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Steuerrecht
12.10.2023
Steuerrecht
EuGH: Befugnis der Mitgliedstaaten, auf bestimmte Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden – Anhang III Nrn. 1 und 12a – ähnliche Lebensmittel, die aus derselben Hauptzutat hergestellt werden

 – Heißgetränke auf Milchbasis – Anwendung unterschiedlicher ermäßigter Mehrwertsteuersätze

EuGH, Urteil vom 5.10.2023 – C-146/22; YD gegen Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej

ECLI:EU:C:2023:739

Volltext BB-Online BB-ONLINE BBL2023-2389-1

Tenor

Art. 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie (EU) 2018/1713 des Rates vom 6. November 2018 geänderten Fassung in Verbindung mit Anhang III Nrn. 1 und 12a der Mehrwertsteuerrichtlinie, mit Art. 6 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 und mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der für Lebensmittel, die aus derselben Hauptzutat bestehen und aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zur Deckung desselben Bedarfs bestimmt sind, zwei unterschiedliche ermäßigte Mehrwertsteuersätze gelten, je nachdem, ob sie im Einzelhandel verkauft werden oder ob sie auf Bestellung eines Kunden zum sofortigen Verzehr zubereitet und warm abgegeben werden, nicht entgegensteht, sofern diese Lebensmittel trotz der gemeinsamen Hauptzutat keine ähnlichen Eigenschaften haben oder die zwischen ihnen – einschließlich in Bezug auf die mit ihrer Lieferung einhergehenden unterstützenden Dienstleistungen – bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, eines von ihnen zu kaufen, erheblich beeinflussen.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 14 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 und Art. 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie (EU) 2018/1713 des Rates vom 6. November 2018 (ABl. 2018, L 286, S. 20) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) in Verbindung mit den Erwägungsgründen 4 und 7 sowie Anhang III Nrn. 1 und 12a der Mehrwertsteuerrichtlinie, den Grundsätzen der loyalen Zusammenarbeit, der steuerlichen Neutralität, der Rechtmäßigkeit und der Rechtssicherheit sowie mit Art. 6 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 (ABl. 2011, L 77, S. 1).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen YD und dem Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej (Direktor der nationalen Steuerinformationsbehörde, Polen, im Folgenden: Steuerbehörde) über den Mehrwertsteuersatz, den YD auf die in ihren Gastronomielokalen erzielten Umsätze aus dem Verkauf von Schokoladenmilchgetränken anzuwenden hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

KN

3          Position 2202 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1549/2006 der Kommission vom 17. Oktober 2006 (ABl. 2006, L 301, S. 1) (im Folgenden: KN) umfasst „Wasser, einschließlich Mineralwasser und kohlensäurehaltiges Wasser, mit Zusatz von Zucker, anderen Süßmitteln oder Aromastoffen, und andere nicht alkoholhaltige Getränke, ausgenommen Frucht-, Nuss- und Gemüsesäfte der Position 2009“.

Mehrwertsteuerrichtlinie

4          In den Erwägungsgründen 4 und 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„(4)       Voraussetzung für die Verwirklichung des Ziels, einen Binnenmarkt zu schaffen ist, dass in den Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern angewandt werden, durch die die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälscht und der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht behindert werden. Es ist daher erforderlich, eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern im Wege eines Mehrwertsteuersystems vorzunehmen, um soweit wie möglich die Faktoren auszuschalten, die geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Gemeinschaftsebene zu verfälschen. …

(7)        Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sollte, selbst wenn die Sätze und Befreiungen nicht völlig harmonisiert werden, eine Wettbewerbsneutralität in dem Sinne bewirken, dass gleichartige Gegenstände und Dienstleistungen innerhalb des Gebiets der einzelnen Mitgliedstaaten ungeachtet der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich belastet werden.“

5          Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

a)         Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt; …

c)         Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.

6          Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Als ‚Lieferung von Gegenständen‘ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“

7          Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.“

8          Art. 96 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten wenden einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.“

9          Art. 98 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„(1)       Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.

(2)        Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.

Die ermäßigten Steuersätze sind nicht anwendbar auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen mit Ausnahme der unter Anhang III Nummer 6 fallenden Dienstleistungen.

(3)        Zur Anwendung der ermäßigten Steuersätze im Sinne des Absatzes 1 auf Kategorien von Gegenständen können die Mitgliedstaaten die betreffenden Kategorien anhand der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen.“

10        Anhang III („Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MwSt-Sätze gemäß Artikel 98 angewandt werden können“) der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält in den Nrn. 1 und 12a folgende Aufzählungen:

„1.        Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten sowie üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse; …

12a.      Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit der Möglichkeit, die Abgabe von (alkoholischen und/oder alkoholfreien) Getränken auszuklammern“.

Durchführungsverordnung Nr. 282/2011

11        Art. 6 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 sieht vor:

„(1)       Als Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen gelten die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder Getränke, zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen. Die Abgabe von Speisen und/oder Getränken ist nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil überwiegt. Restaurantdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen in den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers und Verpflegungsdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen an einem anderen Ort als den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers.

(2)        Die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder Getränken mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende Dienstleistungen, gilt nicht als Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung im Sinne des Absatzes 1.“

Polnisches Recht

12        Die Ustawa o podatku od towarów i usług (Gesetz über die Steuer auf Gegenstände und Dienstleistungen) vom 11. März 2004 (Dz. U. Nr. 54, Pos. 535) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (Dz. U. 2018, Pos. 2174) (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) bestimmt in Art. 41 Abs. 2, dass „[f]ür die in Anhang 3 des Gesetzes aufgeführten Gegenstände und Dienstleistungen“ – mit Ausnahme der unter Rubrik 56 des Rozporządzenie Rady Ministrów w sprawie Polskiej Klasyfikacji Wyrobów i Usług (Verordnung des Ministerrats über die Polnische Klassifikation von Waren und Dienstleistungen) vom 4. September 2015 (Dz. U. 2015, Pos. 1676, im Folgenden: PKWiU) fallenden – „der Steuersatz, vorbehaltlich von Art. 114 Abs. 1, 7 %“ beträgt. Der in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuersatz wurde durch Art. 146aa Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes auf 8 % angehoben.

13        Art. 41 Abs. 2a des Mehrwertsteuergesetzes sieht vor, dass „[f]ür die in Anhang 10 des Gesetzes aufgeführten Gegenstände und Dienstleistungen“ mit Ausnahme der unter Rubrik 56 PKWiU fallenden „der Steuersatz 5 %“ beträgt.

14        Art. 41 Abs. 12f Nr. 1 des Mehrwertsteuergesetzes bestimmt:

„Der in Abs. 2 genannte Steuersatz gilt für die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen, die nach der Polnischen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen unter die Gruppe der ernährungsbezogenen Dienstleistungen (PKWiU 56) fallen, mit Ausnahme der Verkäufe, die Folgendes betreffen: Getränke, die nicht in Anhang 3 oder Anhang 10 des Gesetzes oder in den entsprechenden Durchführungsverordnungen aufgeführt sind, einschließlich der Zubereitung und des Servierens dieser Getränke.“

15        Anhang 10 Nr. 17 des Mehrwertsteuergesetzes betrifft „Wasser, einschließlich Mineralwasser und kohlensäurehaltiges Wasser, mit Zusatz von Zucker, anderen Süßmitteln oder Aromastoffen, und andere nicht alkoholhaltige Getränke, ausgenommen Frucht- und Gemüsesäfte des KN-Codes 2009, mit Ausnahme folgender Erzeugnisse: 1. Joghurt, Buttermilch, Kefir, Milch, die nicht unter die Rubrik 04 KN fallen – ausgenommen Erzeugnisse, die Kaffee und Kaffeeauszüge, -essenzen oder -konzentrate enthalten, 2. Nicht alkoholische Getränke, bei denen der Fruchtsaft-, Gemüsesaft- oder Frucht- und Gemüsesaftanteil nach Gewicht mindestens 20 % der Ausgangsstoffe beträgt“.

16        Rubrik 56 („ernährungsbezogene Dienstleistungen“) PKWiU umfasst „Restaurantdienstleistungen und Dienstleistungen sonstiger Gastronomiebetriebe“, „Dienstleistungen der Zubereitung und Lieferung von Lebensmitteln (Catering) an externe Kunden und andere Gastronomiedienstleistungen“ sowie „Dienstleistungen der Zubereitung und Lieferung von Getränken“.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

17        YD, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, betreibt eine Kaffeehauskette in Wrocław (Polen), über die sie ein Getränk mit der Bezeichnung „Classic Hot Chocolate“ vertreibt, bei dem es sich um eine heiße Schokolade, zubereitet auf der Basis von Milch und Schokoladensauce, handelt.

18        YD ersuchte die Steuerbehörde um verbindliche Auskunft über den auf dieses Getränk anwendbaren Mehrwertsteuersatz. Mit Bescheid vom 17. Juni 2020 stellte diese Behörde fest, dass sowohl der Verkauf des Getränks zum Mitnehmen als auch sein Verkauf an Ort und Stelle als eine Lieferung von Gegenständen anzusehen seien, die mit Nebendienstleistungen einhergehe, nämlich der Zubereitung und Abgabe des Getränks an den Kunden zum sofortigen Verzehr. Sie schloss daraus, dass diese Leistung unter Rubrik 56 („ernährungsbezogene Dienstleistungen“) PKWiU falle, so dass für eine solche Lieferung von Gegenständen der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 8 % gelte.

19        YD focht diesen Bescheid mit der Begründung an, dass analog zu den anderen in Anhang 10 des Mehrwertsteuergesetzes aufgeführten Lieferungen von Gegenständen – namentlich Getränke auf Milchbasis – ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 5 % anzuwenden sei. Sie berief sich insoweit wegen der Ähnlichkeit dieser Waren mit dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Getränk auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, einen Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften und eine fehlerhafte Anwendung des Mehrwertsteuergesetzes.

20        Die Steuerbehörde bestätigte ihren Bescheid mit Bescheid vom 11. Dezember 2020. Sie stellte fest, dass in Rubrik 56 PKWiU eingestufte Lebensmittel wie das in Rede stehende Getränk nicht mit im Einzelhandel verkauften Milchgetränken austauschbar seien, die einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5 % unterlägen. Sie wies auf den Unterschied hin, der zwischen einem Fertiggetränk, das in einem Geschäft verkauft werde, und einem Heißgetränk bestehe, das von einem Kaffeehausmitarbeiter auf Bestellung und nach den konkreten Wünschen des jeweiligen Kunden zubereitet werde. Im zweiten Fall werde die Lieferung von Nebendienstleistungen begleitet, die die Entscheidung des Verbrauchers, das betreffende Produkt zu kaufen, beeinflussten.

21        Im Anschluss an den Bescheid vom 11. Dezember 2020 erhob YD Klage beim Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Wrocław [Breslau], Polen), dem vorlegenden Gericht, und machte einen Verstoß gegen Art. 41 Abs. 12f Nr. 1 in Verbindung mit Art. 41 Abs. 2a und Anhang 10 Nr. 17 § 1 des Mehrwertsteuergesetzes sowie gegen Art. 98 Abs. 1 und 2 und die Erwägungsgründe 4 und 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie geltend. Zu dem Ergebnis, dass die Lieferung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Getränks dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 8 % unterliege, ist die Steuerbehörde nach Ansicht von YD infolge einer fehlerhaften Auslegung der genannten Bestimmungen gelangt. YD zufolge muss ein solches Getränk analog zu den anderen in Anhang 10 des Mehrwertsteuergesetzes aufgeführten Gegenständen, d. h mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5 %, besteuert werden, um für all diese Gegenstände gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.

22        Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob die in Rede stehende nationale Regelung und Praxis mit der Mehrwertsteuerrichtlinie in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs und mit den Grundsätzen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems vereinbar ist.

23        Das vorlegende Gericht weist im Wesentlichen darauf hin, dass der polnische Gesetzgeber die Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze für „Lebensmittel“ im Sinne von Anhang III Nr. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie und für „Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen“ im Sinne von Nr. 12a dieses Anhangs III vorgesehen habe. So ist nach Art. 41 Abs. 2a des Mehrwertsteuergesetzes auf die Gegenstände und Dienstleistungen, die in Anhang 10 dieses Gesetzes – der auf Position 2202 KN Bezug nimmt – aufgeführt sind, ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 5 % anzuwenden. Dieser Steuersatz kann auf diese Gegenstände und Dienstleistungen jedoch dann nicht angewandt werden, wenn sie unter Rubrik 56 PKWiU fallen.

24        In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht als Erstes wissen, ob der nationale Gesetzgeber im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit zwei verschiedene Klassifizierungsquellen – die KN und die PKWiU – heranziehen darf, um den Mehrwertsteuersatz zu bestimmen, der für ein und dieselbe Kategorie von Gegenständen oder Dienstleistungen gilt.

25        Erstens werden dem vorlegenden Gericht zufolge mit dem Mehrwertsteuergesetz und der PKWiU nicht die gleichen Ziele verfolgt.

26        Zweitens könnte man der Auffassung sein, dass die Steuerbehörde bei der Bestimmung des Mehrwertsteuersatzes, der auf Gegenstände und Dienstleistungen anzuwenden sei, die für einen Durchschnittsverbraucher denselben Bedarf deckten, über ein zu weites Ermessen verfüge, was dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zuwiderliefe.

27        Drittens beziehe sich der polnische Gesetzgeber auf die PKWiU, obwohl darin der Begriff „steuerbare Tätigkeit“ anders ausgelegt werde als nach dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem, insbesondere in Bezug auf die Einstufung einer Leistung, die aus einer Hauptleistung und mehreren Nebenleistungen bestehe.

28        Als Zweites weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Verkauf des in Rede stehenden Getränks unstreitig eine Lieferung von Gegenständen darstelle. Es hat jedoch Zweifel, ob die Steuerbehörde die mit der Zubereitung und dem Vertrieb dieses Getränks zusammenhängenden Nebendienstleistungen als bestimmend dafür ansehen kann, dass auf diese Ware ein anderer Mehrwertsteuersatz angewandt wird als auf Waren, die zwar gleichartig sind, aber nicht von solchen Dienstleistungen begleitet werden.

29        Unter diesen Umständen hat der Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Wrocław) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.         Stehen Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 14 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 98 Abs. 1 bis 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 und 2 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011, mit Anhang III Nrn. 1 und 12a der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie mit den Erwägungsgründen 4 und 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie und den Grundsätzen der loyalen Zusammenarbeit, der steuerlichen Neutralität, der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und der Rechtssicherheit nationalen Regelungen, wie sie im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen, entgegen, die einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5 % für Lebensmittel, u. a. Getränke auf Milchbasis, unter Bezugnahme auf die Position 2202 KN vorsehen, während sie Lebensmittel, u. a. Getränke auf Milchbasis, ausnehmen, die nach der Polnischen Statistischen Klassifikation (Rubrik 56 PKWiU) als ernährungsbezogene Dienstleistungen eingestuft werden, und auf diese Gegenstände (ihre Lieferung oder damit verbundene Dienstleistungen) einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 8 % anwenden, obwohl der Durchschnittsverbraucher beim Kauf dieser Gegenstände oder Dienstleistungen diese Lieferungen (Dienstleistungen) als zur Deckung desselben Bedarfs bestimmt ansieht?

2.         Ist eine Verwaltungspraxis, die zur Anwendung von zwei unterschiedlichen ermäßigten Mehrwertsteuersätzen auf Gegenstände mit gleichen objektiven Merkmalen und Eigenschaften führt, je nachdem, ob Dienstleistungen zur Zubereitung und zum Servieren dieser Gegenstände erbracht werden, wodurch diese Gegenstände nach subjektiven und nicht nach objektiven Gesichtspunkten unterschieden werden, mit den Grundsätzen der steuerlichen Neutralität und der Rechtssicherheit vereinbar?

Zu den Vorlagefragen

30        Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 98 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit Anhang III Nrn. 1 und 12a der Mehrwertsteuerrichtlinie, mit Art. 6 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 und mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der für Lebensmittel, die aus derselben Hauptzutat bestehen und aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zur Deckung desselben Bedarfs bestimmt sind, zwei unterschiedliche ermäßigte Mehrwertsteuersätze gelten, je nachdem, ob sie im Einzelhandel verkauft werden oder ob sie auf Bestellung eines Kunden zum sofortigen Verzehr zubereitet und warm abgegeben werden.

31        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 96 der Mehrwertsteuerrichtlinie auf Lieferungen von Gegenständen und auf Dienstleistungen grundsätzlich der gleiche Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist, nämlich der von jedem Mitgliedstaat festzusetzende Normalsatz.

32        Abweichend von diesem Grundsatz können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 98 dieser Richtlinie ermäßigte Mehrwertsteuersätze anwenden. Zu diesem Zweck enthält Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie ein abschließendes Verzeichnis der Kategorien der Lieferungen von Gegenständen und der Dienstleistungen, auf die diese ermäßigten Sätze angewandt werden können (Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33        Der Zweck der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, ermäßigte Mehrwertsteuersätze vorzusehen, besteht darin, die Kosten für bestimmte, als unentbehrlich erachtete Gegenstände und Dienstleistungen zu senken und somit dem Endverbraucher, der die Steuer letztlich entrichten muss, den Zugang zu ihnen zu erleichtern (Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34        Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es Sache der Mitgliedstaaten, sofern der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegende Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird, genauer zu bestimmen, auf welche der in den Kategorien des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie enthaltenen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der ermäßigte Steuersatz Anwendung findet (Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35        In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 98 Abs. 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie bei der Anwendung von ermäßigten Steuersätzen auf Kategorien von Lieferungen von Gegenständen zur genauen Abgrenzung der betreffenden Kategorie auf die KN zurückgreifen können. Jedoch ist der Rückgriff auf die KN nur eine von mehreren Arten, die betreffende Kategorie genau abzugrenzen (Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36        Folglich steht es dem nationalen Gesetzgeber, sofern die Umsätze, auf die der ermäßigte Steuersatz anwendbar ist, zu einer der Kategorien in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie gehören und der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird, bei der Abgrenzung der Kategorien, auf die er diesen ermäßigten Steuersatz anwenden will, in seinem innerstaatlichen Recht frei, die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen in den Kategorien von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie nach der Methode einzustufen, die er für am geeignetsten erachtet (Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 40).

37        In diesem Rahmen hat der Gerichtshof festgestellt, dass es dem nationalen Gesetzgeber, sofern die in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen erfüllt sind, freisteht, unterschiedliche steuerbare Umsätze, die in unterschiedlichen Kategorien von Anhang III enthalten sind, in dieselbe Kategorie einzustufen, ohne formal zwischen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen zu unterscheiden, und sie demselben ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu unterwerfen (Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 41).

38        Des Weiteren hat er festgestellt, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie es nicht ausschließt, dass Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen, die zur selben Kategorie in Anhang III dieser Richtlinie gehören, zwei verschiedenen ermäßigten Mehrwertsteuersätzen unterworfen werden (Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39        Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie sich dafür entscheiden, einen oder zwei ermäßigte Mehrwertsteuersätze auf eine der in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie angeführten Kategorien von Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen anzuwenden oder deren Anwendung gegebenenfalls selektiv auf einen Teil der Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen einer dieser Kategorien zu beschränken, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten müssen (Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40        Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts, dass nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung und Praxis unterschieden wird zwischen verzehrfertigen Milchgetränken, die in Geschäften vertrieben werden, wobei diese als Lebensmittel im Sinne von KN-Code 2202 eingestuft werden und damit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5 % unterliegen, und den Milchheißgetränken, die – wie die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens vermarktete Classic Hot Chocolate – von einem Kaffeehausmitarbeiter auf Bestellung eines Kunden für den sofortigen Verzehr zubereitet werden, wobei diese unter Rubrik 56 („ernährungsbezogene Dienstleistungen“) PKWiU fallen und damit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 8 % unterliegen.

41        Für die vorstehend genannten Milchgetränke gelten daher unterschiedliche ermäßigte Mehrwertsteuersätze, je nachdem, ob sie als verzehrfertiges Getränk im Einzelhandel verkauft werden oder ob sie als Lieferung von Gegenständen auf Bestellung eines Kunden zum sofortigen Verzehr zubereitet und warm abgegeben werden. Diese Unterscheidung ergibt sich daraus, dass die Milchgetränke entweder als Lebensmittel im Sinne der KN oder als Teil von ernährungsbezogenen Dienstleistungen im Sinne der PKWiU eingestuft werden.

42        Aus der oben in den Rn. 37 bis 39 angeführten Rechtsprechung geht im Wesentlichen hervor, dass Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen, die unter Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen, zwei verschiedenen ermäßigten Mehrwertsteuersätzen unterworfen werden können, sofern der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird.

43        Folglich ist eine Methode zur Einstufung von Lebensmitteln wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die u. a. darauf abstellt, ob die Lebensmittel im Hinblick auf ihren Verzehr von Nebendienstleistungen begleitet werden, als solche nicht mit dem Unionsrecht unvereinbar.

44        Dies gilt erst recht angesichts dessen, dass Nr. 1 und Nr. 12a des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie identische oder ähnliche Lebensmittel als „Lebensmittel“ bzw. Lebensmittel, die Gegenstand von „Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen“ sind, betreffen können, während aus Art. 6 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 hervorgeht, dass der Unionsgesetzgeber, um einen steuerbaren Umsatz als „Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen“ einzustufen, weder den Lebensmitteln selbst noch der Art der Zubereitung von Speisen oder ihrer Lieferung entscheidende Bedeutung beimessen wollte, sondern der Bereitstellung von unterstützenden Dienstleistungen, die mit der Abgabe von zubereiteten Speisen einhergehen, wobei diese Dienstleistungen ausreichend sein müssen, um den sofortigen Verzehr dieser Speisen zu gewährleisten, sowie im Verhältnis zu deren Abgabe überwiegen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 58).

45        Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet.

46        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz es nicht zulässt, gleichartige Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (Urteil vom 22. April 2021, Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach, C-703/19, EU:C:2021:314, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47        Was die Beurteilung der Gleichartigkeit der betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen angeht, die letztlich Sache des nationalen Gerichts ist, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass in erster Linie auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Gegenstände oder Dienstleistungen sind gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erheblich beeinflussen (Urteil vom 9. November 2017, AZ, C-499/16, EU:C:2017:846, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48        Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob Milchgetränke, die als Lebensmittel im Sinne von Position 2202 KN eingestuft sind, und Milchheißgetränke, die als Dienstleistung im Sinne von Rubrik 56 („ernährungsbezogene Dienstleistungen“) PKWiU eingestuft sind, in den Augen des Durchschnittsverbrauchers untereinander austauschbar sind.

49        Unter diesem Blickwinkel wird das vorlegende Gericht erstens in Bezug auf die Eigenschaften der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Getränke zu berücksichtigen haben, dass diese Getränke einander insbesondere deshalb ähnlich sind, weil sie aus derselben Hauptzutat, nämlich Milch, hergestellt werden und nach den Feststellungen der Steuerbehörde eine ähnliche flüssige Konsistenz und ein ähnliches äußeres Erscheinungsbild haben.

50        Das vorlegende Gericht wird in diesem Rahmen jedoch auch zu prüfen haben, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Getränke sich in Geschmack, Konsistenz und Geruch insbesondere deshalb erheblich unterscheiden können, weil der Verbraucher – wie die polnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt – bei Milchheißgetränken, die dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 8 % unterliegen, zusätzliche Zutaten bestellen könnte, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf diese Aspekte haben können. Außerdem wird das vorlegende Gericht zu berücksichtigen haben, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Getränke einen Temperaturunterschied aufweisen, der sich erheblich auf ihre jeweiligen Eigenschaften, wie Geschmack und Geruch, auswirken kann.

51        Zweitens geht aus der Vorlageentscheidung und der Formulierung der ersten Vorlagefrage hervor, dass das vorlegende Gericht festgestellt hat, dass mit den beiden Arten von Milchgetränken, um die es im Ausgangsverfahren geht, ein und derselbe Bedarf an gesüßten alkoholfreien Getränken gedeckt werden soll.

52        Drittens ist zu der Frage, ob die Unterschiede zwischen den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Milchgetränken einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, eines dieser Getränke zu kaufen, haben können, darauf hinzuweisen, dass insoweit die Unterschiede zu berücksichtigen sind, die die Eigenschaften der fraglichen Gegenstände oder Dienstleistungen sowie deren Verwendung betreffen und daher mit diesen Gegenständen oder Dienstleistungen naturgemäß verbunden sind, sowie die Unterschiede des Kontexts, in dem die Gegenstände geliefert oder die Dienstleistungen erbracht werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, Phantasialand, C-406/20, EU:C:2021:720, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53        In diesem Rahmen ist darauf hinzuweisen, dass die von YD vertriebenen Getränke angesichts dessen, dass sie eigens auf Bestellung eines Kunden zubereitet und warm abgegeben werden, zum sofortigen Verzehr bestimmt sind, während dies bei in Geschäften vertriebenen Milchgetränken, auf deren Zusammensetzung der Verbraucher im Übrigen keinen Einfluss hat, nicht unbedingt der Fall ist. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht scheint dieser Unterschied einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung des Verbrauchers, eines dieser Getränke zu kaufen, haben zu können, da dieser Entscheidung nicht die gleichen Bedingungen und das gleiche Ziel zugrunde liegen, und zwar erst recht nicht, wenn der Verbraucher die Zusammensetzung der erstgenannten Getränke durch die Bestellung zusätzlicher Zutaten ändern kann.

54        Insbesondere anhand der oben in den Rn. 49 bis 52 dargelegten Gesichtspunkte wird das vorlegende Gericht erstens zu prüfen haben, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Milchgetränke ähnliche Eigenschaften haben, zweitens, ob sie beim Verbraucher denselben Bedürfnissen dienen, und drittens, ob die Unterschiede zwischen diesen Milchgetränken einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, eines dieser Getränke zu kaufen, haben. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass bereits dann, wenn das dritte Kriterium erfüllt ist, davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen nicht gleichartig sind, und es somit nicht gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstößt, auf sie unterschiedliche ermäßigte Mehrwertsteuersätze anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, K, C-219/13, EU:C:2014:2207, Rn. 31).

55        Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 98 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit Anhang III Nrn. 1 und 12a der Mehrwertsteuerrichtlinie, mit Art. 6 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 und mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, nach der für Lebensmittel, die aus derselben Hauptzutat bestehen und aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zur Deckung desselben Bedarfs bestimmt sind, zwei unterschiedliche ermäßigte Mehrwertsteuersätze gelten, je nachdem, ob sie im Einzelhandel verkauft werden oder ob sie auf Bestellung eines Kunden zum sofortigen Verzehr zubereitet und warm abgegeben werden, nicht entgegensteht, sofern diese Lebensmittel trotz der gemeinsamen Hauptzutat keine ähnlichen Eigenschaften haben oder die zwischen ihnen – einschließlich in Bezug auf die mit ihrer Lieferung einhergehenden unterstützenden Dienstleistungen – bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers, eines von ihnen zu kaufen, erheblich beeinflussen.

Kosten

56        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

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