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Steuerrecht
23.08.2018
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Bedeutung des möglichen Entzugs für die Eintragungsanordung i. S. d. § 284 Abs. 9 AO

FG Düsseldorf, Beschluss vom 9.8.201810 V 1958/18 A(KV)

ECLI:DE:FGD:2018:0809.10V1958.18A.KV.00

Volltext BB-Online BBL2018-2006-5

Sachverhalt

I.

Zu entscheiden ist, ob eine Eintragungsanordnung i.S.d. § 284 Abs. 9 der Abgabenordnung (AO) von der Vollziehung auszusetzen ist.

Die Antragstellerin ist eine im Jahr 2006 gegründete Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Alleingesellschafter und Geschäftsführer ist Steuerberater A. Gegenstand des Unternehmens ist die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen im Sinne des § 33 i.V.m. § 57 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG).

Schon seit dem Jahr 2016 betreibt der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die Zwangsvollstreckung. Unter Hinweis hierauf sowie darauf, dass die Antragstellerin ihre Steuererklärungen der Jahre 2007 bis 2015 nicht rechtzeitig abgegeben habe und für nahezu alle Veranlagungszeiträume Schätzungsbescheide ergangen seien, erfolgte am 20.03.2018 eine Meldung bei der Steuerberaterkammer. Die Vollstreckungsgeschichte stellt sich nach Aktenlage wie folgt dar:

Die erste Pfändungs- und Einziehungsverfügung stammt vom 00.11.2016. Ihr folgten diverse weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber Banken (00.08.2017, 00.09.2017, 00.09.2017, 00.11.2017 und 00.01.2018) und vier Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 03.01.2018 gegenüber Mandanten.

Mit Bescheid vom 08.11.2017 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin wegen offener Rückstände i.H.v. 25.463,88 € zur Abgabe einer Vermögensauskunft auf. Der Bescheid wurde am 15.01.2018 im Einspruchsverfahren aufgehoben, nachdem die bezeichneten Steuerschulden beglichen worden waren.

Mit Bescheid vom 05.02.2018 erfolgte eine neue Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft, diesmal wegen Steuerschulden i.H.v. 94.208,13 €. Als Termin wurde der 19.03.2018 bestimmt. Ausweislich eines Aktenvermerks rief A an diesem Tag bei dem Antragsgegner an und berief sich darauf, wegen Grippe nicht erscheinen zu können. Der Termin wurde daraufhin mit Schreiben vom 19.03.2018 auf den 11.04.2018 verlegt. Zu diesem Termin erschien für die Antragstellerin niemand; Hinderungsgründe wurden nicht mitgeteilt. Der Antragsgegner nahm dies zum Anlass, mit Schreiben vom 11.04.2018 die Anordnung der Haft des Geschäftsführers der Antragstellerin nach § 284 Abs. 8 AO beim Amtsgericht zu beantragen. Die Rückstände waren zu diesem Zeitpunkt auf 113.039,32 € angewachsen. Dem Antrag wurde mit Haftbefehl vom 18.04.2018 entsprochen.

Mit Bescheid vom 11.04.2018 ordnete der Antragsgegner zudem die Eintragung der Antragstellerin in das Schuldnerverzeichnis nach § 284 Abs. 9 AO an. Die Antragstellerin legte hiergegen Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung trug sie Folgendes vor: Die Maßnahme sei unverhältnismäßig, da sie zur Vernichtung ihrer Existenz führe. Für die Steuerschulden seien Mandatsverluste, ein plötzlicher Liquiditätsverlust durch Kündigung von Kontokorrentkrediten und hohe Personalkosten ursächlich gewesen. Diese Umstände seien vom Antragsgegner ebenso wenig gewürdigt worden wie die Bemühungen und Anstrengungen des A, die Steuerrückstände durch Veräußerung privater Immobilien zu beseitigen. Mit notariellem Vertrag vom 20.04.2018 sei bereits eine Eigentumswohnung in Z-Stadt für 172.000 € verkauft worden. Der Kaufpreis werde voraussichtlich im Mai oder Juni bezahlt werden.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Schreiben vom 29.05.2018 abgelehnt unter Hinweis darauf, dass die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis ermessensgerecht sei. Bei der Ermessensentscheidung sei insbesondere der Zweck des Schuldnerverzeichnisses zu berücksichtigen, nämlich, den redlichen Geschäftsverkehr vor unzuverlässigen Schuldnern zu schützen. Dass A eine Wohnung verkauft habe, lasse die Voraussetzungen für eine Eintragungsanordnung nicht entfallen, zumal die Steuerrückstände unverändert bestehen würden. Auch könne die Antragsgegnerin nicht damit gehört werden, dass die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis zur Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz führe. Es handele sich hierbei um eine vollstreckungsübliche Folge, die vom Gesetzgeber zwecks Steigerung der Zahlungsmoral in Kauf genommen worden sei.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2018 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat unter dem Aktenzeichen 10 K 1838/18 KV Klage erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat. Zudem hat sie, nachdem sie zwischenzeitlich noch mehrfach erfolglos Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt beantragt hatte, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht gestellt.

Die Antragstellerin trägt vor, dass sie Ende 2017 durch die Verkettung unglücklicher Umstände in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Durch die Mandatskündigungen größerer Unternehmen sei es zu Liquiditätslücken gekommen. Durch die gleichzeitige Fälligkeit von Steuernachzahlungen aufgrund von Auflösungen von Investitionsrücklagen aus Vorjahren hätten sich zu Beginn des Jahres 2018 Steuernachforderungen von über 100.000 € ergeben. Zur Durchsetzung dieser Forderungen habe der Antragsgegner ihre Bankkonten sowie einzelne Honorarforderungen gepfändet. Hierdurch sei auch ein Teil der Rückstände beglichen worden. Da sie – die Antragstellerin – aufgrund der veränderten Situation nicht in der Lage sei, die Steuerschulden aus eigener Kraft zu tilgen, habe sich A schon im Februar 2018 entschlossen, seinen privaten Immobilienbesitz zu veräußern. Am 05.02.2018 seien deshalb Makleraufträge betreffend die Eigentumswohnungen B Str.  und C Str.  in Z-Stadt erteilt worden. Beabsichtigt seien Verkaufspreise von 172.000 € bzw. 150.000 €, von denen nach Tilgung vorrangiger Verbindlichkeiten noch rd. 250.000 € zur Tilgung der Steuerschulden der Antragstellerin zur Verfügung stehen würden. Tatsächlich sei die Wohnung B Str.  inzwischen auch für 172.000 € verkauft worden. Durch die zögerliche Einholung der Verwalterzustimmung und Verzichtserklärung des Mieters durch das Notariat habe sich die Fälligkeit der Zahlung jedoch verzögert. Der vom Käufer innerhalb von vier Wochen zu zahlende Kaufpreis sei vom Notar erst mit Schreiben vom 14.06.2017 fällig gestellt worden. Die Zahlung sei mithin für Juli 2018 zu erwarten.

Der Antragsgegner sei frühzeitig über die Verkaufsbemühungen informiert worden. Obwohl die Leistung kurz bevorstehe, nehme der Antragsgegner billigend in Kauf, dass die berufliche Zukunft der Antragstellerin durch überzogene und unangemessene Maßnahmen zunichte gemacht werde. Selbst ein Angebot des Gesellschafters A, den Kaufpreis aus dem (noch nicht erfolgten) Verkauf der Wohnung C Str. an das Finanzamt abzutreten, sei vom Antragsgegner nicht ernsthaft in Betracht gezogen worden. Diese Verhaltensweise lasse darauf schließen, dass im vorliegenden Fall andere Motive ursächlicher seien als die Beitreibung von Steuerschulden. Vielmehr werde die Insolvenz der Antragstellerin billigend in Kauf genommen, obwohl sie unverschuldet in diese Situation geraten sei und sofort Maßnahmen zur Rettung ergriffen habe.

Soweit der Antragsgegner darauf verweise, dass der Gesellschafter A seine Grundstücke auch zur Tilgung von Steuerschulden hätte belasten können, übersehe er, dass Kreditinstitute keine Umfinanzierung für Zwecke der Tilgung von Steuerschulden vornehmen würden. Außerdem wäre eine Umfinanzierung dem schnellen Verkauf der Grundstücke nicht dienlich gewesen.

Zu beachten sei auch, dass sie – die Antragstellerin – nicht zur Abgabe einer Vermögensauskunft verpflichtet gewesen sei, da die Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 Satz 1 AO nicht vorgelegen hätten. Die Verpflichtung zur Auskunft über die Vermögensverhältnisse werde damit gerechtfertigt, dass der Vollstreckungsschuldner nach Verwirklichung aller Vollstreckungsvoraussetzungen nicht leiste. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor, da sie – die Antragstellerin – geleistet habe, nämlich in Form der Abtretung von Honorarforderungen. Auch sei sie im Stande zu leisten, sobald der Kaufpreis für die Wohnungen ausgezahlt werde. Zudem seien dem Antragsgegner ihre Vermögensverhältnisse bereits bekannt, weshalb die Aufforderung zur Erteilung der Auskunft auch ermessensfehlerhaft sei.

Aufgrund des ergangenen Haftbefehls sei sie – die Antragstellerin - letztlich genötigt gewesen, am 12.07.2018 ein Vermögensverzeichnis vorzulegen, welches allerdings noch nicht vollständig sei. An diesem Tag sei ihr auch bekannt gegeben worden, dass sie bereits im Schuldnerverzeichnis eingetragen sei.

Die Antragstellerin beantragt,

die Eintragungsanordnung vom 11.04.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2018 von der Vollziehung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt Folgendes vor:

Die Antragstellerin lasse völlig außer Acht, dass sie ihrer Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft im Termin vom 11.04.2018 unentschuldigt nicht nachgekommen sei. Ebenso versäume sie es vorzutragen, dass die zugrunde liegenden vollstreckbaren Forderungen auch weiterhin in nicht unerheblichem Umfang bestehen würden. Der bloße Wortvortrag, zu einer Leistung im Stande zu sein, ändere nichts daran, dass bislang gerade keine Tilgung zu Gänze erfolgt sei. Seit dem 05.02.2018 (Datum der Vorladung zur Abgabe der Vermögensauskunft) habe die Antragstellerin keinerlei freiwillige Zahlungen geleistet. Im Wege der Zwangsvollstreckung hätten zwar rd. 37.000 € beigetrieben werden können, jedoch habe sich der Rückstand aufgrund neu festgesetzter Beträge inzwischen auf über 120.000 € erhöht.

Zutreffend sei, dass der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Antragstellerin seit Beginn des Jahres wiederholt angekündigt habe, eigene Immobilien veräußern und die Erlöse zur Schuldentilgung einsetzen zu wollen. Tatsache sei jedoch, dass - aus welchen Gründen auch immer - aus der angekündigten Veräußerung noch immer keinerlei Zahlungen an das Finanzamt geflossen seien. Sofern die Grundstücke bzw. die Kaufpreisforderungen werthaltig seien, hätten diese längst im Wege der Kreditfinanzierung zwecks umgehender Tilgung der Steuerrückstände realisiert werden können.

Die Datenübertragung zum Eintrag ins Schuldnerverzeichnis sei am 10.07.2018 erfolgt. Am 13.07.2018 sei der Vertreter der Antragstellerin im Finanzamt zur Abgabe der Vermögensauskunft erschienen. Diese sei wegen noch nach zureichender Unterlagen jedoch nicht vollständig, da die Forderungen der Schuldnerin nicht im Einzelnen spezifiziert worden seien. Der Aufforderung, dies kurzfristig nachzuholen, sei der Vertreter der Antragstellerin bislang nicht nachgekommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

28        Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.

29        Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht auf Antrag des Steuerpflichtigen die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen bzw. dessen Vollziehung aufheben, wenn ernsthafte Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage auf Grund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 09.12.2002 – I S 11/01, BFH/NV 2003, 493 m.w.N.).

30        1. An der Rechtmäßigkeit der Eintragungsanordnung bestehen keine ernstlichen Zweifel.

31        a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis liegen vor.

32        Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintragung des Vollstreckungsschuldners in das Schuldnerverzeichnis nach § 882h Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) anordnen, wenn einer der Tatbestände des § 284 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AO erfüllt ist. Nach Nr. 1 kommt eine Eintragung in Betracht, wenn der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen ist. So verhält es sich auch hier. Die Antragstellerin wurde mit Bescheid vom 05.02.2018 für den 19.03.2018 zur Abgabe einer Vermögensauskunft geladen und ist zu dem auf den 11.04.2018 verschobenen Termin ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

33        Darauf, ob der Bescheid vom 05.02.2018 seinerseits rechtmäßig war, kommt es nicht an. Maßgebend ist allein, ob er wirksam bekannt gegeben und nicht von der Vollziehung ausgesetzt war. Denn die Regelung des § 284 Abs. 6 Satz 3 AO, wonach ein Rechtsbehelf gegen die Anordnung der Abgabe der Vermögensauskunft keine aufschiebende Wirkung hat, würde unterlaufen, wenn die Eintragung im Schuldnerverzeichnis davon abhängen würde, dass die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Abgabe der Vermögensauskunft bereits abschließend geklärt ist. Zweifel daran, dass der Bescheid vom 05.02.2018 wirksam bekannt gegeben wurde, bestehen nicht. Auch lässt sich den vorliegenden Akten nichts dazu entnehmen, dass der Bescheid vom Antragsgegner oder vom Finanzgericht von der Vollziehung ausgesetzt worden ist. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass der Bescheid vom 05.02.2018 überhaupt angefochten wurde. Die Antragstellerin nimmt in einem Schreiben vom 15.05.2018 zwar auf einen Einspruch gegen die Anordnung der Abgabe der Vermögensauskunft Bezug, jedoch befindet sich ein solches Schreiben nicht in den vorliegenden Akten.

34        2. Ob bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 284 Abs. 9 Satz 1 AO die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Maßgeblich sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. hier der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2018.

35        Bezogen auf diesen Zeitpunkt ist die Ermessensausübung des Antragsgegners nicht zu beanstanden. Zwar enthielt der Bescheid vom 11.04.2018 keine Ermessenserwägungen. Diese wurden vom Antragsgegner jedoch mit Schreiben vom 29.05.2018 sowie in der Einspruchsentscheidung nachgeholt.

36        Dabei hat der Antragsgegner dem Umstand, dass die Eintragung der Antragstellerin in das Schuldnerverzeichnis gem. § 55 Abs. 2a StBerG zum Widerruf der Anerkennung durch die Steuerberaterkammer und damit zur Vernichtung der Existenz der Antragstellerin führen könnte, zu Recht keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Der Gesetzgeber hat die Gefährdung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz der Vollstreckungsschuldner im Allgemeinen bzw. einzelner Berufsgruppen im Besonderen bei der Neufassung des § 284 Abs. 9 AO gekannt und bewusst in Kauf genommen. Dies zeigt sich u.a. daran, dass durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.07.2009 (BGBl I 2009, 2258) nicht nur § 284 AO, sondern auch diverse berufsrechtliche Vorschriften wie z.B. § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) oder § 46 Abs. 2 Nr. 3 StBerG geändert wurden. Nach diesen Vorschriften kann Rechtsanwälten und Steuerberatern, die sich in Vermögensverfall befinden, die Zulassung entzogen werden. Darin kommt die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Mandanten verbunden ist (z.B. BGH, Beschluss vom 18.04.2018 – AnwZ (Brfg) 12/18, ZInsO 2018, 1366), wobei der Eintritt des Vermögensverfalls bei Eintragung in das Schuldnerverzeichnis kraft Gesetzes fingiert wird. Die vorgenannten berufsrechtlichen Vorschriften würden unterlaufen bzw. ausgehöhlt, wenn Rechtsanwälte und Steuerberater gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen in das Schuldnerverzeichnis einzutragen wären. Vielmehr wird der beabsichtigte Schutz der Mandanten effektiv nur bei einer frühzeitigen Eintragung im Schuldnerverzeichnis erreicht, so dass der Umstand, dass ein Entzug der Berufszulassung droht, nicht gegen, sondern eher für die Eintragung von Rechtsanwälten und Steuerberatern im Schuldnerverzeichnis spricht.

37        Ungeachtet dessen darf die Finanzbehörde die sich für den Vollstreckungsschuldner ergebenden wirtschaftlichen Konsequenzen bei der Ermessensentscheidung nicht vollständig außer Acht lassen; vielmehr sind die Gesamtumstände des Einzelfalls in die Entscheidung einzubeziehen und abzuwägen. Dies hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 29.05.2018 getan. Die dortigen Ausführungen, dass es im Streitfall u.a. aufgrund der Höhe und Entwicklung der Rückstände geboten sei, an der Eintragung im Schuldnerverzeichnis festzuhalten, sind nicht zu beanstanden.

38        Insbesondere hat der Antragsteller den Zweck des § 284 Abs. 9 AO zutreffend erkannt und gewürdigt. Mit dem Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.07.2009 wurde die Zwangsvollstreckung grundlegend reformiert. Teil der Reform war u.a. die Einführung eines bundesweiten elektronischen Schuldnerverzeichnisses, dessen Aufgabe es ist, den Rechtsverkehr vor illiquiden Wirtschaftsteilnehmern zu warnen. In den Fällen, in denen es wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Schuldners - wie z.B. dem unentschuldigten Fernbleiben zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft oder der grundlosen Verweigerung der Abgabe der Vermögensauskunft - nicht zur Abgabe der Vermögensauskunft kommt, soll die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis zugleich als Druckmittel dienen (s. BT-Drucksache 16/10069, Seite 37 zu § 882c Nr. 1). Aber auch derjenige, der die Vermögensauskunft pflichtgemäß abgegeben hat, ist einzutragen, wenn er die Forderung, wegen der die Vermögensauskunft verlangt wurde, nicht innerhalb eines Monats nach Abgabe der Vermögensauskunft vollständig begleicht (s. § 882c Abs. 1 Nr. 3 ZPO, § 284 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 AO). Dies wird vom Gesetzgeber damit begründet (s. BT-Drucksache 16/10069, Seite 38 zu § 882c Nr. 3), dass auch solche Personen als zahlungsunfähig gelten (mit der Folge, dass der Wirtschaftsverkehr vor ihnen zu warnen sei), die zwar möglicherweise über hinreichendes Vermögen verfügen würden, dieses jedoch nicht zeitnah zur Herstellung der eigenen Zahlungsfähigkeit verwenden könnten. Nur derjenige, der tatsächlich über liquides Vermögen verfüge, entgehe der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis.

39        Diesem Rechtsgedanken hat auch der Antragsteller Rechnung getragen, als er darauf verwiesen hat, dass der Sinn und Zweck des Schuldnerverzeichnisses im Streitfall eine Eintragung gebiete, um den Rechtsverkehr vor der Antragstellerin zu warnen. Dabei hat der Antragsgegner zutreffend auf die Höhe der Rückstände und die Dauer der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abgestellt. Verwiesen wurde darauf, dass die Steuerschulden, wegen derer mit Bescheid vom 05.02.2018 die Abgabe der Vermögensauskunft angeordnet worden war, bis zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung – d.h. nach mehr als vier Monaten – größtenteils immer noch offen waren und die Gesamtrückstände durch neue Steuerfestsetzungen inzwischen sogar auf über 110.000 € angestiegen waren.

40        Der Antragsgegner hat auch den Vortrag der Antragstellerin, dass sich ihr Geschäftsführer um den Verkauf seiner Immobilien zwecks Tilgung der Steuerschulden bemühe, zur Kenntnis genommen, diesen jedoch zu Recht als nicht maßgeblich angesehen. Ausschlagend für den Antragsgegner war, dass die Verkaufsbemühungen bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung gerade nicht zur vollständigen Tilgung geführt haben. Damit hat er letztlich – wenngleich auch nur konkludent - dem oben dargestellten Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen, dass der Rechtsverkehr auch vor solchen Personen zu warnen ist, denen es nicht gelingt, ihre Zahlungsunfähigkeit innerhalb eines kurzen Zeitraums herzustellen. Wenn die nicht zeitnahe vollständige Tilgung der Schuld bereits bei denjenigen zu einer Eintragung führt, die ihrer Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft ordnungsgemäß nachgekommen sind, muss dies für jemanden, der die Vermögensauskunft pflichtwidrig nicht abgegeben hat (und seine Schulden auch nicht vollständig getilgt hat), erst recht gelten. So verhält es sich auch hier. Zwischen dem (nicht wahrgenommenen) Termin zur Vermögensauskunft am 11.04.2018 und dem Erlass der Einspruchsentscheidung am 27.06.2018 lagen 2,5 Monate, ohne dass es zu einer vollständigen Tilgung gekommen war.

41        Zu beachten ist insoweit auch, dass für den Antragsgegner - worauf er ausdrücklich hingewiesen hat - nicht hinreichend erkennbar war, warum es bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung trotz des schon am 20.04.2018 abgeschlossenen Kaufvertrags noch nicht zu einer Tilgung gekommen war, obwohl die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.05.2018 eine Zahlung für „Mai bzw. Juni“ angekündigt hatte. Die Erläuterungen der Antragstellerin, dass es Verzögerungen bei der Einholung der Verwalterzustimmung und der Verzichtserklärung des Mieters gegeben habe, wurden erst im Gerichtsverfahren nachgereicht.

42        Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass ihr Geschäftsführer dem Antragsgegner sogar die Abtretung des Kaufpreises für die noch nicht verkaufte Eigentumswohnung C Str. angeboten habe, übersieht sie, dass dieses Angebot (dessen konkreter Inhalt weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht wurde) ebenfalls erst nach Erlass der Einspruchsentscheidung erfolgt ist und damit für die Rechtmäßigkeit der Eintragungsanordnung ebenso ohne Bedeutung ist wie der Umstand, dass die Antragstellerin am 12.07.2013 letztlich doch noch eine – wenngleich unvollständige – Vermögensauskunft abgegeben hat.

43        Der Antragsgegner war auch nicht verpflichtet, den Gründen nachzugehen, die nach dem Vortrag der Antragstellerin zu den hohen Steuerschulden bzw. zu ihrer Zahlungsunfähigkeit geführt haben sollen. Soweit die Antragstellerin mit ihrem Vortrag geltend machen möchte, dass sie an ihrer Situation kein Verschulden treffe, übersieht sie, dass sie bereits deshalb pflichtwidrig gehandelt hat, weil sie zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt nicht erschienen ist. Weitere Tatbestandsvoraussetzungen sieht § 284 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 AO nicht vor. Ungeachtet dessen stünde es mit dem Zweck des Schuldnerverzeichnisses, den Rechtsverkehr vor zahlungsunfähigen Wirtschaftsteilnehmern zu warnen, nicht im Einklang, wenn darauf abgestellt würde, aus welchen Gründen jemand zahlungsunfähig geworden ist. Denn auch von jemandem, der unverschuldet zahlungsunfähig geworden ist, gehen Gefahren für den Rechtsverkehr aus.

44        2. Die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts kann auch nicht wegen unbilliger Härte erfolgen.

45        Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte kann in Hinblick auf die Systematik des § 69 FGO nur dann gewährt werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit fast ausgeschlossen, scheidet eine Aussetzung der Vollziehung selbst bei Vorliegen einer unbilligen Härte aus (ständige Rspr. des BFH, z.B. Beschluss vom 26.10.2011 – I S 7/11, BFH/NV 2012, 583 m.w.N.). So verhält es sich auch hier. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eintragungsanordnung sind ausgeschlossen.

46        Ungeachtet dessen sind auch keine Umstände ersichtlich, die den Vollzug der Eintragungsanordnung als unbillige Härte erscheinen lassen. Dass mit der Abgabe der Vermögensauskunft eine Gefährdung der wirtschaftlichen und sozialen Existenz des Vollstreckungsschuldners einhergehen kann, wurde vom Gesetzgeber – wie bereits dargestellt - bei Abfassung des § 284 AO bewusst in Kauf genommen. Da die Möglichkeit der Existenzgefährdung im Rahmen des § 284 Abs. 9 AO gerade keine außergewöhnliche, sondern eine typische Folge ist, ist dieser Gesichtspunkt ungeeignet, eine „unbillige Härte“ zu begründen, zumal die gesetzgeberische Vorgabe, dass ein Rechtsbehelf gegen die Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. § 284 Abs. 10 Satz 1 AO), ansonsten unterlaufen würde.

47        Zudem scheitert die Annahme einer unbilligen Härte in den Fällen des § 284 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 AO auch daran, dass jedem Vollstreckungsschuldner aufgrund der ausdrücklichen Hinweispflicht des § 284 Abs. 6 Satz 5 AO bekannt ist, dass eine unentschuldigte Terminversäumnis zu seiner Eintragung ins Schuldnerverzeichnis führen kann. Zieht der Vollstreckungsschuldner es dennoch vor, im Termin nicht zu erscheinen oder die Abgabe der Vermögensauskunft zu verweigern, dann nimmt er das Risiko, dass es zu einer Eintragung im Schuldnerverzeichnis kommen könnte und sich für ihn hieraus erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen ergeben könnten, sehenden Auges in Kauf.

48        3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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