FG Münster: Beendigung der Organschaft durch Anordnung der Eigenverwaltung
FG Münster, Urteil vom 7.9.2017 – 5 K 3123/15 U
ECLI:DE:FGMS:2017:0907.5K3123.15U.00
Volltext:BB-ONLINE BBL2017-2518-3
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Sachverhalt
Streitig ist, ob mit Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung mit Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (§ 270 a Insolvenzordnung - InsO) eine bis dahin bestehende umsatzsteuerliche Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG beendet worden ist.
Die Klägerin ist 100 %ige Tochtergesellschaft der I AG i.I. Bis zum Ablauf des 10.7.2014 bestand zwischen der I AG i.I. (Organträgerin) und der Klägerin (Organgesellschaft) unstreitig eine umsatzsteuerliche Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG.
Auf Eigenantrag der jeweiligen Gesellschaft hat das Amtsgericht (AG) F mit Beschlüssen vom 11.7.2014 in den Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der I AG i.I. und über das Vermögen der Klägerin jeweils die vorläufige Eigenverwaltung (§ 270 a InsO) angeordnet und jeweils Herrn RA I Q zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Dabei ordnete das AG F u.a. jeweils an:
1) Zum vorläufigen Sachwalter wird Rechtsanwalt I Q , G, bestellt.
2) Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung gegen die Schuldnerin werden untersagt, soweit nicht unbewegliche Gegenstande betroffen sind; bereits begonnene Maßnahmen werden einstweilen eingestellt (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).
Die Zustimmungsbedürftigkeit des Sachwalters für bestimmte Rechtsgeschäfte (§ 277 InsO) war nicht angeordnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des AG F verwiesen.
Am 1.10.2014 wurde über das Vermögen der I AG i.I. und über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung (§ 270 ff. InsO) angeordnet.
Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin waren im Zeitraum 11.7.2014 bis 30.9.2014 C E sowie L B . Zudem war U R als Geschäftsführer bestellt, der jedoch nur zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen zur Vertretung der Klägerin berechtigt war.
Als Vorstand der I i.I. waren im Zeitraum 11.7.2014 bis 30.9.2014 C E und L B bestellt. Im Zuge der Bestellung von C E zum Geschäftsführer und I Q zum vorläufigen Sachwalter wurde der gesamte Zahlungsverkehr der Klägerin neu organisiert und ein spezifisches Freigabeschema für Zahlungen der Klägerin erstellt. Dieses sah eine Prüfung und Freigabe der Zahlungen durch C E vor. Der vorläufige Sachwalter wurde täglich über die Zahlungsströme schriftlich unterrichtet.
Angesichts der Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der I i.I. und über das Vermögen der Klägerin unter jeweiliger Anordnung vorläufiger Eigenverwaltung war die Klägerin der Auffassung, dass ab 11.7.2014 die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG weggefallen seien.
Die Klägerin ermittelte daher ab diesem Zeitpunkt die Umsatzsteuer ohne Berücksichtigung einer Organschaft und gab für die Voranmeldungszeitraume Juli 2014 bis September 2014 entsprechende Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Für den Voranmeldungszeitraum Juli 2014 (11.7. – 31.7.) ermittelte die Klägerin eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von 166.359,17 EUR, für August 2014 (Klagezeitraum) ermittelte sie einen Umsatzsteuervergütungsanspruch i.H.v. 89.442,17 EUR und für September 2014 einen Umsatzsteuervergütungsanspruch i.H.v. 114.546,44 EUR.
Mit Bescheid vom 18.9.2014 (noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) lehnte der Beklagte den Antrag vom 10.09.2014 auf Steuerfestsetzung für den Voranmeldungszeitraum August 2014 ab. Zur Begründung führte er aus, zwischen der Klägerin und der I AG i.I. bestehe auch nach dem 10.7.2014 eine umsatzsteuerliche Organschaft, womit die umsatzsteuerlichen Belange bei der I AG i.I. als Organträgerin zu erfassen seien.
Den dagegen gerichteten Einspruch vom 29.9.2014 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 4.9.2015 als unbegründet zurück. Am 6.10.2015 hat die Klägerin Klage erhoben.
Während des Klageverfahrens hat die Klägerin am 25.2.2016 eine erstmalige und am 24.3.2016 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2014 abgegeben, in der der Zeitraum 1.10. bis 31.12.2014 erfasst ist. Dieser Erklärung, aus der sich ein Umsatzsteuervergütungsanspruch i.H.v. 90.100,93 EUR ergab, hat der Beklagte am 18.4.2016 zugestimmt.
Die Klägerin meint, der Beklagte habe den Antrag auf Festsetzung der Umsatzsteuer August 2014 zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin sei ab dem 11.7.2014 Unternehmerin i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 UStG und als solche Steuerschuldnerin der Umsatzsteuer. Sie habe ab diesem Zeitpunkt eine gewerbliche Tätigkeit selbständig ausgeübt. Insbesondere habe zwischen ihr und der I AG i.I. ab dem 11.7.2014 keine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG mehr bestanden. Zu diesem Zeitpunkt seien kumulativ die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die I AG i.I. und auch die organisatorische Eingliederung weggefallen. Insolvenzrechtliche Beschränkungen stünden einer umsatzsteuerlichen Organschaft entgegen. Es gelte der insolvenzrechtliche Einzelverwertungsgrundsatz. Es sei mit dem Grundsatz der organschaftlichen Unternehmenseinheit sowie mit der mit der umsatzsteuerlichen Organschaft bezweckten Verwaltungsvereinfachung nicht vereinbar, wenn die auf die Umsatz-tätigkeit der Organgesellschaft entfallende Umsatzsteuer nicht gegenüber dem Organträger durch Steuerbescheid festgesetzt, sondern nur noch im Haftungswege gegenüber der Organgesellschaft durchgesetzt werden könne. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 6.10.2015, 5.1.2016, 18.3.2016, 1.3.2017, 18.5.2017 und vom 1.9.2017 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 18.9.2014 betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer August 2014 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 4.9.2015 aufzuheben und die Umsatzsteuer August 2014 auf ./. 89.442,17 EUR festzusetzen;
hilfsweise festzustellen, dass die Umsatzsteuer für August 2014 i.H.v. ./. 89.447,17 EUR entstanden ist;
hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Organschaft fortbestanden habe. Durch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung werde die umsatzsteuerliche Organschaft nicht beendet. Auch nach Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung sei die Klägerin finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in die I AG i.I. eingegliedert gewesen. Insbesondere sei die I AG i.I. trotz der Bestellung eines vorläufigen Sachwalters in der Lage gewesen, Geschäftsführungsentscheidungen bei der Klägerin durchzusetzen. Die Bestellung eines vorläufigen Sachwalters habe keine Auswirkung auf die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Organe des Insolvenzschuldners. Wegen der Einzelheiten seines Vortrags wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 5.11.2015, 9.2.2016, 30.3.2017 und vom 19.5.2017 Bezug genommen.
Die Sache ist am 7.9.2017 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
Aus den Gründen
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Rechtsbehelfsverfahren war zunächst infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin unterbrochen. Die Unterbrechung durch ein Insolvenzverfahren dauert so lange, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Im Streitfall wurde das Verfahren nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage gem. § 40 Abs. 1 2. Alt. FGO statthaft, weil die Klägerin eine (negative) Steuerfestsetzung begehrt und damit eine Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts. Nur für den umgekehrten Fall, dass im Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits ein vom Schuldner angefochtener Steuerbescheid vorliegt, der eine Steuerforderung festsetzt, sieht die Rechtsprechung eine Umstellung auf eine Feststellungsklage vor (z. B. BFH, Urteil vom 23.2.2005 VII R 63/03, BStBl II 2005, 591). Dieser Fall liegt aber nicht vor. Bei der vorliegenden Streitigkeit handelt es sich um einen Rechtsstreit über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen im Sinne des § 85 Abs. 1 InsO. Die Klägerin begehrt die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs.
II.
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 18.9.2014 betreffend die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat August 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 101 S. 1 FGO. Der Beklagte hat zu Unrecht den Antrag der Klägerin auf Festsetzung der Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum August 2014 abgelehnt. Die Klägerin war ab dem 11.7.2014 – und damit im Streitzeitraum – Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UStG und als solche eigenständiges Umsatzsteuer-Subjekt.
Insbesondere bestand ab dem 11.7.2014 keine umsatzsteuerliche Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mehr zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der Beigeladenen als Organträgerin. Diese endete mit der Bestellung des Sachwalters im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung.
1.
Umsatzsteuerlich begründet die Organschaft die Zusammenfassung der Unternehmen mehrerer Personen zu einem Unternehmen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Erhebungsgebiet gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 3 UStG).
Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 11 MwStSystRL führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (EuGH-Urteil vom 22.5.2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, EU:C:2008:301, Rz. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen, vgl. auch EuGH-Urteile vom 9.4.2013 C-85/11, Kommission/Irland, EU:C:2013:217, Rz. 35 ff., und vom 16.7.2015 C-108/14 und C-109/14, Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, EU:C:2015:496). Aufgrund dieser Verschmelzung hat der Organträger als Unternehmer die Aufgabe als "Steuereinnehmer" für den gesamten Organkreis wahrzunehmen (BFH-Urteile vom 15.12.2016 V R 14/16, BStBl II 2017, 600, Rz. 16; vom 8.8.2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543, Rz. 28 m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung).
Die Eingliederungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dienen der Feststellung, ob das für die Organschaft erforderliche Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Dabei kommt es insbesondere auf die finanzielle und die organisatorische Eingliederung an.
a)
Eine juristische Person ist i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell eingegliedert, wenn der Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügt (BFH, Urteil vom 2.12.2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553, Rz. 19, 20 m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Maßgeblich ist hierfür die "Stimmenmehrheit" (BFH-Urteile vom 19.5.2005 V R 31/03, BStBl II 2005, 671, Rz. 27; vom 15.12.2016 V R 14/16, BStBl II 2017, 600, Rz. 29) und damit eine Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft von über 50 v.H. der gesamten Stimmrechte, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist (BFH-Urteile vom 22.11.2001 V R 50/00, BStBl II 2002, 167, Rz. 13; vom 15.12.2016 V R 14/16, BStBl II 2017, 600, Rz. 29).
Die finanzielle Eingliederung ist nicht Selbstzweck, sondern stellt sicher, dass eine Person nur dann Organträger einer juristischen Person sein kann, wenn sie die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechte gegenüber den Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen der juristischen Person ausüben kann.
b)
Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5.12.2007 V R 26/06, BStBl II 2008, 451, Rz. 21.; vom 14.2.2008 V R 12/06, V R 13/06, BFH/NV 2008, 1365, Rz. 24; vom 3.4.2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905, Rz. 39; vom 8.8.2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543, Rz. 25). Es kommt darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht und seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Nach der Rechtsprechung des BFH ist hierfür im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführungen von Organträger und Organgesellschaft erforderlich (BFH-Urteile vom 3.4.2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905, Rz. 39; vom 2.12.2015 V R 15/14, BStBl II 2017, 553, Rz. 43). Nicht ausreichend ist, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist (BFH-Urteile vom 8.8.2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543, Rz. 28; vom 2.12.2015, V R 15/14, BStBl II 2017, 553, Rz. 42). Nicht ausreichend sind ferner Weisungsrechte, Berichtspflichten (BFH, Urteil vom 3.4.2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905, Rz. 41) oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters (BFH, Urteil vom 7.7.2011 V R 53/10, BStBl II 2013, 218, Rz. 30). Erforderlich sind vielmehr institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung (BFH, Urteil vom 3.4.2008 V R 76/05, BStBl II 2008, 905, Rz. 41).
2.
Anders als das Umsatzsteuerrecht mit dem Institut der Organschaft fasst das Insolvenzrecht die Verfahren mehrerer Personen nicht zusammen.
Nach § 11 Abs. 1 S. 1 InsO kann das Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden.
Das Insolvenzrecht enthält keine Regelungen, die im Fall einer Konzerninsolvenz ein einheitliches Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften ermöglichen. Sowohl hinsichtlich der Feststellung des Insolvenzgrundes als auch in Bezug auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens bleiben verbundene Unternehmen daher insolvenzrechtlich selbständig. Dabei scheidet die Bildung einer einheitlichen Haftungsmasse bestehend aus mehreren rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften aus, da ansonsten der unterschiedliche Umfang der Gläubigerrechte, wie sie im Verhältnis zu den einzelnen Insolvenzschuldnern bestehen, missachtet würde. Die Insolvenz eines herrschenden Unternehmens erstreckt sich daher nach geltendem Recht nur auf dessen Vermögen, nicht dagegen auf das Vermögen seiner Organgesellschaften. Die Vermögensmassen insolvenzfähiger Gesellschaften und Personen sind dementsprechend trotz konzernmäßigen Verbundes getrennt abzuwickeln, so dass es keine Konzerninsolvenz gibt (BFH, Urteil vom 15.12.2016 V R 14/16, BStBl II 2017, 600, Rn. 20 m.w.N. aus der Literatur).
3.
Der Gesetzgeber hat keine Regelungen getroffen, die das Zusammenspiel von Umsatzsteuerrecht und Insolvenzrecht betreffen.
Der BFH hat entschieden, dass die umsatzsteuerliche Organschaft u.a. entfällt, wenn über das Vermögen der Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird. (BFH, Urteil vom 15.12.2016 V R 14/16, BStBl II 2017, 600, Rz. 28, 31). Bei einer Bestellung eines Insolvenzverwalters folgt dies bereits aus dem Umstand, dass das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht (Rz. 32 m.w.N.). Damit entfällt die organisatorische Eingliederung in den Organträger. Die Eingliederung und damit die Organschaft entfällt nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn das Insolvenzgericht Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff InsO anordnet. Die erforderliche Eingliederung mit Durchgriffsmöglichkeit entfällt, weil Aufsichtsrat, Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe gem. § 276 a S. 1 InsO keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners mehr haben (BFH, Urteil vom 15.12.2016 V R 14/16, BStBl II 2017, 600, Rz. 33 f). Auch der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch des Organträgers gegen die Organgesellschaft gem. § 426 BGB auf Zahlung der Umsatzsteuer, die auf die Umsätze der Organgesellschaft entfällt (BFH, Urteil vom 23.9.2009 VII R 43/08, BStBl II 2010, 215, Rz. 30) und der Herbeiführung der Belastungsneutralität dient (BFH, Beschluss vom 19.3.2014 V B 14/14, BFHE 244, 156, Rz. 20), ist im Innenverhältnis nicht mehr durchsetzbar, weil diese Ausgleichsansprüche wiederum keine Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 InsO darstellen (BFH, Beschluss vom 19.3.2014 V B 14/14, BFHE 244, 156, Rz. 36 f).
Auch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann die Organschaft entfallen. Nach der Rechtsprechung des BFH endet die Organschaft bereits dann, wenn das Insolvenzgericht für die Organgesellschaft einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt (BFH-Urteile vom 8.8.2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543, Rz. 27; vom 24.8.2016 V R 36/15, BStBl II 2017, 595, Rz. 15). Der Zustimmungsvorbehalt bewirkt, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners verhindern kann (BFH, Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543, Rz. 31). Der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt hat sich am Ziel zu orientieren, die Forderungen einzelner Gläubiger nur zu erfüllen - und somit das Schuldnervermögen nur zu vermindern -, wenn dies im Einzelfall zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, etwa zur Fortführung des Schuldnerunternehmens, im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt muss die künftige Masse sichern und erhalten. Es ist daher insbesondere nicht seine Aufgabe, einer Erfüllungshandlung des Schuldners durch seine Zustimmung Wirksamkeit zu verleihen, falls diese nicht im Interesse aller Gläubiger liegt (BFH, Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543, Rz. 32). In dieser Konstellation kann der Organträger den ihm nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zustehenden Anspruch gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Organgesellschaft verursacht ist, nicht mehr durchsetzen. Denn hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Pflicht zur Massesicherung, ist er berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterleitung einer von der Organgesellschaft für Ausgangsleistungen vereinnahmten Umsatzsteuer an den Organträger zu verweigern. Dies steht der Annahme, dass der Organträger aufgrund einer Verschmelzung zu einem Steuerpflichtigen Steuereinnehmer auch für das Unternehmen der - ohne die Organschaft umsatzsteuerrechtlich selbständigen - Organgesellschaft sein kann, entgegen (BFH, Urteil vom 8.8.2013 V R 18/13, BStBl II 2017, 543, Rz. 34).
4.
Ausgehend von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung geht der erkennende Senat auch für den – soweit ersichtlich – bislang nicht höchstrichterlich entschiedenen Fall der Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung mit Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (§ 270 a InsO) davon aus, dass auch in diesem Fall eine organisatorische Eingliederung und damit die umsatzsteuerliche Organschaft entfällt, wenn – wie hier – das Gericht neben der vorläufigen Eigenverwaltung zugleich einen Vollstreckungsschutz gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO angeordnet hat.
Der Senat ist der Auffassung, dass die Organträgerin (die Beigeladene) ihren Willen bei der Organgesellschaft (der Klägerin) nicht mehr (in rechtlich zulässiger Weise) durchsetzen konnte. Dabei legt der Senat die folgenden Erwägungen zugrunde:
Zwar handelt der Schuldner (die Klägerin) im vorläufigen Insolvenzverfahren unter Anordnung vorläufiger Eigenverwaltung grundsätzlich auf Grundlage seiner eigenen Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis; gleichwohl hat sich sein „Pflichtenprogramm" im Eröffnungsverfahren verändert, da dieses nunmehr auf die Sicherung der künftigen Masse gerichtet ist (AG Hamburg, Beschluss vom 14.7.2014 67b IN 196/14, ZIP 2014, 2101, Rz. 4; Kahlert, ZIP 2013, 2348). Der Geschäftsführer ist im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren zur Sicherung der zukünftigen Masse verpflichtet. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass die Vermögensmasse der insolventen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger erhalten bleibt und muss eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger verhindern. Die erforderliche Liquidität, die für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes und den Sanierungserfolg entscheidend ist, soll gesichert werden. Daher dürfen gerade keine Forderungen mehr beglichen werden, die, wie Steuerforderungen, nicht im Interesse der Gläubigergemeinschaft des insolventen Unternehmens sind.
Bei Anordnung vorläufiger Eigenverwaltung (§ 270 a InsO) besteht – genau wie beim eröffneten Verfahren in Eigenverwaltung (§ 270 InsO) und bei der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt – die Gefahr der Uneinbringlichkeit des dem Organträger (des Beigeladenen) gegen die Organgesellschaft (die Klägerin) zustehenden Ausgleichsanspruchs i.S.d. § 426 BGB, sofern eine umsatzsteuerliche Organschaft während dieses Zeitraums fortbestehen würde. Angesicht der sie treffenden Massesicherungspflicht darf die insolvente Organgesellschaft (die Klägerin) den Ausgleichsanspruch i.S.d. § 426 BGB nicht erfüllen, womit der Innenausgleich zwischen Organträger (der Beigeladenen) und Organgesellschaft (der Klägerin) nicht mehr durchgeführt werden kann. Auch aufgrund des angeordneten Vollstreckungsschutzes wäre eine Forderung nach § 426 BGB nicht durchsetzbar.
Würde die Klägerin als vorläufig eigenverwaltende Schuldnerin einen Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB gegenüber der Beigeladenen durchführen wollen, müsste der vorläufige Sachwalter dieser Zahlung intern widersprechen. Würde die Klägerin gleichwohl diese (Insolvenz-)Forderung erfüllen, würde sie gegen das Gebot der Sicherung der zukünftigen Masse verstoßen. Der vorläufige Sachwalter würde unverzüglich die Kassenführung an sich ziehen (§ 275 Abs. 2 InsO) und diesen Verstoß dem Gericht und vorläufigen Gläubigerausschuss unverzüglich anzeigen (§§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 3 Satz 1 InsO). Dieser Verstoß gegen die Pflicht zur Sicherung der zukünftigen Masse würde i.d.R. das Ende der vorläufigen Eigenverwaltung bedeuten; das Gericht würde i.d.R. unverzüglich einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt einsetzen.
5.
Ob darüber hinaus, wie die Klägerin meint, weitere insolvenzrechtliche Grundsätze einer umsatzsteuerlichen Organschaft entgegenstehen, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
6.
Die auf die Umsatztätigkeit der Klägerin entfallende Umsatzsteuer stellt im streitigen Voranmeldungszeitraum auch keine Masseverbindlichkeit dar. Im Eröffnungsverfahren nach § 270 a InsO können keine Masseverbindlichkeiten begründet werden. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen im Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts an (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 22.6.2016 7 U 753/15, ZIP 2016, 1741, Rz. 13 f; nicht rechtskräftig - Az des BGH: IX ZR 167/16).
7.
Über den Hilfsantrag der Klägerin war nicht mehr zu entscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Beigeladenen können keine Kosten auferlegt werden, denn sie hat keinen Antrag gestellt, § 135 Abs. 3 FGO. Entsprechend werden auch ihre außergerichtlichen Kosten nicht erstattet.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Alt. 1 FGO zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Das FG hat die Revision zugelassen.