FG Düsseldorf: BFH
FG Düsseldorf, Urteil vom 12.8.2010 - 12 K 236/06 F
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Schuldzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Die im Jahre 1997 gegründete Klägerin zu 2) erwarb im Gründungsjahr zum einen Grundbesitz, zum anderen Geschäftsanteile an der Firma D. Im Folgejahr erwarb sie zudem Geschäftsanteile an der Firma E. Sowohl die D als auch die E sind zwischenzeitlich nach Abschluss von Insolvenzverfahren erloschen. Für die Streitjahre 1999 bis 2001 machte die Klägerin zu 2) durch die vorgenannten und im Sinne des § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) wesentlichen Beteiligungen veranlasste Einnahmen aus Guthaben und Einlagen sowie Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in folgender Höhe geltend:
Einnahmen DM | Werbungskosten DM | |
1999 | 0 | 148.664 |
2000 | 128.171 | 279.426 |
2001 | 144.315 | 446.632 |
Durch Schreiben vom 23.09.2004 teilte der Beklagte der Klägerin zu 2) mit, dass er aufgrund der vorliegenden Feststellungserklärung 2001 die Einkunftserzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bezweifele. Es sei davon auszugehen, dass auf Dauer wesentlich höhere Aufwendungen -insbesondere Schuldzinsen- als Kapitalerträge anfallen würden. Er beabsichtige daher, die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht zu berücksichtigen und die Feststellungen der Vorjahre entsprechend zu ändern. Nachdem die Klägerin zu 2) trotz Aufforderung hierzu keine Stellung genommen hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22.11.2004 die Feststellung von Einkünften für das Jahr 2001 ab, unter dem 14.03.2005 erließ er entsprechend geänderte Bescheide für die Streitjahre 1999 und 2000. Hiergegen erhob die Klägerin zu 2) jeweils Einspruch. Am 14.12. 2005 und 02.01.2006 erließ der Beklagte Einspruchsentscheidungen, in denen er weiterhin davon ausging, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht zu berücksichtigen seien.
Gegen die Einspruchsentscheidungen richtet sich das mit Schriftsatz vom 17.012.2006 eingeleitete Klageverfahren, zu dem C und B als Gesellschafter der Klägerin zu 2) beigeladen worden sind. Die Kläger sowie die Beigeladenen tragen vor, dass die Beteiligungen mit dem Ziel der Erwirtschaftung von Beteiligungserträgen erfolgt seien. Die Engagements seien anfänglich durchaus erfolgversprechend gewesen. Dies werde auch durch die Kreditvergaben der Banken bestätigt, von welchen die Geschäftsvorhaben geprüft und unterstützt worden seien. Letztlich seien ja auch Erträge erwirtschaftet worden. Die geltend gemachten Aufwendungen seien im Wesentlichen belegt, zum Teil erweise sich die Beschaffung von Unterlagen allerdings als problematisch. Bei den weitergegebenen Kreditmitteln dürfte es sich durchgängig um Sanierungsbeiträge handeln, möglicherweise aber auch um Darlehen. Eine weitere Aufklärung sei nicht mehr möglich und für die Anerkennung von Werbungskosten auch unerheblich.
Die Kläger und die Beigeladenen beantragen,
für die Jahre 1999 bis 2001 unter Abänderung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
in dem Bescheid für das Jahr 1999 vom 15.08.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2005, zuletzt geändert am 06.10.2006, Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. H. v. 148.734,13 DM
in dem Bescheid für das Jahr 2000 vom 14.03.2005 vom 14.03.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.01.2006, zuletzt geändert am 06.10.2006, Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. H. v. 279.426,62 DM und
in dem Bescheid für das Jahr 2001 vom 22.11.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2005, zuletzt geändert am 06.10.2006, Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. H. v. 493.756,11 DM festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass anhand des vorliegenden Zahlenmaterials eine Überschusserwartung der Klägerin nicht begründet werden könne. Zudem seien die vorgelegten Unterlagen derart unvollständig, dass eine Weitergabe von Krediten der Klägerin an die Firmen D und E nicht festgestellt werden könne. Auch seien die Unterlagen und Angaben über die Kreditaufnahmen selbst unvollständig. Lediglich die Refinanzierung des Kaufpreises für die D i. H. v. 700.000,00 DM sei im Zuge des gerichtlichen Verfahrens belegt und die entsprechenden Werbungskosten i. H. v. rund 50.000,00 DM p. a. in den Änderungsbescheiden vom 06.10.2006 berücksichtigt worden.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die im gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet; denn das Gericht vermochte aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die von der Klägerin in Anspruch genommenen Darlehen und die hierdurch entstandenen Darlehenszinsen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen standen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Schuldzinsen sind Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG). Maßgebend hierfür ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (vgl. z. B. Bundesfinanzhof -BFH- vom 23.01.1991 X R 37/86 BStBl 1991 II 398, 399). Der notwendige wirtschaftliche Zusammenhang (Veranlassungszusammenhang) von Darlehenszinsen mit Einkünften aus Kapitalvermögen ist dann gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung von Kapital zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden (vgl. BFH vom 07.03.1995 VIII R 9/94 BStBl 1995 II 697 und vom 14.07.1992 VIII R 49/90 BFH/NV 1993, 16). Um dies zu beurteilen, ist auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen. Besteht der Zweck darin, Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen und werden die aufgenommenen Mittel zweckentsprechend tatsächlich verwendet, so sind die Kreditkosten grundsätzlich Werbungskosten im Rahmen dieser Einkunftsart (vgl. BFH vom 02.08.1994 IX R 21/91 BFH/NV 1995, 203 und vom 02.06.1992 IX R 270/87 BFH/NV 1992, 806). Zu den Werbungskosten aus Kapitalvermögen gehören auch die Kosten für Kredite, die ein Gesellschafter für den Erwerb der Beteiligung aufnimmt. Voraussetzung ist allerdings wiederum der Zweck der Einkunftserzielung, mithin insbesondere, dass auf Dauer ein Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwarten ist oder ggf. auch, dass eine durch Veräußerung zu realisierende, nach § 17 EStG einkommensteuerpflichtige Wertsteigerung erstrebt wird.
Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze ist eine Absicht zur Einkunftserzielung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar.
Das gilt zum einen für den Fall, dass -so offensichtlich die Rechtsauffassung der Kläger- Werbungskosten der Klägerin zu 2) bei den Einkünften aus den GmbH-Beteiligungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) geltend gemacht werden. Der Senat übersieht nicht, dass der Erwerb einer wesentlichen Beteiligung regelmäßig auf eine gewinnbringende, steuerpflichtige Beteiligung gerichtet ist und die dadurch entstehenden Finanzierungskosten grundsätzlich im Zusammenhang mit einkommensteuerpflichtigen -ggf. auch negativen- Einkünften stehen (vgl. BFH vom 08.10.1985 VIII R 234/84 BStBl 1986 II 596; FG Düsseldorf vom 20.10.2001, 15 K 5087/03 E, EFG 2006, 92). In der Gesamtschau beschreibt das Klagevorbringen allerdings einen Sachverhalt, der von einem Regelfall erheblich abweicht. Insbesondere haben die Gesellschafter der Klägerin offensichtlich darauf verzichtet, wesentliche Inhalte ihrer rechtlichen Beziehungen im Zusammenhang mit den Beteiligungen zu dokumentieren. Dies erweist sich bei isolierter Betrachtung zwar als beanstandungsfrei; denn ein Schriftformerfordernis gibt es insoweit nicht. Auch mag der zwischenzeitlich eingetretene Zeitablauf den Verlust ursprünglich vorhandener Unterlagen zum Teil erklären. Es wäre aber zu erwarten, dass nähere Einzelheiten hierzu zumindest nachvollziehbar vorgetragen werden können. Hierzu haben sich sowohl die Kläger als auch die Beigeladenen nicht nur außer Stande gesehen. Sie haben sogar den Rechtscharakter der an die Gesellschaften erfolgten Mittelgewährung als ungeklärt und Sanierungsbeiträge als wahrscheinlich, Darlehensgewährungen aber als nicht ausgeschlossen dargestellt. Der Klagevortrag schließt daher in tatsächlicher Hinsicht nicht aus, dass die Klägerin zu 2) den Gesellschaften in den Streitjahren ohne konkrete Vereinbarung eines Rechtsgrundes Mittel zur Verfügung gestellt hat, welche die ursprünglichen Anschaffungskosten der Beteiligungen deutlich überstiegen haben. Aus diesem Sachstand vermag der erkennende Senat nicht ohne weiteres darauf zu schließen, dass der Erwerb der Beteiligungen zum Zwecke der Einkunfts-erzielung erfolgte und dass ein solcher Zweck während der Streitjahre fortbestand. Sonstige konkrete Anzeichen für die Absicht der Klägerin, Überschüsse aus den Beteiligungen zu erzielen, sind nicht ersichtlich; eine die entsprechende Behauptung der Kläger stützende, auch nur ansatzweise verlässliche positive Überschussprognose erweist sich sowohl im Hinblick auf den unaufklärbaren Rechtscharakter der Mittelzuwendungen als auch auf die mangelnde Dokumentation der Vorgänge als unmöglich.
Der Klagevortrag könnte allerdings zum anderen auch darauf hindeuten, dass teilweise Werbungskosten im Zusammenhang mit Darlehensverträgen zwischen der Klägerin zu 2) und D bzw. E (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) in Betracht zu ziehen sind. Die Überschusserzielungsabsicht wäre dann für jeden einzelnen Vertrag als Einkunftsquelle zu prüfen, teilunentgeltliche Mittelüberlassung könnte einen Werbungskostenabzug u. U. ausschließen (vgl. BFH vom 25.07.2000 VIII R 35/99 BStBl 2001 II 698). Es müsste also nicht nur feststehen, dass es sich tatsächlich um Darlehensverhältnisse gehandelt hat. Vielmehr müsste auch der konkrete Inhalt der Vereinbarungen, insbesondere die Höhe des Zinssatzes, bekannt sein. Das ist nach dem Vorstehenden nicht der Fall.
Nach den im Steuerrecht geltenden allgemeinen Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast; vgl. BFH-Urteile vom 10.8.1988 II R 252/83, BFHE 154, 232, BStBl II 1988, 987 = SIS 89 04 23; vom 19.1.1994 I R 40/92, BFH/NV 1995, 181; jeweils m.w.N.) trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für die steuerentlastenden oder - mindernden Tatsachen, d.h. für Tatsachen, die den Steueranspruch aufheben, einschränken oder Steuerbefreiungen, -ermäßigungen oder (sonstige) Steuervergünstigungen begründen. Dies umfasst auch eine entsprechende Beweisvorsorgepflicht (vgl. BFH vom 13.03.2007 X B 37/06, BFH/NV 2007, 1138). Nach diesen Grundsätzen geht im Streitfall der fehlende Nachweis der Einkunftserzielungsabsicht zu Lasten der Kläger.
Die nach dem Vorstehenden in Betracht zu ziehende Verböserung der angegriffenen Feststellungsbescheide hinsichtlich der vom Beklagten anerkannten Kosten für die Refinanzierung des Kaufpreises der D scheidet im finanzgerichtlichen Verfahren aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und 3 sowie § 137 Satz 1 Finanzgerichtsordnung. Den Beigeladenen waren Kosten aufzuerlegen, weil sie durch eigenen Vortrag aktiv an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und einen Antrag gestellt haben.