FG Köln: Bekanntgabe eines Vorsteuervergütungsbescheides mit einfacher E-Mail zulässig
FG Köln, Urteil vom 13.12.2017 – 2 K 837/17
ECLI:DE:FGK:2017:1213.2K837.17.00
Volltext BB-Online BBL2018-1110-3
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Klägerin, Vergütung von Vorsteuer zu erlangen, und hierbei insbesondere um die Frage, ob fristgerecht Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid eingelegt worden ist.
Die Klägerin ist ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen, deren Geschäftsgegenstand der Großhandel mit ... ist. Am 8. Februar 2016 stellte sie, die Klägerin, beim Beklagten einen – in elektronischer Form über das hierzu von der niederländischen Finanzverwaltung bereitgestellte Portal – Antrag auf Vorsteuervergütung im besonderen Verfahren nach § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) in Höhe von 4.773,70 € für den Zeitraum Januar bis Dezember 2015. Im Vergütungsantrag gab die Klägerin als Adresse für die elektronische Kommunikation die E-Mail-Adresse „m@...“ an.
Mit E-Mail vom 9. Februar 2016, gerichtet an die Adresse „m@...“, forderte der Beklagte bei der Klägerin weitere Informationen an, da in einer Rechnung der Firma A in B, eine Lieferanschrift in Deutschland angegeben war und der Sachverhalt, der der Rechnung der Firma C GmbH zugrunde lag, nicht erkennbar gewesen ist. Des Weiteren fordere der Beklagte die Klägerin auf, zu den eingereichten Rechnungen Zahlungsnachweise beizubringen.
Als daraufhin seitens der Klägerin keine Rückmeldung beim Beklagten einging, erließ der Beklagte mit Datum 5. April 2016 einen Vorsteuervergütungsbescheid (Bl. 6 der Verwaltungsakte des Beklagten -VA-; Bl. 3 der Gerichtsakte -GA-) und lehnte die beantragte Vorsteuervergütung mit der Begründung ab, dass der Sachverhalt aufgrund unzureichender Mitwirkung seitens der Klägerin nicht vollständig aufgeklärt werden konnte. Dieser Bescheid wurde mit einfacher E-Mail wiederum an die von der Klägerin im Antrag angegebene E-Mail-Adresse versandt.
Am 7. Juni 2016 beantragte die Klägerin erneut im elektronischen Antragsverfahren die Vorsteuervergütung für den Zeitraum Januar bis Dezember 2015 in Höhe von 4.773,70 €. Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 2016 (übersandt mit E-Mail vom 11. Juli 2016; vgl. Bl. 12, 14 der VA) mit, dass es sich bei dem Antrag vom 7. Juni 2016 um einen Änderungsantrag betreffend den Vergütungszeitraum Januar bis Dezember 2015 handele, der als Einspruch gegen den Bescheid vom 5. April 2016 gewertet werde. Allerdings sei dieser Einspruch erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen den ablehnenden Vergütungsbescheid eingegangen, so dass eine Abänderung der ablehnenden Entscheidung über die Vorsteuervergütung für Januar bis Dezember 2015 nicht möglich sei. Mit E-Mail vom 20. September 2016 übersandte der Beklagte ein inhaltsgleiches Schreiben nochmals an die Klägerin.
Daraufhin teilte die Klägerin mit E-Mail (Absenderadresse „t@...“) vom 3. November 2016 mit, dass sie mit der Ablehnung/Verwerfung des Einspruchs nicht einverstanden sei, da sie, die Klägerin, das Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 nicht erhalten habe. Die Klägerin bat gleichzeitig um Übersendung einer Kopie des Schreibens vom 11. Juli 2016 bzw. um Angabe, welche Belege von ihr noch einzureichen seien, um die beantragte Vorsteuervergütung zu erhalten. Sodann übersandte der Beklagte mit E‑Mail vom 7. November 2016, gerichtet an die von der Klägerin bei der E-Mail vom 3. November 2016 verwandte E-Mail-Adresse „t@...“, nochmals das Erörterungsschreiben vom 11. Juli 2016 und teilte gleichzeitig mit, dass das Schreiben vom 20. September 2016 eine Erinnerung darstelle und eine Änderung des Bescheides vom 5. April 2016 aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Bestandskraft nicht möglich sei.
Nachdem keine weitere Äußerung seitens der Klägerin einging, verwarf der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 unter der Rechtsbehelfslistennummer RBL 1 (Bl. 25 der VA; Bl. 14 der GA) als unzulässig, da sich die Klägerin gegen den Bescheid vom 5. April 2016 erst mit dem Änderungsantrag vom 7. Juni 2016 und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist gewandt habe und auch keine Anhaltspunkte für eine Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Einspruchsfrist ersichtlich seien. Die Einspruchsentscheidung wurde am 6. Januar 2017 zur Post aufgegeben (vgl. Bl. 26R der VA).
Hiergegen wandte sich die Klägerin per E-Mail vom 21. März 2017 und teilte mit, dass sie zweimal, und zwar am 4. Februar und nochmals am 7. Juni 2016, vergeblich die erforderlichen Informationen und Belege eingereicht habe, diese digitalen Belege jedoch möglicherweise nicht durch den Spamfilter gelangt seien. Sodann übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 24. März 2017 die Antragsunterlagen sowie weitere Korrespondenzen nochmals in Papierform an den Beklagten. Der Beklagte wertete die E-Mail vom 21. März 2017 als (erneuten) Einspruch gegen die Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 und verwarf diesen Einspruch mit weiterer Einspruchsentscheidung vom 28. März 2017 (Bl. 37 der VA) unter der Rechtsbehelfslistennummer RBL 2 als unzulässig.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 (zu Rechtsbehelfslistennummer RBL 1) wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden, am 28. März 2017 bei Gericht eingegangenen Klage, zu deren Begründung sie, die Klägerin, im Wesentlichen die bereits zur Begründung des Einspruchs angebrachten Argumente vorträgt. Sie, die Klägerin, habe seitens des Beklagten, obwohl die Klägerin darum gebeten hatte, keine Mitteilung erhalten, welche Informationen oder Unterlagen noch erforderlich sein sollten, damit die von der Klägerin begehrte Vorsteuervergütung erfolgen kann. Die Begründung im Ablehnungsbescheid, dass die Klägerin auf eine schriftliche Aufforderung des Beklagten nicht reagiert habe, könne sie, die Klägerin, nicht nachvollziehen. Des Weiteren habe sie auch die schriftliche Aufforderung des Beklagten vom 11. Juli 2016 nicht erhalten. Zur weiteren Begründung ihrer Klage reichte die Klägerin im Klageverfahren nochmals die Rechnungsunterlagen ein.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Vergütungsbescheides vom 5. April 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 zu verpflichten, die Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Januar bis Dezember 2015 in Höhe von 4.773,70 € festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, die Klägerin habe nicht fristgerecht Einspruch gegen den Vergütungsbescheid vom 5. April 2016 eingelegt. Aufgrund der Versendung des Bescheids an die von der Klägerin angegebene E-Mail-Adresse sei die Einspruchsfrist am 9. Mai 2016 abgelaufen. Die Klägerin habe jedoch erstmals mit dem erneut gestellten Vorsteuervergütungsantrag am 7. Juni 2016 ihren Willen bekundet, gegen den Bescheid vom 5. April 2016 vorgehen zu wollen, so dass dieser Änderungsantrag als Einspruch gegen den ablehnenden Bescheid zu werten sei. Dieser Einspruch sei jedoch verfristet.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Einspruchsfrist sei nicht zu gewähren. Zum einen sei die Klägerin spätestens mit dem Anhörungsschreiben des Beklagten vom 20. September 2016 auf das Fristversäumnis hingewiesen worden. Die Klägerin habe jedoch unabhängig von der für die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags zu beachtenden Monatsfrist (vgl. § 110 Abs. 2 AO) bis heute keine Umstände vorgetragen, die das Fristversäumnis als entschuldbar erscheinen lassen könnten. Unabhängig davon sei die Klägerin nicht ohne eigenes Verschulden daran gehindert gewesen, fristwahrend Einspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 5. April 2016 einzulegen.
Aus den Gründen
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet ist.
I. Das Gericht war trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin am 13. Dezember 2017 nicht gehindert, die mündliche Verhandlung durchzuführen und den Rechtsstreit zu entscheiden. Insbesondere verletzt die Durchführung der mündlichen Verhandlung die Klägerin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
1. Die Klägerin ist mit gerichtlichem Schreiben vom 22. August 2017 (vgl. Bl. 53, 56 der GA) ordnungsgemäß nach § 53 Abs. 3 FGO aufgefordert worden, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, sowie auf die Folgen, wenn dies nicht geschieht, hingewiesen worden. Da die Klägerin der gerichtlichen Aufforderung nicht nachgekommen ist, gilt die am 24. November 2017 (vgl. Bl. 84, 87 der GA) beim Postamt E aufgegebene Terminsladung zum 13. Dezember 2017 gemäß § 53 Abs. 3 Satz 2 FGO mit der Aufgabe zur Post als zugestellt.
2. Das Gericht war nicht gehalten, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen bzw. die Verhandlung zu vertagen.
Gemäß §§ 91 Abs. 4, 155 FGO in Verbindung mit § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Ver-handlung vertagt werden. Keine erheblichen Gründe in diesem Sinne sind insbesondere das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO), oder die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt (§ 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO).
Die Voraussetzungen für eine Terminsänderung lagen nicht vor. Die Klägerin hat keinen Antrag auf Terminsverlegung gestellt. Auch sonst waren keine Umstände ersichtlich, die eine Terminsverlegung erfordert hätten.
II. Die Klage ist unzulässig.
1. Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO). Wird die Entscheidung durch die Post übermittelt, gilt sie bei Zusendung im Inland am dritten Tage, bei Zusendung ins Ausland mit dem Ablauf eines Monats nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 122 Abs. 2 AO).
2. Im Streitfall ist nach Aktenlage die Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 an diesem Tag auch zur Post aufgegeben worden, so dass die Einspruchsentscheidung am 6. Februar 2017 als zugegangen gilt und in der Folge die Klagefrist zu laufen begann. Die Klagefrist von einem Monat endet mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist (§§ 188 Abs. 1, 187 Abs. 1 BGB i.V.m. § 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 ZPO), mithin im vorliegenden Fall am 6. März 2017. Die Klage ging jedoch erst am 28. März 2017 und somit verfristet bei Gericht ein.
3. Der Klägerin ist auch nicht gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Klagefrist zu gewähren, denn weder hat die Klägerin Umstände dafür, dass sie entschuldbar an der Wahrung der Klagefrist gehindert gewesen sein könnte, vorgetragen noch sind derartige Umstände sonst ersichtlich.
III. Unabhängig davon wäre die Klage auch unbegründet, da die Entscheidung des Beklagten mit Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017, den von der Klägerin gegen den ablehnenden Vorsteuervergütungsbescheid vom 5. April 2016 eingelegten Einspruch als verfristet zu verwerfen, rechtmäßig ist und die Klägerin hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt ist (vgl. § 101 Satz 1 FGO). Die von der Klägerin begehrte Abänderung dieses Ablehnungsbescheides scheidet aus, da der Bescheid bestandskräftig geworden ist. Die Klägerin hat hiergegen weder fristgerecht Einspruch eingelegt noch rechtzeitig einen Änderungsantrag gestellt.
1. Eine Abänderung der Festsetzung der Vorsteuervergütungsbeträge für den Streitzeitraum wäre zum einen nur möglich, wenn die Klägerin den ablehnenden Vorsteuervergütungsbescheid vom 5. April 2016 mit dem Einspruch angefochten hätte. Dies hat die Klägerin jedenfalls nicht fristgerecht getan.
a) Die Frist für die Einlegung eines Einspruchs gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten gemäß § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, wie vorliegend gegen den Vorsteuervergütungsbescheid, beträgt gemäß § 355 Abs. 1 AO einen Monat ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Diese Frist wurde im Streitfall versäumt.
aa) Gemäß § 122 Abs. 2a AO gilt ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Im vorliegenden Fall ist der streitgegenständliche Vorsteuervergütungsbescheid vom 5. April 2016 am selben Tag an die Klägerin per E-Mail abgesendet worden, so dass er als am 8. April 2016 bekannt gegeben gilt. Ein späterer Zugang des Bescheids bei der Klägerin ist weder ersichtlich noch hat die Klägerin dafür sprechende Umstände vorgetragen.
bb) Die Einspruchsfrist beginnt gemäß § 108 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit Ablauf des Tages der Bekanntgabe und endet gemäß § 355 AO einen Monat später. Vorliegend endete die Einspruchsfrist einen Monat nach der Bekanntgabe des Bescheides am 8. April 2016, mithin am 8. Mai 2016 (vgl. § 108 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 188 Abs. 2 BGB).
Diese Frist hat die Klägerin versäumt, da sie sich bis zum 8. Mai 2016 nicht gegen den Bescheid gewandt hat. Die Klägerin bekundete erstmals mit dem erneuten Vergütungsantrag im Juni 2016, dass sie mit der ablehnenden Entscheidung nicht einverstanden ist. Diesen neuen Antrag legte der Beklagte zutreffend als Einspruch aus, der ihm jedoch erst am 7. Juni 2016, d.h. nach Ablauf der Einspruchsfrist, zugegangen ist.
b) Wegen der Versäumung der Einspruchsfrist kann der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 Satz 1 AO gewährt werden.
aa) Gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 110 Abs. 2 Satz 2 AO).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass der Betroffene ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist zu wahren. Verschulden liegt vor, wenn jemand die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt nicht beachtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2006 VI R 48/05, BFH/NV 2007, 861 m.w.N.). Insoweit ist ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab anzuwenden und auf die konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten des Betroffenen abzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Juni 2004 III B 174/03, BFH/NV 2004, 1619 im Anschluss an BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002, 1 BvR 476/01, BStBl. II 2002, 835). In diesem Sinne schadet jedes Verschulden, mithin auch einfache Fahrlässigkeit (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2008, IX B 251/06, BFH/NV 2008, 755).
bb) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Klägerin hat nicht dargetan, inwieweit sie gehindert gewesen sein könnte, sich innerhalb der Einspruchsfrist nach Bekanntgabe des Vergütungsbescheides vom 5. April 2016 an den Beklagten zu wenden und Einspruch gegen den Bescheid einzulegen oder in sonstiger Weise gegenüber dem Beklagten kundzutun, dass sie gegen diesen Bescheid vorgehen möchte.
2. Die Bestandskraft ist auch nicht dadurch verhindert worden, dass die Klägerin einen erneuten Antrag auf Festsetzung von Vorsteuervergütung für den Streitzeitraum gestellt hat, denn insoweit hat die Klägerin die für die Stellung von Änderungsanträgen maßgebliche Frist nicht beachtet.
Vorliegend kommt allenfalls eine Abänderungsbefugnis gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO in Betracht. Danach darf ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder Verbrauchsteuern betrifft, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird. Des Weiteren gilt diese Änderungsbefugnis zu Gunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zustimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Klägerin hat – wie ausgeführt – nicht innerhalb der Einspruchsfrist nach Ergehen des Ablehnungsbescheids vom 5. April 2016 einen Antrag auf Änderung eines Steuerbescheids nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO gestellt. Der als Änderungsantrag in diesem Sinne anzusehende neue Vorsteuervergütungsantrag im Juni 2016 ist erst nach Ablauf der Einspruchsfrist beim Beklagten eingegangen.
3. Eine fristgerechte Einspruchseinlegung ist auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil es an einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe des streitgegenständlichen Vergütungsbescheides mangelt. Die Bekanntgabe des Vorsteuervergütungsbescheides vom 5. April 2016 mit E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur und ohne Verschlüsselung ist rechtmäßig erfolgt.
a) Gemäß § 119 Abs. 2 Satz 1 AO kann ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Gemäß § 119 Abs. 3 Satz 1 AO muss ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen. Gemäß § 119 Abs. 3 Satz 2 AO muss ein derart erlassener Verwaltungsakt die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mithilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Gemäß § 119 Abs. 3 Satz 3 AO muss für den Fall, dass für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet ist, bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zu Grunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen.
Gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird.
Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 AO werden die Steuern, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 AO ist ein Steuerbescheid der gemäß § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Verwaltungsakt. Gemäß § 157 Abs. 1 Satz 1 AO sind Steuerbescheide schriftlich zu erteilen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Darüber hinaus müssen schriftliche Steuerbescheide die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet, sowie eine Belehrung enthalten, welcher Rechtsbehelf zulässig ist und binnen welcher Frist über welche Behörde dieser einzulegen ist (§ 157 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO).
Gemäß § 87a Abs. 1 Satz 1 AO in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung ist die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Ein elektronisches Dokument ist zugegangen, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung es in für den Empfänger bearbeitbarer Weise aufgezeichnet hat (§ 87a Abs. 1 Satz 2 AO). Übermittelt die Finanzbehörde Daten, die dem Steuergeheimnis unterliegen, sind diese Daten mit einem geeigneten Verfahren zu verschlüsseln (§ 87a Abs. 1 Satz 3 AO). Gemäß § 87a Abs. 4 Satz 1 AO kann eine durch Gesetz für Verwaltungsakte oder sonstige Maßnahmen der Finanzbehörden angeordnete Schriftform, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. Gemäß § 87a Abs. 4 Satz 2 AO in der ab 1. Juli 2014 und damit im vorliegenden Verfahren aufgrund der Bekanntgabe des Bescheides im April 2016 maßgeblichen Fassung genügt der elektronischen Form ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist. Gemäß § 87a Abs. 4 Satz 3 AO kann die Schriftform auch ersetzt werden durch Versendung einer De-Mail-Nachricht nach § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes, bei der die Bestätigung des akkreditierten Diensteanbieters die erlassene Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lässt.
b) Gemäß § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung kann das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrats die Vergütung der Vorsteuerbeträge an im Ausland ansässige Unternehmer abweichend von § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG durch Rechtsverordnung in einem besonderen Verfahren regeln. Hierbei kann gemäß § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 5 UStG unter anderem angeordnet werden, dass der Bescheid über die Vergütung der Vorsteuerbeträge elektronisch erteilt wird. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in §§ 59 ff. UStDV Gebrauch gemacht. Für Antragsteller, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig sind, ist gemäß § 61 Abs. 1 UStDV der Vergütungsantrag nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über das in dem Mitgliedstaat, in dem der den Antrag stellende Unternehmer ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal dem Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln. Gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV ist die Vergütung binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist, zu beantragen. Gemäß § 61 Abs. 4 Satz 1 und 2 UStDV ist der Bescheid über die Vergütung von Vorsteuerbeträgen in elektronischer Form zu übermitteln; § 87a Abs. 4 Satz 2 AO ist nicht anzuwenden.
c) Diese nationalen Vorschriften für das Vorsteuervergütungsverfahren beruhen für Antragsteller aus dem Gebiet der Europäischen Union – wie die Klägerin – für ab 2010 gestellte Vergütungsanträge nach der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art. 171 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystem-Richtlinie, ABl. EU L 347, 1) auf der hierfür maßgeblichen Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (Mehrwertsteuererstattungs-Richtlinie, -Richtlinie 2008/9/EG-, ABl. EU 44, 23).
Gemäß Art. 7 der Richtlinie 2008/9/EG muss der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige, um eine Erstattung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Erstattung zu erhalten, einen elektronischen Erstattungsantrag an diesen Mitgliedstaat richten und diesen in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über das von letzterem Mitgliedstaat eingerichtete elektronische Portal einreichen. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/9/EG hat der Antragsteller im Antrag eine Adresse für die elektronische Kommunikation anzugeben. Gemäß Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG setzt der Mitgliedstaat der Erstattung den Antragsteller „auf elektronischem Wege“ unverzüglich vom Datum des Eingangs des Antrags beim Mitgliedstaat der Erstattung in Kenntnis. Gemäß Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG teilt der Mitgliedstaat der Erstattung dem Antragsteller mit seiner Entscheidung über den Antrag die Gründe mit, wenn der Erstattungsantrag ganz oder teilweise abgewiesen wird.
d) Nach diesen gesetzlichen und unionsrechtlichen Vorgaben sind die Voraussetzungen für eine wirksame Bekanntgabe des Vorsteuervergütungsbescheides vom 5. April 2016 in elektronischer Form, auch mit einfacher E-Mail, erfüllt. Die Bekanntgabe des streitgegenständlichen Vergütungsbescheides mit einfacher E‑Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur ist rechtmäßig (vgl. dazu bereits FG Köln, Urteil vom 16. September 2015, 2 K 2040/12, EFG 2016, 159).
aa) Zunächst ist die Übermittlung elektronischer Dokumente seitens des Beklagten an die Klägerin zulässig, da die Klägerin insoweit gemäß § 87a Abs. 1 Satz 1 AO hierfür einen Zugang eröffnet hat.
(1) Die Eröffnung eines Zugangs zur elektronischen Kommunikation im Sinne von § 87a Abs. 1 Satz 1 AO erfolgt dadurch, dass der Empfänger für die Kommunikation im steuerlichen Verfahren eine für den Empfang elektronischer Dokumente geeignete technische Einrichtung bereitstellt und damit einverstanden ist, dass diese Einrichtung für derartige Kommunikationszwecke genutzt wird (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 87a AO Rn. 4; Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646, 1647). Die Erklärung des Einverständnisses als subjektive Komponente ist hierbei an keine bestimmte Form gebunden und kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erklärt werden. Fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung, ist nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen, ob der Empfänger den Zugang zur elektronischen Kommunikation eröffnet hat, denn der Gesetzgeber hat sich gerade dagegen entschieden, ein generell geltendes Zustimmungserfordernis zu regeln (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 87a AO Rn. 5; Volquardsen in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 87a AO Rn. 8, sowie BT-Drucks. 14/9000, S. 31). Hierbei ist unter anderem danach zu differenzieren, ob es sich beim Empfänger um eine Privatperson oder um eine selbstständig bzw. gewerblich tätige Person handelt. Bei letztgenanntem Personenkreis ist regelmäßig davon auszugehen, dass mit der Angabe der E-Mail-Adresse im geschäftlichen Verkehr die Bereitschaft, E-Mails zu empfangen, erklärt wird (so auch AEAO zu § 87a Nr. 1.2). Das gleiche gilt auch, wenn der Steuerpflichtige auf elektronischem Wege Kontakt mit einer Finanzbehörde aufnimmt; dann ist in aller Regel das Einverständnis damit erklärt, dass die mit der Kontaktaufnahme im Zusammenhang stehende Kommunikation auf diesem elektronischen Wege geführt wird (vgl. Volquardsen in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 87a AO Rn. 8a; Ortwald, DStR 2017, 477, 478).
(2) Hiernach hat die Klägerin für das Vorsteuervergütungsverfahren den Streitzeitraum betreffend den Zugang zur Übermittlung elektronischer Dokumente seitens des Beklagten einschließlich der Bekanntgabe behördlicher Entscheidungen eröffnet, denn die Klägerin hat mit ihrem Antrag im Vorsteuervergütungsverfahren eine E-Mail-Adresse zum Zwecke der elektronischen Kommunikation angegeben. Zudem hat die Klägerin über die Antragstellung hinaus im Einspruchsverfahren selbst eine E-Mail an den Beklagten gesendet und um Übersendung des streitgegenständlichen Bescheides sowie weiterer Informationen gebeten. Ohne Bedeutung ist es hierbei, dass sich für die Klägerin keine Alternative zur Angabe der E-Mail-Adresse im Vergütungsantrag bot, da seit 2010 diese Angabe gesetzlich vorgeschrieben ist, um überhaupt die Vorsteuervergütung beantragen zu können. Die Klägerin hat in Kenntnis dieser Voraussetzungen gleichwohl freiwillig am elektronischen Antragsverfahren teilgenommen und mit Angabe der E-Mail-Adresse sowie mit der darüber hinaus selbst angewandten Kommunikation per E-Mail der elektronischen Kommunikation mit dem Beklagten zugestimmt.
Der per E-Mail an die Klägerin übersandte Vergütungsbescheid ist der Klägerin auch zugegangen, da der Inhalt der E-Mail bei der Klägerin in einer für sie, die Klägerin, bearbeitbaren Weise aufgezeichnet bzw. gespeichert worden ist (vgl. § 87a Abs. 1 Satz 2 AO).
bb) Der streitgegenständliche, als elektronisches Dokument an die Klägerin übermittelte Bescheid genügt des Weiteren den gesetzlichen Anforderungen an Form und Inhalt von Steuerbescheiden sowie den allgemeinen Formerfordernissen eines Verwaltungsakts gemäß §§ 119 Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1 und 2, § 157 Abs. 1 AO. Insbesondere genügt die mit einfacher E‑Mail erfolgte Bekanntgabe des Vergütungsbescheides dem gesetzlichen Erfordernis, dass der Bescheid schriftlich zu erteilen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf das Senatsurteil vom 16. September 2015 (2 K 2040/12, EFG 2016, 159) Bezug genommen.
cc) Etwas anderes folgt auch nicht unter Berücksichtigung der Regelungen in § 87a Abs. 4 Satz 2 und 3 AO und der im Streitzeitraum geltenden Fassung und § 119 Abs. 3 Satz 3 AO. Diese Normen stehen einer wirksamen Bekanntgabe von Steuerbescheiden im Vorsteuervergütungsverfahren mit einfacher E‑Mail nicht entgegen.
(1) Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob ein Verstoß gegen die Regelungen zur Beifügung einer qualifizierten elektronischen Signatur bei gesetzlich vorgeschriebener „Schriftform“, wie sie in § 87a Abs. 4 Satz 2 AO sowie § 119 Abs. 3 Satz 3 AO enthalten sind, zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO führt (so etwa Fritsch in Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 119 Rn. 39), da dieser Fall nicht mit einer fehlenden Unterschrift bzw. fehlenden Namenswiedergabe vergleichbar sein soll. Im vorliegenden Fall fehlt es an einer für den Erlass eines Vorsteuervergütungsbescheids gesetzlich vorgeschriebenen „Schriftform“; vielmehr ist gemäß § 157 Abs. 1 Satz 1 AO (lediglich) vorgeschrieben, dass Steuerbescheide „schriftlich“ zu erlassen sind.
(2) Die Wirksamkeit eines schriftlich zu erlassenden Steuerbescheides setzt keine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz voraus. § 87a Abs. 4 Satz 2 AO findet insoweit keine Anwendung. Das Erfordernis der „Schriftlichkeit“ nach § 157 Abs. 1 Satz 1 AO bzw. § 119 Abs. 3 Satz 1 AO ist nicht ohne Weiteres gleichzusetzen mit dem Erfordernis der „Schriftform“ nach § 87a Abs. 4 Satz 2 AO bzw. § 119 Abs. 3 Satz 3 AO.
Verwenden die Gesetze Begriffe wie „Schriftstück“ oder „schriftlich“, so ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob die schriftliche Erklärung eine der einer Unterschrift zugeordneten Funktionen (Abschluss-, Perpetuierungs-, Identitäts-, Echtheits-, Verifikations-, Beweis- und Warnfunktion) erfüllen muss, und daher auch eine Unterschrift zu fordern ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 2015 III R 26/14, DStR 2015, 1922 m.w.N.).
Die gesetzlichen Regelungen in § 87a Abs. 4 Satz 2 AO bzw. § 119 Abs. 3 Satz 3 AO beziehen sich lediglich auf die Substitution der gesetzlich angeordneten „Schriftform“ durch die „elektronische Form“ bzw. einen „elektronischen Verwaltungsakt“. Bereits nach dem Wortlaut dieser Regelungen ist das von der Schriftform umfasste Unterschriftserfordernis nur in dem Falle einer gesetzlich angeordneten Schriftform durch die elektronische Signatur zu ersetzen. Aufgrund der Bezugnahme auf § 87a Abs. 4 Satz 1 AO ist unter dem Begriff „elektronische Form“ im Sinne von § 87a Abs. 4 Satz 2 AO – sowohl in der bis 30. Juni 2014 als auch in der ab 1. Juli 2014 geltenden Fassung – nicht das Gegenstück zur „Schriftlichkeit“ im papiergebundenen Verfahren zu verstehen, sondern vielmehr das Gegenstück zu einer durch Gesetz für Verwaltungsakte oder sonstige Maßnahmen der Finanzbehörden angeordneten „Schriftform“ zu verstehen (vgl. BT‑Drucks. 17/11473, S. 48 f.). „Schriftform“-Äquivalente wie die qualifizierte elektronische Signatur sind nur dort erforderlich, wo das Gesetz tatsächlich (strenge) Schriftform verlangt. Soweit das Gesetz hingegen für Anträge, Erklärungen oder Mitteilungen nicht die Schriftform verlangt, sondern eine schriftliche, d.h. in Text- oder Papierform abgefasste Erklärung ausreichen lässt, steht dies der Zulassung eines einfachen elektronischen Dokuments ohne eigenhändige Unterschrift (bzw. einer E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur) nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 2015 III R 26/14, DStR 2015, 1922). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auch insoweit auf das Senatsurteil vom 16. September 2015 (2 K 2040/12, EFG 2016, 159) Bezug genommen.
(3) Außerhalb des Anwendungsbereichs der § 87a Abs. 3 und 4 AO verbleibt es bei der Grundregel nach § 87a Abs. 1 Satz 1 AO, wonach die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig ist, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Diese allgemeine Regelung kennt kein Erfordernis einer elektronischen Signatur. Soweit das Gesetz kein formales, die eigenhändige Unterschrift umfassendes Schriftformerfordernis aufstellt, kann demnach § 87a Abs. 4 AO den Anwendungsbereich des § 87a Abs. 1 AO nicht einschränken (so auch BFH-Urteil vom 13. Mai 2015 III R 26/14, DStR 2015, 1922 zum Anwendungsbereich von § 87a Abs. 3 AO).
(4) Hierfür spricht letztendlich auch, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 5 UStG gerade für das Vorsteuervergütungsverfahren die Möglichkeit vorgesehen hat, dass Vorsteuervergütungsbescheide elektronisch erteilt werden, ohne dass dies von der Beifügung einer qualifizierten elektronischen Signatur abhängig sein soll. Zur Klarstellung regelt § 61 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz UStDV, dass § 87a Abs. 4 Satz 2 AO keine Anwendung findet.
e) Der Wirksamkeit der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheides steht schließlich nicht entgegen, dass der Beklagte den Bescheid mit einfacher E-Mail ohne Verschlüsselung an die Klägerin versandt und damit das Gebot von § 87a Abs. 1 Satz 3 AO nicht beachtet hat.
aa) Zwar verlangt § 87a Abs. 1 Satz 3 AO, dass bei der Übermittlung von Daten, die dem Steuergeheimnis unterliegen, durch die Finanzbehörde diese Daten mit einem geeigneten Verfahren zu verschlüsseln sind. Diesen Anforderungen genügt eine einfache E-Mail – wie vorliegend vom Beklagten zur Versendung des streitgegenständlichen Vergütungsbescheides verwendet – nicht. Gleichwohl steht ein Verstoß gegen die Verschlüsselungspflicht der Wirksamkeit der Bekanntgabe eines Steuerbescheides nicht entgegen und ist daher im vorliegenden Zusammenhang unbeachtlich.
Zum einen orientiert sich die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts danach, zu welchem Zeitpunkt der Verwaltungsakt dem Adressaten bekannt gegeben wird (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO), mithin grundsätzlich unabhängig davon, auf welchem gesicherten oder ungesicherten Wege dies erfolgt. Zum anderen ist eine unverschlüsselte Datenübermittlung kein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 125 AO. Des Weiteren ist die Missachtung des Gebots einer hinreichenden Datenverschlüsselung nach Sinn und Zweck der Regelung in § 87a Abs. 1 Satz 3 AO einem Verfahrens- bzw. Formfehler gleichzusetzen, der allein nicht die Aufhebung eines Verwaltungsakts rechtfertigen kann, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (vgl. § 127 AO). Dies ist vorliegend der Fall. Die Entscheidung des Beklagten, den Vorsteuervergütungsantrag der Klägerin abzulehnen, ist unabhängig davon getroffen worden, ob bei der Übermittlung des Vorsteuervergütungsbescheides ein den Anforderungen von § 87a Abs. 1 Satz 3 AO genügendes Datenverschlüsselungsverfahren angewandt wird oder nicht.
bb) Die fehlenden Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer Bescheidbekanntgabe, wenn bei der elektronischen Übersendung des Bescheides kein geeignetes Verschlüsselungsverfahren verwendet wird, ergeben sich aus dem Regelungszweck von § 87a Abs. 1 Satz 3 AO. Die Pflicht zur Datenverschlüsselung dient dem auch im elektronischen Rechtsverkehr zu wahrenden Schutz des Steuergeheimnisses im Sinne von § 30 AO. Die Regelung in § 87a Abs. 1 Satz 3 AO stellt damit die Wahrung des Steuergeheimnisses auch bei der elektronischen Datenübermittlung klar (so ausdrücklich BT‑Drucks. 14/9000, S. 28). Dieser Regelungsgehalt ergibt sich allerdings bereits aus § 30 AO. In der Folge wird auch in der Literatur die Auffassung vertreten, § 87a Abs. 1 Satz 3 AO beinhalte keinen eigenen Regelungszweck (vgl. Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 87a AO Rn. 72; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 87a AO Rn. 9; Lewandowski/Ackermann, DStR 2014, 1646, 1648).
cc) Demgegenüber ist eine Literaturmeinung der Ansicht, die Nichtbeachtung des Gebots der Verschlüsselung elektronischer Daten müsse Rechtsfolgen nach sich ziehen, da die Rechtsfolge, dass ein unverschlüsselt übermittelter elektronischer Steuerverwaltungsakt wirksam bekannt gegeben werden könne, nicht überzeuge. Ansonsten könne die Regelung in § 87a Abs. 1 Satz 3 AO von den Finanzbehörden sanktionslos umgangen werden. Daher könne ein Verwaltungsakt, der dem Steuergeheimnis unterliegende Daten enthält, nur dann wirksam bekannt gegeben werden, wenn dieser auf einem verschlüsselten elektronischen Wege übermittelt wird (vgl. Ortwald, DStR 2017, 477, 482; so wohl auch Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 87a AO Rn. 9). Allerdings räumt auch diese Ansicht ein, dass eine Verletzung der Pflicht nach § 87a Abs. 1 Satz 3 AO für sich genommen noch keine wirksame Bekanntgabe verhindern könne; dies wäre konstruiert und lasse sich weder aus dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung ableiten (vgl. Ortwald, DStR 2017, 477, 480). Aus diesem Grund soll über den „Hebel“ des § 87a Abs. 1 Satz 1 AO das Verschlüsselungsgebot von § 87a Abs. 1 Satz 3 AO einen eigenen Regelungsgehalt erfahren und damit quasi eine Sanktionsmöglichkeit dergestalt eröffnen, dass das subjektive Element der Zugangseröffnung durch den Empfänger elektronischer Dokumente nur dann vorliege, wenn die Behörde das vom Gesetzgeber vorgesehene geeignete Verschlüsselungsverfahren auch tatsächlich anwendet. Die Zugangseröffnung stehe unter dem Vorbehalt, dass die Finanzbehörde die gesetzlich vorgesehene Verschlüsselung beachtet und damit die Daten des Steuerpflichtigen auch im Rahmen der elektronischen Kommunikation angemessen schützt (vgl. Ortwald, DStR 2017, 477, 480; ähnlich Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 87a AO Rn. 61). Teilweise wird argumentiert, die Zugangseröffnung durch den Stpfl. werde insoweit durch die „Erwartung“ beschränkt, die Finanzbehörde werde das Gebot der Verschlüsselung nach § 87a Abs. 1 Satz 3 AO beachten (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 87a AO Rn. 4).
dd) Dieser Sichtweise ist nicht zu folgen.
(1) Zwar mag es zutreffen, dass der Steuerpflichtige ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten auch im Rahmen der elektronischen Kommunikation geschützt sind, mindestens in der Weise wie auch bei Korrespondenzen in Papierform und deren postalischem Versand. Darüber hinaus vermag die Konsequenz, eine Bekanntgabe von Verwaltungsakten, die unter Verletzung des Steuergeheimnisses erfolgt, als wirksam anzusehen, durchaus auf Bedenken stoßen. Allerdings überzeugt die der Gegenansicht offensichtlich zu Grunde liegende Annahme, bereits das Versenden einer unverschlüsselten E-Mail stelle eine Verletzung des Steuergeheimnisses im Sinne von § 30 AO dar, nicht. Denn allein mit der unverschlüsselten Übersendung von Daten, die dem Schutz nach § 30 AO unterfallen, wird noch nicht gegen diese Vorschrift verstoßen, denn allein dadurch liegt mangels einer Kenntnisnahme der Daten durch Dritte noch kein unbefugtes Offenbaren vor. Vielmehr bedarf es zumindest noch einer naheliegenden und nicht nur entfernten Möglichkeit der Kenntnisnahme von den Daten, um eine unbefugte Offenbarung und damit einen Verstoß gegen § 30 AO annehmen können. Allein das mit dem unverschlüsselten E-Mail-Versand verbundene Risiko, dass unbefugte Dritte auf E-Mails zugreifen und somit von § 30 AO geschützte Daten erfahren können, genügt hierfür nicht. Ein solches abstraktes Risiko wäre außerhalb der elektronischen Kommunikationswege mit dem seit jeher bestehenden Risiko vergleichbar, dass Briefpost widerrechtlich geöffnet und damit Dritte unbefugt Kenntnis von geschützten Daten erlangen. Wie bei der Briefpost folgt auch beim E‑Mail-Versand allein aus der Möglichkeit, dass durch eine aktive Handlung die Kenntnis von geschützten Daten erlangt wird, noch keine Verletzung des Steuergeheimnisses.
(2) Insoweit ist die vorliegend zu beurteilende Konstellation des Versands von Steuerbescheiden mit unverschlüsselter E-Mail auch nicht mit dem von der Gegenansicht gebildeten Beispielsfall zu vergleichen, in dem ein Steuerbescheid in einer Klarsichtfolie versandt wird, so dass dessen Inhalt von Dritten eingesehen werden kann (vgl. Ortwald, DStR 2017, 477). Denn bei dem Versenden per E-Mail ist – anders als bei einem Bescheidversand in Klarsichtfolie oder gar einem öffentlichen Aushang eines Bescheides – nicht ohne Weiteres allein durch den „Anblick“ des Mediums, auf dem die geschützten Daten übermittelt werden, eine Kenntnisnahme der Daten möglich. Wenn auch eine unverschlüsselte E-Mail bei entsprechenden technischen Kenntnissen auch von unbefugten Dritten eingesehen werden könnte, bedarf es hierfür zumindest noch eines aktiven Tuns diese dritten Personen. Jedenfalls dürfte das Risiko, dass unbefugte Dritte vom Inhalt eines Steuerbescheides Kenntnis nehmen können, im Falle der Übersendung in Klarsichtfolie als unvergleichbar größer einzustufen sein als bei der Versendung unverschlüsselter E-Mails.
(3) Zudem überzeugt die Gegenansicht deshalb nicht, weil sie beim herkömmlichen postalischen Versand eines Steuerbescheides in Papierform die wirksame Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO) auch im Falle der Verletzung des Steuergeheimnisses nicht in Zweifel zieht (vgl. Ortwald, DStR 2017, 477, 478). Es ist nicht ersichtlich, dass für die Bekanntgabe eines elektronischen Dokuments etwas anderes gelten müsse. Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung bieten Anhaltspunkte dafür, dass die Verschlüsselungspflicht gemäß § 87a Abs. 1 Satz 3 AO als derart zwingende Voraussetzung für die elektronische Kommunikation angesehen werden kann, dass bei einem Verstoß hiergegen keine rechtswirksame elektronische Kommunikation erfolgen könne. Im Gegenteil wird in der Gesetzesbegründung explizit erwähnt, dass es keiner zusätzlichen Regelung für den Schutz von Geheimnissen der Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens bedarf, da bereits unter anderem aus § 30 AO folge, dass die Behörde die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen treffen, d.h. elektronische Dokumente in geeigneter Weise verschlüsseln müsse. Dies werde für den Anwendungsbereich der AO in § 87a Abs. 1 Satz 3 AO „zur Klarstellung (..) ausdrücklich angeordnet“ (vgl. BT-Drucks. 14/9000, S. 28).
(4) Schließlich führt auch die Überlegung, der Empfänger versehe die Zugangseröffnung im Sinne von § 87a Abs. 1 Satz 1 AO mit dem Vorbehalt bzw. der Bedingung, die Finanzbehörde verwende ein geeignetes Verschlüsselungsverfahren, zu keinem anderen Ergebnis. Es ist nicht sachgerecht, in einer generellen Betrachtung das Einverständnis mit der elektronischen Kommunikation mit den Finanzbehörden mit einem solchen Vorbehalt zu versehen. Dies kann vielmehr nur gelten, wenn der Empfänger ausdrücklich oder zumindest nach den Umständen der Zugangseröffnung zu verstehen gibt, dass er nur unter der Bedingung, dass ein geeignetes Verschlüsselungsverfahren im Sinne von § 87a Abs. 1 Satz 3 AO verwendet wird, den Zugang zur elektronischen Kommunikation eröffnet. Selbstverständlich willigt ein Steuerpflichtiger nicht deshalb in eine mögliche Verletzung des Steuergeheimnisses oder die Offenbarung geschützter Daten im Sinne von § 30 AO ein, nur weil er nicht ausdrücklich auf die Verwendung eines Verschlüsselungsverfahrens bei der elektronischen Kommunikation hinweist. Allerdings kann nicht unterstellt werden, dass ein Empfänger stets die Zugangseröffnung für die elektronische Kommunikation unter die Bedingung stellt, dass ein besonders gesichertes Verfahren wendet wird.
Dies gilt erst recht für den vorliegenden Streitfall, denn die Klägerin hat über die Angabe der E-Mail-Adresse im Vorsteuervergütungsantrag hinaus im Rahmen des Einspruchsverfahrens per unverschlüsselter E-Mail mit dem Beklagten kommuniziert, ohne dass auf Seiten der Klägerin oder seitens des Beklagten verschlüsselte E-Mails versendet wurden. Mit diesem Verhalten der Klägerin lässt sich die Annahme, die Zugangseröffnung seitens der Klägerin sei dahingehend eingeschränkt, dass sie nur für verschlüsselte E-Mails gelte, nicht vereinbaren.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.