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Steuerrecht
19.04.2013
Steuerrecht
FG Köln: Bei plastischer Chirurgie Leistungen ohne medizinische Indikation steuerpflichtig

FG Köln, Urteil vom 28.2.2013 - 15 K 4521/07

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist die Umsatzsteuerfreiheit von ärztlichen Leistungen des Klägers im Bereich der plastischen Chirurgie streitig.

In den Streitjahren 1999 bis 2002 war der Kläger Chefarzt der Abteilung für Plastische Chirurgie und Handchirurgie des A-Krankenhauses in B. Er verfügte bereits damals über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der plastischen, rekonstruktiven und kosmetischen Chirurgie sowie der Handchirurgie, so dass er über einen internationalen Patientenstamm verfügte. Zwischenzeitlich ist der Kläger in die Türkei verzogen.

Auf der Grundlage der Prüfungsanordnung vom 29.07.2004 führte der Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung durch. Zur Aufklärung des Sachverhalts forderte der Betriebsprüfer den Kläger zunächst auf, beispielhaft für die Monate November und Dezember 2000 und 2002 sämtliche Rechnungen vorzulegen. Bei den daraufhin vorgelegten Rechnungen deckte der Kläger die Indikationen der Patienten ab. Im weiteren Verlauf der Prüfung legte der Kläger sodann ausgewählte Rechnungen ambulanter Behandlungen mit nunmehr sichtbaren Indikationen vor, deren Rechnungsbeträge relativ gering waren, und später reichte er nochmals ausgewählte Rechnungen ein. Eine darüber hinaus gehende Vorlage weiterer Rechnungen lehnte der Kläger ab. Im Einzelnen wird auf Textziffer 2.2.2. des Betriebsprüfungsberichts vom 21.06.2005 verwiesen

Schließlich wertete der Betriebsprüfer die vorliegenden Unterlagen mit Einverständnis des Klägers aus. Seiner Beurteilung, ob eine umsatzsteuerpflichtige oder eine umsatzsteuerfreie Leistung vorlag, legte er die Wertung zu Grunde, ob die Behandlung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet worden war. Soweit die Rechnungen einen Rechnungsbetrag „kosmetische Teilbehandlung" oder den Vermerk „Die Kosten der kosmetischen Behandlung können nicht von der Krankenkasse übernommen werden" auswiesen, behandelte er diesen Teilbetrag als umsatzsteuerpflichtig. Bei der Schätzung ermittelte der Betriebsprüfer den prozentualen Anteil der Rechnungsbeträge für umsatzsteuerpflichtige Leistungen an der jeweiligen Rechnungsgesamtsumme für ambulante und stationäre Behandlungen der Monate November bis Dezember 2000 und 2002 und übertrug das Ergebnis auf die einzelnen Prüfungsjahre. Danach berechnete sich folgendes Ergebnis:

Honorare lt. EUR

1999

2000

2001

2002

abgerundet

TDM

TDM

TDM

TEuro

ambulante Re. (Kto. a)

449

505

538

222

ustpfl. 19 % lt. Bp (Anl. 2)

85

95

102

42

     

stationäre Re. (Kto. b)

1.559

1.883

1.616

897

aconto stationäre Re. (Kto. c)

328

23

---

---

ustpfl. lt. Bp (Anl. 1 u. 3)

(39 %)

49 %

(59 %)

65 %

=

735

933

953

583

Summe brutto

820

1.028

1.055

625

     

enthaltene USt

113.103 DM

141.793 DM

145.517 DM

86.206 €

geschätzte VorSt lt. Bp

10.856 DM

15.240 DM

16.790 DM

10.241 €

USt-Nacherhebung lt. Bp

102.247 DM

126.553 DM

128.727 DM

75.965 €

Im Einzelnen wird auf den Betriebsprüfungsbericht unter Textziffer 2.2.3. und die Anlagen 1 bis 3 verwiesen.

Daraufhin erließ der Beklagte am 18.10.2005 erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre und setzte die Umsatzsteuern wie folgt fest:

 

1999 / DM

2000 / DM

2001 / DM

2002 / €

USt

113.103,36

141.793,12

145.517,28

86.206,88

VorSt

10.856,00

15.240,00

16.790,00

10.241,00

festgesetzte USt

102.247,00

126.553,00

128.727,00

75.965,00

Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einsprüche ein und vertrat die Auffassung, dass Schönheitsoperationen steuerfrei seien, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehe. Daher habe er auch Operationen abgelehnt, wenn Operationen aus seiner Sicht ohne ein solches Ziel angestrebt worden seien. Ein Indiz könne die regelmäßige Übernahme der Kosten durch die Krankenversicherung sein. Die darüber hinausgehenden privatrechtlich vereinbarten Honorare, die die Krankenkassenleistungen ergänzt hätten, seien nicht abweichend zu beurteilen. In der Vergangenheit habe eine medizinische Indikation nicht dokumentiert werden müssen. Eine Nachbearbeitung und Darlegung der Indikationsgründe würde an die Grenze des zu Leistenden stoßen und zudem die ärztliche Schweigepflicht tangieren. Teilweise seien Patientendaten nicht mehr vorhanden, so dass die Rekonstruktion allein aus der Erinnerung heraus erfolgen müsste.

Hilfsweise begehrte der Kläger den Erlass der Steuern aus sachlichen und persönlichen Gründen.

Im Mai 2006 führte das Finanzamt für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen B beim Kläger für die Jahre 2001 bis 2005 eine Durchsuchung durch, bei der die Fahndungsbeamten u.a. auch die Patientenunterlagen der Streitjahre beschlagnahmten.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 05.12.2007 als unbegründet zurück. Ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen (Schönheitsoperationen) seien nicht nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - steuerfrei, wenn nicht nach den Umständen des Einzelfalls eine medizinische Indikation vorliege. Nach den Grundsätzen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - vom 14. September 2000 (C-384/98, UR 2000, 432) reiche es nicht aus, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden könnten. Vielmehr müssten sie der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Nur in diesen Fällen liege eine ärztliche Ausübung der Heilkunde vor. Die streitigen Schönheitsoperationen des Klägers seien nicht medizinisch indiziert gewesen, da die Kosten nicht von den Sozialversicherungsträgern getragen worden seien. Dies gelte insbesondere für die Rechnungen, in denen der Hinweis angebracht sei, dass die Kosten der kosmetischen Behandlung nicht von der Krankenversicherung erstattet werden könnten (z.B. Rechnung vom 18.11.2002, Nr. d). Gleiches gelte für andere Rechnungen, die Zuschläge wegen kosmetischer Teilbehandlung enthielten (z.B. Rechnung vom 20.11.2000, Nr. e). Insoweit stelle der Kläger seine Aussage in Abrede, dass er kosmetische Behandlungen ohne medizinische Notwendigkeit ablehne. Anders seien die Zusätze auf den Rechnungen nicht zu erklären. Die allgemeine Aussage des Klägers, er führe entsprechende Behandlungen nur bei medizinischen Indikationen, durch und er sei aufgrund seiner psychologischen Zusatzausbildung in der Lage, auch die entsprechenden Indikationen festzustellen, sei nicht ausreichend. Schließlich sei aufgrund der Internetpräsentation davon auszugehen, dass er nicht nur in Fällen der medizinischen Indikation Schönheitsoperationen durchgeführt habe. Damit habe er - der Beklagte - zu Recht von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch gemacht, da der Kläger nicht in hinreichendem Maße seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen sei. Auch die Schätzung der Höhe nach, anhand der Rechnungsbeträge, die nicht nach der ärztlichen Gebührenordnung abgerechnet worden seien, begegne keine Bedenken.

Hiergegen hat der Kläger am 30.11.2007 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2002 weiter verfolgt. Er weist darauf hin, dass erstmals durch das Urteil des Finanzgerichts Berlin vom 12. November 2002 (7 K 7264/02) die Frage entschieden worden sei, wann ärztliche Leistungen (Schönheitsoperationen) als umsatzsteuerpflichtig zu behandeln seien. Der Bundesfinanzhof habe über die Revision erst durch Urteil vom 15. Juli 2004 (V R 27/03, BStBl II 2004, 862) eine höchstrichterliche Klärung herbeigeführt. Aus diesem Grunde seien die medizinischen Aufzeichnungen in Bezug auf eine medizinische Indikation bei Schönheitschirurgen nur schwer nachvollziehbar und im Nachhinein nur schwer zu überprüfen. Der Kläger habe im Rahmen der Betriebsprüfung anhand der Patientendatei versucht darzulegen und vorzutragen, dass sämtliche Leistungen medizinisch indiziert gewesen seien.

Sodann sei Ende Mai 2006 - nach Abschluss der Betriebsprüfung - eine Steuerfahndungsmaßnahme bei ihm, dem Kläger, durchgeführt worden, in dessen Rahmen die gesamten Patientenunterlagen beschlagnahmt worden seien. Daher sei es dem Kläger nun nicht mehr möglich, substantiiert zu den einzelnen Rechnungen Stellung zu nehmen. Allerdings sei die Auffassung des Betriebsprüfers, dass lediglich die nach GOÄ-abgerechneten Leistungen steuerfrei seien, nicht haltbar. Im Bereich der „Schönheitschirurgie" hätten die Abrechnungssätze der GOÄ praktisch kaum Bedeutung, da die hier erbrachten Leistungen gegenüber den Patienten privat aufgrund einer Gebühren- und Honorarvereinbarung abgerechnet werden würden. Er, der Kläger, sei aufgrund seines fachlichen Rufs in der Lage, entsprechende private Zusatzvereinbarungen nach § 2 Abs. 2 GOÄ über die Höhe der Behandlungskosten zu treffen. Daher komme es entscheidend auf die Art der Leistungen an und nicht darauf, ob nach den Ziffern der GOÄ abgerechnet worden sei. Denn anderenfalls würden umsatzsteuerfreie Leistungen an Personen ausgeschlossen sein, die nicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen. Der Art nach handele es sich um Leistungen, die in den Leistungskatalog der GOÄ aufgenommen seinen. Darüber hinaus seien die Leistungen auch nach dem sog. Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) der Kassenärztlichen Vereinigung abrechenbar, der nach § 92 Abs. 1 des V. Sozialgesetzbuches durch die Bundesausschüsse die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien erlassen. Werde eine in den Katalog aufgenommene Leistung von einem Arzt ausgeführt, könne dies als Indiz herangezogen werden, dass eine notwendige Heilmaßnahme vorliege. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass er, der Kläger, auch Patienten abgewiesen habe, wenn aus seiner Sicht keine medizinische Indikation vorgelegen habe.

Der Beklagte verlange vom Kläger daher etwas Unmögliches, wenn er rückwirkend darlegen solle, dass Operationen seit dem Jahr 1999 bis 2002 medizinisch indiziert gewesen seien. Eine Nachbearbeitung der Indikationsgründe stoße an die Grenze des zu Leistenden und darüber hinaus an die Grenze der ärztlichen Schweigepflicht. Zudem seien die Patientenunterlagen beschlagnahmt worden und stünden ihm - dem Kläger - nicht zur Verfügung. Eine Herausgabe der Behandlungsakten sei bislang nicht erfolgt (s. Bl. 53 d. FG-Akte).

Nachdem dem Kläger im Laufe des Klageverfahrens die Rechnungen wieder zugänglich gemacht wurden, trägt er zu einzelnen Rechnungen wie folgt vor:

Aus der Rechnung vom 02.11.2000 (Nr. f) mit einem Rechnungsbetrag von 17.000 € sei erkennbar, dass sämtliche Leistungen nach der GOÄ aufgeschlüsselt worden seien (Teilbetrag 5.407,18 DM). Behandelt worden sei eine „knotige fibrozystische Mastopathie", die als Krankheit von den Krankenkassen regelmäßig anerkannt werde. Allerdings sei mit der Patientin eine Honorarvereinbarung getroffen worden. Der Patientin sei es so möglich gewesen, den nach den Schlüsseln der GOÄ aufgelisteten Teilbetrag bei ihrer Krankenkasse einzureichen. Allerdings lägen dem darüber hinausgehenden Honoraranspruch keinerlei gesonderte Leistungen zu Grunde. Er - der Kläger - könne und wolle seinen Geschäftsbetrieb nicht zu den Gebührensätzen der gesetzlichen Krankenversicherung unterhalten. Daher behandele er ausschließlich Privatpatienten, mit denen er eine Honorarvereinbarung treffe. Diese trügen die Honorare, die über den Sätzen der gesetzlichen Krankenversicherung lägen, selbst.

Darüber hinaus gäbe es Rechnungen, die lediglich einen Gesamtbetrag auswiesen, so etwa die Rechnung mit der Nummer g. In diesen Fällen seien die Patienten volle Selbstzahler. Häufig handele es sich hierbei um ausländische Patienten, die nicht krankenversichert gewesen seien. Daher werde regelmäßig über das vereinbarte Honorar per Vorkasse abgerechnet, so dass es einer schriftlichen Honorarvereinbarung standesrechtlich nicht bedürfe. Bei der o.g. Rechnung seien jedoch die Gebührenziffern 491, 2064, 2073 und 2382 einschlägig. Dies gelte auch für weitere Rechnungen. Im Einzelnen wird auf die Rechnungen nebst handschriftlichen Ergänzungen des Klägers unter Blatt 63 bis 141 der Prozessakte verwiesen.

Für die Behauptung, dass es sich in den streitgegenständlichen Fällen um einheitliche medizinische Leistungen handele, beantragt der Kläger Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (s. Bl. 215 d. Prozessakte).

Zur Höhe des Schätzungsergebnisses trägt der Kläger vor, dass der Beklagte im Jahr 2000 lediglich stationäre Behandlungen beurteilt habe und die ambulanten Behandlungen unberücksichtigt gelassen habe. Aus dem Jahr 2002 sei jedoch erkennbar, dass die ambulanten Behandlungen lediglich zu 13,30 % umsatzsteuerpflichtig gewesen sein sollen. Somit liege der Prozentsatz der - angeblich - steuerpflichtigen Leistungen in 2000 von 49,2 % deutlich zu hoch.

Soweit weitere Nachweise zur medizinischen Indikation erforderlich seien, müssten ihm - dem Kläger - auch die Patientenunterlagen (in Kopie) übergeben werden (s. Bl. 189 der Prozessakte).

Schließlich sei der Antrag auf Erlass der Umsatzsteuern gemäß § 163 der Abgabenordnung - AO - bislang nicht entschieden worden. Zur Begründung wird auf den Grundsatz von Treu und Glauben Bezug genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2002 vom 18.10.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.12.2007 aufzuheben

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Beibehaltung der Rechtsauffassung aus dem Verwaltungsverfahren weist der Beklagte darauf hin, dass der Kläger etwaige Honorarvereinbarung vorlegen möge, die seinen Vortrag belegen. Aus den vorliegenden Rechnungen sei vielmehr erkennbar, dass der Kläger selbst die Rechnungen durch den Ausweis „zuzügl. kosmetischer Teilbehandlung" aufteile. Bei einer einheitlichen Leistung müsste hingegen das höhere Entgelt etwa durch einen höheren als den üblichen Faktor 1,8 oder 2,3 berechnet werden. Sämtliche beschlagnahmte Unterlagen befänden sich bei der Steuerfahndungsstelle B, bei der der Kläger jederzeit Einsicht nehmen und Kopien anfertigen könne.

Auch der Höhe nach sei die Schätzung nicht zu beanstanden, da für das Streitjahr 2000 ein Prozentsatz von 19 % bei den ambulanten Behandlungen ermittelt worden sei. Dieser setze sich zusammen aus den Rechnungen ohne GOÄ-Leistungen und den Teilrechnungen ohne GOÄ.

Mit Schreiben vom 31.05.2011 übersendet der Beklagte Aufstellungen über die Rechnungen der Streitjahre, in denen der Kläger nach seiner Auffassung über nicht medizinisch indizierte Leistungen abgerechnet habe. Insoweit wird auf Blatt 228 bis 233 der Prozessakte verwiesen.

Zur Vorbereitung des Erörterungstermins vom 25.06.2012 hat die Berichterstatterin beispielhaft 35 Rechnungen der Streitjahre ausgewählt und den Beteiligten übersandt. Zu den einzelnen Rechnungen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20.06.2012 im Einzelnen Stellung genommen (s. Bl. 290 bis 302 der Prozessakte). Im Erörterungstermin hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers dargestellt, dass der Kläger zunächst höhere - als nach der GOÄ vorgesehene - Honorare durch einen erhöhten Faktor abgerechnet habe (z.B. Faktor 12 in der Rechnung vom 07.12.1999 Nr. 861). Dies habe jedoch dazu geführt, dass die Krankenkasse derartige Rechnungen den Patienten insgesamt nicht erstattet habe, so dass er später dazu übergegangen sei, den höheren Honoraranteil als „kosmetische Teilbehandlung" zu deklarieren. Weitere Leistungen - als die nach GOÄ -habe der Kläger nicht abrechnen dürfen, da dies durch das Abrechnungssystem imA-Krankenhaus nicht möglich gewesen sei. Auch vor dem Hintergrund etwaiger Haftungsansprüche der Patienten sei eine anderweitige Abrechnung undenkbar. Bei stationären Aufenthalten seien weitere Kosten entstanden, etwa für Anästhesie und die Bettbelegung.

Nachdem der Erörterungstermin nicht zu einer einvernehmlichen Lösung des Streitstreits geführt hat, hat die Berichterstatterin mit Verfügung vom 15.10.2012 den Kläger aufgefordert, zu sämtlichen Rechnungen der Streitjahre, in denen ein zusätzlicher Betrag für „kosmetische Teilbehandlungen" ausgewiesen ist, die medizinische Indikation der Leistung anhand der Patientenunterlagen nachzuweisen (s. Bl. 358 der Prozessakte). Dieser Aufforderung ist der Kläger bis zum heutigen Tag der mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen. Er beruft sich dabei auf § 203 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches - StGB - und weist auf das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Januar 2012 (6 K 1917/07) hin. Zudem sei die Aufforderung des Gerichts unverhältnismäßig, da der Kläger für die Streitjahre noch keine Beweisvorsorge habe treffen müssen. Erst im November 2002 habe erstmals das Finanzgericht Berlin über die Streitfrage entschieden.

Den Antrag des Klägers auf Erlass der Umsatzsteuern 1999 bis 2002 gemäß § 163 AO hat der Beklagte mit Verfügung vom 14.11.2012 abgelehnt (s. Bl. 367 der Prozessakte).

Die vorliegenden Rechnungen der Streitjahre hat die Berichterstatterin zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung in der Weise einer Prüfung unterzogen, als dass sie die Rechnungen, die keinerlei Leistungen nach GOÄ, und solche, die Leistungen nach GOÄ und zusätzlich einen Betrag für „kosmetische Teilbehandlungen" enthalten, in Tabellen für ambulante und stationäre Behandlungen getrennt erfasst hat, soweit dies nicht bereits durch die Betriebsprüfung geschehen war. Die Summe dieser Leistungen ergibt im Verhältnis zu den Umsätzen laut Gewinn- und Verlustrechnung überschlägig folgende Prozentsätze:

 

1999

2000

2001

2002

ambulante Behandlungen

15 %

20 %

25 %

18 %

stationäre Behandlungen

keine Rechnungen

47 %

30 %

12 %

In zwei Telefonaten der Berichterstatterin mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vor der mündlichen Verhandlung hat dieser auf Nachfrage erklärt, dass der Kläger derzeit keine weiteren Angaben zu den einzelnen Leistungen machen wolle und könne. Er sehe sich dazu wegen des Zeitablaufs nicht in der Lage. Eine Aufbereitung der Patientenunterlagen, z.B. mit Anonymisierungen, sei bislang nicht in Vorbereitung und erscheine in Anbetracht der Namensnennungen der Patienten auf den Rechnungen auch schwierig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Akten des Beklagten sowie das Protokoll des Erörterungstermins vom 25.06.2012 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist teilweise begründet.

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind nur teilweise rechtswidrig und verletzten den Kläger insoweit in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Im Übrigen sind die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 1999 und 2000 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung rechtmäßig.

I. Dem Grunde nach hat der Beklagte zu Recht die Leistungen des Klägers als umsatzsteuerpflichtig behandelt, deren medizinische Indikation nicht hinreichend vom Kläger nachgewiesen worden ist. Dies gilt sowohl für die Rechnungen der ambulanten und stationären Behandlungen, in denen lediglich ein Gesamthonorar ausgewiesen ist, als auch für die Rechnungen, in denen ein Teilbetrag als „kosmetische Teilbehandlungen" dargestellt worden ist.

1. Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung - UStG - fallenden Umsätzen sind u.a. steuerfrei, die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG.

§ 4 Nr. 14 Satz 1 UStG setzt bei richtlinienkonformer Auslegung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - und des Europäischen Gerichtshofs - EuGH -, der sich der erkennende Senat anschließt, voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er dafür die erforderliche Qualifikation besitzt (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904; vom 18.08.2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; vom 01.02.2007 V R 64/05, BFH/NV 2007, 1203; BFH-Beschluss vom 18.02.2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001; Urteil des- EuGH - vom 27.04.2006 C-443/04 und C-444/04, Solleveld und van den Hout-van Eijnsbergen, Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299 Rn. 37 m.w.N.).

Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern77/388/EWG (6. EG-Richtlinie) umfassen nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der BFH angeschlossen hat, nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden (vgl. nur BFH-Urteile vom 30.06.2005 V R 1/02, BFHE 210, 188, BStBl II 2005, 675; vom 13.07.2006 V R 7/05, BFHE 214, 458, BStBl II 2007, 412; BFH-Beschluss vom 31.07.2007 V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35, jeweils m.w.N.; jüngst aber BFH-Beschluss vom 19.12.2012 V S 30/12, BFH-Veröffentlichungen vom 06.03.2013- nach Urteilsverkündung -). Wird eine ärztliche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit ist, findet die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie auf diese Leistung keine Anwendung (BFH-Beschluss vom 31.07.2007 V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35). In Übereinstimmung hiermit hat der BFH im Urteil vom 15. Juli 2004 (V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862) bereits entschieden, dass es für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen nicht ausreicht, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden können, sondern dass sie vielmehr dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen müssen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Steuerbefreiungen des Art. 13 der 6. EG-Richtlinie im Übrigen autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur EuGH-Urteile vom 20.11.2003 C-212/01, Unterpertinger, Slg. 2003, I-13859, BFH/NV Beilage 2004, 111 Rn. 34; vom 14.06.2007 C-445/05, Haderer, BFH/NV Beilage 2007, 394, UR 2007, 592 Rn. 17). Ob ein bestimmter Umsatz der Mehrwertsteuer zu unterwerfen oder von ihr zu befreien ist, kann folglich nicht davon abhängen, wie der Begriff der Gesundheit durch die Weltgesundheitsorganisation definiert wird.

Wie das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in seinem nicht rechtskräftigen Urteil vom 12. Januar 2012 (EFG 2012, 1783, Rev. V R 16/12) ausführt, kommt es entscheidend auf die Zweckrichtung der jeweiligen Maßnahme an.

Wenn eine Maßnahme sowohl gesundheitlichen als auch ästhetischen Zwecken diene, schließe dies die Steuerbefreiung nicht von vornherein aus. Diene eine Maßnahme allerdings vorwiegend anderen Zwecken als der Behandlung oder Vorbeugung einer Krankheit bzw. Gesundheitsstörung, so ist die Steuerbefreiung zu versagen. Dies folge aus der Formulierung im ersten Leitsatz des EuGH-Urteils C-307/01, wonach die Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen nur dann gelte, wenn diese in erster Linie dem Schutz der Gesundheit dienen, sowie aus den Ausführungen unter Ziffer 60, wonach Schutz, Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der Gesundheit das Hauptziel der Maßnahme sein müssen. Liege der Hauptzweck nicht im Schutz, der Wiederherstellung oder der Aufrechterhaltung der Gesundheit, dann sei die Leistung auch dann nicht steuerbefreit, wenn sie mittelbar zu diesen Zielen beitrage, z.B. weil bei der Erstellung eines nicht begünstigten Gutachtens eine Diagnose gestellt oder berichtigt werde.

Bei Umsätzen, denen Leistungen mit begünstigter und nicht begünstigter Zielrichtung zugrunde liegen, sei also der Schwerpunkt der Leistung maßgeblich dafür, ob der Umsatz steuerfrei oder steuerpflichtig sei, wonach das Hauptziel der Maßnahme der Schutz der Gesundheit sein müsse. Maßgebend für die Qualifizierung einer Leistung als „heilberufliche Tätigkeit" sei somit das jeweils mit der Leistung verfolgte Ziel. Wird eine solche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit sei, finde die Befreiung keine Anwendung. Dass die betreffende Leistung neben einem anderen Hauptzweck zugleich auch zum Schutz der Gesundheit des Betroffenen beigetragen habe, reiche nicht aus (BFH-Beschluss vom 31.07.2007 V B 98/06, BStBl II 2008, 35).

Diesen Ausführungen in der Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Daran anknüpfend legt der Senat den Tatbestand des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG restriktiv aus, da es sich bei der Vorschrift um eine Ausnahme zum Regeltatbestand der Umsatzsteuerpflichtigkeit einer unternehmerischen Leistung handelt, die einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Der Befreiungstatbestand für ärztliche Leistungen dient letztlich der Subventionierung sozialnützlicher Leistungen, so dass nur solche Leistungen von der Umsatzsteuer befreit werden dürfen, denen sich der Patient nicht entziehen kann. Hierunter fallen gerade keine ärztlichen Maßnahmen, die der Rücknahme von Alterserscheinungen, Verbesserung der Körperform, kosmetischen Korrekturen von Normabweichungen vom individuellen oder gesellschaftlichen Schönheitsideal oder dem Wohlbefinden dienen (vgl. auch Urteil des FG Köln vom 14.02.2008 3 K 3767/04, EFG 2009, 704).

2. Aufgrund des Ausnahmecharakters des Befreiungstatbestandes des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG ist es Sache des Steuerpflichtigen, die tatsächlichen Voraussetzungen für die begehrte Steuerbefreiung darzulegen und nachzuweisen, da er die objektive Beweislast trägt. (vgl. BFH-Beschluss vom 18.02.2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001, ebenso Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 12.01.2012 6 K 1917/07, EFG 2012, 1783).

Zwar hat der Senat die medizinische Indikation der einzelnen Leistungen im Streitfall im Rahmen seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts festzustellen, § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO. Jedoch ist der Kläger unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch insoweit verpflichtet, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO. Der Umfang der Mitwirkungspflichten richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Diese ist umso größer, wenn der Kläger eine Steuervergünstigung begehrt, die an bestimmte, von ihm geltend zu machende und von ihm darzulegende Umstände oder Tatsachen anknüpft (vgl. BFH-Beschluss vom 18.02.2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001; Stapperfend in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 76 Rn. 37 m.w.N.). Bestehen Zweifel an der medizinischen Indikation, trifft den Steuerpflichtigen daher eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Gelangt der Senat nicht zur vollen Überzeugung von der medizinischen Indikation der ärztlichen Leistungen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), geht dies zu Lasten des Klägers.

3. Im Streitfall liegen dem Senat zur Feststellung der medizinischen Indikation der Einzelleistungen des Klägers die Rechnungen über ambulante und stationäre Behandlungen der Streitjahre 1999 bis 2002, mit Ausnahme der Rechnungen für stationäre Behandlungen des Jahres 1999, vor. Dabei sind die Namen der Patienten erkennbar und eine Diagnose des Klägers und die erfolgte Therapie mit medizinischem Vokabular beschrieben. Der schriftlichen Aufforderung des Gerichts vom 15.10.2012, die medizinische Indikation der erbrachten Leistungen anhand der in den Räumlichkeiten der Steuerfahndung B befindlichen Patientenunterlagen zu belegen, ist der Kläger bis zum heutigen Tag der mündlichen Verhandlung nicht nachgekommen. Er hat zu den streitgegenständlichen Rechnungen die Patientenunterlagen weder in vollständiger oder teilweiser anonymisierter Form beigefügt. Stattdessen beruft er sich allgemein auf seine ärztliche Schweigepflicht, die ihm eine Vorlage dieser Unterlagen verwehre. Als weiteres Argument für seine ablehnende Haltung führt er an, dass er für die Streitjahre keine Beweisvorsorge treffen musste und es daher nahezu unmöglich sei, im Nachhinein die vom Gericht geforderten einzelfallbezogenen Feststellungen zu treffen.

Der Senat konnte auf der Grundlage der vorliegenden Rechnungen nicht ohne Zweifel feststellen, dass mit sämtlichen Rechnungen, in denen keine Abrechnungen nach GOÄ erfolgt sind oder diese durch einen Pauschalbetrag für „kosmetische Teilbehandlungen" ergänzt wurden, ausschließlich über medizinisch indizierte Leistungen des Kläger abgerechnet wurde. Die Behauptungen des Klägers, sämtliche von ihm erbrachten Leistungen bei der ambulanten und stationären Behandlung von Patienten ließen sich unter den Katalog der GOÄ subsumieren, lassen sich letztlich nicht überprüfen. Der Kläger konnte nicht hinreichend darlegen, dass es sich bei den „kosmetischen Teilbehandlungen" lediglich um erhöhte - umsatzsteuerlich unschädliche - Honorare handelt, nicht aber um zusätzliche kosmetische Leistungen. Zugunsten des Klägers geht der Senat bereits davon aus, dass die nach GOÄ abgerechneten Leistungen sämtlich medizinisch indiziert waren. Ohne die (ggf. anonymisierten) Patientenunterlagen ist es dem Gericht nicht möglich, in den mit Zweifel behafteten Fällen eine Feststellung zur medizinischen Indikation der Leistungen des Klägers zu treffen.

4. Soweit der Kläger seine fehlende Mitwirkung auf die gemäß § 203 StGB strafbewehrte ärztliche Schweigepflicht stützt, kann diese kann nicht dazu führen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Steuerbefreiungstatbestandes gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG als erwiesen gelten. Dabei kann der Senat im Ergebnis offen lassen, ob der Kläger sich im Rahmen des Besteuerungsverfahrens zu Recht auf seine ärztliche Schweigepflicht berufen kann.

a. Zwar haben der IX. und im Anschluss der VIII. Senat des BFH in ihren Urteilen vom 14. Mai 2002 (IX R 31/00, BFHE 198, 319, BStlBl II 2002, 712) und vom 28. Oktober 2009 (VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455) entschieden, dass einem Berufsgeheimnisträger, z.B. einem Arzt, Rechtsanwalt oder Steuerberater, die Verweigerungsrechte nach den §§ 102, 104 Abs. 1 AO in eigenen und fremden Steuersachen zustehen. Zur Begründung zieht der BFH die weitestgehend gleich gestaltete Vorschrift des § 53 Abs. 1 Strafprozessordnung heran. Nur ausnahmsweise gelte etwa im Rahmen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - beim Nachweis von Bewirtungsaufwendungen etwas anderes. Die erforderlichen Angaben zu Teilnehmern und Anlass der Bewirtungen sei in der Regel nicht von der anwaltlichen Schweigepflicht umfasst, da die Angaben ausnahmsweise materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzung für den Betriebsausgabenabzug seien. Insoweit gehe der BFH von einer konkludenten Einwilligung der Bewirteten in die Offenbarung aus (vgl. BFH-Urteil vom 26.02.2004 IV R 50/01, BFHE 205, 234, BStBl II 2004, 502).

Allerdings gehen die Verweigerungsrechte der Berufsgeheimnisträger nicht so weit, dass gar keine Nachweise, z.B. Postausgangsbücher, vorgelegt werden müssten. Vielmehr könne der Verschwiegenheitspflicht der Berufsgeheimnisträger dadurch genügt werden, dass die vorzulegenden Nachweise in der Art und Weise aufbereitet werden, dass die Identität des Mandanten gewahrt werde, etwa durch Anonymisierung der Unterlagen (so BFH-Urteil vom 14.05.2002 IX R 31/00, BFHE 198, 319, BStBl II 2002, 712 unter II.2.).

Hingegen hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 12. Januar 2012 gerade die Vorlage anonymisierter Patientenunterlagen für nicht ausreichend erachtet, um den Nachweis der medizinischen Indikation der ärztlichen Leistungen im Rahmen des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG zu führen. Der Senat hielt es für die Sachaufklärung für erforderlich, dass nach einer Einwilligung der Patienten in die nicht neutralisierten Unterlagen durch das Gericht und ggf. einen Sachverständigen Einblick genommen und bei Bedarf eine Anamnese mit Vorstellung des Patienten und körperlicher Untersuchung durchgeführt werden kann (vgl. Urteil vom 12.01.2012 6 K 1917/07, EFG 2012, 1783).

b. Demgegenüber hat der V. Senat des BFH zur Beweislast des Unternehmers im Rahmen des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG wiederholt entschieden, dass der feststellungsbelastete Kläger die Nachteile zu tragen habe, wenn die für die Umsatzsteuerbefreiung erforderlichen Feststellungen, beispielsweise wegen Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht, nicht möglich sein sollten (vgl. BFH-Urteil vom 02.04.1998 V R 66/97, BFHE 185, 543, BStBl II 1998, 632 und BFH-Beschluss vom 18.02.2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001).

c. Da der Kläger weder anonymisierte Patientenunterlagen zum Nachweis vorgelegt hat, noch Einwilligungen der Patienten in die Offenlegung ihrer Unterlagen veranlasst sieht der Senat nach der zuvor aufgezeigten Rechtsprechungspraxis keine Möglichkeit, die medizinische Indikation der streitigen Leistungen als erwiesen anzusehen. Der Kläger verweigert im Streitfall allgemein die Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts, indem er sich ganz pauschal auf seine ärztliche Schweigepflicht und die tatsächliche Unmöglichkeit bei der Aufklärung wegen Zeitablaufs beruft. Dieses Verhalten des Klägers zeichnete sich bereits während der Betriebsprüfung ab, als er der Bitte des Betriebsprüfers, zunächst die Rechnungen für zwei Monate der Jahre 2000 und 2002 vorzulegen, nicht hinreichend entsprach. Auch im Verlauf der Prüfung legte der Kläger Rechnungen nur schleppend vor. Dabei ging er offensichtlich von der fehlerhaften Vorstellung aus, dass von ihm als Arzt erbrachte Leistungen grundsätzlich umsatzsteuersteuerfrei und nur in Ausnahmefällen steuerpflichtig seien. Dieses möglicherweise falsche Rechtsverständnis der Umsatzsteuerordnung ändert jedoch nichts an seiner Nachweispflicht für jede einzelne ärztliche Leistung.

In diesem Zusammenhang erscheint die Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht beim Kläger eher eine Schutzbehauptung zu sein, da durch die vorliegenden Rechnungen insgesamt die Namen der Patienten und die Diagnosen und Therapien offenbart worden sind. Zwar würden die Patienten durch die Behandlungsunterlagen weiter individualisiert werden, allerdings hätte der Kläger eine Anonymisierung kritischer Unterlage in Erwägung ziehen können. Beim Senat ist allerdings der Eindruck entstanden, dass der Kläger einen weitergehenden Arbeitsaufwand zum Nachweis der medizinischen Indikation scheut.

Soweit der Kläger vorträgt, er habe in den Streitjahren noch keine Beweisvorsorge treffen müssen, da weder eine gefestigte finanzgerichtliche noch eine höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH vorlag, kann der Senat diesem Argument nicht folgen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG unverändert während der gesamten Streitjahre galt. Bereits im September 2000 legte der EuGH die korrespondierende europarechtliche Regelung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie dahingehend aus, dass medizinischen Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, nicht in den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift fallen (EuGH-Urteil vom 14.09.2000 C-384/98, Slg 2000, I-6795, HFR 2000, 918). Diese Rechtsprechung wurde durch das Urteil des EuGH vom 10. September 2002 fortgeführt (C-141/00, Slg 2002, I-6833, HFR 2002, 1146) und sodann vom Finanzgericht Berlin in seinem Urteil vom 12. November 2002 (7 K 7264/02, DStRE 2003, 376) bei der Auslegung des nationalen Rechts herangezogen. Damit zeichnete sich bereits seit September 2000 eine Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen „Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt" ab, die vom Kläger zu berücksichtigen gewesen wäre.

5. Schließlich war das Gericht nicht verpflichtet, dem Beweisantrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu folgen (s. Bl. 215 d. Prozessakten), da diesem ohne die vom Kläger konkret aufbereiteten Patientenunterlagen die tragfähige Basis gefehlt hätte (s. allgemein: Urteil des Niedersächsischen FG vom 02.02.2012 16 K 10148/07, n.v., Rev. V R 33/12). Der Beweisantrag bezieht sich nicht auf Tatsachen, die eine Aufklärung des Sachverhalts ermöglichen könnten. Er ist somit unsubstantiiert. Nach § 82 FGO i.V.m. § 403 der Zivilprozessordnung wird der Beweis durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte angetreten. Dazu müssen die zu begutachtenden Tatsachen wenigstens summarisch bezeichnet werden, so dass aus dem Antrag in Umrissen das Ziel und der Inhalt der vom Gutachter zu beantwortenden Fragen deutlich wird (vgl. Koch in Gräber, FGO, 7. Auflage 2010, § 82 Rn. 33 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Diesen Anforderungen genügt der pauschal gehaltene Beweisantrag des Klägers nicht. Er beabsichtigt mit dem Beweisantrag vielmehr, die ihm obliegende Aufbereitung der Unterlagen im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht einem Sachverständigen zu übertragen. Es obliegt allerdings dem Kläger, die Tatsachenbasis für eine Beweisaufnahme zu schaffen. Er hat weder konkret für die zu begutachtenden Leistungen, über die mit einem Pauschalhonorar abgerechnet wurde, konkret dargelegt, welche Leistungen nach GOÄ im Einzelnen einschlägig sein sollen, noch hat er für die Leistungen, über die teilweise mit dem Zusatzbetrag „kosmetische Teilbehandlung" abgerechnet wurde, angegeben, auf welche GOÄ-Leistungen der Zusatzbetrag entfallen soll. Darüber hinaus verkennt der Kläger, dass allein die Einordnung einer ärztlichen Leistung nach GOÄ durch den zu behandelnden Arzt noch nicht zwingend dessen medizinische Indikation feststellt.

II. Da der Kläger dem Grunde nach nicht für alle von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen die erforderlichen Nachweise i.S.d. § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG erbringen konnte und der Senat damit nicht in der Lage war, für jede einzelne Leistung der Streitjahre die medizinische Indikation der Leistungen festzustellen, war die Höhe der medizinisch nicht indizierten Leistungen zu schätzen. Dabei macht der Senat von seiner eigenen Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 - AO Gebrauch. Als Schätzungsmethode hält der Senat die vom Beklagten gewählte Berechnung für hinreichend vertretbar, so dass zugunsten des Klägers sämtliche Leistungen, die nach GOÄ abgerechnet worden sind, als medizinisch indiziert und damit als umsatzsteuerfrei im Sinne des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG gelten. Nicht nach GOÄ abgerechnete Gesamt- oder Teilhonorarbeträge werden zum Zwecke der Schätzung als umsatzsteuerpflichtig behandelt.

Die zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vorgenommene Überprüfung der vorliegenden Rechnungen hat die vom Beklagten zu Grunde gelegten Schätzungsergebnisse bei den ambulanten Behandlungen von 19 % umsatzsteuerpflichtigen Leistungen in allen Streitjahren weitestgehend bestätigt. Da jeder Schätzung eine gewisse Unschärfe anhaftet und die Berechnungen des Senats lediglich Abweichungen von maximal 6 % ergaben, sieht sich der Senat nicht veranlasst, eine Korrektur der Schätzungsergebnisse des Beklagten vorzunehmen.

Gleiches gilt für das Schätzungsergebnis des Jahres 2000 bei den stationären Behandlungen. Allerdings weichen die vom Senat auf einer breiteren Schätzungsbasis ermittelten Werte für die Streitjahre 2001 und 2002 bei den stationären Behandlungen nach unten ab, so dass sich der Senat veranlasst sah, das Schätzungsergebnis des Beklagten zu korrigieren. Aufgrund der Unschärfen, die mit einer Schätzung verbunden sind, legt der Senat daher den niedrigsten vom Beklagten geschätzten Prozentsatz an umsatzsteuerpflichtigen Leistungen aus dem Jahr 1999 von 39 % auch für die Streitjahre 2001 und 2002 zu Grunde. Da für das Streitjahr 1999 keine Rechnungen für stationäre Behandlungen vorlagen, kann der Senat beim Schätzungsergebnis der Betriebsprüfung von 39 % keinen Fehler erkennen, der einen abweichenden Prozentsatz rechtfertigen würde.

III. Die Berechnung der neu festzusetzenden Umsatzsteuerbeträge für 2001 und 2002 war dem Beklagten ermessensgerecht gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung aufzuerlegen, da die Ermittlung der festzusetzenden Beträge einen nicht unerheblichen Aufwand für das Gericht bedeuten würde. Bei der Berechnung sind folgende Prozentsätze für die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen zu Grunde zu legen:

Ambulante Behandlungen

2001:

19 %

2002:

19 %

Stationäre Behandlungen

2001:

39 %

2002:

39 %

Die jeweiligen Vorsteuerbeträge sind gemäß der Berechnungsmethode aus dem Betriebsprüfungsbericht, dort Anlagen 1 und 3, entsprechend niedriger zu schätzen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

V. Die Revision wurde nicht zugelassen, da kein Revisionsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO gegeben ist.

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