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Steuerrecht
24.01.2014
Steuerrecht
FG Münster: Beherbergung der Begleitpersonen von Patienten unterliegt der Umsatzsteuer

FG Münster, Urteil vom 19.11.2013 - 15 K 2352/10 U


Sachverhalt


Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer(USt)-Festsetzung für 2004 bis 2007, ob Umsätze betreffend die Aufnahme und Verpflegung von Begleitpersonen von Patienten hoheitlich und somit nicht umsatzsteuerbar sind oder ob diese Umsätze nicht jedenfalls gemäß § 4 Nr. 15 Umsatzsteuergesetz (UStG) als Umsätze eines Trägers der gesetzlichen Sozialversicherung gegenüber Versicherten oder als mit dem Krankenhausbetrieb eng verbundene Umsätze nach § 4 Nr. 16 UStG umsatzsteuerfrei sind. Außerdem ist streitig, ob Umsätze betreffend die Verpflegung von Mitarbeitern als Umsätze eines Trägers der gesetzlichen Sozialversicherung gegenüber Versicherten im Sinne des § 4 Nr. 15 UStG umsatzsteuerfrei sind.


Die Klägerin ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung im Sinne von § 29 des Sozialgesetzbuchs (SGB) IV und nimmt als Regionalträger Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland wahr. Zu den Aufgaben der Klägerin gehören nach § 9 SGB VI die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern.


Die Klägerin betrieb in den Streitjahren auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 SGB VI an verschiedenen Orten Reha-Kliniken (X1   in C   , X2   auf der Insel O   , X3   in T   , X4    in F   und X5   in U   ) als eigene unselbstständige Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit.


Im Rahmen dieser Reha-Kliniken erbrachte die Klägerin krankenhausübliche Nebenleistungen, wie z.B. die Zurverfügungstellung von Telefonen und Fernseher. Zu diesen krankenhausüblichen Nebenleistungen gehörten auch die Verpflegung von Begleitpersonen durch die Kantinen der Kliniken und die Aufnahme der Begleitpersonen, in der Regel mit Zusatzbett im Patientenzimmer, gelegentlich in Gästezimmern. Die Unterbringung von Begleitpersonen wurde auf den Internetseiten der jeweiligen Kliniken der Klägerin gesondert angeboten und beworben. Je nach Klinik sahen die Aufnahmeverträge bzw. Buchungen vor, dass der Patient für die Begleitperson oder die Begleitperson für sich selbst eine verbindliche Anmeldung abzugeben hatte.


Die Klinik X2   verwendete im Streitzeitraum ein als „Vertrag" betiteltes Muster, das der Patient im eigenen Namen abzuschließen hatte. Das Vertragsmuster enthielt die folgende Regelung:


„Der Mehrpreis für die Übernachtung mit Vollverpflegung meiner Begleitung beträgt täglich 62,00 €. Hiermit verpflichte ich mich, den zuvor genannten Tagessatz an die Klinik X2   zu zahlen."


Die X3   verwendete ein Buchungsmuster, das eine Vereinbarung über die Aufnahme der Begleitperson mit dem Patienten oder unmittelbar mit der Begleitperson selbst erlaubte:


„Hiermit beantrage ich


              (   ) für mich selbst


              (   ) für die o.g. Begleitperson


die Aufnahme in die X3   als Begleitperson."


Das Buchungsmuster sah folgende Vereinbarung vor:


„Die Unterbringung erfolgt in der Regel in Einzelzimmern. Der Service erfolgt im Rahmen der Möglichkeiten des Klinikbetriebs und entspricht dem Standard, der für die Patienten maßgebend ist. Das gilt insbesondere auch für die Beköstigung, die sich in erster Linie an den medizinischen und diätischen Bedürfnissen der Patienten in der Klinik orientiert. Der Unterbringungssatz hierfür beträgt für eine med. nicht notwendige Begleitperson täglich: 57,00 Euro. Hiermit verpflichte ich mich, den zuvor genannten Tagessatz an die X3   zu zahlen."


Die Klinik X1   verwendete ein als „Verbindliche Anmeldung" betiteltes Muster. Die Anmeldung hatte der Patient für die Begleitperson abzugeben:


„Hiermit melde ich folgende Begleitperson für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme verbindlich an: [...]."


Die Anmeldung enthielt die folgende Leistungsbeschreibung:


„Für jede Übernachtung wird ein Betrag in Höhe von 58,85 EUR berechnet. In diesem Betrag sind folgende Leistungen enthalten:


- Unterkunft im Doppelzimmer


- Vollverpflegung


- Kurkarte"


Die Finanzierung der durch die Patienten in Anspruch genommenen stationären Leistungen der Klägerin erfolgte durch Pflegesätze. Diese wurden individuell für die einzelnen Kliniken nach dem Selbstkostendeckungsprinzip im Voraus für einen bestimmten Zeitraum ermittelt, indem von den hochgerechneten Personal- und Sachkosten die zu erwartenden Nebeneinnahmen (u.a. aus der Verpflegung und Unterbringung von Begleitpersonen) abgezogen wurden. Die Differenz wurde durch Rentenversicherungsbeiträge ausgeglichen. Durch die Anrechnung der Nebeneinnahmen wurden weniger Rentenbeiträge der Versicherten für die Reha-Behandlungen eingesetzt. Der Bedarf des Rentenversicherungsträgers, durch den Bund aus Steuermitteln unterstützt zu werden, reduzierte sich durch die Einbeziehung dieser Nebeneinnahmen.


Die Unterbringung von Begleitpersonen war --zwischen den Beteiligten unstreitig-- von den Patienten erwünscht und medizinisch zweckmäßig, aber nicht medizinisch notwendig.


Die Klägerin reichte am 03.08.2005 eine USt-Erklärung für 2004 mit einem USt-Betrag von -1.017,27 € beim Beklagten ein. Am 11.10.2006 reichte sie eine USt-Erklärung für 2005 mit einem USt-Betrag von 40.821,45 € und am 19.12.2006 eine geänderte USt-Erklärung für 2005 mit einem USt-Betrag von 37.800,75 € beim Beklagten ein. Der geänderten USt-Erklärung wurde am 27.12.2006 durch den Beklagten zugestimmt. Am 23.10.2007 reichte die Klägerin eine USt-Erklärung für 2006 mit einem USt-Betrag von 63.313,77 € und am 07.11.2008 eine USt-Erklärung für 2007 mit einem USt-Betrag von 74.777,55 € beim Beklagten ein.


2009 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung N   eine Außenprüfung beim Kläger durch. In Textziffer 2.6.2 des Berichts über die Außenprüfung vom 05.09.2009, auf den Bezug genommen wird, führte der Prüfer aus: Empfänger der Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen seien die jeweiligen Begleitpersonen, und zwar unabhängig davon, ob der Aufnahmevertrag mit der Begleitperson selbst oder dem Patienten geschlossen werde. Die Aufnahme erfolge im Rahmen des insoweit begründeten Betriebs gewerblicher Art (BgA) und damit im Rahmen des Unternehmens der Klägerin. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 UStG sei nicht anwendbar, da es sich nicht um aus dem Mitgliedschaftsverhältnis herrührende Leistungen handele. Die Steuerbefreiung umfasse zwar freiwillige Zusatzleistungen, nicht jedoch Leistungen an andere/fremde Personen. Die Steuerbefreiung könne nicht auf außerhalb der Heilbehandlung liegende Zwecke ausgedehnt werden. Die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 16 UStG sei ebenfalls nicht anwendbar. Bei den Leistungen handele es sich nicht um mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundene Umsätze. Die Beherbergung und Verpflegung von Begleitpersonen sei unter Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 01.12.2005 in der Rechtssache C-394/04, Ygeia, auch nicht nach § 4 Nr. 16 UStG begünstigt. Die Leistung sei nicht zur Erreichung der mit der Krankenhausbehandlung verfolgten Ziele unerlässlich und könne auch nicht gerichtsfest nachgewiesen werden. Diese rechtliche Beurteilung betreffend die Umsätze gegenüber Begleitpersonen führe zu den folgenden zusammengefassten Änderungen bei den Reha-Kliniken (ohne Klinik X5   ):



































In €


2004


2005


2006


2007


Erhöhung Umsätze


410.738,00


454.417,00


422.503,00


472.786,00


Erhöhung USt


65.718,08


72.706,72


67.600,48


89.829,34


Erhöhung Vorsteuer


12.867,50


12.867,50


11.212,30


14.522,70


Änderung Gesamt


52.850,58


59.839,22


56.388,18


75.306,64



Bei der gesondert betrachteten Klinik X5   (Textziffer 2.3 des Berichts über die Außenprüfung) führe diese rechtliche Beurteilung zu den folgenden zusammengefassten Änderungen:



































In €


2004


2005


2006


2007


Erhöhung Umsätze

  

1.232,00


4.138,00


Erhöhung USt

  

197,12


786,22


Erhöhung Vorsteuer

  

59,14


235,87


Änderung Gesamt

  

137,98


550,35



Der Beklagte erließ nach Maßgabe der Prüfungsfeststellungen am 25.11.2009 einen geänderten USt-Bescheid für 2004 und am 04.12.2009 jeweils geänderte USt-Bescheide für 2005, 2006 und 2007. Im Rahmen der geänderten USt-Bescheide wurden die Umsätze gegenüber Begleitpersonen von Schwerstbehinderten oder Kindern unter 14 Jahren durch den Beklagten keiner Umsatzbesteuerung unterworfen, da von einer medizinischen Notwendigkeit ausgegangen wurde.


Mit ihren dagegen erhobenen Einsprüchen vom 10.12.2009 trug die Klägerin vor, dass die Aufnahme von Begleitpersonen zur hoheitlichen Tätigkeit gehöre. Sie führe Leistungen allein im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen oder gesetzlich zugelassenen Aufgaben durch. Die Reha-Leistungen müssten dem allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse entsprechen. Die Aufnahme von Begleitpersonen erleichtere den Prozess der Rehabilitation bei den Patienten. Da auch bei einzelnen Therapiemaßnahmen nicht sicher sei, dass sie zum gewünschten Erfolg beitrügen, komme es auf das Gesamtkonzept an. Teil dieses Gesamtkonzepts sei auch die Begleitung der Patienten durch Nahestehende. Unter Verweis auf den Erlass des Finanzministeriums Sachsen vom 24.11.1999 sei es für die Steuerfreiheit ausreichend, wenn die medizinische Notwendigkeit einer Begleitperson durch die Bestätigung eines behandelnden Arztes oder auch des aufnehmenden Klinikarztes nachgewiesen werde. Vor diesem Hintergrund nehme sie keine Begleitpersonen in ihren Reha-Kliniken auf, wenn die Aufnahme der Begleitperson den Behandlungserfolg einschränken würde. Gemäß dem Qualitätsbericht 2008 der X3   , der beispielhaft für alle Reha-Kliniken sei, gehöre die Einbeziehung von Angehörigen sowohl zum Therapiekonzept Onkologie als auch Orthopädie. Die Mitaufnahme von Begleitpersonen erfolge auch nicht in Konkurrenz zu Hotelbetrieben, da der persönliche Komfort für Begleitpersonen gegenüber einer Hotelunterbringung deutlich eingeschränkt sei. Die Unterbringung der Begleitpersonen sei wenigstens nach § 4 Nr. 15 UStG umsatzsteuerfrei, da die Leistung gegenüber dem Patienten erbracht werde. Es handele sich, genauso wie die gegenüber dem Patienten erbrachten und vom Beklagten als umsatzsteuerfrei behandelten Telefonleistungen, um eine nach § 4 Nr. 15 UStG steuerbefreite Leistung. Selbst wenn der Patient nicht Leistungsempfänger sein sollte, greife die Steuerbefreiung, da in der Regel auch die Begleitperson Versicherter in der Rentenversicherung sei. Bei Unterbringungsleistungen liege eine einer freiwilligen Mehrleistung vergleichbare Leistung vor, die nach einschlägigem Schrifttum unter die Steuerbefreiung falle.


Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 31.03.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art Unternehmerin sei. Die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen sei keine Reha-Leistung gegenüber dem Patienten, so dass diese Leistung einen BgA begründe. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 UStG komme nicht in Betracht. Es handele sich nicht um Leistungen, die aus dem Mitgliedschaftsverhältnis herrührten. Die Aufnahme der Begleitperson sei keine Leistung des Sozialversicherungsträgers gegenüber dem Versicherten im Sinne dieser Vorschrift, da die Begleitperson aus ihrer Mitgliedschaft heraus keinen Anspruch auf diese Leistung habe. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG sei ebenfalls nicht gegeben, da es sich nicht um einen mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundenen Umsatz handele. Die nach der Rechtsprechung des EuGH für die Annahme dieser Steuerbefreiung erforderlichen Nachweise (ärztliche Dokumentation des behandelnden Arztes) seien nicht erbracht worden. Die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen stehe außerdem in unmittelbarem Wettbewerb zu örtlichen Hotels und Pensionen.


Zur Begründung ihrer daraufhin erhobenen Klage trägt die Klägerin --teilweise unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens-- vor: Die Leistung werde gegenüber dem Patienten erbracht, da nur dieser wünschen und zulassen könne, dass eine Begleitpersonen in seinem Zimmer übernachte. Daraus folge die umsatzsteuerliche Befreiung nach § 4 Nr. 15 UStG. Die Steuerbefreiung sei aber auch dann anzuwenden, wenn nicht der Patient, sondern die Begleitperson Leistungsempfänger sei. Da die Begleitpersonen in der Regel Mitglied in der Rentenversicherung seien, müsse die Leistung ebenfalls nach § 4 Nr. 15 UStG befreit werden. § 4 Nr. 15 UStG befreie generell mit einer einzigen klar definierten Ausnahme, nämlich der Lieferung von Brillen und Brillenersatzteilen. Für die Auslegung, die Steuerbefreiung könne nicht auf außerhalb der Heilbehandlung liegende Zwecke ausgedehnt werden, seien aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte ersichtlich.


Mit Schriftsatz vom 25.10.2013 trägt die Klägerin außerdem erstmals vor, dass die Umsätze betreffend die Verpflegung von Mitarbeitern im Rahmen der USt-Erklärungen 2005 bis 2007 als umsatzsteuerpflichtig behandelt worden seien. Da die Verpflegung von Mitarbeitern nach § 4 Nr. 15 UStG umsatzsteuerfrei sei, ergebe sich der folgende weitere Korrekturbedarf:



































In €


2004


2005


2006


2007


Umsätze

 

102.302,87


96.420,58


82.566,25


Reduzierung USt

 

16.368,46


15.427,29


15.687,59


Erhöhung Vorsteuer

 

9.477,44


9.748,16


9.812,98


Saldo USt/VSt

 

6.891,02


5.679,13


5.874,61



Die Klägerin beantragt,


die USt-Bescheide 2004 bis 2007 vom 25.11.2009 bzw. 04.12.2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 31.03.2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsätze betreffend die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen in 2004 i.H.v. 410.738,00 €, in 2005 i.H.v. 454.417,00 €, in 2006 i.H.v. 422.503,00 € und in 2007 i.H.v. 472.786,00 € sowie die Umsätze betreffend die Verpflegung der Mitarbeiter in 2005 i.H.v. 102.302,87 €, in 2006 i.H.v. 96.420,58 € und in 2007 i.H.v. 82.566,25 € nicht der USt unterworfen werden,


hilfsweise, die Revision zuzulassen.


Der Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen.


Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Einspruchsentscheidung.


Der Senat hat am 19.11.2013 mündlich verhandelt. Auf das darüber gefertigte Protokoll wird Bezug genommen.


Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen. Es wurden die Akten aus dem finanzgerichtlichen Verfahren 9 K 1620/10 K,F vor dem Finanzgericht Münster beigezogen.


Aus den Gründen


Die Klage ist unbegründet.


Der USt-Bescheid für 2004 vom 25.11.2009 und die USt-Bescheide 2005, 2006 und 2007 vom 04.12.2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 31.03.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung --FGO--).


Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die Klägerin durch die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung gegenüber Begleitpersonen von Patienten und der Verpflegung von Mitarbeitern in ihren Reha-Kliniken unternehmerisch tätig ist und umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt.


1) Der USt unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG).


Die Klägerin ist bezogen auf die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung gegenüber Begleitpersonen von Patienten und bezogen auf die Verpflegung von Mitarbeitern in von ihr betriebenen Reha-Kliniken Unternehmerin im Sinne des § 2 UStG.


Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer BgA (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG). Die Klägerin ist im Streitfall durch die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung gegenüber Begleitpersonen von Patienten und durch die Verpflegung von Mitarbeitern in den von ihr betriebenen Reha-Kliniken im Rahmen eines BgA i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG tätig geworden und handelte deshalb insoweit als Unternehmerin.


Gemäß § 4 Abs. 1 KStG sind Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben; die Absicht, Gewinn zu erzielen und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich. Nicht dazu gehören Betriebe, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe); für die Annahme eines Hoheitsbetriebs reichen Zwangs- und Monopolrechte nicht aus (§ 4 Abs. 5 KStG).


a) § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der Senat anschließt, unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 13 der Richtlinie 2006/112/EG richtlinienkonform auszulegen (vgl. Urteile des BFH vom 14.03.2012 XI R 8/10, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH/NV-- 2012, 1667; vom 01.12.2011 V R 1/11, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFHE-- 236, 235; vom 15.04.2010 V R 10/09, BFHE 229, 416; vom 05.02 2004 V R 90/01, Bundessteuerblatt --BStBl.-- II 2004, 795; vom 27.02.2003 V R 78/01, BStBl. II 2004, 431). Aufgrund der Verweisung in § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG gilt der Grundsatz umsatzsteuerrechtlicher und damit richtlinienkonformer Auslegung auch für § 4 KStG (BFH-Urteile vom 15.04.2010 V R 10/09, BFHE 229, 416; vom 20.08.2009 V R 30/06, BFHE 226, 465). Daher wird § 4 KStG im Rahmen der durch § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG angeordneten Verweisung, die aus Vereinfachungsgründen nur dazu dient, den Wortlaut dieser Vorschrift nicht im Rahmen des UStG zu wiederholen, zum Bestandteil des Umsatzsteuerrechts, so dass die von § 4 KStG verwendeten Begriffe für die Bestimmung der Unternehmereigenschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts umsatzsteuerrechtlich und damit ggf. anders als bei einer ausschließlich körperschaftsteuerrechtlichen Anwendung dieser Vorschrift auszulegen sind (BFH, Urteil vom 15.04.2010 V R 10/09, BFHE 229, 416).


§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG definiert den im gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerrecht nicht vorgesehenen Begriff des "Betriebs gewerblicher Art" dahingehend, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts eine "nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen" ausübt. Dies entspricht der allgemeinen Unternehmerdefinition in § 2 Abs. 1 UStG. Danach ist Unternehmer, wer nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig ist und dadurch eine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit ausübt (vgl. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG sind --ebenso wie nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG-- Gewinnerzielungsabsicht und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unerheblich. Die somit von § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG und § 2 Abs. 1 UStG zur Bestimmung der Unternehmereigenschaft verwendeten Begriffe entsprechen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG. Danach ist hinsichtlich der wirtschaftlichen Tätigkeit als Grundvoraussetzung der Unternehmerdefinition nicht zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts und anderen Personen zu differenzieren. Ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, ist daher für alle Unternehmer und damit für juristische Personen des öffentlichen Rechts wie für andere Personen nach denselben Grundsätzen zu prüfen (BFH, Urteil vom 15.04.2010 V R 10/09, BFHE 229, 416). Dementsprechend setzt die Anwendung der für Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehenden Sonderregelungen des Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 13 der Richtlinie 2006/112/EG nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) voraus, dass es sich bei der streitgegenständlichen Tätigkeit um eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG handelt (EuGH-Urteile vom 26.06.2007 C-284/04, T-Mobile, Sammlung der Rechtsprechung --Slg.-- 2007, I-5189, Rdnr. 48, und C-369/04, Hutchison 3G, Slg. 2007, I-5247, Rdnr. 42, zur Vergabe von UMTS-Lizenzen; vom 13.12.2007 C-408/06, Götz, Slg. 2007, I-11295).


Damit eine Tätigkeit wirtschaftlicher Art ist, muss es sich entsprechend der allgemeinen Definition in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG auch bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts um eine nachhaltig und gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit handeln (EuGH-Urteile Götz in Slg. 2007, I-11295, Rdnrn. 14 und 18). Dementsprechend begründen weder Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 13 der Richtlinie 2006/112/EG noch § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 KStG die Umsatzsteuerpflicht der öffentlichen Hand, sondern schränken sie ein (BFH-Urteil vom 15.04.2010 V R 10/09, BFHE 229, 416; BFH-Urteil vom 28.10.2004 V R 19/04, BFH/NV 2005, 725).


Die Klägerin ist juristische Person des öffentlichen Rechts. Bei der Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen und der Verpflegung von Mitarbeitern handelt es sich um eine nachhaltige und gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit. Unerheblich ist, ob die Klägerin aufgrund ihrer Finanzierung nach dem Selbstkostendeckungsprinzips ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig wird (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KStG, § 1 Abs. 1 Satz 2 UStG). Mit der Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen und der Verpflegung von Mitarbeitern liegt auch eine Einrichtung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG vor. Das Tatbestandsmerkmal "Einrichtung" in § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG setzt lediglich voraus, dass sich die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts von deren sonstiger Tätigkeit funktionell abgrenzen lässt (BFH-Beschluss vom 03.02.2010 I R 8/09, BFHE 228, 273). Eine Einrichtung in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, jedenfalls bei einer nachhaltigen und zur Erzielung von Einnahmen ausgeübten Tätigkeit vor (BFH-Urteil vom 15.04.2010 V R 10/09, BFHE 229, 416). Soweit § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG weiter voraussetzt, dass sich die wirtschaftliche Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts aus ihrer Gesamtbetätigung herausheben muss, ist die Maßgeblichkeit absoluter Gewinn- oder Umsatzgrenzen zu verneinen (BFH, Urteil vom 15.04.2010 V R 10/09, BFHE 229, 416; Urteil vom 25.10.1989 V R 111/85, BStBl. II 1990, 868), da diese Grenzen weder mit dem Erfordernis der Gleichmäßigkeit der Besteuerung noch mit dem notwendigen Ausschluss von Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu privaten Unternehmen vereinbar sind. Für eine einschränkende Auslegung dieses Kriteriums im Rahmen der Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG über § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG spricht im Übrigen, dass für das Erfordernis des "wirtschaftlichen Heraushebens" zumindest keine ausdrückliche Grundlage in Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 13 der Richtlinie 2006/112/EG besteht (BFH, Urteil vom 15.04.2010 V R 10/09, BFHE 229, 416).


b) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 KStG, wonach eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer handelt, wenn sie bei ihrer Tätigkeit öffentliche Gewalt ausübt, hinsichtlich der Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen nicht vor.


§ 4 Abs. 5 KStG definiert den Begriff „Ausübung öffentlicher Gewalt" nicht, sondern ordnet in Satz 2 dieser Vorschrift nur an, dass allein Zwangs- und Monopolrechte noch keine Ausübung öffentlicher Gewalt begründen. Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 14. Dezember 2000 C-446/98, Fazenda Pública, Slg. 2000, I-11435, Rdnr. 16 m.w.N.) ist der Begriff der öffentlichen Gewalt unter Beachtung des Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 13 der Richtlinie 2006/112/EG umsatzsteuerrechtlich und daher richtlinienkonform auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27.02.2003 V R 78/01, BFHE 201, 554 m.w.N.; vom 15.04.2010 V R 10/09, BFHE 229, 416). Entscheidend ist danach insbesondere, ob die juristische Person (Einrichtung) des öffentlichen Rechts im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung oder unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer tätig ist (EuGH-Urteil Fazenda Pública in Slg. 2000, I-11435, Rdnr. 17, m.w.N.). Maßgeblich sind hierfür die im nationalen Recht vorgesehenen Ausübungsmodalitäten, wobei das Gebrauchmachen hoheitlicher Befugnisse für eine einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung unterliegenden Tätigkeit spricht (EuGH-Urteil Fazenda Pública in Slg. 2000, I-11435, Rdnrn. 21 f.). Ohne Belang ist insoweit, ob die juristische Person des öffentlichen Rechts durch ihre Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnimmt, die ihr aus Gründen des Gemeinwohls und unabhängig von jedem unternehmerischen oder geschäftlichen Ziel durch Gesetz zugewiesen sind (EuGH-Urteil Kommission/Finnland in BFH/NV 2009, 2115 Rdnr. 40; vgl. auch BFH-Urteil vom 28.11.1991 V R 95/86, BFHE 167, 207). Sämtliche Vereinbarungen betreffend die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen beruhen auf privatrechtlichen schriftlichen Verträgen bzw. Buchungen/Anmeldungen zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Patienten bzw. der Begleitperson. Die Klägerin handelt daher als Unternehmerin und nicht Ausübung öffentlicher Gewalt. Gleiches gilt für die Verpflegung der Mitarbeiter. Das Entgelt für die Verpflegung wird aufgrund (mündlich) abgeschlossener privatrechtlicher Verträge vereinnahmt und nicht auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift. Eine solche Rechtsgrundlage hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.


2) Die Umsätze betreffend die Unterkunft und Verpflegung von Begleitpersonen (vgl. unter a) und betreffend die Verpflegung von Mitarbeitern (vgl. unter b) sind auch nicht nach § 4 Nr. 15 Buchst. b) UStG steuerfrei.


a) Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 15 Buchst. b) UStG die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung, der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe sowie der Verwaltungsbehörden und sonstigen Stellen der Kriegsopferversorgung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge an die Versicherten. Die Klägerin fällt als gesetzlicher Träger der Sozialversicherung zwar in den persönlichen Anwendungsbereich der Steuerbefreiung. Jedoch unabhängig davon, ob die Begleitperson als Leistungsempfänger anzusehen ist oder der jeweilige nachweislich in der Rentenversicherung versicherte Patient und damit ein grundsätzlich begünstigter Leistungsempfänger i.S.v. § 4 Nr. 15 Buchst. b) UStG vorliegt, stellt die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen keinen von § 4 Nr. 15 UStG begünstigten Umsatz dar.


Im Schrifttum ist umstritten, ob sämtliche Umsätze eines Trägers der Sozialversicherung an die Versicherten steuerfrei sind, oder ob sich die Steuerbefreiung auf bestimmte Umsätze beschränkt. Nach einer Ansicht sollen alle Leistungen, zu denen die begünstigte Einrichtung gesetzlich verpflichtet ist, aber auch die gesetzlich zugelassenen Mehrleistungen, die ergänzenden Leistungen, die freiwilligen Mehrleistungen und Hilfsgeschäfte zu steuerfrei sein (Waza in: Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 15 Rdnr. 28; Schuhmann in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 15 Rdnr. 23; Heidner in: Bunjes/Geist, UStG, § 4 Nr. 15 Rdnr. 4; Wegmüller in Sölch/Ringleb/List, UStG, § 4 Nr. 15 Rdnr. 15). Hingegen wird von Plückebaum in Plückbaum/Malitzky, UStG, § 4 Nr. 15 Rdnr. 13 unter Verweis auf Entscheidungen des Reichsfinanzhofs (RFH) vertreten, dass begünstigte Einrichtungen, die außerhalb des gesetzlichen Rahmens ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung Leistungen bewirken und hierfür Entgelt von den Versicherten vereinnahmen, steuerpflichtige Leistungen ausführen. Auch satzungsgemäß „freiwillige" Leistungen, die nicht vom gesetzlichen Rahmen gedeckt seien, fallen danach nicht unter die Steuerbefreiung. Zum vergleichbaren § 2 Nr. 9 UStG in der Fassung von 1926 hatte der RFH entschieden, dass sowohl der Zahnersatz aus Edelmetall durch die Zahnklinik einer Ortskrankenkasse gegen Sonderentgelt als auch der Zuschuss eines Versicherten zu einem nicht gesetzlich, sondern nur satzungsgemäß gewährten Heilverfahren in einem Kurhaus nicht unter die Steuerbefreiung fallen (RFH-Urteil vom 30.09.1932 V A 956/31, RStBl. 33/287 und RFH-Urteil vom 02.12.1932 V A 863/32, RStBl. 33/297).


§ 4 Nr. 15 Buchst. b) UStG ist unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g), Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. und g), Art. 134 Richtlinie 2006/112/EG richtlinienkonform auszulegen. Die im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften sind nach ständiger Rechtsprechung der EuGH eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (vgl.


EuGH-Urteil vom 09.02.2006, C-415/04, Stichting Kinderopvang Enschede, Slg. 2006 Seite I-01385 m.w.N.).


Durch Art. 13 Teil A der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 der Richtlinie 2006/112/EG sollen bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit werden. Durch diese Vorschriften werden jedoch nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in ihr einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (EuGH-Urteile vom 20.11.2003, C-8/01, Taksatorringen, Slg. 2003, I-13711, Rdnr. 60, und vom 01.12.2005, C-395/04, Ygeia, Slg. 2005, I-10373, Rdnr. 19).


Die Verpflegung und Gewährung von Unterkunft für Begleitpersonen stellt keine Dienstleistung der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit. Nach den Richtlinienvorschriften sind jedoch auch Dienstleistungen erfasst, die mit Dienstleistungen der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit eng verbunden sind. Die Leistungen in den Reha-Kliniken gegenüber dem jeweiligen Patienten stellen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dar (§ 9 SGB VI), um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit des Patienten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit des Patienten oder sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder ihn möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Diese Leistungen i.S.d. § 9 SGB VI sind von den Richtlinienvorgaben erfasst.


Die Verpflegung und Gewährung von Unterkunft gegenüber Personen, die Patienten begleiten, und deren Begleitung nicht als medizinisch notwendig erachtet wurde, stellt auch keine mit den Leistungen der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit, d.h. im Streitfall den Leistungen medizinischer Rehabilitation, „eng verbundene" Leistung dar. „Eng verbundene Umsätze" liegen vor, wenn sie als Nebenleistung einer Hauptleistung anzusehen sind, also keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern das Mittel darstellen, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können (EuGH-Urteil vom 01.12.2005 Rs. C-394/04, Ygeia, Slg. 2005 I-10373, Rdnr. 18f. und BFH-Urteil vom 25.01.2006 V R 46/04, BStBl. II 2006, 481). Maßgebend für die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenleistung ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt (z.B. BFH-Urteile vom 09.06.2005 V R 50/02, BStBl II 2006, 98; vom 18.08.2005 V R 20/03 BStBl. II 2005, 910 und vom 6.09.2007 V R 14/06, BFH/NV 2008, 624). Die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen kann grundsätzlich eine Nebenleistung der Hauptleistung der medizinischen Rehabilitation darstellen.


Der Begriff der „engen Verbundenheit" wird jedoch in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie 77/388/EWG konkretisiert. Danach sind „[v]on der in Absatz 1 Buchstaben b), g), h), i), l), m) und n) vorgesehenen Steuerbefreiung [...] Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn [...] sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind." Art. 134 Buchst. a) Richtlinie 2006/112/EG entspricht der Vorgängervorschrift im Wesentlichen: „In folgenden Fällen sind Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen von der Steuerbefreiung des Artikels 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n ausgeschlossen: a) sie sind für die Umsätze, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich". Obwohl der nationale Gesetzgeber diese Vorschrift nicht in das UStG übernommen hat, sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 15 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Steuerbefreiung bei Vorliegen der o.g. Voraussetzung zu versagen ist (so auch BFH-Urteile vom 18. August 2005 V R 20/03, BStBl. II 2005, 910 zu § 4 Nr. 20 Buchst. a) UStG und vom 21. März 2007 V R 28/04, BStBl. II 2010, 999 zu § 4 Nr. 21 Buchstabe b) UStG).


Ohne die medizinische Notwendigkeit der Unterbringung und Verpflegung der Begleitperson, wie sie zwischen den Beteiligten unstreitig z.B. bei der Begleitung Minderjähriger oder Schwerstbehinderter anzunehmen ist, sind keine Leistungen gegeben, die zur Ausübung der Tätigkeit, für die die Steuerbefreiung gewährt wird, unerlässlich sind.


Die Verpflegung und Unterbringung von Begleitpersonen, deren Aufenthalt nicht medizinisch notwendig ist, wird außerdem vom Ausschlusstatbestand des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b) 2. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 134 Buchst. b) der Richtlinie 2006/112/EG erfasst. Danach sind Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen von der Steuerbefreiung ausgeschlossen, wenn sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden. Die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen soll nach ausdrücklichem Vortrag der Klägerin ihr zusätzliche Einnahmen verschaffen, um für die medizinischen Leistungen für die Patienten weniger Versicherungsbeiträge der Versicherten aufbringen zu müssen. Die Unterbringung und Verpflegung steht auch im Wettbewerb mit Tätigkeiten, die der Mehrwertsteuer unterliegen und von gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden, nämlich der Hotel- und Restaurationsbranche (vgl. EuGH-Urteil vom 01.12.2005, C-394/04, Ygeia, Slg. 2005, I-10373, Rdnr. 33; Böhme, DStR 2011, 825). Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 15 Buchst. b) UStG kommt eine Umsatzsteuerbefreiung der Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen gegenüber Begleitpersonen nicht in Betracht. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b) Richtlinie 77/388/EWG und Art. 134 Buchst. b) der Richtlinie 2006/112/EG in den Fällen unanwendbar ist, in denen das UStG die steuerfreien Umsätze genau bezeichnet und sich der Steuerpflichtige auf das für ihn günstigere nationale Gesetz berufen kann (so FG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2008 1 K 356/06 U, EFG 2009, 143 zu § 4 Nr. 25 UStG). Dies kommt nur dann in Betracht, wenn nicht schon die nationale Regelung einer Auslegung zugänglich ist, die mit der Richtlinie übereinstimmt. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der Vorschrift und der noch bestehenden Ausnahmeregelung zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen des Sozialversicherungsträgers gegenüber Optikern (§ 4 Nr. 15 Buchst. b) S. 2 UStG) können unter dem Begriff der „Umsätze gegenüber Versicherten" nicht alle denkbaren Umsätze gefasst werden, sondern nur solche, die für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Sozialversicherungsträgers unerlässlich sind und nicht im Wettbewerb mit umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeiten stehen, die von gewerblichen Unternehmen ausgeübt werden.


b) Auch die Verpflegung von Mitarbeitern ist nicht gemäß § 4 Nr. 15 Buchst. b) UStG umsatzsteuerfrei. Bei richtlinienkonformer Auslegung kann die Verpflegung bereits deshalb nicht als mit Dienstleistungen der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit eng verbunden angesehen werden, da es an einer Haupttätigkeit mangelt, die als Dienstleistung der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit angesehen werden kann. Weder die Verpflegung der Mitarbeiter selbst ist begünstigte Hauptleistung noch ist eine andere gegenüber den (versicherten) Mitarbeitern ausgeübte begünstigte Tätigkeit ersichtlich, von der man annehmen kann, dass die Verpflegung der Mitarbeiter zu dieser Tätigkeit eine untergeordnete Nebenleistung ist. Seien auch die Anforderungen an die Person des Leistenden und des Leistungsempfängers erfüllt, die Anforderung an die steuerbegünstigte Leistung sind es bei richtlinienkonformer Auslegung nicht.


3) Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. a) UStG i.d.F. von 2004 bis 2007 kommt für die Verpflegung und Gewährung von Unterkunft für Begleitpersonen ebenfalls nicht in Betracht. Gemäß § 4 Nr. 16 UStG sind die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken und anderen Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung, Einrichtungen zur Geburtshilfe sowie der Altenheime, Altenwohnheime, Pflegeheime, Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze steuerfrei, wenn diese Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden. Bei der Verpflegung und Gewährung von Unterkunft für Begleitpersonen handelt es sich nicht um einen mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundenen Umsatz.


Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b) der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) der Richtlinie 2006/112/EG. Danach befreien die Mitgliedstaaten Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze. Die ärztliche Heilbehandlung und die Krankenhausbehandlung im Sinne dieser Vorschrift müssen zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (EuGH-Urteile vom 6.11.2003 Rs. C-45/01, Dornier, Slg. 2003 I-12911, Rdnr. 48; vom 01.12.2005 Rs. C-394/04, Ygeia, Slg. 2005 I-10373, Rdnr. 24). Für die Beurteilung, ob ein „eng verbundener Umsatz" mit einer ärztlichen Heilbehandlung oder einer Krankenhausbehandlung vorliegt, sind die gleichen Grundsätze heranzuziehen, wie zuvor bei der Beurteilung eines mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit eng verbundenen Umsatzes. Die Unterbringung und Verpflegung der Begleitpersonen kann danach grundsätzlich als Nebenleistung zur Behandlung der Patienten in den jeweiligen Reha-Kliniken der Klägerin angesehen werden, so dass die Steuerbefreiung grundsätzlich in Betracht kommt. Dies gilt jedoch aufgrund der in Art. 13 Teil A Abs. 2 Richtlinie 77/388/EWG und Art. 134 Buchst. a) Richtlinie 2006/112/EG vorgesehenen Einschränkungen nur für die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen in den Fällen, in denen die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen oder wie bei der Begleitung von Minderjährigen und Schwerstbehinderten generell zu vermuten ist. Eine Berufung auf das für den Steuerpflichtigen günstigere nationale Gesetz aufgrund genauer Bezeichnung eines steuerfreien Umsatzes im nationalen Recht kommt im Rahmen von § 4 Nr. 16 UStG nicht in Betracht, da sich die Bestimmung auf „eng mit dem Betrieb der Krankenhäuser verbundene" Umsätze bezieht. Mangels genauer Bezeichnung der steuerfreien Umsätze kann § 4 Nr. 16 UStG richtlinienkonform ausgelegt werden (FG Münster, Urteil vom 12.05.2011 5 K 435/09 U EFG 2011, 1470).


Da die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 Buchst. b) UStG und § 4 Nr. 16 UStG im Falle einer Rehabilitationsmaßnahme gleichlaufend eine medizinische Leistung befreien, sind auch bei beiden Steuerbefreiungen Nebenleistungen nur dann befreit, wenn die medizinische Notwendigkeit der Nebenleistung festgestellt ist. Dies ist bei der Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen - ohne ärztliche Feststellung der medizinischen Notwendigkeit oder deren genereller Vermutung bei Minderjährigen und Schwerstbehinderten - nicht der Fall.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 FGO).




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