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Steuerrecht
14.06.2022
Steuerrecht
EuGH: Begriff „verbundene Personen“ – Art. 31 – Heranziehung von Informationen aus einer nationalen Datenbank zum Zweck der Ermittlung des Zollwerts –

... Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 – Art. 143 Abs. 1 Buchst. b, e und f – Situationen, in denen Personen als verbunden gelten – Art. 181a – begründete Zweifel an der Richtigkeit des angegebenen Preises

EuGH, Urteil vom 9.6.2022 – C-599/20; „Baltic Master“ UAB gegen Muitinės departamentas prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos

ECLI:EU:C:2022:457

Tenor

1. Art. 29 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 geänderten Fassung sowie Art. 143 Abs. 1 Buchst. b, e und f der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates in der durch die Verordnung (EG) Nr. 46/1999 der Kommission vom 8. Januar 1999 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass

– nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Käufer und der Verkäufer im Rechtssinne Gesellschafter sind oder aufgrund eines unmittelbaren oder mittelbaren rechtlichen Kontrollverhältnisses miteinander verbunden sind, wenn es keine Unterlagen gibt, aus denen sich eine solche Verbindung ableiten lässt;

– der Käufer und der Verkäufer aufgrund eines unmittelbaren oder mittelbaren tatsächlichen Kontrollverhältnisses als miteinander verbunden angesehen werden können, wenn die durch objektive Anhaltspunkte belegten Bedingungen des Abschlusses der fraglichen Geschäfte nicht nur als Hinweis darauf angesehen werden können, dass zwischen dem Käufer und dem Verkäufer eine enge Vertrauensbeziehung besteht, sondern auch darauf, dass einer von ihnen in der Lage ist, dem anderen Beschränkungen aufzuerlegen oder Anweisungen zu erteilen, oder dass ein Dritter ihnen gegenüber dazu in der Lage ist.

2. Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 82/97 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass der Zollwert einer eingeführten Ware, wenn er nicht gemäß den Art. 29 und 30 dieser Verordnung ermittelt werden konnte, auf der Grundlage von Informationen in einer nationalen Datenbank über den Zollwert der einzigen Waren desselben Ursprungs ermittelt wird, die zwar nicht „gleichartig“ im Sinne von Art. 142 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 2454/93 in der durch die Verordnung Nr. 46/1999 geänderten Fassung sind, aber unter denselben TARIC Code fallen.

Aus den Gründen

1        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 29 Abs. 1 Buchst. d und Art. 31 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 17, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex der Gemeinschaften) sowie von Art. 143 Buchst. b, e und f der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (ABl. 1993, L 253, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 46/1999 der Kommission vom 8. Januar 1999 (ABl. 1999, L 10, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Baltic Master“ UAB und dem Muitinės departamentas prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos (Zollabteilung beim Finanzministerium der Republik Litauen) über die Ermittlung des Zollwerts bestimmter eingeführter Waren.

Rechtlicher Rahmen

Zollkodex der Gemeinschaften

3        Art. 29 Abs. 1 und 2 des Zollkodex der Gemeinschaften bestimmt:

„(1)      Der Zollwert eingeführter Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung gemäß den [Artikeln] 32 und 33 und unter der Voraussetzung, dass

d)      der Käufer und der Verkäufer nicht miteinander verbunden sind oder, wenn sie miteinander verbunden sind, der Transaktionswert gemäß Absatz 2 für Zollzwecke anerkannt werden kann.

(2)      a)      Bei der Feststellung, ob der Transaktionswert im Sinne des Absatzes 1 anerkannt werden kann, ist die Verbundenheit von Käufer und Verkäufer allein kein Grund, den Transaktionswert als unannehmbar anzusehen. Falls notwendig, sind die Begleitumstände des Kaufgeschäfts zu prüfen und ist der Transaktionswert anzuerkennen, wenn die Verbundenheit den Preis nicht beeinflusst hat. Sofern Zollbehörden jedoch aufgrund der vom Anmelder oder auf andere Art beigebrachten Informationen Grund zu der Annahme haben, dass die Verbundenheit den Preis beeinflusst hat, teilen sie dem Anmelder ihre Gründe mit und geben ihm ausreichende Gelegenheit zur Gegenäußerung. Auf Antrag des Anmelders sind ihm die Gründe schriftlich mitzuteilen.

b)      Bei einem Kaufgeschäft zwischen verbundenen Personen wird der Transaktionswert anerkannt und werden die Waren nach Absatz 1 bewertet, wenn der Anmelder darlegt, dass dieser Wert einem der nachstehenden in demselben oder annähernd demselben Zeitpunkt bestehenden Werte sehr nahe kommt:

i)      dem Transaktionswert bei Verkäufen gleicher oder gleichartiger Waren zur Ausfuhr in die Gemeinschaft zwischen in keinem besonderen Fall verbundenen Käufern und Verkäufern;

ii)      dem Zollwert gleicher oder gleichartiger Waren, der nach Artikel 30 Absatz 2 Buchstabe c) festgesetzt worden ist;

iii)      dem Zollwert gleicher oder gleichartiger Waren, der nach Artikel 30 Absatz 2 Buchstabe d) festgesetzt worden ist.

Bei der Anwendung der vorstehenden Vergleiche sind dargelegte Unterschiede bezüglich der Handelsstufe, der Menge, der in Artikel 32 aufgeführten Elemente sowie der Kosten, die der Verkäufer bei Verkäufen an nicht verbundene Käufer, nicht aber bei solchen an verbundene Käufer trägt, zu berücksichtigen.

c)      Die unter Buchstabe b) aufgeführten Vergleiche sind auf Antrag des Anmelders durchzuführen und dienen nur zu Vergleichszwecken. Alternative Transaktionswerte dürfen nach Buchstabe b) nicht festgesetzt werden.“

4        Art. 30 des Zollkodex der Gemeinschaften sieht vor:

„(1)      Kann der Zollwert nicht nach Artikel 29 ermittelt werden, so ist er in der Reihenfolge des Absatzes 2 Buchstaben a) bis d) zu ermitteln, und zwar nach dem jeweils ersten zutreffenden Buchstaben mit der Maßgabe, dass die Inanspruchnahme der Buchstaben c) und d) auf Antrag des Anmelders in umgekehrter Reihenfolge erfolgt; nur wenn der Zollwert nicht nach einem bestimmten Buchstaben ermittelt werden kann, darf der nächste Buchstabe in der in diesem Absatz festgelegten Reihenfolge herangezogen werden.

(2)      Der nach diesem Artikel ermittelte Zollwert ist einer der folgenden Werte:

a)      der Transaktionswert gleicher Waren, die zur Ausfuhr in die Gemeinschaft verkauft und zu demselben oder annähernd demselben Zeitpunkt wie die zu bewertenden Waren ausgeführt wurden;

b)      der Transaktionswert gleichartiger Waren, die zur Ausfuhr in die Gemeinschaft verkauft und zu demselben oder annähernd zu demselben Zeitpunkt wie die zu bewertenden Waren ausgeführt wurden;

c)      der Wert auf der Grundlage des Preises je Einheit, zu dem die eingeführten Waren oder eingeführte gleiche oder gleichartige Waren in der größten Menge insgesamt in der Gemeinschaft an Personen verkauft werden, die mit den Verkäufern nicht verbunden sind;

d)      der errechnete Wert, bestehend aus der Summe folgender Elemente:

–        Kosten oder Wert des Materials, der Herstellung sowie sonstiger Be- oder Verarbeitungen, die bei der Erzeugung der eingeführten Waren anfallen;

–        Betrag für Gewinn und Gemeinkosten, der dem Betrag entspricht, der üblicherweise von Herstellern im Ausfuhrland bei Verkäufen von Waren der gleichen Art oder Beschaffenheit wie die zu bewertenden Waren zur Ausfuhr in die Gemeinschaft angesetzt wird;

–        Kosten oder Wert aller anderen Aufwendungen nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe e).

(3)      Die zusätzlichen Voraussetzungen und Einzelheiten der Durchführung zu Absatz 2 werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt.“

5        In Art. 31 des Zollkodex der Gemeinschaften heißt es:

„(1)      Kann der Zollwert der eingeführten Waren nicht nach den Artikeln 29 und 30 ermittelt werden, so ist er auf der Grundlage von in der Gemeinschaft verfügbaren Daten durch zweckmäßige Methoden zu ermitteln, die übereinstimmen mit den Leitlinien und allgemeinen Regeln

–        des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994,

–        des Artikels VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994

sowie

–        der Vorschriften dieses Kapitels.

(2)      Der nach Absatz 1 ermittelte Zollwert darf nicht zur Grundlage haben:

a)      den Verkaufspreis in der Gemeinschaft von Waren, die in der Gemeinschaft hergestellt worden sind;

b)      ein Verfahren, nach dem jeweils der höhere von zwei Alternativwerten für die Zollbewertung heranzuziehen ist;

c)      den Inlandsmarktpreis von Waren im Ausfuhrland;

d)      andere Herstellungskosten als jene, die bei dem errechneten Wert für gleiche oder gleichartige Waren nach Artikel 30 Absatz 2 Buchstabe d) ermittelt worden sind;

e)      Preise zur Ausfuhr in ein Land, das nicht zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehört;

f)      Mindestzollwerte;

g)      willkürliche oder fiktive Werte.“

Durchführungsverordnung

6        Art. 142 Abs. 1 Buchst. d der Durchführungsverordnung sieht vor:

„Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Ausdruck

d)      ‚gleichartige Waren‘: Waren, die in demselben Land hergestellt sind und – obwohl sie nicht in jeder Hinsicht gleich sind – gleiche Eigenschaften und gleiche Materialzusammensetzungen aufweisen, die es ihnen ermöglichen, die gleichen Aufgaben zu erfüllen und im Handel austauschbar zu sein; bei der Feststellung, ob Waren als gleichartig anzusehen sind, sind unter anderem die Qualität der Waren, ihr Ansehen und das Vorhandensein eines Warenzeichens zu berücksichtigen“.

7        Art. 143 Abs. 1 Buchst. b, e und f der Durchführungsverordnung bestimmt:

„Im Sinne von Titel II Kapitel 3 des Zollkodex sowie der Bestimmungen des vorliegenden Titels gelten Personen nur dann als verbunden, wenn:

b)      sie Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind;

e)      eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert;

f)      beide von ihnen unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden“.

8        Art. 181a der Durchführungsverordnung sieht vor:

„(1)      Die Zollbehörden müssen den Zollwert von eingeführten Waren nicht auf der Grundlage des Transaktionswertes ermitteln, wenn sie unter Einhaltung des in Absatz 2 genannten Verfahrens wegen begründeter Zweifel nicht überzeugt sind, dass der angemeldete Wert dem gezahlten oder zu zahlenden Preis gemäß Artikel 29 des Zollkodex entspricht.

(2)      In den Fällen, in denen die Zollbehörden Zweifel im Sinne von Absatz 1 haben, können sie gemäß Artikel 178 Absatz 4 zusätzliche Auskünfte verlangen. Bestehen die Zweifel fort, sollen die Zollbehörden der betroffenen Person vor einer endgültigen Entscheidung auf Verlangen schriftlich die Gründe für ihre Zweifel mitteilen und ihr eine angemessene Antwortfrist gewähren. Die abschließende mit Gründen versehene Entscheidung ist der betroffenen Person schriftlich mitzuteilen.“

9        Anhang 23 („Erläuternde Anmerkungen zur Ermittlung des Zollwerts“) der Durchführungsverordnung enthält u. a. erläuternde Anmerkungen zu Art. 29 Abs. 2 und 3 sowie Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften und zu Art. 143 Abs. 1 Buchst. e der Durchführungsverordnung:

Art. 29 Abs. 2

1.      Abs. 2 Buchst. a und b sieht unterschiedliche Mittel für die Feststellung vor, ob der Transaktionswert anerkannt werden kann.

2.      Abs. 2 Buchst. a sieht vor, dass, falls der Käufer und der Verkäufer miteinander verbunden sind, die Begleitumstände des Kaufgeschäfts untersucht werden sollen und der „Transaktionswert“ als Zollwert anerkannt wird, sofern diese Verbundenheit den Preis nicht beeinflusst hat. Es ist nicht daran gedacht, eine Untersuchung dieser Umstände in allen Fällen vorzunehmen, in denen Käufer und Verkäufer miteinander verbunden sind. Eine solche Untersuchung ist nur erforderlich, wenn Zweifel daran bestehen, ob der Preis anerkannt werden kann. Zweifeln die Zollbehörden nicht daran, dass der Preis anerkannt werden kann, so wird er anerkannt, ohne dass weitere Informationen vom Käufer verlangt werden. Beispielsweise können die Zollbehörden schon früher die Verbundenheit untersucht haben, oder sie können schon über ausführliche Informationen über den Käufer und den Verkäufer verfügen, und sie können bereits anhand einer solchen Untersuchung oder Information zu dem Ergebnis gekommen sein, dass die Verbundenheit den Preis nicht beeinflusst hat.

3.      Können die Zollbehörden den „Transaktionswert“ nicht ohne weitere Nachforschung anerkennen, so geben sie dem Käufer Gelegenheit zur Beschaffung solcher weiter gehenden Informationen, die für die Prüfung der Begleitumstände des Kaufgeschäfts durch sie erforderlich sein können. In diesem Zusammenhang müssen die Zollbehörden bereit sein, die maßgebenden Gesichtspunkte des Kaufgeschäfts zu untersuchen, einschließlich der Art und Weise, nach der Käufer und Verkäufer ihre Handelsbeziehungen gestalten und wie der betreffende Preis zustande gekommen ist, um feststellen zu können, ob die Verbundenheit den Preis beeinflusst hat. Kann aufgezeigt werden, dass Käufer und Verkäufer, obwohl nach Art. 143 dieser Verordnung miteinander verbunden, voneinander kaufen oder aneinander verkaufen, als wenn sie nicht miteinander verbunden wären, so würde dies zeigen, dass der Preis durch diese Verbundenheit nicht beeinflusst wurde. Ein Beispiel hierfür: Ist der Preis im Einklang mit der in der betreffenden Branche üblichen Preispraxis festgelegt worden oder so, wie der Verkäufer die Preise für Verkäufe an Käufer festsetzt, die nicht mit ihm verbunden sind, so zeigt dies, dass der Preis durch die Verbundenheit nicht beeinflusst wurde. Ein weiteres Beispiel: Wird aufgezeigt, dass der Preis für die Deckung aller Kosten zuzüglich eines Gewinns ausreicht, der dem allgemeinen Gewinn des Unternehmens innerhalb eines repräsentativen Zeitraums (z. B. auf jährlicher Grundlage) bei Verkäufen von Waren der gleichen Gattung oder Art entspricht, so würde dies zeigen, dass der Preis nicht beeinflusst wurde.

4.      Abs. 2 Buchst. b gibt dem Käufer die Möglichkeit darzulegen, dass der „Transaktionswert“ einem zuvor von den Zollbehörden anerkannten „Vergleichswert“ sehr nahekommt und daher nach Art. 29 anerkannt werden kann. Sofern nach Abs. 2 Buchst. b ein Vergleichswert gefunden wird, braucht die Frage nach der Beeinflussung des Preises nach Abs. 2 Buchst. a nicht untersucht zu werden. Verfügen die Zollbehörden schon über ausreichende Informationen, die sie ohne weitere eingehende Untersuchung zu dem Ergebnis kommen lassen, dass einer der in Abs. 2 Buchst. b vorgesehenen Vergleichswerte gefunden wurde, so liegt kein Grund vor, den Käufer darlegen zu lassen, dass der Vergleich auch hier zum Erfolg führt.

Art. 29 Abs. 2 Buchst. b

Bei der Feststellung, ob ein Wert einem anderen Wert „sehr nahe kommt“, müssen mehrere Faktoren in Betracht gezogen werden. Dazu gehören die Art der eingeführten Waren, die Art des Industriezweigs, die Saison, in der die Waren eingeführt werden, und die Feststellung, ob der Unterschied bei den Preisen im Handel von Bedeutung ist. Da diese Faktoren von Fall zu Fall verschieden sein können, ist es nicht möglich, in jedem Fall einen einheitlichen Maßstab, etwa in Form eines festgelegten Prozentsatzes, anzuwenden. So kann z. B. ein geringer Wertunterschied in einem Fall, der eine bestimmte Warenart betrifft, nicht anerkannt werden, während ein großer Unterschied in einem Fall einer anderen Art von Waren bei der Feststellung anerkannt werden kann, ob der „Transaktionswert“ dem in Art. 29 Abs. 2 Buchst. b angeführten „Vergleichswert“ sehr nahekommt.

Art. 31 Abs. 1

1.      Die nach Art. 31 Abs. 1 ermittelten Zollwerte sollen möglichst auf schon früher ermittelten Zollwerten beruhen.

2.      Als Bewertungsmethoden nach Art. 31 Abs. 1 sollen die in den Art. 29 und 30 Abs. 2 festgelegten Methoden herangezogen werden, doch steht eine angemessene Flexibilität bei der Anwendung solcher Methoden im Einklang mit den Zielsetzungen und Bestimmungen des Art. 31 Abs. 1.

3.      Einige Beispiele für eine angemessene Flexibilität:

b)      Gleichartige Waren – Das Erfordernis, dass die gleichartigen Waren im selben oder annähernd im selben Zeitpunkt wie die zu bewertenden Waren ausgeführt wurden, kann weit ausgelegt werden; in einem anderen Land als dem Ausfuhrland der zu bewertenden Waren hergestellte gleichartige Waren können Grundlage für die Zollwertermittlung sein; bereits nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. c und d ermittelte Zollwerte gleichartiger Waren können herangezogen werden.

Art. 143 Abs. 1 Buchst. e

Es wird angenommen, dass eine Person eine andere kontrolliert, wenn die eine rechtlich oder tatsächlich in der Lage ist, der anderen Beschränkungen aufzuerlegen oder Anweisungen zu erteilen.

 

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

10      In den Jahren 2009 bis 2012 führte Baltic Master verschiedene Mengen von Waren malaysischen Ursprungs, die sie von der Gesellschaft Gus Group (im Folgenden: Verkäufer) gekauft hatte, nach Litauen ein. In den Zollanmeldungen wurden diese Waren als „Teile von Klimaanlagen“ bezeichnet. In diesen Anmeldungen wurde nur ein TARIC‑Code genannt, dem das Gesamtgewicht der Waren in Kilogramm beigefügt war. In den Anmeldungen gab Baltic Master als Zollwert den Transaktionswert der Waren an, d. h. den in den Rechnungen über ihren Kauf angegebenen Preis.

11      Im Anschluss an eine von ihr durchgeführte Kontrolle dieser Einfuhren erstellte die Vilniaus teritorinė muitinė (Regionale Zollbehörde Vilnius, Litauen) einen Bericht, in dem sie ausführte, es abgelehnt zu haben, den in 23 Einfuhranmeldungen angegebenen Transaktionswert zu berücksichtigen, da Baltic Master und der Verkäufer aufgrund der Art der zwischen ihnen bestehenden Geschäftsbeziehungen als verbundene Personen im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Buchst. d des Zollkodex der Gemeinschaften anzusehen seien, und dass der Zollwert der betreffenden Waren nicht auf der Grundlage der Art. 29 und 30 des Zollkodex ermittelt werden könne. In diesem Bericht setzte die Zollbehörde einen Zollwert nach Art. 31 des Zollkodex fest, wobei sie sich auf die Angaben stützte, die im Zollabfertigungsinformationssystem der nationalen Zollbehörden enthalten waren.

12      Baltic Master focht diesen Bericht bei der Zollabteilung beim Finanzministerium der Republik Litauen an, die ihn mit Entscheidung vom 31. März 2014 bestätigte.

13      Baltic Master legte gegen diese Entscheidung einen Rechtsbehelf bei der Mokestinių ginčų komisija prie Lietuvos Respublikos vyriausybės (Kommission für Steuerstreitigkeiten bei der Regierung der Republik Litauen) ein. Am 2. Juli 2014 bestätigte diese die Entscheidung, befreite Baltic Master aber von der Zahlung von Verzugszinsen.

14      In der Folge erhob Baltic Master Klage beim Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen) und beantragte in diesem Rahmen, dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Art. 29, 30 und 31 des Zollkodex der Gemeinschaften sowie von Art. 143 der Durchführungsverordnung vorzulegen. Mit Urteil vom 5. Januar 2015 wies dieses Gericht die Klage ab, wobei es die Auffassung vertrat, dass keine Auslegung des Unionsrechts geboten sei.

15      Das mit einem Rechtsmittel gegen dieses Urteil befasste Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) bestätigte es mit Urteil vom 22. März 2016.

16      Im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. April 2019, Baltic Master LTD/Litauen (CE:ECHR:2019:0416JUD005509216), mit dem dieses Gericht, das mit einer Beschwerde von Baltic Master gegen die Republik Litauen befasst war, wegen unzureichender Begründung der Weigerung der litauischen Gerichte, den Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen zu befassen, einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten feststellte, gab das vorlegende Gericht dem Antrag von Baltic Master auf Wiedereröffnung des Verfahrens statt.

17      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts enthalten die ihm vorliegenden Akten keine Unterlagen, die das Bestehen einer Verbindung im Sinne von Art. 143 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zwischen dem Verkäufer und Baltic Master belegen. Es gebe nämlich keine Informationen, die die Annahme zuließen, dass diese Unternehmen im Rechtssinne Gesellschafter im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung seien oder dass ein unmittelbares oder mittelbares Kontrollverhältnis im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. e und f bestehe.

18      Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass folgende Umstände erwiesen seien: Erstens seien der Verkäufer und Baltic Master durch langjährige Handelsbeziehungen miteinander verbunden, zweitens seien die Waren ohne den Abschluss irgendwelcher Kaufverträge geliefert worden, in denen die Lieferung, Zahlung oder Rücksendung der Waren oder andere für solche Geschäfte spezifischen Bedingungen geregelt wären, drittens seien die Waren ohne Vorauszahlung und ungeachtet der Tatsache geliefert worden, dass Baltic Master dem Verkäufer aus früheren Lieferungen erhebliche Beträge geschuldet habe, viertens sei ungeachtet der besonders hohen Größenordnung der fraglichen Transaktionen keine Sicherheit gestellt oder Maßnahme zur Risikominimierung vorgesehen worden, fünftens gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Verkäufer die ordnungsgemäße Erfüllung der geschuldeten Zahlungen und sonstigen Verpflichtungen überwacht habe, und schließlich seien sechstens Fälle festgestellt worden, in denen Angestellte von Baltic Master im Namen und in Vollmacht des Verkäufers aufgetreten seien und dessen Firmenstempel verwendet hätten.

19      Die in der vorstehenden Randnummer aufgezählten Gesichtspunkte ließen die Annahme zu, dass eine besonders enge Verbindung zwischen Baltic Master und dem Verkäufer bestehe, aufgrund deren die fraglichen Geschäfte unter Bedingungen getätigt worden seien, die nicht der gewöhnlichen Geschäftspraxis entsprächen, und ohne dass sonstige objektive Umstände vorlägen, die die wirtschaftliche Logik dieser Geschäfte erklären könnten. Solche Verhaltensmuster entsprächen denen, die in Fällen vorkämen, in denen eine der Parteien die andere kontrolliere oder beide Parteien von einem Dritten kontrolliert würden.

20      Das vorlegende Gericht ist daher der Ansicht, dass diese tatsächlichen Umstände eine faktische Kontrolle bedeuten könnten und dass die an dem Geschäft Beteiligten als miteinander verbundene Personen im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. e oder f der Durchführungsverordnung angesehen werden könnten. Auf der Grundlage dieser Umstände habe die Regionale Zollbehörde Vilnius Baltic Master und den Verkäufer als miteinander verbundene Personen im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung angesehen, d. h. als De-facto-Gesellschafter. Es stelle sich aber die Frage, ob eine solche Einstufung im Hinblick auf den Wortlaut der letztgenannten Bestimmung rechtmäßig sei, der sich auf Personen beziehe, die de iure Gesellschafter seien.

21      Außerdem fragt sich das vorlegende Gericht, ob in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens auf die in Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften vorgesehene Methode zur Ermittlung des Zollwerts zurückgegriffen werden kann, wenn die Zollbehörden zu diesem Zweck in einer nationalen Datenbank enthaltene Informationen verwenden, die sich auf nur eine einzige Einfuhr von Waren beziehen, die zwar unter denselben TARIC‑Code fallen und denselben Ursprung haben, aber nicht als gleichartig im Sinne von Art. 142 Abs. 1 Buchst. d der Durchführungsverordnung angesehen werden können.

22      Unter diesen Umständen hat der Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 29 Abs. 1 Buchst. d des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 143 Abs. 1 Buchst. b, e und f der Durchführungsverordnung dahin auszulegen, dass der Käufer und der Verkäufer in Fällen wie dem vorliegenden als miteinander verbundene Personen anzusehen sind, wenn zwar Dokumente (offizielle Unterlagen) fehlen, aus denen das Vorliegen einer geschäftlichen Partnerschaft oder Kontrolle hervorgeht, die der Transaktion zugrunde liegenden Umstände auf der Basis objektiver Nachweise jedoch nicht für die Ausübung wirtschaftlicher Aktivitäten unter normalen Umständen charakteristisch sind, sondern vielmehr für Situationen, in denen erstens zwischen den an der Transaktion beteiligten Parteien besonders enge Geschäftsbeziehungen aufgrund eines hohen Grades gegenseitigen Vertrauens bestehen oder zweitens eine an der Transaktion beteiligte Partei über die andere Partei Kontrolle ausübt oder beide Parteien durch einen Dritten kontrolliert werden?

2.      Ist Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften dahin auszulegen, dass er der Ermittlung des Zollwerts aufgrund von Informationen entgegensteht, die in einer nationalen Datenbank enthalten sind und sich auf den Zollwert der einzigen Waren mit demselben Ursprung beziehen, die, auch wenn sie nicht gleichartig im Sinne von Art. 142 Abs. 1 Buchst. d der Durchführungsverordnung sind, unter dieselbe TARIC‑Position gefasst werden?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

23      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 29 Abs. 1 Buchst. d des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 143 Abs. 1 Buchst. b, e und f der Durchführungsverordnung dahin auszulegen sind, dass der Käufer und der Verkäufer in einem Fall als verbunden anzusehen sind, in dem es kein Dokument gibt, das die Feststellung einer solchen Verbindung ermöglicht, aber die durch objektive Umstände belegten Bedingungen des Abschlusses der fraglichen Geschäfte als Hinweise auf das Vorliegen einer De-facto-Kontrolle angesehen werden können.

24      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass mit der Zollwertregelung der Union ein gerechtes, einheitliches und neutrales System geschaffen werden soll, das die Anwendung willkürlicher oder fiktiver Zollwerte ausschließt. Der Zollwert muss daher den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln und folglich alle Elemente dieser Ware, die einen wirtschaftlichen Wert haben, berücksichtigen (Urteil vom 20. Juni 2019, Oribalt Rīga, C‑1/18, EU:C:2019:519, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Konkret wird der Zollwert eingeführter Waren nach Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften durch ihren Transaktionswert gebildet, d. h. durch den für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Union tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis, vorbehaltlich jedoch der namentlich gemäß Art. 32 des Zollkodex gegebenenfalls vorzunehmenden Berichtigungen (Urteil vom 19. November 2020, 5th AVENUE Products Trading, C‑775/19, EU:C:2020:948, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, ist der Zollwert eingeführter Waren vorrangig nach der sogenannten „Transaktionswertmethode“ zu ermitteln. Diese Methode zur Ermittlung des Zollwerts dürfte die am besten geeignete und am häufigsten verwendete sein (Urteil vom 19. November 2020, 5th AVENUE Products Trading, C‑775/19, EU:C:2020:948, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Der für die Waren tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis bildet daher grundsätzlich die Grundlage der Zollwertermittlung, auch wenn es sich dabei um einen Faktor handelt, der gegebenenfalls Berichtigungen unterliegt, sofern dies erforderlich ist, um die Ermittlung eines willkürlichen oder fiktiven Zollwerts zu verhindern (Urteil vom 20. Juni 2019, Oribalt Rīga, C‑1/18, EU:C:2019:519, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Allerdings erlaubt es Art. 29 Abs. 1 Buchst. d des Zollkodex der Gemeinschaften, den Transaktionswert eingeführter Waren dann außer Betracht zu lassen, wenn zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich zum einen, dass der Käufer und der Verkäufer im Sinne des Zollkodex miteinander verbunden sind, und zum anderen, dass dieser Transaktionswert für die Ermittlung des Zollwerts nicht anerkannt werden kann.

29      Nach Art. 143 Abs. 1 der Durchführungsverordnung können Personen nur dann als verbunden angesehen werden, wenn sie unter einen der in dieser Bestimmung abschließend aufgezählten Fälle fallen. Als verbundene Personen gelten so nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. b Personen, die Teilhaber oder Gesellschafter von Personengesellschaften sind. Das Gleiche gilt nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. e und f, wenn eine Person die andere unmittelbar oder mittelbar kontrolliert oder beide unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden.

30      Erstens kann dem im Wesentlichen von den Mitgliedstaaten und von der Europäischen Kommission in ihren jeweiligen Erklärungen vorgebrachten Argument nicht gefolgt werden, dass vom Wortlaut von Art. 143 Abs. 1 der Durchführungsverordnung abgewichen werden müsse, da eine enge Auslegung dieser Bestimmung die praktische Wirksamkeit von Art. 29 Abs. 1 Buchst. d des Zollkodex der Gemeinschaften beeinträchtigen und die Fähigkeit der Zollbehörden, einen Transaktionswert außer Betracht zu lassen, beeinträchtigen könnte.

31      Zum einen verkennt dieses Argument nämlich nicht nur den abschließenden Charakter der in Art. 143 Abs. 1 der Durchführungsverordnung aufgezählten Fälle, sondern auch das mit dieser Bestimmung und Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften verfolgte Ziel. Wie sich aus der in den Rn. 24 bis 26 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, stellt die Methode des Transaktionswerts eingeführter Waren die Methode dar, die zur Ermittlung ihres Zollwerts vorrangig anzuwenden ist. Die Bestimmungen, die eine Abweichung von diesem Grundsatz erlauben, sind daher als Ausnahmen von diesem Grundsatz eng auszulegen.

32      Zum anderen geht die Behauptung fehl, dass die Zollbehörden aufgrund einer engen Auslegung von Art. 143 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Gefahr liefen, dass ihre Fähigkeit beeinträchtigt werde, einen unangemessenen Transaktionswert außer Betracht zu lassen.

33      Zunächst sieht Art. 143 Abs. 1 der Durchführungsverordnung seinem Wortlaut nach eine Reihe von Fällen vor, in denen die Zollbehörden davon ausgehen können, dass der Verkäufer und der Käufer miteinander verbunden sind, und in denen sie daher gegebenenfalls den Transaktionswert nach Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften außer Betracht lassen können.

34      Sodann erlaubt es, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, Art. 181a der Durchführungsverordnung, der infolge der Änderung dieser Verordnung durch die Verordnung (EG) Nr. 3254/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 zur Änderung der Verordnung Nr. 2454/93 (ABl. 1994, L 346, S. 1) eingefügt wurde, den Transaktionswert bei der Ermittlung des Zollwerts außer Betracht zu lassen, wenn nach Auffassung der Zollbehörden der angemeldete Wert der eingeführten Waren nicht ihren tatsächlichen Wert widerspiegelt, und zwar unabhängig davon, ob eine Verbindung zwischen Baltic Master und dem Verkäufer besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Februar 2008, Carboni e derivati, C‑263/06, EU:C:2008:128, Rn. 52, und vom 16. Juni 2016, EURO 2004. Hungary, C‑291/15, EU:C:2016:455, Rn. 31).

35      Was zweitens die Verbindung zwischen Personen aufgrund ihrer Eigenschaft als Gesellschafter im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. b der Durchführungsverordnung betrifft, ist hervorzuheben, dass schon der Wortlaut dieser Bestimmung jede faktische Verbindung ausschließt.

36      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 42 und 43 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verlangt diese Bestimmung, die Personen betrifft, die im Rechtssinne „Gesellschafter“ sind, für die Feststellung, dass eine Verbindung besteht, den Nachweis, dass die in den nationalen Bestimmungen über die Gesellschaftereigenschaft vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, womit jede nicht rechtliche Verbindung ausgeschlossen ist.

37      Was drittens die Personen angeht, die nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. e und f der Durchführungsverordnung als miteinander verbunden gelten, wenn eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar die andere kontrolliert oder beide unmittelbar oder mittelbar von einer dritten Person kontrolliert werden, so ist, wie dies durch die erläuternde Anmerkung zu Art. 143 Abs. 1 Buchst. e der Durchführungsverordnung in deren Anhang 23 bestätigt wird, zwischen einer rechtlichen und einer tatsächlichen Kontrolle zu unterscheiden.

38      Zum einen ergibt sich hinsichtlich des Vorliegens einer rechtlichen Kontrolle aus den in Rn. 18 des vorliegenden Urteils aufgezählten Umständen, dass kein Dokument die Annahme zulässt, dass ein unmittelbares oder mittelbares rechtliches Kontrollverhältnis im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. e und f vorliegt. Eine rechtliche Kontrolle ist daher im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits offenbar auszuschließen, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen sein wird.

39      Was zum anderen das Bestehen einer tatsächlichen Kontrolle betrifft, ergibt sich aus der in Rn. 37 des vorliegenden Urteils angeführten erläuternden Anmerkung, dass angenommen wird, dass eine Person eine andere kontrolliert, wenn sie in der Lage ist, dieser Beschränkungen aufzuerlegen oder Anweisungen zu erteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2020, Direktor na Teritorialna direktsiya Yugozapadna Agentsiya „Mitnitsi“, C‑76/19, EU:C:2020:543, Rn. 67).

40      Die in Rn. 18 des vorliegenden Urteils genannten tatsächlichen Umstände scheinen indessen eine enge Vertrauensbeziehung zwischen dem Verkäufer und Baltic Master zu belegen, nicht aber den Schluss zu erlauben, dass eine solche Beschränkungs- oder Weisungsbefugnis besteht, was jedoch vom vorlegenden Gericht zu bestätigen sein wird.

41      Sollte das vorlegende Gericht am Ende der entsprechenden Prüfungen zu dem Ergebnis kommen, dass im vorliegenden Fall der Käufer und der Verkäufer nicht im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Buchst. d des Zollkodex der Gemeinschaften miteinander verbunden sind, ergäbe sich daraus, dass der Zollwert der eingeführten Waren grundsätzlich auf der Grundlage ihres Transaktionswerts und nicht anhand einer anderen Bewertungsmethode wie der in Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex vorgesehenen zu ermitteln wäre.

42      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 29 Abs. 1 Buchst. d des Zollkodex der Gemeinschaften und Art. 143 Abs. 1 Buchst. b, e und f der Durchführungsverordnung dahin auszulegen sind, dass

–        nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Käufer und der Verkäufer im Rechtssinne Gesellschafter sind oder aufgrund eines unmittelbaren oder mittelbaren rechtlichen Kontrollverhältnisses miteinander verbunden sind, wenn es keine Unterlagen gibt, aus denen sich eine solche Verbindung ableiten lässt;

–        der Käufer und der Verkäufer aufgrund eines unmittelbaren oder mittelbaren tatsächlichen Kontrollverhältnisses als miteinander verbunden angesehen werden können, wenn die durch objektive Anhaltspunkte belegten Bedingungen des Abschlusses der fraglichen Geschäfte nicht nur als Hinweis darauf angesehen werden können, dass zwischen dem Käufer und dem Verkäufer eine enge Vertrauensbeziehung besteht, sondern auch darauf, dass einer von ihnen in der Lage ist, dem anderen Beschränkungen aufzuerlegen oder Anweisungen zu erteilen, oder dass ein Dritter ihnen gegenüber dazu in der Lage ist.

Zur zweiten Frage

43      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass der Zollwert einer eingeführten Ware, wenn er nicht gemäß den Art. 29 und 30 des Zollkodex ermittelt werden konnte, auf der Grundlage von Informationen in einer nationalen Datenbank über den Zollwert der einzigen Waren desselben Ursprungs ermittelt wird, die zwar nicht „gleichartig“ im Sinne von Art. 142 Abs. 1 Buchst. d der Durchführungsverordnung sind, aber unter denselben TARIC‑Code fallen.

44      Einleitend ist festzustellen, dass sich diese zweite Frage, wie sich aus Rn. 41 des vorliegenden Urteils ergibt, nur stellt, wenn das vorlegende Gericht nach den Prüfungen, die es im Hinblick auf die Antwort auf die erste Frage vorzunehmen hat, zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Zollbehörden bei der Ermittlung des Zollwerts der betreffenden Waren den Transaktionswert zu Recht außer Betracht gelassen haben, da im vorliegenden Fall der Käufer und der Verkäufer im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Buchst. d des Zollkodex der Gemeinschaften miteinander verbunden waren und der Transaktionswert nach Art. 29 Abs. 2 des Zollkodex für Zollzwecke nicht anerkannt werden konnte. Sollte das vorlegende Gericht nämlich zu dem gegenteiligen Ergebnis gelangen, dass der Zollwert dieser Waren nach Art. 29 des Zollkodex der Gemeinschaften auf der Grundlage ihres Transaktionswerts zu bestimmen ist, könnte dieser Zollwert nicht auf der Grundlage von Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex ermittelt werden, so dass die zweite Frage, die sich auf die Auslegung dieser Bestimmung bezieht, gegenstandslos würde.

45      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich sowohl aus dem Wortlaut der Art. 29 bis 31 des Zollkodex der Gemeinschaften als auch aus der Reihenfolge, in der die Kriterien für die Ermittlung des Zollwerts nach diesen Artikeln anzuwenden sind, ergibt, dass diese Bestimmungen im Verhältnis der Subsidiarität zueinander stehen. Denn erst wenn der Zollwert nicht durch Anwendung einer bestimmten Vorschrift ermittelt werden kann, ist die in der festgelegten Reihenfolge unmittelbar nach ihr kommende Vorschrift heranzuziehen (Urteil vom 16. Juni 2016, EURO 2004. Hungary, C‑291/15, EU:C:2016:455, Rn. 29).

46      Was insbesondere Art. 30 Abs. 2 des Zollkodex der Gemeinschaften angeht, scheint aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorzugehen, dass die zuständigen Zollbehörden nicht auf die in dieser Bestimmung vorgesehenen Methoden zur Ermittlung des Zollwerts zurückgreifen konnten, da sich Baltic Master dafür entschieden hat, die eingeführten Waren in den Zollanmeldungen knapp darzustellen, indem sie sich darauf beschränkt hat, den TARIC‑Code und ihr Gesamtgewicht anzugeben, was jedoch vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist. Insoweit wird dieses Gericht die Auskünfte zu berücksichtigen haben, die Baltic Master diesen Behörden möglicherweise für die Zwecke der Anwendung entweder von Art. 29 Abs. 2 des Zollkodex der Gemeinschaften im Licht der erläuternden Anmerkung zu Art. 29 Abs. 2 in Anhang 23 der Durchführungsverordnung oder von Art. 181a der Durchführungsverordnung übermittelt hat.

47      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Wortlaut von Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften der Zollwert der eingeführten Waren, wenn er nicht nach den Art. 29 und 30 des Zollkodex ermittelt werden kann, auf der Grundlage von in der Union verfügbaren Daten durch zweckmäßige Methoden zu ermitteln ist, die mit den Leitlinien und allgemeinen Regeln internationaler Übereinkommen sowie mit den Vorschriften des Kapitels 3 des Zollkodex übereinstimmen.

48      Schließlich heißt es in den in Anhang 23 der Durchführungsverordnung enthaltenen erläuternden Anmerkungen zur Ermittlung des Zollwerts zu Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften in Nr. 1 zunächst, dass die nach dieser Bestimmung ermittelten Zollwerte möglichst auf schon früher ermittelten Zollwerten beruhen sollten. Weiter heißt es dort in Nr. 2, dass als Bewertungsmethoden nach dieser Bestimmung die in den Art. 29 und 30 Abs. 2 des Zollkodex festgelegten Methoden herangezogen werden sollten, dass aber eine angemessene Flexibilität bei der Anwendung solcher Methoden im Einklang mit den Zielsetzungen und Bestimmungen von Art. 31 des Zollkodex stehe.

49      Aus den vom vorlegenden Gericht übermittelten Informationen geht zum einen hervor, dass Baltic Master die eingeführten Waren in ihren Zollanmeldungen als „Teile von Klimaanlagen“ beschrieben hat, sie in einen einzigen TARIC‑Code eingereiht und das Gesamtgewicht dieser Waren in Kilogramm angegeben hat. Zum anderen hat die betreffende Zollbehörde nach diesen Informationen den von Baltic Master erklärten Transaktionswert außer Betracht gelassen und den Zollwert dieser Waren gemäß Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften anhand von Daten ermittelt, die in einer nationalen Datenbank über von einem anderen Einführer im Jahr 2010, d. h. in dem Jahr, das auf das Jahr der ersten im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einfuhr folgte, eingeführte Waren enthalten waren, die unter demselben TARIC‑Code angemeldet wurden und vom selben Hersteller stammten.

50      Im vorliegenden Fall umfasst die verwendete TARIC‑Codenummer eine uneinheitliche Zusammenstellung von Teilen von Klimaanlagen, wie Kunststoffplatten für motorbetriebene Maschinen, Ringe aus Metall, Rohre, Übertragungskabel, Schalter, Drucksensoren, Vorrichtungen zur Verteilung über Ventilatoren in Gebäudeböden und elektronische Schaltungen.

51      Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob in Anbetracht der Heterogenität der unter diesen TARIC‑Code fallenden Teile und des Fehlens einer detaillierten Beschreibung der eingeführten Waren eine Ermittlung des Zollwerts dieser Waren nach Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften auf der Grundlage des Transaktionswerts gleichartiger Waren im Rahmen des bei ihm anhängigen Rechtsstreits möglich ist, obwohl der in Art. 142 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung definierte Begriff „gleichartige Waren“ eine Homogenität der eingeführten Waren voraussetzt, die schwer mit der Verschiedenartigkeit der unter diesem TARIC‑Code eingereihten Waren zu vereinbaren ist.

52      Insoweit ist hervorzuheben, dass sich die Definition dieses Begriffs in Art. 142 Abs. 1 Buchst. d auf die Ermittlung des Zollwerts nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex der Gemeinschaften bezieht. Aus Nr. 2 der in Rn. 48 des vorliegenden Urteils genannten erläuternden Anmerkung geht zwar hervor, dass als Bewertungsmethoden nach Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex die in den Art. 29 und 30 Abs. 2 des Zollkodex festgelegten Methoden herangezogen werden sollten, doch heißt es in derselben Nummer, dass diese Methoden mit einer angemessenen Flexibilität angewandt werden müssen, insbesondere bei der Beurteilung des Begriffs „gleichartige Waren“.

53      Im vorliegenden Fall kann es nicht als unangemessen angesehen werden, dass sich die Zollbehörden, nachdem sie gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Zollkodex der Gemeinschaften den Transaktionswert eingeführter Waren bei der Ermittlung ihres Zollwerts außer Betracht gelassen haben, anlässlich einer nachträglichen Prüfung auf Angaben stützen, die die Anmelderin übermittelt hat, nämlich das Gewicht und den TARIC‑Code der Waren. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Zollkodex der Gemeinschaften auf einem Anmeldesystem beruht, um Zollförmlichkeiten und Kontrollmaßnahmen in geringstmöglichem Umfang zu halten und zugleich Betrugsfälle oder Unregelmäßigkeiten, die sich nachteilig auf den Haushalt der Union auswirken können, zu verhüten (Urteil vom 9. Juli 2020, Unipack, C‑391/19, EU:C:2020:547, Rn. 22).

54      Angesichts zunächst der Notwendigkeit, einen Zollwert in dem Fall festzustellen, dass ein Unternehmen keine hinreichend genauen oder zuverlässigen Angaben zum Zollwert der betreffenden Waren macht, sodann der Sorgfalt, die die Zollbehörden an den Tag legen müssen, wenn sie die einzelnen sukzessiv heranzuziehenden Methoden zur Ermittlung des Zollwerts anwenden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, LS Customs Services, C‑46/16, EU:C:2017:839, Rn. 52), und schließlich der „angemessenen Flexibilität“, mit der diese Methoden nach Nr. 2 der in den Rn. 48 und 52 des vorliegenden Urteils angeführten erläuternden Anmerkung anzuwenden sind, ist somit anzuerkennen, dass in einer nationalen Datenbank enthaltene Daten über Waren desselben TARIC‑Codes, die von dem Verkäufer stammen, der auch die betreffenden Waren verkauft hat, „in der [Union] verfügbare Daten“ im Sinne von Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften darstellen, die als Grundlage für die Zwecke der Ermittlung des Zollwerts der betreffenden Waren herangezogen werden können.

55      Die Heranziehung dieser Daten ist nämlich eine im Sinne von Art. 31 Abs. 1 „zweckmäßige“ Methode zur Ermittlung dieses Werts und stimmt zugleich mit den Leitlinien und allgemeinen Regeln der in Art. 31 Abs. 1 angeführten internationalen Übereinkommen und Vorschriften überein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2017, GE Healthcare, C‑173/15, EU:C:2017:195, Rn. 81).

56      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 31 Abs. 1 des Zollkodex der Gemeinschaften dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass der Zollwert einer eingeführten Ware, wenn er nicht gemäß den Art. 29 und 30 des Zollkodex ermittelt werden konnte, auf der Grundlage von Informationen in einer nationalen Datenbank über den Zollwert der einzigen Waren desselben Ursprungs ermittelt wird, die zwar nicht „gleichartig“ im Sinne von Art. 142 Abs. 1 Buchst. d der Durchführungsverordnung sind, aber unter denselben TARIC‑Code fallen.

Kosten

57      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

 

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