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Steuerrecht
18.08.2011
Steuerrecht
FG Nürnberg: Bedarfswertermittlung für GmbH-Anteil

FG Nürnberg, Urteil vom 2.12.2010 - 4 K 715/2009

Sachverhalt

Streitig ist die Bewertung eines GmbH-Anteils im Rahmen der Erbschaftsbesteuerung.

Die Erblasserin  SB. war in zweiter Ehe verheiratet. Aus der ersten Ehe sind zwei Kinder - die Klägerin und ihr Bruder AB. - hervorgegangen. Die Erblasserin verstarb am 28.12.2002. Mit notariellem Testament vom 24.10.2002 hatte sie ihre beiden Kinder als Erben je zur Hälfte eingesetzt.

I.

Zum Erbzeitpunkt war die Erblasserin zu 84 v.H. - dies entspricht 42.000 € - am Stammkapital des Glas- und Gebäudereinigungsunternehmens „B. GmbH" von 50.000 € beteiligt. Die übrigen Geschäftsanteile in Höhe von jeweils 4.000 € hielten die Klägerin und ihr Bruder AB. Zum Geschäftsführer der B. GmbH waren die Erblasserin, EH (1984 bis 2008) und AB. (seit 1999) bestellt. Mit der B. GbR - dem Besitzunternehmen - bestand steuerrechtlich das Verhältnis einer Betriebsaufspaltung, die Anteile an der B. GmbH waren im Betriebsvermögen der B. GbR enthalten. Die Beteiligung der Erblasserin an der B. GbR betrug - ebenfalls - 84 v.H..

Bereits zum 26.07.1994 hatte die Erblasserin ihren beiden Kindern jeweils einen Geschäftsanteil an der B. GmbH in Höhe von - damals - je 4.000 DM (= 8 v.H.) geschenkt. Diese Vorschenkung besteuerte das Finanzamt bei der Klägerin mit Schenkungsteuerbescheid vom 16.10.1998 unter Berücksichtigung eines Freibetrages nach § 13 Abs. 2a ErbStG in Höhe von 250.000 DM mit einem Steuerwert der Beteiligung von 670.225 DM.

Mit notariellem Vertrag vom 27.11.2001 (URNr. XX) hatte der Geschäftsführer EH. seine Stammeinlagen in Höhe von - damals - 1.200 DM und 1.800 DM (= 6 v.H. des Stammkapitals von damals 50.000 DM) mit Wirkung zum 31.12.2001 an die Erblasserin veräußert und diese Geschäftsanteile an sie abgetreten. Der Kaufpreis für beide Geschäftsanteile betrug insgesamt 750.000 DM. In der Urkunde ist ausgeführt, dass der Kaufpreis gemäß des „Stuttgarter Verfahrens" ermittelt worden sei und der Geschäftswert aller Geschäftsanteile der B. GmbH zusammen 12.500.000 DM betrage.

II.

In der von der Klägerin mit unterzeichneten Erbschaftsteuererklärung wurde der gemeine Wert für 100 € Nennkapital an der B. GmbH nach dem Stuttgarter Verfahren mit 7.661,90 v.H. (bzw. 6.895,71 v.H. für Anteile ohne Einfluss auf die Geschäftsführung) ermittelt und mit einem Betrag in Höhe von 3.762.500 € (100 v.H.) im Wert des Betriebsvermögens der B. GbR erklärt. Das Betriebsvermögen der B. GbR war mit 5.055.312 € (= 100 v.H.) und der Anteil der Erblasserin hieran mit 4.246.462 € (= 84 v.H.) berechnet und erklärt. Erklärungsgemäß übernahm das Finanzamt diesen Wert und rechnete ihn je zur Hälfte mit 2.123.231 € der Klägerin und ihrem Bruder A zu. Es setzte gegenüber der Klägerin mit Erbschaftsteuerbescheid vom 05.11.2004 aus einem anteiligen Wert des gesamten Erwerbs von Todes wegen in Höhe von 2.452.970 € und unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG wegen des Übergangs von Betriebsvermögen Erbschaftsteuer in Höhe von 301.205,19 € fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Aus anderen Gründen minderte das Finanzamt mit Bescheid vom 08.12.2004 den Wert des Erwerbs um etwa 4.000 € und setzte die Schenkungsteuer auf 300.350,19 € herab. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Nach Überprüfung durch die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts 1 bewertete das beklagte Finanzamt die B. GmbH ausgehend von dem im Jahr 2001 vereinbarten Kaufpreis zwischen der Erblasserin  SB. und dem Geschäftsführer und damaligen Anteilsinhaber EH. mit insgesamt 12.500.000 DM, rechnete diesen Betrag dem Vermögen der B. GbR zu und ermittelte für die B. GbR einen Wert des Betriebsvermögens in Höhe von 6.727.337 € (100 v.H.) sowie einen Wert des Anteils der Erblasserin in Höhe von 6.336.550 € (84 v.H. sowie Zu-/Abrechnungen). Diesen rechnete es der Klägerin zur Hälfte (= 3.168.274,56 €) zu, strich den Freibetrag nach § 13a Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wegen Verbrauchs des Freibetrages im Jahr 1994 und setzte mit Bescheid vom 20.12.2006 Erbschaftsteuer in Höhe von nunmehr 435.822 € fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob es auf.

Die Klägerin hat Einspruch eingelegt mit der Begründung, dass die Bewertung der Anteile an der B. GmbH nach dem Stuttgarter Verfahren und nicht nach dem Verkaufspreis zu erfolgen habe, da die Abtretung der Geschäftsanteile und die Veräußerung bereits am 27.11.2001 und damit außerhalb des Jahreszeitraumes des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG erfolgt sei. Bereits im Veranlagungsverfahren hatte der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin erklärt, dass bei der Ermittlung des Kaufpreises in der notariellen Urkunde die durch die Erblasserin begründeten Ausgaben an Gehalt und Pensionszusage vermögens- und einkommenserhöhend bei der B. GmbH zugerechnet worden seien. Bezüglich des Begehrens der Klägerin nach einem Wertansatz der Anteile nach dem Stuttgarter Verfahren verlief das Einspruchsverfahren erfolglos. Aus anderen Gründen minderte das Finanzamt den Wert der Beteiligung an der B. GbR auf 6.283.628 € und setzte die Erbschaftsteuer mit Einspruchsentscheidung vom 15.04.2009 auf 432.801 € herab und teilte den Betrag der zinslos gestundeten Steuer mit 5.871 € mit.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,

-              den Erbschaftsteuerbescheid vom 20.12.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2009 dahin zu ändern, dass bei Ermittlung des Werts des erworbenen Anteils am Betriebsvermögen der B. GbR der Wert der B. GmbH mit dem nach dem sog. Stuttgarter Verfahren ermittelten Anteilswert von 7.661 v.H. je 100 € des Nennkapitals zugrunde gelegt und die Erbschaftsteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird sowie der Betrag der zinslos gestundeten Erbschaftsteuer entsprechend geändert wird.

-              für den Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, welche sie für das Stuttgarter Verfahren in der Frage der Größe eines Zwerganteils sowie der Eingrenzung des Jahreszeitraums sieht.

Sie begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

Der Verkauf sei nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt. Die Erblasserin sei bereit gewesen, unter geschäftspolitischen Aspekten einen höheren Kaufpreis zu akzeptieren, um die Geschäftsanteile wieder zu 100 v.H. in ihrer Familie zu halten. Sie sei bei der Kaufpreisbemessung nicht kleinlich gewesen, da sie dem Abtretenden aufgrund seiner langjährigen Geschäftsführertätigkeit und seiner immensen Aufbauarbeit sehr zu Dank verpflichtet gewesen sei. Aufgrund dieser Umstände habe zwischen der Erblasserin und dem Fremdgeschäftsführer eine besondere Beziehung bestanden, welche die Annahme eines gewöhnlichen Geschäftsverkehrs ausschließe.

Darüber hinaus genüge es grundsätzlich nicht, den Wert der Anteile aus lediglich einem Verkauf und nicht mehreren Verkäufen abzuleiten.

Die Abtretung der Geschäftsanteile des Gesellschafters EH. sei bereits am 27.11.2001 und damit außerhalb der Jahresfrist erfolgt. Die Wertfindung habe schon lange vor der Jahresfrist stattgefunden, da der Abtretende aufgrund der Gesetzesänderung durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 schon Anfang des Kalenderjahres 2001 in Gespräche mit der Erblasserin getreten sei. Die Wertfindung sei spätestens im Sommer 2001 abgeschlossen gewesen, lediglich die notarielle Beurkundung sei erst nach den Sommerferien im November 2001 erfolgt. Den Vertragsparteien sei bei Abschluss des notariellen Vertrages am 27.11.2001 mit Sicherheit nicht bekannt gewesen, dass die Erblasserin am 28.12.2002 versterben würde. Zu dieser Zeit sei niemand davon ausgegangen, dass die Erblasserin in relativ kurzer Zeit versterben würde, denn sie habe sich damals noch guter Gesundheit erfreut.

Die Umstände für die Wertfindung beim Verkauf seien außergewöhnlich gewesen. Es habe für die Wertfindung der abgetretenen Anteile auch keinen Rechtsgrund für eine Hinzurechnung der Geschäftsführerbezüge und der Zuführungen zur Altersversorgung der Erblasserin zum Durchschnittsertrag der Kapitalgesellschaft gegeben, ebenso wenig wie für die vorgenommene Erhöhung des Vermögenswertes und des Durchschnittsertrags. Der Vermögenswert sei von 1.933.000 DM auf 3.000.000 DM und der Durchschnittsertrag von 2.322.000 DM auf 3.500.000 DM erhöht worden. Die „informative Bedarfsfeststellung" sei für die Kalenderjahre 1996 bis 1998 mit einem Durchschnittsertrag vom 2,3 Mio. DM erfolgt. Die Durchschnittserträge der Kalenderjahre 1999 bis 2001 hätten ebenfalls rd. 2,3 io. DM betragen, so dass kein Grund bestanden habe, von dem in der Erbschaftsteuererklärung angegebenen gemeinen Wert der GmbH-Anteile abzuweichen.

Im Jahr 2002 habe sich das wirtschaftliche Umfeld für Gebäudereinigungsfirmen deutlich verändert, so dass die Wirtschaftlichkeit für Gebäudereiniger erheblich nachgelassen habe. Dies beruhe z.B. auf den Unternehmensaufkäufen der dänischen Gebäudereinigungsfirma ISS, der Einführung der Sozialversicherungspflicht für 400 € - Jobs und der Erhöhung der Pauschalversteuerung von 15 v.H. auf 25 v.H. für derartige Arbeitsverhältnisse.

Der Pensionsrückstellung im Jahresabschluss der B. GmbH habe eine aktive Rückdeckungsversicherung in nahezu gleicher Höhe gegenübergestanden. Die Rückdeckungsversicherung sei am 20.01.2000 an die B. GmbH ausbezahlt worden, die Versicherungssumme habe sich im Vermögen der B. GmbH befunden. Die Pensionsrückstellung sei in Jahr 2002 erfolgswirksam in Höhe von 735.146,72 € aufgelöst worden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen,

und begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

Der Wert der GmbH-Anteile sei nach dem Kaufpreis aus der Urkunde von 27.11.2001 zu bemessen, da nach dem Sinn und Zweck der Jahresfrist des § 11 Abs. 2 Nr. 2 BewG vor allem die Wertfindung des Kaufpreises innerhalb der Jahresfrist vor dem Stichtag liegen müsse. Zwar habe der BFH mit Urteil vom 08.05.1991 I R 53/88 entschieden, dass sich der in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG verwendete Begriff „Verkäufe" auf den Abschluss schuldrechtlicher Verträge beziehe und deshalb auch Vereinbarungen über künftig entstehende Anteile an einer Kapitalgesellschaft umfasse, wenn nur der Kaufpreis nach einem Stichtag bemessen werde, der innerhalb der Jahresfrist liege. Der Schwerpunkt sei jedoch in der Aussage zu sehen, dass der Zeitpunkt der Wertfindung innerhalb der Jahresfrist liegen müsse. Dies wahre die zeitliche Nähe zum Stichtag. Im Streitfall sei der Kaufpreis der Höhe nach auf einen Wert zum Stichtag 31.12.2001 berechnet worden. Auch auf der dem Finanzamt vorgelegten „informativen Bedarfsfeststellung" sei ausdrücklich der 31.12.2001 als Stichtag vermerkt.

Da auch die Erblasserin bei Erwerb der Geschäftsanteile wegen ihrer Krankheit unter Zeitdruck gestanden habe, sei es keiner Partei einseitig möglich gewesen, eine Zwangslage der jeweils anderen Partei zu ihren Gunsten auszunutzen.

Der Verkauf sei auch trotz der Anteilshöhe geeignet, den gemeinen Wert widerzuspiegeln. Eine Ermittlung des Kaufpreises sei auf der Basis des Stuttgarter Verfahrens erfolgt. Außerdem sei der Veräußerer bereits durch den Wert seiner Geschäftsanteile „belohnt" worden, in die seine Wertschöpfung eingeflossen sei.

Das Vermögen der Gesellschaft sei mit dem Tod der Erblasserin durch den Wegfall der Pensionsverpflichtung um den Betrag von 735.146 € erhöht.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen EH. zu dem Thema „Ermittlung des Preises für die Abtretung der Geschäftsanteile in Höhe von 1.200 DM und 1.800 DM an der Gebäudereinigungsfirma B. GmbH am 27.11.2001. Wegen der Aussage des Zeugen wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 02.12.2010 verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet. Die Anteile an der B. GmbH sind am Bewertungsstichtag entsprechend dem Verkauf des Zeugen EH. an die Erblasserin nach dem dort vereinbarten Kaufpreis und nicht nach dem Stuttgarter Verfahren zu bewerten.

1.         Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb durch Erbanfall als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Für den Bestand und die Bewertung von Betriebsvermögen mit Ausnahme der Bewertung der Betriebsgrundstücke sind die Verhältnisse zur Zeit der Entstehung der Steuer maßgebend, § 12 Abs. 5 ErbStG. Nach Satz 3 der Vorschrift sind zum Betriebsvermögen gehörende Anteile von Kapitalgesellschaften - vorbehaltlich des Absatzes 2 der Vorschrift - mit dem nach §§ 11, 12 BewG ermittelten Wert anzusetzen.

Im Streitfall sind die Anteile der Erblasserin an der B. GmbH im Betriebsvermögen der B. GbR enthalten, sodass sie dort anzusetzen sind und dort Bestandteil der Wertermittlung werden.

2.         Nach § 11 Abs. 2 BewG sind Anteile an Kapitalgesellschaften, die am Stichtag nicht an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dieser ist vorrangig aus tatsächlich erfolgten Verkäufen abzuleiten. Ist dies nicht möglich, so ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen (Mannek in Gürsching/Stenger, BewG, § 11 Rn. 122). Die Schätzung nach dem sog. „Stuttgarter Verfahren" (R 96 ff. ErbStR) ist eine den Anforderungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG entsprechende Bewertungsmethode (BFH-Urteil vom 17.06.1998 II R 46/96, BFH/NV 1999, 17).

Im Streitfall ist der Wert der Geschäftsanteile an der B. GmbH am 28.12.2002 aus dem Verkauf der Geschäftsanteile des Zeugen EH. an die Erblasserin vom 27.11.2001 abzuleiten, da dieser innerhalb der Jahresfrist im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt ist und nicht lediglich einen sog. „Zwerganteil" betroffen hat.

a)         Der Verkauf der Geschäftsanteile in Höhe von 6 v.H. des Stammkapitals durch den Zeugen und langjährigen Geschäftsführers EH. an die Erblasserin mit notarieller Urkunde vom 27.11.2001 erfolgte im gewöhnlichen Geschäftsverkehr.

Gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not oder besonderen Rücksichten, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist. Erforderlich ist der Ausgleich widerstreitender Interessen von Verkäufer und Käufer bei der Preisbildung. Ob dies der Fall ist, ist nach den Gesamtumständen des Einzelfalles unter Heranziehung objektivierter Maßstäbe zu entscheiden (BFH-Urteile vom 28.11.1980 III R 86/78, BStBl. II 1981, 353, und vom 05.03.1986 II R 232/82, BStBl. II 1986, 591). Unter ungewöhnlichen Umständen oder nur mit Rücksicht auf persönliche Verhältnisse erzielte Preise können nicht als zutreffender gemeiner Wert angesehen werden (Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 11 Rn. 26).

Ein gezahlter Kaufpreis kann regelmäßig dann nicht als im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt angesehen werden, wenn er ohne jede Rücksicht auf das Vermögen und die Ertragsaussichten der Gesellschaft bemessen wurde, also dem inneren Wert der Anteile nicht entspricht (BFH-Urteil vom 15.07.1998 II R 23/97, BFH/NV 1998, 1463; Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 11 Rn. 26). Die finanzgerichtliche Rechtsprechung sah eine Anteilsübertragung an leitende Angestellte zu einem Preis offensichtlich unterhalb des Marktniveaus, welche einzig und allein dem Zweck diente, die Erwerber an das Unternehmen zu binden, als nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt an (BFH-Urteil vom 19.12.2007 II R 22/06, BFH/NV 2008, 962).

Im Streitfall lagen der Wertfindung durch die Parteien des Kaufvertrages vom 27.11.2001 Wertermittlungsmethoden zugrunde, welche auf das Vermögen bzw. die Ertragsaussichten der Gesellschaft abstellen. So enthält die notarielle Urkunde dieses Tages die Bestimmung, dass der Kaufpreis für die Übertragung der Geschäftsanteile des Zeugen EH an die Erblasserin gemäß des „Stuttgarter Verfahrens" ermittelt wurde. Die Klägerin hat dem Finanzamt hierzu eine „informative Bedarfsfeststellung" auf den 31.12.2001 vorgelegt. Der Veräußerer und Zeuge EH. erklärte in seiner Zeugenaussage, dass er sich bei der Bemessung des Kaufpreises an mehreren Firmenverkäufen in der Branche in den Jahren 2000 und 2001 orientiert und dementsprechend von der Erblasserin, als Anfang Herbst 2001 das Jahresergebnis für 2001 absehbar war, ausgehend vom vierfachen Betriebsergebnis einen Preis in Höhe von 750.000 DM verlangt habe; diesen Preis habe die Erblasserin ohne größere Diskussion akzeptiert. Damit spiegelt sich in dem von den Parteien gefundenen Kaufpreis der innere Wert der Geschäftsanteile des Zeugen EH. wieder.

Das Argument der Klägerin gegen das Vorliegen eines Verkaufs im gewöhnlichen Geschäftsverkehr dahingehend, dass die Erblasserin die Geschäftsanteile des Zeugen EH habe erwerben wollen, damit sich sämtliche Anteile an der GmbH in Händen der Familie B. befinden, greift nicht, da der Zeuge EH. ohnehin bei seinem Ausscheiden aus der Firma seine Geschäftsanteile hätte zurückgeben müssen. Soweit die Klägerin weiter vorbringt, dass die Erblasserin dem Zeugen EH. aufgrund seiner langjährigen Geschäftsführertätigkeit und seiner immensen Aufbauarbeit zu Dank verpflichtet und daher großzügig gewesen sei, impliziert dies nicht, dass der Veräußerungspreis nicht den inneren Wert der Beteiligung widerspiegelt; der frei verhandelte Preis kann sich auch im oberen Bereich des Marktniveaus befinden. Weiterhin ist das - von der Klägerseite zur Anwendung begehrte - Stuttgarter Verfahren Ausdruck einer vorsichtigen Bewertung mit verhältnismäßig geringer Auswirkung der Ertragskomponente (Mannek in Gürsching/Stenger, BewG, § 11 Rn. 166, 170, 179); allein die Abweichung des nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelten gemeinen Werts der Geschäftsanteile von dem Wert, welcher sich aus einem Verkauf ableiten lässt, führt nicht zu dem Schluss, dass kein gewöhnlicher Geschäftsverkehr vorliegt (BFH-Beschluss vom 22.08.2002 II B 170/01, BFH/NV 2003, 11).

Die Änderung der steuerrechtlichen Gesetzeslage zum Jahreswechsel 2001/2002, mit welcher die einkommensteuerpflichtige Beteiligungsgrenze für Veräußerungen auf 1 v.H. gesenkt wurde, war nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten lediglich Anlass für den Verkauf durch den Zeugen EH. noch im Jahr 2001. Allgemeine Zu- oder Abschläge hat dieser nach seiner Aussage nicht vorgenommen.
b)         Der gemeine Wert der Geschäftsanteile an der B. GmbH am 28.12.2002 ist aus dem einen Verkauf von 6 v.H. der Geschäftsanteile im Jahr 2001 abzuleiten.
Der gemeine Wert nichtnotierter Anteile an einer Kapitalgesellschaft kann auch aus einem einzigen Verkauf abgeleitet werden, wenn Gegenstand des Verkaufs nicht nur ein Zwerganteil (R 95 (3) Satz 3 ErbStR; BFH-Urteil vom 22.06.2010 II R 40/08, BStBl. II 2010, 843) oder der zu bewertende Anteil ebenfalls ein Zwerganteil ist. Nach dem Urteil des BFH vom 05.03.1986 II R 232/82 (BStBl. II 1986, 591) ist noch nicht entschieden, ob ein Zwerganteil bei Unterschreiten von Anteilen, die nach dem Gesellschaftsrecht einen Minderheitenschutz genießen, oder erst ab einer geringeren Beteiligung angenommen werden könnte. Eisele (in Rössler/Troll, BewG, § 11 Rn. 27) sieht unter Verweis auf § 50 Abs. 1 GmbHG einen Zwerganteil bei Vorliegen eines Anteilsbesitzes von weniger als 10 v.H. als gegeben an, ebenso das FG Köln (Urteil vom 04.09.1996 4 K 7724/94, EFG 1997, 6). Nach Mannek (in Gürsching/Stenger, BewG, § 11 Rn. 139) ist maßgebend für die Ableitung des gemeinen Wert nicht die Zahl der Verkaufsfälle, sondern der Umfang des Verkaufs im Verhältnis zum Kapital der Gesellschaft. Das Urteil des BFH vom 22.06.2010 II R 40/08 (BStBl. II 2010, 843) sieht als entscheidend an, ob der Verkaufspreis für den gemeinen Wert der übrigen Anteile nur einen begrenzten Aussagewert hat oder nicht.

Im Streitfall haben beide Vertragsparteien den Geschäftswert für die B. GmbH insgesamt und damit den anteiligen Preis für die mit Vertrag vom 27.11.2001 veräußerten Geschäftsanteile ohne Rücksicht auf die Höhe der Beteiligung des Zeugen EH. ermittelt. Da die Beteiligungshöhe ohne Einfluss auf die Kaufpreisfindung war, kann es auch nicht darauf ankommen, ob Geschäftsanteile in Höhe von lediglich 6 v.H. des Stammkapitals oder in größerem Umfang übertragen worden sind. Der Geschäftswert aller Geschäftsanteile an der B. GmbH war in der notariellen Urkunde vom 27.11.2001 mit 12.500.000 DM beziffert. Für den Fall der Veräußerung von Geschäftsanteilen zu einem höheren Wert bzw. Veräußerungserlös als dem für den Verkauf an den Zeugen EH. vereinbarten innerhalb von fünf Jahren ab dem Beurkundungstag war die Erblasserin nach dem Vertag vom 27.11.2001 verpflichtet, einen entsprechenden Mehrbetrag an den Zeugen EH zu entrichten; dies Verpflichtung bestand unabhängig vom Umfang der innerhalb des genannten Zeitraums zu einem höheren Preis veräußerten Geschäftsanteile.

Soweit § 50 Abs. 1 GmbHG Minderheitsrechte bei einer Beteiligungsgrenze von 10 v.H. vorsieht und diese Grenze als maßgebend für das Vorliegen eines sog. „Zwerganteils" i.S.d. Bewertungsrechts angesehen werden könnte, ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass der mit 6 v.H. an der B. GmbH beteiligte Zeuge EH. auch als deren Geschäftsführer bestellt war. §32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG unterscheidet für eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen, ob ein mit 10 v.H. oder weniger am Stammkapital beteiligter Gesellschafter zur Geschäftsführung befugt ist oder nicht, denn der nur geringfügig beteiligte und nicht geschäftsführende Gesellschafter trägt typischerweise keine mitunternehmerische Verantwortung für die Gesellschaft (Dauner-Lieb, DStR, 1998, 609, 610 unter Verweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs zum Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz). Im Streitfall war die Beteiligung des Zeugen EH. an der B. GmbH aufgrund seiner Geschäftsführertätigkeit für diese nicht wie die Veräußerung eines Zwerganteils zu werten, sondern ließ einen Rückschluss auf den gemeinen Wert der übrigen Anteile zu. Zudem handelt es sich bei den vom Zeugen EH. veräußerten Geschäftsanteilen in Höhe von 6 v.H. vom Wert und auch der Ertragsbeteiligung her um nicht unbedeutende Anteile.

c)         Der gemeine Wert der Anteile an der B. GmbH am 28.12.2002 ist aus dem zwar außerhalb der Jahresfrist am 27.11.2001 beurkundeten Verkaufspreis zum 31.12.2001 abzuleiten.

Ein Verkauf darf maximal ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag liegen (R 95 Abs. 3 Satz 2 ErbStR), um für die Ableitung des gemeinen Wertes der Anteile herangezogen werden zu können. Als für den Beginn der Jahresfrist maßgeblich wird zwar gemeinhin der Abschluss des Rechtsgeschäfts angesehen (Horn in Fischer/Jüptner/Pahlke, ErbStG, § 12 BewG Rn. 280) Dies hat aber den Zweck, dass nur solche Verkäufe für eine Ableitung des gemeinen Wertes berücksichtigt werden, deren zeitliche Nähe zum Bewertungsstichtag den Schluss zulässt, dass die für die Preisbemessung maßgebenden Umstände auch noch für die Wertbestimmung am Stichtag von Bedeutung sind. Entscheidend ist die Bemessung des Kaufpreises nach einem Stichtag, der innerhalb der Jahresfrist des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG liegt (BFH-Urteil vom 08.05.1991 I R 53/88, BFH/NV 1992, 130).

Im Streitfall lag zwar der Abschluss des notariellen Kaufvertrags vom 27.11.2001 außerhalb eines Jahres vor dem Tod der Erblasserin am 28.12.2002, allerdings trat die im Kaufvertrag bereits vereinbarte Abtretung der Geschäftsanteile mit Wirkung zum 31.12.2001 und damit innerhalb der Jahresfrist ein. Da der Kaufpreis für die Veräußerung nach dem Wert der B. GmbH bzw. der Geschäftsanteile am 31.12.2001 und nicht für den Tag des Vertragsschlusses bestimmt wurde, ist er für die Bewertung heranzuziehen. Die Vertragsparteien haben in der Kaufvertragsurkunde den Kaufpreis der Geschäftsanteile zum 31.12.2001 vereinbart und festgelegt. Der Prozessbevollmächtigte hat hierzu dem Finanzamt 1 eine von einem seiner Mitarbeiter (Berufsträger) auf den 31.12.2001 aufgestellte „informative Bedarfsfeststellung" vorgelegt. Weiterhin hat der Zeuge EH. glaubhaft dargelegt, dass er sich wegen des Verkaufszeitpunktes im Hinblick auf die anstehende Gewinnausschüttung für das Jahr 2001 auf den 31.12. orientiert hat sowie dass er das Betriebsergebnis für das Jahr 2001 aufgrund der habjährlichen bzw. vierteljährlichen Kündigungsfristen ab Mitte des Jahres gut abschätzen konnte. Auch aus der „informativen Bedarfsfeststellung" und der Aussage des Zeugen geht hervor, dass die Vertragsparteien den Kaufpreis für die Geschäftsanteile bezogen auf den 31.12.2001 errechnet haben, zumindest jedoch, dass sich dieser Kaufpreis aufgrund der Abschätzbarkeit nicht wesentlich von einer Preisvorstellung bezogen auf den 27.11.2001 unterschieden hätte. Ableitungen des gemeinen Wertes der Geschäftsanteile an der B. GmbH aus dem Kaufpreis, welche sich aus Änderungen im Zeitraum bis 28.12.2002 ergeben hätten, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass R 40 Abs. 2 Satz 1 ErbStR vorsieht, dass aus Vereinfachungsgründen der Steuerwert eines Anteils an einer Personengesellschaft aus einer auf den Schluss des letzten vor dem Besteuerungszeitpunkt endenden Wirtschaftsjahres erstellten Vermögensaufstellung abgeleitet werden kann, wenn die Steuer zu einem Zeitpunkt entsteht, der nicht mit dem Schluss des Wirtschaftsjahrs übereinstimmt, auf das die Personengesellschaft einen regelmäßigen jährlichen Abschluss macht, und wenn die Personengesellschaft auch keinen Zwischenabschluss erstellt, der den Grundsätzen der Bilanzkontinuität entspricht. Ebenso wird nach R 99 Abs. 1 Satz 3 ErbStR zur Ermittlung des Ertragshundertsatzes im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens auch dann auf das (weiter) zurückliegende abgelaufene Wirtschaftsjahr abgestellt und nicht ein kurz nach dem Stichtag ablaufendes. Im Streitfall lag der Ermittlung des Anteils der Erblasserin an der B. GbR der Abschluss der Gesellschaft zum 31.12.2001 zugrunde und wurde lediglich um Zu- und Abrechnungen für den Zeitraum bis 28.12.2002 ergänzt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein Kaufpreis, welcher exakt auf den Abschlusszeitpunkt 31.12.2001 von den Vertragsparteien errechnet und vereinbart wurde, nicht zur Bewertung auf den Stichtag 28.12.2002 herangezogen werden sollte, wenngleich dieses für die anderen im Betriebsvermögen enthaltenen Wirtschaftsgüter durch den Steuerbilanzansatz möglich und geboten ist und ebenso beim Ertragshundertsatz.

3.         Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

4.         Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ist soweit ersichtlich nicht geklärt zum einen, ob für die Jahresfrist des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG auf den Zeitpunkt des Kaufvertrages oder auf den - zeitnahen - Stichtag, auf welchen der Kaufpreis bemessen wurde, abzustellen ist, und zum anderen bis zu welcher Höhe der Beteiligung des Geschäftsführers an der Gesellschaft ein sog. „Zwerganteil" vorliegt.

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