war der Ansicht, dass die Gewährung von Bonusaktien eine nachträgliche Minderung der Anschaffungskosten der ursprünglich erworbenen Aktien bewirke und der Zufluss der Bonusaktien damit nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG führe. Das FG Düsseldorf leitet dies aus dem Begriff der Anschaffungskosten gemäß § 255 HGB ab, der in das Steuerrecht übernommen worden sei. Anschaffungskosten seien danach diejenigen Aufwendungen, die geleistet würden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden könnten. Anschaffungsminderungen seien von den Anschaffungskosten abzusetzen (§ 255 Abs. 1 Satz 3 HGB). Die Höhe der Anschaffungskosten könne sich nachträglich ändern. Eine Minderung der Anschaffungskosten träte dann ein, wenn eine durch die Anschaffung veranlasste Verringerung der bisherigen Anschaffungen vorliege (FG Düsseldorf, Urteil vom 17.07.2002, 2 K 4068/01 E, EFG 2002, 1382 m. w. N.). Der so verstandene Begriff der Anschaffungskosten gelte auch für gesellschaftsrechtliche Vorgänge wie den Erwerb von Aktien, mit denen der Aktionär ein Bündel von Mitgliedschaftsrechten erwerbe. Auf den Zeitpunkt der Minderung der Anschaffungskosten käme es nicht an. Nachträgliche Änderungen des Entgelts seien auch dann, wenn sie in großem zeitlichen Abstand zur Anschaffung erfolgen würden, noch durch die Anschaffung des Wirtschaftsgutes veranlasst. Dabei müsse allerdings der Preisminderungsvorgang mit dem Anschaffungsgeschäft so verbunden sein, dass der Zufluss der Güter in Geld oder Geldeswert sich als Ermäßigung der Anschaffungskosten darstelle. Eine solche Ermäßigung von Anschaffungskosten sei dann anzunehmen, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Anschaffungsgeschäft gegeben sei, wenn also der maßgebliche Anlass für die Minderung gerade in der Anschaffung liege (FG Düsseldorf, Urteil vom 17.07.2002, 2 K 4068/01 E, EFG 2002, 1382).
Übertragen auf den Streitfall würde dies bedeuten, dass jedenfalls bei den Mitarbeitern, welche bereits aufgrund ihrer entgeltlich erworbenen Aktienpakete Gratisaktien erhalten haben, eine nachträgliche Anschaffungskostenminderung eingetreten wäre und insoweit auch die entgeltlich erworbenen Aktienpakete verbilligt, weil unter dem jeweiligen Kurswert erlangt worden wären.
Im Revisionsverfahren hat der BFH die genannte Entscheidung des FG Düsseldorfs jedoch aufgehoben (Urteil vom 07.12.2004, VIII R 70/02, BFHE 208, 546). Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, dass die Bonusaktien nicht in der nicht steuerbaren Vermögensebene des Privatanlegers, sondern in der steuerpflichtigen Erwerbsebene zugeflossen seien und somit Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliegen würden. Maßgeblich sei, ob - bei wertender Betrachtung - das die Vorteilszuwendung auslösende Moment oder - im Falle eines Ursachenbündels - zumindest eines der auslösenden Momente in einem nicht zu vernachlässigendem Ausmaß der Erwerbssphäre zuzuordnen sei (BFH, Urteil vom 07.12.2004, VIII R 70/02, BFHE 208, 546).
Im Streitfall beruht die Vorteilszuwendung auf einem Element aus der Erwerbssphäre. Die Klin. hat selbst ausgeführt, dass die Einräumung der Aktienoptionen der Motivation der Mitarbeiter diente und zudem mit dem Element der Haltefristen eine Bindung der Arbeitnehmer an das Unternehmen der Klin. erreicht werden sollte.
3. Entgegen der Auffassung der Bekl. führt die Anwendung der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht dazu, dass sich der Freibetrag nach § 19a EStG verringert, weil die gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht der Besteuerung unterliegenden Gratisaktien nicht mehr im Rahmen der Ermittlung des Freibetrages nach § 19a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen sind. Vielmehr sind auch die wegen § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht zu versteuernden Gratisaktien noch in die Ermittlung des Freibetrages nach § 19a Abs. 1 EStG einzubeziehen. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut von § 19a Abs. 1 EStG, denn auch bei den wegen § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht zu versteuernden Gratisaktien handelt es sich um unentgeltliche Vermögensbeteiligungen im Sinne des § 19a EStG. Ferner hat der BFH im Beschluss vom 06.07.2011 ausgeführt, dass die Freigrenze für Sachbezüge in § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG neben dem Freibetrag aus § 19a Abs. 1 EStG anwendbar ist, weil ersteres eine Vereinfachungsregel und letzteres eine Steuerbegünstigung ist (VI R 35/10, BFH/NV 2011, 1683). Ein echtes Nebeneinander der Regelungen wird dabei nur erreicht, wenn zur Ermittlung des Freibetrages nach § 19a Abs. 1 EStG auch die Sachbezüge in Form von Vermögensbeteiligungen einbezogen werden, die wegen der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht zu versteuern sind.
3. Die Berechnung des verminderten Haftungsbetrages wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Bekl. übertragen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
5. Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen (115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Es ist nicht endgültig geklärt, ob in die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung des Freibetrages des § 19a EStG in der jeweils gültigen Fassung auch nicht verbilligt überlassenen Vermögensbeteiligungen einzubeziehen sind, ob eine verbilligte Überlassung einer Vermögensbeteiligung im Sinne des § 19a EStG in der jeweils gültigen Fassung auch dann vorliegt, wenn die Verbilligung in der Draufgabe einer unentgeltlichen, nicht übertragbaren Aktienoption liegt und ob gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG steuerfrei erlangte Vermögensbeteiligungen in die Bemessungsgrundlage zur Ermittlung des Freibetrages nach § 19a EStG in der jeweils gültigen Fassung einzubeziehen sind.
6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung.