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Steuerrecht
01.11.2022
Steuerrecht
FG Köln: Ausschluss einer Antragsveranlagung zur Einkommensteuer für in der Schweiz ansässige deutsche Arbeitnehmer europarechtswidrig – Vorlage an den EuGH

FG Köln, Beschluss vom 20.9.2022 – 15 K 646/20

ECLI:DE:FGK:2022:0920.15K646.20.00

Volltext des Beschlusses://BB-ONLINE  BBL2022-2527-1

Leitsätze (der Redaktion)

Es sind keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe dafür ersichtlich, dass einem in einem Drittland ansässigen deutschen Arbeitnehmer eine Antragsveranlagung und damit eine Einkommensteuererstattung vorenthalten werden darf. Der gesetzliche Ausschluss verstößt gegen das von der EU und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen.

AEUV Art. 267 Abs. 2; EStG § 50 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 4 b, S. 7, § 1 Abs. 4, § 49; DBA Deutschland-Schweiz Art. 15 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2, S. 2

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten – nach Verbindung der ursprünglich getrennten Verfahren – über die Festsetzung der Einkommensteuer 2017 bis 2019. Zwischen ihnen ist streitig, ob dem in der Schweiz wohnhaften Kläger im Rahmen der deutschen beschränkten Einkommensteuerpflicht (i.S.d. § 1 Abs. 4 Einkommensteuergesetz – EStG) bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit das Recht auf Antragsveranlagung nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b) EStG – mit der Folge der Berücksichtigung von Aufwendungen (Werbungskosten) sowie der Anrechnung von im Steuerabzugsverfahren einbehaltener deutscher Lohnsteuer – entgegen der Regelung in § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG aus europarechtlichen Gründen unter Anwendung des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten und der Schweiz zu gewähren ist.

I. Ausgangssachverhalt

Der Kläger ist deutscher Staatsbürger und war in den Streitjahren 2017 bis 2019 als Manager für ein deutsches Unternehmen (mit Sitz in Z (Deutschland)) tätig. Er erzielte in den Streitjahren aus der Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG. Er hatte in den Streitjahren nach einem vorherigen Umzug aus Deutschland (im April 2016) in die Schweiz in der dortigen Gemeinde Y seinen alleinigen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt. Der Umzug erfolgte insbesondere aus familiären Gründen, weil die Ehefrau des Klägers in Y (Schweiz) eine Beschäftigung aufnahm. Der Aufenthalt in der Schweiz erfolgte rechtmäßig im Rahmen einer Niederlassungsbewilligung. Für seinen (deutschen) Arbeitgeber war der Kläger im (schweizerischen) häuslichen Arbeitszimmer sowie im Außendienst tätig. Er betreute hierbei überwiegend Kunden im süddeutschen und westdeutschen Raum, teilweise vor Ort in Deutschland, teilweise von seinem Wohnort aus. Von seinem Arbeitgeber wurde ein deutscher Lohnsteuerabzug vom Bruttogehalt vorgenommen und Lohnsteuer an die deutsche Finanzverwaltung abgeführt. Eine Aufteilung des Arbeitslohns zwischen Deutschland und der Schweiz im Wege des Lohnsteuerabzugsverfahrens erfolgte nicht; der vollständige Arbeitslohn wurde der deutschen Lohnsteuer unterworfen. Während der Streitjahre ließ der Kläger auch keinen Freibetrag als sog. „Lohnsteuerabzugsmerkmal“ (§ 39 EStG) von der Finanzbehörde eintragen.

Im Rahmen der Außendiensttätigkeit (unter Nutzung eines geleasten, nicht vom Arbeitgeber gestellten Kraftfahrzeugs) hatte der Kläger insbesondere erhebliche eigene Kfz-Kosten und andere Reisekosten zu tragen. Der Kläger unterlag in den Streitjahren unstreitig in Deutschland einer beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 EStG. Eine (antragsabhängige) unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG war unstreitig nicht möglich. Neben den Lohneinkünften erzielte der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von zwei in Deutschland (in X und in W) belegenen Immobilien. Erst nach den Streitjahren, im Jahre 2021, gab der Kläger seinen Wohnsitz in der Schweiz auf und ist seitdem wieder in Deutschland wohnhaft.

II. Antrags- und Einspruchsverfahren

Im Februar 2019 reichte der Kläger die Einkommensteuererklärung 2017 (Vordruck für beschränkt steuerpflichtige Personen) beim Beklagten, dessen Zuständigkeit gem. § 19 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) sich durch das wesentlich in X belegene Vermögen ergab, ein. Neben erklärten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärte der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit („Lohneinkünfte“). Hier führte der Kläger an, dass von einem Gesamtarbeitslohn (laut Lohnsteuerbescheinigung des deutschen Arbeitgebers) i.H.v. 113.299,41 € ein Bruttolohn von 63.651 € auf die in Deutschland ausgeübten und dort steuerbaren Tätigkeiten entfalle. Die vom Arbeitgeber in Deutschland abgeführte Lohnsteuer betrug 41.484 € (zzgl. 2.281,56 € Solidaritätszuschlag). Steuermindernd machte der Kläger Werbungskosten (d.h. mit der in Deutschland steuerpflichtigen Beschäftigung zusammenhängende Aufwendungen) i.H.v. insgesamt 18.289 € geltend. In der Steuererklärung stellte er einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b) i.V.m. Satz 7 EStG und führte aus, der Ausschluss des Antragsrechts („Recht/Anspruch auf Veranlagung“, „Veranlagung auf Antrag“, nachfolgend meist „Antragsveranlagung“ genannt) für Drittländer (hier: Schweiz; die Schweiz ist weder Mitglied der Europäischen Union – EU –, noch Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums – EWR –) sei aufgrund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (nachfolgend „Freizügigkeitsabkommen“ oder „FZA“ genannt) europarechtswidrig. Zur Begründung verwies er auf einen Vorlagebeschluss des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg (Beschluss vom 14. Juni 2017, 2 K 2413/15, ECLI:DE:FGBW:2017:0614.2K2413.15.00, Internationales Steuerrecht – IStR – (Zeitschrift) 2018, 68) an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu einer aus Klägersicht gleichgelagerten Rechtsfrage. Kurze Zeit später übersandte er das EuGH-Urteil vom 26. Februar 2019 (Wächtler, C-581/17, ECLI:EU:C:2019:138, ABl EU 2019, Nr C 139, 16-17 sowie Deutsches Steuerrecht – DStR – (Zeitschrift) 2019, 425).

Im Oktober 2019 reichte der Kläger in gleicher Weise die Einkommensteuererklärung 2018 (Formular für beschränkt steuerpflichtige Personen) ein. Erneut wurden – hier nicht im Streit stehende – Vermietungseinkünfte erklärt. Ferner wurde erneut ein Antrag auf Veranlagung auch der Lohneinkünfte gestellt. Hier führte der Kläger an, dass von einem Gesamtarbeitslohn (laut Lohnsteuerbescheinigung des deutschen Arbeitgebers) i.H.v. 115.498,41 € ein Bruttolohn von 60.932 € auf Deutschland entfalle. Die vom Arbeitgeber in Deutschland abgeführte Lohnsteuer betrug 42.193 € (zzgl. 2.320,60 € Solidaritätszuschlag). Werbungskosten wurden i.H.v. insgesamt 28.067,12 € geltend gemacht.

Im Januar 2021 reichte der Kläger in gleicher Weise die Einkommensteuererklärung 2019 (Formular für beschränkt steuerpflichtige Personen) nebst Antrag auf Veranlagung ein. Hierbei erklärte er einen Bruttoarbeitslohn von 115.314,91 € (auf Deutschland entfällt laut Kläger ein Anteil von 57.429 €) bei in Deutschland abgeführter Lohnsteuer i.H.v. 41.862,16 € (nebst Solidaritätszuschlag von 2.302,39 €) und geltend gemachten Werbungskosten i.H.v. insgesamt 16.648 €.

Unter dem 28. August 2019 (Einkommensteuer 2017), 11. November 2019 (Einkommensteuer 2018) sowie 28. Januar 2021 (Einkommensteuer 2019) erließ der Beklagte jeweils Steuerbescheide, in welchen er lediglich die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde legte (festgesetzte Einkommensteuer 2017: 893 €; festgesetzte Einkommensteuer 2018: 640 €; festgesetzte Einkommensteuer 2019: 1.539 €; jeweils zugleich Zahlungsbeträge). Die Lohneinkünfte sah er jeweils mit dem Steuerabzug als abgegolten an (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) und berücksichtigte keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) bei der Festsetzung der Einkommensteuer. Folglich unterblieb auch eine Anrechnung von bereits gezahlter deutscher Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag auf die festgesetzte deutsche Einkommensteuer. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die Antragsveranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b) i.V.m. Satz 7 EStG) nach seiner Auffassung auf Arbeitnehmer beschränkt sei, die in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR ansässig seien, d.h. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies gelte nicht für den in der Schweiz (Drittland) ansässigen Kläger.

Hiergegen jeweils fristgemäß eingelegte Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen vom 25. Februar 2020 (Einkommensteuer 2017 und 2018) sowie 15. November 2021 (Einkommensteuer 2019) als unbegründet zurück.

III. Verfahrensablauf und Beteiligtenvortrag im Klageverfahren

Mit der Klage führt der Kläger sein Begehren auf Antragsveranlagung unter (gegenüber dem Lohnsteuerabzug abweichender) Aufteilung des Arbeitslohns zwischen Deutschland und der Schweiz sowie der Berücksichtigung von Werbungskosten fort. Den Ausschluss der Antragsveranlagung durch § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG bei einer Ansässigkeit in der Schweiz hält er für nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

Zur Begründung verweist er – zusammengefasst – auf das Freizügigkeitsabkommen (FZA) sowie insbesondere die EuGH-Entscheidungen zu § 3 Nr. 26 und Nr. 26a EStG (EuGH-Urteil vom 21. September 2016, Radgen, C-478/15, ECLI:EU:C:2016:705, ABl EU 2016, Nr C 419, 22-23 sowie DStR 2016, 2331) sowie zu § 6 Außensteuergesetz (AStG) (EuGH-Urteil vom 26. Februar 2019, Wächtler, C-581/17, ECLI:EU:C:2019:138, ABl EU 2019, Nr C 139, 16-17 sowie DStR 2019, 425). Die Regelungen des FZA und die EuGH-Rechtsprechung hätten Vorrang vor dem deutschen Gesetzeswortlaut. Dies habe auch die deutsche Finanzverwaltung in einer Verwaltungsvorschrift des Bundesministerium der Finanzen (BMF-Schreiben vom 13. November 2019, IV B 5-S 1325/18/10001:001, Bundessteuerblatt (BStBl) I 2019, 1212) zum vorgenannten EuGH-Urteil „Wächtler“ (C-581/17) anerkannt. Auch aus neuerer finanzgerichtlicher Rechtsprechung (Verweis auf Gerichtsbescheid des FG Baden-Württemberg vom 31. August 2020, 2 K 835/19, ECLI:DE:FGBW:2020:0831.2K835.19.00, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – (Zeitschrift) 2021, 20; Entscheidung im Nachgang zum EuGH-Urteil „Wächtler“ – C-581/17) ergebe sich, dass das FZA Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sei und dessen Bestimmungen nach Treu und Glauben in Übereinstimmung der gewöhnlichen, ihnen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte des Ziels und Zwecks des FZA auszulegen seien. Dessen Ziel, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz zu intensivieren, spreche im Streitfall für eine Ungleichbehandlung bei fehlender Rechtfertigung. Vorliegend sei das in Artikel 9 Abs. 2 Anhang I des FZA konkretisierte Recht auf Gleichbehandlung bei steuerlichen Vergünstigungen betroffen. Die Antragsveranlagung sei ein solches Recht. Dieses Recht müsse unabhängig von der möglichen, von ihm (dem Kläger) aber nicht gewählten Eintragung eines Freibetrags als Lohnsteuerabzugsmerkmal gelten. Ein solches Vorgehen im Lohnsteuerverfahren mit späterer Pflichtveranlagung sei einer Antragsveranlagung nicht gleichwertig und lasse weder die Ungleichbehandlung entfallen, noch stelle es einen Rechtfertigungsgrund dar. Er hätte dann nämlich bereits vor Ablauf des Veranlagungszeitraums einen Antrag stellen müssen, ohne genau zu wissen, ob und in welchem Umfang sich dies für ihn lohne. Infolge des Antrags hätte er zwingend eine Einkommensteuererklärung einreichen müssen, was ohne Eintragung eines Freibetrags im Lohnsteuerverfahren nicht verpflichtend gewesen wäre und kein „echtes Antragsrecht“ darstelle. Zudem bestünden im Falle der Pflichtveranlagung Steuererklärungsfristen (regelmäßig 14 Monate nach Ablauf des Besteuerungszeitraums bei steuerlicher Beratung), welche im Falle der Antragsveranlagung nicht einschlägig seien. Im Falle der Antragsveranlagung bestehe nur eine vierjährige Festsetzungsfrist.

Anderweitige durchgreifende Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung sieht der Kläger nicht, insbesondere könne die „Stand still“-Klausel in Artikel 13 FZA keine Fortführung von steuerlichen Ungleichbehandlungen rechtfertigen.

Der Beklagte erwidert, § 85 AO gebiete eine gleich- und gesetzesmäßige Festsetzung und Erhebung der Steuer. Der für die Finanzverwaltung verbindliche Wortlaut des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG sei eindeutig und enthalte für den Anspruch auf Antragsveranlagung bei beschränkter Steuerpflicht eine Begrenzung auf Angehörige von EU- und EWR-Staaten, die außerhalb von Deutschland im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hätten. Die Schweiz, in welcher der Kläger in den Streitjahren allein ansässig gewesen sei, sei weder ein EU-Staat, noch ein EWR-Staat. Der Kläger habe damit kein Recht auf eine Antragsveranlagung. Eine anderweitige EuGH-Entscheidung oder verwaltungsinterne Weisungslage zur abweichenden Gesetzesanwendung liege nicht vor.

Die vom Kläger angeführten Verfahren vor dem EuGH hätten andere Normen (§ 3 Nr. 26 und Nr. 26a EStG sowie § 6 AStG) zum Gegenstand gehabt und könnten nicht im Wege des Ermessens oder der Auslegung auf andere Vorschriften übertragen werden. Die im FZA vereinbarten Rechte seien nicht deckungsgleich mit den Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Pauschale Verweise auf bisherige EuGH-Rechtsprechung gingen fehl. Es sei auch fraglich, inwieweit der Kläger in den persönlichen Anwendungsbereich des FZA und dessen Anhang falle.

Die Regelungen im FZA sähen zudem zwar ein steuerliches Gleichbehandlungsgebot vor, zugleich sei aber in Artikel 13 des FZA eine „Stand still“-Vereinbarung getroffen worden, wonach sich die Vertragsparteien verpflichteten, keine neuen Beschränkungen für Staatsangehörige der anderen Vertragspartei einzufordern. Im Umkehrschluss (argumentum e contrario) folge hieraus ein Beibehaltungsrecht für alle bei Vertragsunterzeichnung bestehenden Beschränkungen. Die Abgeltungswirkung des Lohnsteuerabzugs (§§ 38 ff. EStG) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) für beschränkt Steuerpflichtige (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) habe seinerzeit (d.h. bei Abkommensabschluss) bereits gegolten.

Auch wenn man eine steuerliche Ungleichbehandlung des Klägers bejahen würde, sei diese gerechtfertigt. Die Möglichkeit einer solchen Rechtfertigung ergebe sich aus Artikel 21 Abs. 2 und 3 FZA sowie der EuGH-Rechtsprechung. Gegen eine Diskriminierung spreche hier, dass der Kläger im Lohnsteuerverfahren die Möglichkeit gehabt hätte, seine Werbungskosten und andere steuermindernde Umstände durch Eintragung eines Freibetrags lohnsteuermindernd geltend zu machen. Dann wäre es gem. § 39a Abs. 4 Nr. 1, § 39b Abs. 2 EStG zu einer „Pflichtveranlagung“ gekommen und die Abgeltungswirkung des Lohnsteuerabzugs hätte gem. § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe a) EStG nicht gegriffen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in den Entscheidungen vom 24. April 2007 (Urteil I R 93/03, BStBl II 2008, 132 [BB 2007, 1602, RIW 2007, 711, StB 2007, 282 Ls] – zur Vorschrift des § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 15. Februar 2007, Centro Equestre da Leziria Grande, C-345/04, ECLI:EU:C:2007:96, ABl EU 2007, Nr C 82, 3-4 sowie IStR 2007, 212 [EWS 2007, 184 m. EWS-Komm. Cloer/Lavrelashvili, EWS 2007, 357, RIW 2007, 314]; ferner BFH-Urteil I R 39/04, BStBl II 2008, 95 – zur Haftung des Vergütungsschuldners nach § 50a Abs. 5 EStG 1990 im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006, FKP Scorpio Konzertproduktionen, C-290/04, ECLI:EU:C:2006:630, ABl EU 2006, Nr C 294, 7-8 sowie IStR 2006, 743) die Möglichkeit der Geltendmachung im Steuerabzugsverfahren bzw. Erstattungsverfahren anerkannt, entsprechendes müsse auch im Rahmen des FZA gelten. Die Existenz „unterschiedlicher Besteuerungsverfahren“ begründe nach der EuGH-Rechtsprechung (Verweis u.a. auf das EuGH-Urteil vom 22. Dezember 2008, Truck Center, C-282/07, ECLI:EU:C:2008:762, ABl EU 2009, Nr C 44, 12 sowie IStR 2009, 135) keinen Verstoß gegen die Grundfreiheiten. Anders als im „Schumacker-Urteil“ (EuGH-Urteil vom 14. Februar 1995, Schumacker, C-279/93, ECLI:EU:C:1995:31, Slg 1995, I-225-268 [BB 1995, 438 m. BB-Komm. Kaefer, EWS 1995, 83, RIW 1995, 336], dort Rn. 53 f. der Entscheidungsgründe) hätten hier das Lohnsteuerermäßigungsverfahren und das spätere(Pflicht-)Veranlagungsverfahren den Werbungskostenabzug und die anderweitige Berechnung der steuerpflichtigen Einnahmen dem Grunde und der Höhe nach ermöglicht.

Ergänzend wird angeführt, dass auch keine Diskriminierung nach Artikel 25 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (DBA Deutschland-Schweiz) vorliege, weil sowohl ein schweizerischer, als auch ein deutscher Staatsbürger nach der Regelung in § 50 Abs. 2 EStG keinen Anspruch auf eine Antragsveranlagung hätten. Eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit liege daher nicht vor. Das doppelbesteuerungsrechtliche Diskriminierungsverbot (siehe hierzu aus jüngerer Zeit das BFH-Urteil vom 3. September 2020, I R 80/16, ECLI:DE:BFH:2020:U.030920.IR80.16.0, DStR 2020, 2853 [BB 2021, 21 Ls, RIW 2021, 700 Ls]) erfasse – auch im Streitfall – keine unterschiedliche Behandlung aufgrund einer „Nichtansässigkeit“.

IV. Anträge

Der Kläger beantragt,

1. die Einkommensteuerfestsetzungen der Veranlagungszeiträume (VZ) 2017 bis 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 25. Februar 2020 (VZ 2017 und 2018) sowie 15. November 2021 (VZ 2019) dahingehend zu ändern, dass unter Anrechnung von Lohnsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei der Berechnung der Einkommensteuer wie folgt berücksichtigt werden:

2017: Einnahmen 63.651 € ./. Werbungskosten 18.289 € = 45.362 €

2018: Einnahmen 60.932 € ./. Werbungskosten 28.067 € = 32.865 €

2019: Einnahmen 57.429 € ./. Werbungskosten 16.648 € = 40.781 €

2. hilfsweise das Verfahren auszusetzen und die Sache dem EuGH vorzulegen,

3. äußerst hilfsweise im Falle des vollständigen oder teilweisen Unterliegens die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise im Falle des vollständigen oder teilweisen Unterliegens die Revision zuzulassen.

Aus den Gründen

B. Das Klageverfahren wird ausgesetzt. Es wird gemäß Artikel 267 Abs. 2 AEUV die Vorabentscheidung des EuGH über die im Tenor des Beschlusses genannte Rechtsfrage eingeholt. Die Anrufung des EuGH ist geboten, weil das Verständnis der Freizügigkeit nach europäischem Recht unter Berücksichtigung des FZA in entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft ist. Entscheidend für den Ausgang des Klageverfahrens ist, ob im Streitfall die Abgeltungswirkung des Lohnsteuerabzugs (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) ohne Möglichkeit einer Antragsveranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b) i.V.m. Satz 7 EStG) – und folglich ohne die Berücksichtigung von Aufwendungen (Werbungskosten) sowie ohne die Anrechnung von im Steuerabzugsverfahren einbehaltener deutscher Lohnsteuer – mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

I. Rechtliche Grundlagen der Arbeitnehmerveranlagung bei beschränkter Steuerpflicht in Deutschland

Der Vorlagefrage liegt folgender nationaler rechtlicher Rahmen zugrunde:

Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind nach § 1 Abs. 4 EStG (vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 und des § 1a EStG) beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG haben. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4a EStG sind u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), die im Inland (= Deutschland) ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist, inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Steuerpflicht. Vorliegend ist unstreitig nur der Arbeitslohn, welcher auf die in Deutschland ausgeübte Tätigkeit (Aufteilung nach Arbeitstagen) entfällt, in Deutschland einkommensteuerpflichtig. Das Besteuerungsrecht steht Deutschland insoweit auch nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen („DBA Deutschland-Schweiz“) zu, da der Tätigkeitsstaat (dies ist für die hier zu beurteilende Frage Deutschland, auch wenn Teile der klägerischen Tätigkeit auch in der Schweiz ausgeübt werden) insoweit nach Artikel 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 DBA Deutschland-Schweiz ein Besteuerungsrecht hat. Im Streitfall ist auch alleine wegen des in Deutschland ansässigen Arbeitgebers kein alleiniges Besteuerungsrecht der Schweiz (als Ansässigkeitsstaat des Klägers) nach Artikel 15 Abs. 2 DBA Deutschland-Schweiz gegeben.

Die Erhebung der Einkommensteuer erfolgt bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit („Lohneinkünften“) insbesondere bei einem inländischen Arbeitgeber durch einen Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer als Erhebungsform der Einkommensteuer, §§ 38 ff. EStG). Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer, der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EStG). Die Höhe der Lohnsteuer richtet sich nach der Lohnhöhe sowie nach weiteren Lohnsteuerabzugsmerkmalen (§ 38a EStG). Der Lohnsteuerabzug erfolgt grundsätzlich nach Maßgabe des Bruttolohns und ggf. eingerechneter pauschaler Abzugsbeträge.

Ein geringerer Lohnsteuereinbehalt ist unter anderem durch Eintragung eines Freibetrags als Lohnsteuerabzugsmerkmal (§ 39 Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. § 39a EStG) möglich. Die für einen beschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmer geltende Regelung zur Eintragung eines Freibetrags in § 39a EStG lautet auszugsweise (Hervorhebungen nur hier):

(4) 1Für einen beschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmer, für den § 50 Absatz 1 Satz 4 anzuwenden ist, ermittelt das Finanzamt auf Antrag einen Freibetrag, der vom Arbeitslohn insgesamt abzuziehen ist, aus der Summe der folgenden Beträge:

1. Werbungskosten, die bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anfallen, soweit sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a) oder bei Versorgungsbezügen den Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b) übersteigen,

[...]

2Der Antrag kann nur nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum Ablauf des Kalenderjahres gestellt werden, für das die Lohnsteuerabzugsmerkmale gelten.

Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG gilt die Einkommensteuer für Lohneinkünfte grundsätzlich durch den Steuerabzug vom Arbeitslohn als abgegolten.

Wenn bei einem beschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmer aufgrund eines rechtzeitig nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck vor Ablauf des Kalenderjahres gestellten Antrags ein Freibetrag als Lohnsteuerabzugsmerkmal eingetragen worden ist, wird diese Abgeltungswirkung hingegen nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe a) EStG ausgeschlossen. Dies gilt unstreitig für alle beschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmer, d.h. auch für Arbeitnehmer mit Ansässigkeit in Nicht-EU/EWR-Staaten wie der Schweiz. Es ist dann zwingend ein Veranlagungsverfahren durchzuführen („Pflichtveranlagung“), in welchem die Einkünfte ohne Bindung an die im Lohnsteuerverfahren zugrunde gelegten Werte berechnet und die zu zahlende Einkommensteuer insbesondere unter Anrechnung der bereits entrichteten Lohnsteuer berechnet wird. Bei einem (beispielsweise durch zuvor zu optimistische „Prognose“) überhöht eingetragenen Freibetrag kann dies zu Steuernachforderungen führen, welche die deutsche Finanzbehörde dann gegenüber dem im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen durchsetzen muss. Bei gegenüber dem Freibetrag im Veranlagungsverfahren geltend gemachten höheren Werbungskosten oder beispielsweise nur teilweise steuerpflichtigen Einkünften kann sich aber auch ein Erstattungsanspruch ergeben. Bei Eintragung eines Freibetrags als Lohnsteuerabzugsmerkmal unterliegt der Steuerpflichtige einer Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nach §§ 149 ff. AO. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann u.a. eine Festsetzung vom Amts wegen mit Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO), die Festsetzung eines Verspätungszuschlags (§ 152 AO) oder eine Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld (§§ 328 ff. AO) erfolgen.

Außerhalb der Eintragung eines Freibetrags als Lohnsteuerabzugsmerkmal ist zwar nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b) EStG auch in übrigen Fällen auf Antrag eine Veranlagung zur Einkommensteuer – unstreitig ohne rechtliche Bindung an im Lohnsteuerverfahren angesetzte Werte – möglich. Dieses Recht (= Anspruch) auf Durchführung einer Veranlagung („Antragsveranlagung“) gilt jedoch gem. § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG nur in EU-/EWR-Fällen (d.h. „nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben“).

Da es sich bei der Antragsveranlagung nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b), § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG um ein Wahlrecht handelt, kann der Steuerpflichtige innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) frei entscheiden, ob er eine Einkommensteuerklärung (die als Ausübung des Wahlrechts gilt) abgeben möchte oder nicht. Sinnvollerweise wird er dies nur tun, wenn der Steuerpflichtige oder dessen steuerlicher Berater zuvor einen Erstattungsanspruch (durch Anrechnung einer höheren Lohnsteuer auf eine niedriger ermittelte Einkommensteuer) errechnet hat.

Die maßgebliche deutsche Regelung des § 50 EStG (Fassung für die Veranlagungszeiträume 2017-2019; § 50 Abs. 2 EStG ist auch im Vorlagezeitpunkt noch unverändert) für beide vorgenannten Veranlagungsarten („Pflichtveranlagung bei eingetragenem Freibetrag“; „Antragsveranlagung“) lautet auszugsweise (Hervorhebungen nur hier):

§ 50 Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige

[...]

(2) 1Die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn oder vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug auf Grund des § 50a unterliegen, gilt bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten. 2Satz 1 gilt nicht

[...]

4. für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 49 Absatz 1 Nummer 4,

a) wenn als Lohnsteuerabzugsmerkmal ein Freibetrag nach § 39a Absatz 4 gebildet worden ist oder

b) wenn die Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt wird (§ 46 Absatz 2 Nummer 8);

[...]

7Satz 2 Nummer 4 Buchstabe b und Nummer 5 gilt nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

[...]

Die allgemeine Regelung für die Veranlagung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bei unbeschränkter Steuerpflicht in § 46 Abs. 2 Nummer 8 EStG, auf die in § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b) EStG verwiesen wird, lautet auszugsweise:

§ 46 Veranlagung bei Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit

[...]

(2) Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung nur durchgeführt,

[...]

Nr. 8              wenn die Veranlagung beantragt wird, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. 2Der Antrag ist durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen;

Die Regelung in § 46 EStG zur Antragsveranlagung von inländischen Arbeitnehmern gilt bereits seit Jahrzehnten.

Das Recht zur Antragsveranlagung für EU/EWR-Staatsangehörige mit Ansässigkeit in EU/EWR-Staaten gilt seit dem 1. Januar 1997. Die Regelung ist eine gesetzgeberische Reaktion auf das „Schumacker-Urteil“ (EuGH C-279/93 [BB 1995, 438 m. BB-Komm. Kaefer, EWS 1995, 83, RIW 1995, 336]), dort zum 3. Leitsatz des Urteils:

„Artikel 48 des Vertrages ist dahin auszulegen, daß er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats im Bereich der direkten Steuern entgegensteht, die Verfahren wie den Lohnsteuer-Jahresausgleich und die Einkommensteuerveranlagung durch die Verwaltung nur für Gebietsansässige vorsehen, ihre Anwendung jedoch natürlichen Personen verweigern, die im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, dort jedoch weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.“

Die EuGH-Entscheidung setzte der deutsche Bundesgesetzgeber während des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 1996 (vom 11. Oktober 1995, BStBl I 1995, 438, 454 f.) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1997 um. Auf Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags (Bundestag-Drucksache, 13/1558, siehe zum Gesetzestext Seite 30 f. und zur Begründung Seite 158 f.) wurde folgende – heute inhaltlich mit § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b) i.V.m. Satz 7 EStG übereinstimmende – Regelung eingeführt (Hervorhebungen nur hier):

„55. § 50 wird wie folgt geändert:

[...]

d) Absatz 5 wird wie folgt gefaßt:

,,(5) Die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn oder vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug auf Grund des § 50a unterliegen, gilt bei beschränkt Steuerpflichtigen durch den Steuerabzug als abgegolten. § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ist nicht anzuwenden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Einkünfte Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebes sind. Satz 1 gilt nicht, wenn

[...] 2. ein beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer, der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 4 bezieht und Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, eine Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt. [...]„

In der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags heißt es zur Begründung (Bundestag-Drucksache, 13/1558, Seite 158 f.; Hervorhebungen nur hier):

„Zu Buchstabe d (§ 50 Abs. 5 EStG)

Die Ergänzung in Satz 4 Nr. 1 ist eine Folgeänderung zur Einführung des § 1a EStG.

Satz 4 Nr. 2 setzt den 3. Leitsatz des Schumacker-Urteilsdes EuGH um, nach dem beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, die EU-Bürger sind und im EU-Ausland wohnen, einen Anspruch auf eine Veranlagung zur Einkommensteuer haben. Eine Erstreckung der Aufhebung der Abgeltungswirkung von Abzugsteuern bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50 Abs. 5 Satz 1 EStG) auf den Steuerabzug vom Kapitalertrag oder den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG ist EG-rechtlich nicht geboten und wäre auch nicht sachdienlich, da dies zu einer weiteren Komplizierung des Einkommensteuerrechts führen würde. Hat ein beschränkt steuerpflichtiger EU-Arbeitnehmer weitere Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Kapitalertrag oder nach § 50a Abs. 4 EStG unterliegen, werden diese daher nur im Wege des Progressionsvorbehalts berücksichtigt. Auch weitere - ausländische - Einkünfte werden durch Einbeziehung in den Progressionsvorbehalt berücksichtigt (vgl. Nr. 23 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc).“

II. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Sofern die Begrenzung der Antragsveranlagung (d.h. des Rechts/Anspruchs auf – freiwillige – Durchführung eines Veranlagungsverfahrens zur Einkommensteuer auf Antrag des Steuerpflichtigen) auf Inlandsfälle sowie EU/EWR-Fälle europarechtskonform wäre, bliebe es bei der bisherigen Abgeltungswirkung des Lohnsteuerabzugs und der beim Kläger nur auf andere Einkünfte (hier: Vermietungseinkünfte) beschränkten Einkommensteuerveranlagung.

Andernfalls wäre entgegen der nationalen Steuervorschrift eine Antragsveranlagung durchzuführen. Diese würde in den Streitjahren insbesondere dazu führen, dass zu Gunsten des Klägers Werbungskosten berücksichtigt werden und die deutsche Lohnsteuer angerechnet wird. Dies hätte für den Kläger eine erhebliche Steuererstattung zur Folge.

III. Gemeinschaftsrechtliche Zweifel

1. Anwendungs- und Schutzbereich

a. Freizügigkeitsabkommen (FZA)

Der Kläger fällt unter den Anwendungs- und Schutzbereich des FZA.

Zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits wurde ein Abkommen über die Freizügigkeit geschlossen (Freizügigkeitsabkommen vom 21. Juni 1999; in Deutschland in Kraft seit 1. Juni 2002: BGBl II 2001, 810 und 2002, 1692). Für den Regelungsbereich des Freizügigkeitsabkommens gilt der europarechtliche Anwendungsvorrang (vgl. Hardt in Wassermeyer, DBA, Kommentar, DBA Schweiz, Artikel 25 Rn. 101 ff. m.w.N.).

Nach der Präambel des FZA wird das Abkommen geschlossen in der Überzeugung, dass die Freizügigkeit der Personen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei wesentlicher Bestandteil einer harmonischen Entwicklung ihrer Beziehungen ist, entschlossen, diese Freizügigkeit zwischen ihnen auf der Grundlage der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen zu verwirklichen.

Nach Artikel 1 FZA ist Ziel dieses Abkommens zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz:

a) Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien;

b) Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen;

c) Einräumung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien für Personen, die im Aufnahmestaat keine Erwerbstätigkeit ausüben;

d) Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer.

Nach Artikel 2 FZA werden die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, bei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert.

Nach Artikel 7 FZA regeln die Vertragsparteien u.a. das mit der Freizügigkeit zusammenhängende Recht gemäß Anhang I auf Gleichbehandlung mit den Inländern in Bezug auf den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit und deren Ausübung sowie auf die Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen.

Vorliegend ist der Kläger ein deutscher Staatsangehöriger, der in den Streitjahren ausschließlich in der Schweiz ansässig war und hierbei (von einem deutschen Arbeitgeber gezahlte) Lohneinkünfte (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) bezog, welche teilweise in der Schweiz und teilweise in Deutschland besteuert werden dürfen. Der Kläger genießt nach Überzeugung des vorlegenden Senats gegenüber dem hier maßgeblichen „Beschäftigungsstaat Deutschland“ das Recht auf Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer (d.h. aus Klägersicht wie für in Deutschland ansässige Personen). Er hat – auch als deutscher Staatsangehöriger – das Recht, weiterhin in Deutschland einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und zugleich seinen Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt (und auch andere Teile seiner Erwerbstätigkeit) in der Schweiz zu haben. Der vorlegende Senat sieht sich hier im Einklang mit der bereits zum FZA ergangenen EuGH-Rechtsprechung, insbesondere dem Urteil vom 28. Februar 2013 (Ettwein, C‑425/11, ECLI:EU:C:2013:121, ABl EU 2013, Nr C 114, 13 sowie IStR 2013, 353, insbesondere mit Verweis auf das EuGH-Urteil vom 15. Dezember 2011, Bergström, C‑257/10, ECLI:EU:C:2011:839, Slg 2011, I-13227-13273). Nach dieser Rechtsprechung können Staatsangehörige einer Vertragspartei unter bestimmten Umständen und nach Maßgabe der anwendbaren Bestimmungen aus dem Abkommen abgeleitete Rechte auch gegenüber ihrem eigenen Land geltend machen (EuGH-Urteil „Ettwein“ – C-425/11, Rn. 33). Der EuGH hat nach dem Verständnis des vorlegenden Senats das FZA bereits dahingehend ausgelegt, dass es auch Nachteile verhindern soll, die ein Staatsangehöriger einer Vertragspartei in seinem Herkunftsland alleine deshalb erlitte, weil er sein Freizügigkeitsrecht ausübt (EuGH-Urteil „Ettwein“ – C-425/11, Rn. 51). In gleicher Weise hat der EuGH auch in der Sache „Wächtler“ (C-581/17) zu § 6 AStG argumentiert. Der EuGH sah dort nach dem Verständnis des vorlegenden Senats das Niederlassungsrecht des Steuerpflichtigen (dort: als Selbständiger) durch einen Wegzug ins Ausland als vom Anwendungsbereich des FZA umfasst an (vgl. insbes. Rn. 49, 51, 53, 57 des Urteils), weil die streitige „Wegzugsbesteuerung“ den dortigen Kläger davon abhalten könnte, von seinem Niederlassungsrecht gemäß dem FZA tatsächlich Gebrauch zu machen.

Im hiesigen Fall könnte die nationale Regelung zur Antragsveranlagung in Deutschland dazu führen, dass ein Steuerpflichtiger wegen der nachteiligen steuerlichen Folgen von seinem Recht auf Begründung eines Wohnsitzes in der Schweiz keinen Gebrauch macht.

b. Doppelbesteuerungsabkommen

Da der Kläger bereits in den Anwendungs- und Schutzbereich des FZA fällt, hat die Frage der Gleichbehandlung nach Regelungen im Doppelbesteuerungsabkommen– entgegen der Argumentation der beklagten Finanzbehörde – keine entscheidungserhebliche Bedeutung.

Gemäß Artikel 21 Abs. 1 FZA bleiben zwar die Bestimmungen der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft von den Bestimmungen dieses Abkommens unberührt. Aus der Formulierung „unberührt“ ist nach Überzeugung des vorlegenden Senats zu folgern, dass Regelungen im FZA die Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen nicht überlagern, umgekehrt aber Doppelbesteuerungsabkommen auch keine Auswirkungen auf die Anwendung und Auslegung des FZA haben. Beide Rechtsgrundlagen sind unabhängig voneinander anzuwenden.

Das DBA Deutschland-Schweiz regelt in Artikel 25 u.a. eine Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der DBA-Vertragsstaaten. Der Bundesfinanzhof hat zwar – wie vom Beklagten näher angeführt – mit Urteil vom 3. September 2020 (I R 80/16, ECLI:DE:BFH:2020:U.030920.IR80.16.0, DStR 2020, 2853) eine Entscheidung zum Ausschluss des Rechts auf Antragsveranlagung für Lohneinkünfte eines beschränkt steuerpflichtigen US-Amerikaners getroffen. Der BFH hat dabei die hier wie auch dort maßgebliche Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG (Anspruch auf Antragsveranlagung für EU/EWR-Fälle) einer doppelbesteuerungsabkommensrechtlichen Überprüfung unterzogen. Nach Schilderung der Gesetzeshistorie beurteilte der BFH die Regelung als eine „Begünstigungsvorschrift für beschränkt steuerpflichtige Staatsangehörige von EU- und EWR-Staaten (einschließlich deutscher Staatsangehöriger), denen im Hinblick u.a. auf Lohneinkünfte ein Veranlagungswahlrecht eröffnet wird“. Eine abkommensrechtliche Pflicht zur Gleichstellung von (im Streitfall) US-Amerikanern wurde vom BFH sodann mit näherer Argumentation nach dem DBA (dort: Artikel 24 Abs. 1 DBA Deutschland-USA) abgelehnt.

Im Streitfall hat dies nach Überzeugung des vorlegenden Senats keine entscheidungserhebliche Bedeutung, weil der Kläger keine Gleichbehandlung nach dem DBA begehrt und dies aufgrund der mit dem FZA eingeräumten Rechte auch nicht erforderlich ist.

2. Ungleichbehandlung bei objektiver Vergleichbarkeit

a. Recht auf Gleichstellung

Vorliegend genießt der Kläger nach Artikel 15 sowie Artikel 9 Abs. 2 Anhang I FZA eine steuerliche Gleichstellung mit Inländern.

Gemäß Artikel 15 FZA sind die Anhänge und Protokolle Bestandteile des Abkommens. Nach Artikel 9 Abs. 2 Anhang I FZA genießen der Arbeitnehmer und seine in Artikel 3 dieses Anhangs genannten Familienangehörigen die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen.

Nach dieser Vorschrift ist der (in der Schweiz ansässige) Kläger damit grundsätzlich einem inländischen Arbeitnehmer, d.h. einem im Beschäftigungsstaat (Deutschland) ansässigen Arbeitnehmer, gleichzustellen.

b. Ungleichbehandlung des Klägers

Während in Deutschland ansässige Arbeitnehmer (vgl. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) oder auch – wie zuvor ausgeführt – in EU/EWR-Staaten ansässige Arbeitnehmer (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG) jedoch die Abgeltungswirkung des Lohnsteuerabzugs zur Erstattung zu hoch abgeführter Lohnsteuern (als Erhebungsform der Einkommensteuer) durch eine Antragsveranlagung ausschließen können, wird dem Kläger aufgrund seiner Ansässigkeit in der Schweiz dieses Recht verwehrt. Das führt insbesondere dazu, dass er – im Gegensatz zum im Inland ansässigen Arbeitnehmer – keine Werbungskosten in Abzug bringen und die einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer nicht anrechnen lassen kann.

c. Objektive Vergleichbarkeit der Sachverhalte

Im Streitfall ist auch eine objektive Vergleichbarkeit des grenzüberschreitend verwirklichten mit einem innerstaatlichen Sachverhalt zu bejahen.

Nach Artikel 21 Abs. 2 FZA ist keine Bestimmung dieses Abkommens so auszulegen, dass sie die Vertragsparteien daran hindert, bei der Anwendung ihrer Steuervorschriften eine Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen zu machen, die sich – insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes – nicht in vergleichbaren Situationen befinden.

Der EuGH hat nach dem Verständnis des vorlegenden Senats Artikel 21 Abs. 2 FZA in allen zum FZA und deutschen Steuernormen einschlägigen Entscheidungen näher thematisiert (vgl. EuGH-Urteil „Ettwein“ – C-425/11, Rn. 44 ff.; EuGH-Urteil „Radgen“ – C-478/15, Rn, 45 ff.; EuGH-Urteil „Wächtler“ – C-581/17, Rn. 58 ff.) und hierbei stets betont, dass diese Vorschrift eine unterschiedliche Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen allerdings nur dann erlaubt, wenn sie sich nicht in einer vergleichbaren Situation befinden.

Der EuGH hat – wie zuvor unter II. ausgeführt – bereits in seinem „Schumacker-Urteil“ (C-279/93 [BB 1995, 438 m. BB-Komm. Kaefer, EWS 1995, 83, RIW 1995, 336]) eine Gleichstellung von gebietsfremden EU/EWR-Staatsangehörigen mit Inländern beim Anspruch auf Antragsveranlagung bejaht (dritter Leitsatz des Urteils). Im zweiten Leitsatz des Urteils hat der EuGH nach dem Verständnis des vorlegenden Senats in bestimmten Fällen eine materiell-rechtliche Gleichstellung mit gebietsansässigen Steuerpflichtigen gefordert, welche in Deutschland u.a. zur Regelung in § 1a EStG geführt hat. Jene Rechtsprechung zu § 1a EStG hat der EuGH in der Sache „Ettwein“ (C-425/11) bereits auf Fälle mit schweizerischen Staatsangehörigen ausgedehnt. Die Regelung in § 1a EStG, die seinerzeit aufgrund des „Schumacker-Urteils“ eingeführt wurde, gilt damit für die Schweiz entsprechend. Im Nachgang zur EuGH-Entscheidung ist der deutsche Steuergesetzgeber zwar nicht tätig geworden, durch eine deutsche Verwaltungsvorschrift (BMF-Schreiben vom 16. September 2013, IV C 3 – S 1325/11/10014, BStBl I 2013, 1325) wird die EuGH-Entscheidung seitdem aber – wenngleich unvollständig (siehe hierzu Anmerkung von Lüdicke in IStR 2013, 928) – umgesetzt. In einer Zusammenschau der Rechtsprechung erscheint es dem Senat geboten, die Vergleichbarkeit auf Grundlage der bereits getroffenen Urteile zu bejahen. Wenn der EuGH in der Sache „Ettwein“ (C-425/11) bereits den zweiten Leitsatz der Schumacker-Entscheidung auf FZA-Fälle ausgedehnt hat, dürfte dies ein Argument darstellen, nunmehr den dritten Leitsatz der Schumacker-Entscheidung ebenso auf FZA-Fälle zu erstrecken. Hierfür spricht auch, dass der deutsche Steuergesetzgeber in der Umsetzung der Schumacker-Entscheidung die Regelung zur Antragsveranlagung als eine „Folgeänderung zur Einführung des § 1a EStG“ (so ausdrücklich Bundestag-Drucksache, 13/1558, Seite 158) angesehen hat. Überzeugende Argumente, dass sich der Kläger nicht mit Inländern und/oder EU/EWR-Ausländern in einer vergleichbaren Situation befinde, sind nicht erkennbar und wurden – im Übrigen – auch nicht von den Beteiligten dezidiert vorgetragen.

Hinzu kommt, dass der Kläger im Streitfall in Bezug auf die zu prüfende Vorschrift der Antragsveranlagung letztlich nur die Gleichstellung der Schweiz mit den EU/EWR-Staaten und keine darüber hinausgehenden „Inländerrechte“ begehrt. Die Bestimmung in Artikel 21 Abs. 2 FZA möchte hingegen nach dem Verständnis des vorlegenden Senats den Vertragsstaaten eine Differenzierung von gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen erlauben, sie kann aber nach hiesigem Verständnis keine von Deutschland ausgehende Diskriminierung von gebietsfremden Steuerpflichtigen mit Ansässigkeit in der Schweiz gegenüber gebietsfremden Steuerpflichtigen mit Ansässigkeit im EU/EWR-Raum erlauben. Dies ergibt sich für den Senat auch unter Anwendung der Regelung in Artikel 16 Abs. 2 Satz 1 FZA. Soweit für die Anwendung dieses Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt. Während der Unterzeichnung des Abkommens war die „Schumacker-Rechtsprechung“ bereits ergangen und bildet damit nach dem Dafürhalten des vorlegenden Senats eine taugliche Grundlage für die Auslegung des FZA. Ein Fall des Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 FZA liegt erkennbar nicht vor, so sich die Frage der etwaigen Nichtberücksichtigung später ergangener Rechtsprechung (oder einer besonderen Prüfung diesbezüglich, siehe EuGH-Urteil „Wächtler“ – C-581/17, Rn. 39) für den vorlegenden Senat nicht stellt.

3. Rechtfertigungsgründe

a. Zulässigkeit von Maßnahmen nach Artikel 21 Abs. 3 FZA

Der vorlegende Senat hat erhebliche Zweifel, ob die Ungleichbehandlung (wie von der Finanzbehörde vorgetragen) nach Artikel 21 Abs. 3 FZA gerechtfertigt werden kann.

Nach Artikel 21 Abs. 3 FZA hindert keine Bestimmung dieses Abkommens die Vertragsparteien daran, Maßnahmen zu beschließen oder anzuwenden, um nach Maßgabe der Bestimmungen der nationalen Steuergesetzgebung einer Vertragspartei oder der zwischen der Schweiz einerseits und einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft andererseits geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen oder sonstiger steuerrechtlicher Vereinbarungen die Besteuerung sowie die Zahlung und die tatsächliche Erhebung der Steuern zu gewährleisten oder die Steuerflucht zu verhindern. Solche Maßnahmen, die nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil „Wächtler“ – C-581/17, Rn. 63) zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, müssen gleichwohl jedenfalls den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten, d.h. sie müssen zur Erreichung dieser Ziele geeignet sein und dürfen nicht über das hinausgehen, was hierfür erforderlich ist.

Im Streitfall kann der vorlegende Senat keinen Grund i.S.d. Artikel 21 Abs. 3 FZA erkennen, der einen Ausschluss der Antragsveranlagung für den Kläger gebietet. Indem das Recht auf Antragsveranlagung auch EU/EWR-Angehörigen gewährt wird (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG) liegt keine Beschränkung auf inländische Steuerpflichtige vor. Die Zahlung und tatsächliche Erhebung der Steuern ist nach Überzeugung des Senats auch nicht betroffen, weil bereits das – hier nicht streitgegenständliche – Lohnsteuerabzugsverfahren (Steuerabzug vom Arbeitslohn, §§ 38 ff. EStG) die Steuererhebung betreffend der steuerpflichtigen deutschen Lohneinkünfte sichert. Letztlich spricht jedoch das zuvor beschriebene Recht auf Eintragung eines Freibetrags als Lohnsteuerabzugsmerkmal und die anschließende Pflichtveranlagung nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe a) EStG nach Auffassung des vorlegenden Senats sogar gegen schützenswerte Sicherungszwecke. Wenn es beschränkt steuerpflichtigen Personen aus Drittstaaten gestattet wird, einen Freibetrag als Lohnsteuerabzugsmerkmal einzutragen und damit bei möglicherweise zu hoch gewährten Freibeträgen eine Gefahr der Nachforderung mit Einkommensteuer einhergehen kann, ist für den Senat kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum eine beschränkt steuerpflichtige Person aus einem Drittstaat ohne Eintragung eines Freibetrags nicht eine Antragsveranlagung zur Erstattung zu viel erhobener Lohnsteuer wählen können soll. Eine Sachlage dahingehend, dass das Recht auf Antragsveranlagung zu einer nachzufordernden Steuerschuld und daraus resultierenden Schwierigkeiten im Erhebungsverfahren für Deutschland führen könnte, sieht der Senat nicht. Insbesondere bedarf es zur Antragsveranlagung in Deutschland im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht – soweit ersichtlich – auch keiner besonderen Amtshilfe zur Sachverhaltsermittlung und Vollstreckung, so dass ein solcher Rechtfertigungsgrund nicht erkennbar ist.

Soweit die beklagte Finanzbehörde auf diverse EuGH-Entscheidungen zum Steuerabzug (EuGH-Urteil „FKP Scorpio Konzertproduktionen“ – C-290/04; EuGH-Urteil „Centro Equestre da Leziria Grande“ – C-345/04; EuGH-Urteil „Truck Center“– C-282/07) verweist, erachtet der vorlegende Senat diese für letztlich nicht entscheidungserheblich. In der Sache „FKP Scorpio Konzertproduktionen“ befasste sich der EuGH mit einem Quellensteuereinbehalt bei Dienstleistungen nach § 50a EStG (siehe hierzu auch bereits EuGH-Urteil vom 12. Juni 2003, Gerritse, C-234/01, Slg 2003, I-5933-5963). In der Sache „Centro Equestre da Leziria Grande“ befasste sich der EuGH mit einer abgelehnten Erstattung von im Wege des Steuerabzugs einbehaltener Körperschaftsteuer. In der Sache „Truck Center“ befasste sich der EuGH mit dem Steuereinbehalt bei Zinsen. Der EuGH hat zwar im letztgenannten Urteil, wie der Beklagte zutreffend anführt, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit verneint. Hierfür hat der EuGH – auch unter Benennung der „Schumacker-Entscheidung“ sowie nachfolgender Entscheidungen – eine Vergleichbarkeit von gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen (dort: Gesellschaften) geprüft und im dortigen Fall verneint. Unter diesem Blickwinkel mag der EuGH, wie der Beklagte anführt, die „Existenz unterschiedlicher Besteuerungsverfahren“ (dort betreffend eines „Steuerabzugs“, d.h. Steuereinbehalts an der Quelle) für gemeinschaftskonform erachtet haben. Diese Entscheidungen sind jedoch weder zum Recht auf Antragsveranlagung ergangen, noch lassen sie nach Überzeugung des vorlegenden Senats Rückschlüsse hierauf zu. Vielmehr dürfte wohl aufgrund der unter vorgenannten Ausführungen unter III.2. im Streitfall eine objektive Vergleichbarkeit zwischen dem Kläger (Ansässigkeit in der Schweiz) und anderen Steuerpflichtigen (Ansässigkeit in Deutschland oder in EU/EWR-Staaten) bestehen.

Der vorlegende Senat verkennt dabei nicht, dass der Kläger in tatsächlicher Hinsicht durch Beantragung eines Freibetrags als Lohnsteuerabzugsmerkmal ein späteres Veranlagungsverfahren hätte erreichen können. Dies kann aber nach hiesigem Rechtsverständnis keinen Ausschluss eines freien Rechts auf Antragsveranlagung rechtfertigen, weil der EuGH in seiner „Schumacker-Entscheidung“ (EuGH „Schumacker“ – C-279/93 [BB 1995, 438 m. BB-Komm. Kaefer, EWS 1995, 83, RIW 1995, 336], dort Rn. 53 ff.) bereits einen solchen hypothetischen Alternativsachverhalt als Rechtfertigung verneinte und das Verfahren auf Eintragung eines Freibetrags mit späterer Pflichtveranlagung in vielfacher Hinsicht nachteilig wirken kann. Nach Eintragung eines Freibetrags besteht für den Steuerpflichtigen eine mit Straf- und Zwangsmitteln bewehrte Pflicht zur Erklärungsabgabe. Die Abgabefrist ist deutlich kürzer als die ansonsten geltende Festsetzungsverjährung. Die bei Eintragung eines Freibetrags zu treffende „Prognoseentscheidung“ zur Höhe der voraussichtlichen steuerpflichtigen Einnahmen und der abziehbaren Werbungskosten ist zudem mit der Unsicherheit eines zu hohen Freibetrags und einer möglichen Nachzahlung durch den Steuerpflichtigen verbunden. Nach alledem erscheint es dem vorlegenden Senat nicht überzeugend, dass die beklagte Finanzbehörde den Ausschluss des Rechts auf Antragsveranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b) i.V.m. Satz 7 EStG) mit einem „Alternativverfahren“ der Pflichtveranlagung nach Freibetrag (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe a) EStG) rechtfertigt, jenes Verfahren aber auch für die deutsche Finanzverwaltung mit einem erhöhten Überwachungs- und Vollzugsaufwand sowie gegenüber der Antragsveranlagung erhöhten Risiken der Steuererhebung (bei in der Schweiz ansässigen Steuerpflichtigen) verbunden ist.

b. „Stand still“-Klausel in Artikel 13 FZA

Der vorlegende Senat hat gravierende Zweifel an einer – durch den Beklagten angeführten – Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch Artikel 13 FZA.

Gemäß Artikel 13 FZA verpflichten die Vertragsparteien sich, in den unter dieses Abkommen fallenden Bereichen keine neuen Beschränkungen für Staatsangehörige der anderen Vertragspartei einzuführen. Im Umkehrschluss erachtet der Beklagte die zum Zeitpunkt des Abkommensabschlusses bestehenden Beschränkungen für zulässig.

Dies überzeugt nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht. Bereits der Wortlaut der Vorschrift regelt – obgleich dies möglich gewesen wäre – keine Rechtfertigung von bestehenden Beschränkungen. Die Klausel regelt vielmehr das Verbot der Einführung neuer Beschränkungen. Für den vorlegenden Senat ist auch fraglich, ob rechtsmethodisch überhaupt ein Umkehrschluss (argumentum e contrario) zulässig ist. Gegen das vom Beklagten geäußerte Verständnis spricht auch die bereits benannte Klausel zur Bezugnahme auf EuGH-Rechtsprechung in Artikel 16 Abs. 2 Satz 1 FZA. Würde – wie der Beklagte meint – Artikel 13 FZA eine zum Zeitpunkt des Abkommensabschlusses (Unterzeichnung oder Inkrafttreten) bestehende (benachteiligende) Rechtslage für grenzüberschreitende Fälle mit der Schweiz „konservieren“ bzw. „perpetuieren“, würde dies im Widerspruch zu den Zielen des FZA und der beabsichtigten Übernahme der EuGH-Rechtsprechung zur Auslegung des FZA stehen. Die Mitgliedstaaten könnten dann stets die „Stand still“-Klausel gegen die Übernahme der vom EuGH bereits entwickelten Grundfreiheiten auf das Freizügigkeitsabkommen anführen.

Unabhängig davon kann der vorlegende Senat auch bei Betrachtung der bisherigen EuGH-Entscheidungen zum FZA im Zusammenhang mit deutschen Besteuerungsvorschriften keinen Rechtfertigungsgrund durch die „Stand still“-Klausel erkennen:

- In der Sache „Ettwein“ (C-425/11) hat der EuGH – wie ausgeführt – nach hiesigem Verständnis die „Schumacker-Rechtsprechung“ (C-279/93 [BB 1995, 438 m. BB-Komm. Kaefer, EWS 1995, 83, RIW 1995, 336]) zum FZA fortgeführt. Aus dem Umstand, dass bei Abschluss des FZA keine Rechte in § 1a EStG für schweizerische Staatsangehörige geregelt waren, hat er keinen Hinderungs- oder Rechtfertigungsgrund gesehen.

- In der Sache „Radgen“ (C-478/15) hat der EuGH die Steuerbefreiung in § 3 Nr. 26 EStG (sog. „Übungsleiter-Freibetrag“ für nebenberufliche Tätigkeiten als Übungsleiter o.ä. für gemeinnützige oder öffentlich-rechtliche Körperschaften) auf Anwendungsfälle des FZA ausgeweitet. Jene Norm erfasste ursprünglich nur inländische (d.h. deutsche) Körperschaften. Erst mit dem Jahressteuergesetz 2009 (d.h. nach Abschluss und In-Kraft-Treten des FZA) wurde die Norm (als Reaktion auf das EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2007, Jundt, C-281/06, ECLI:EU:C:2007:816, Slg 2007, I-12231-12272 sowie IStR 2008, 220) auf EU/EWR-Fälle erweitert. Würde eine „Stand still“-Klausel richtigerweise die vor Abschluss oder Inkrafttreten des FZA geltende Rechtslage „konservieren“, so hätte der Katalog der begünstigten Körperschaften nicht auf schweizerische Körperschaften erweitert werden müssen. In diesem Sinne hat jedoch weder der EuGH entschieden, noch wurde eine solche Argumentation von Deutschland– soweit erkennbar – im Verfahren angebracht.

- In der Sache „Wächtler“ (C-581/17) hat der EuGH die sog. Wegzugsbesteuerung in § 6 AStG in Fällen des FZA für nicht gemeinschaftsrechtskonform erachtet. Die zu beurteilende Stundungsregelung bei Wegzug in EU/EWR-Staaten (in § 6 Abs. 5 AStG a.F.) war vom deutschen Gesetzgeber bereits als Reaktion auf das EuGH-Urteil vom 11. März 2004 (De Lasteyrie du Saillant, C-9/02, ECLI:EU:C:2004:138, Slg 2004, I-2409-2460) erlassen worden, allerdings hier zeitlich nach Abschluss und Inkrafttreten des FZA. Auch hier scheint die „Stand still“-Klausel kein Hinderungsgrund gewesen zu sein. Nach dem EuGH-Urteil „Wächtler“ (C-581/17) wurde die deutsche Steuernorm sodann zwar nicht auf die Schweiz erweitert, deren Anwendung aber – wenngleich modifiziert – durch einen Verwaltungserlass (BMF-Schreiben vom 13. November 2019, V B 5-S 1325/18/10001:001, BStBl I 2019, 1212) geregelt.

Der vorlegende Senat kann auch bei Sichtung der deutschen Rechtsnormen keine an einer „Stand still“-Klausel ausgerichtete Gesetzgebung erkennen, sondern sieht – im Gegenteil – in einzelnen Fällen eine Umsetzung des FZA durch Deutschland auch ohne vorherige EuGH-Entscheidung. Im deutschen Einkommensteuerrecht bestehen zwar einerseits diverse Vorschriften mit EU/EWR-Klausel, welche bislang nicht auf die Schweiz erweitert worden sind (vgl. etwa §§ 2a Abs. 2a, 6b Abs. 2a, 7 Abs. 5, 10b Abs. 1, 35a Abs. 4, 43a Abs. 2, 85 Abs. 2, 92a Abs. 1 EStG). Andererseits sind jedoch zwischenzeitlich auch Vorschriften um den tatbestandlichen Bezug zur Schweiz erweitert worden, ohne dass der Änderung eine unmittelbare EuGH-Entscheidung zugrunde lag:

- In § 3 Nr. 2 Buchstabe e) EStG werden bestimmte Leistungen der Arbeitsförderung auch durch einen ausländischen Rechtsträger mit Sitz in der Schweiz steuerfrei gestellt. Die Einbeziehung der Schweiz erfolgte in 2015 und diente ausweislich der Gesetzesbegründung (Bundesrat-Drucksache 184/14, Seite 78) der unionsrechtlichen Gleichbehandlung und Rechtssicherheit der Empfänger solcher Leistungen und berücksichtigt hinsichtlich der Schweiz „die Interessen von Grenzpendlern“.

- In § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG ist ein Abzug von Vorsorgeaufwendungen vorgesehen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit bestimmten erzielten ausländischen steuerfreien Einnahmen stehen. Nach mehreren EuGH-Entscheidungen (EuGH-Urteil vom 19. November 2009, Filipiak, C-314/08, Slg 2009, I-11049-11078; EuGH-Urteil vom 22. Juni 2017, Bechtel, C-20/16, ECLI:EU:C:2017:488, ABl EU 2017, Nr C 277, 12 sowie BStBl II 2017, 1271) wurde der Abzug unter bestimmten Voraussetzungen für EU/EWR-Fälle gewährt.

Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde die Anwendung auch auf die Schweiz ausgedehnt, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH-Urteil vom 5. November 2019, X R 23/17, ECLI:DE:BFH:2019:U.051119.XR23.17.0, BStBl II 2020, 763 sowie DStR 2020, 774) die EuGH-Urteile zur Unionsrechtswidrigkeit des Sonderausgabenabzugsverbots ohne Anrufung des EuGH (d.h. wohl auf Grundlage der acte-clair-Doktrin) für Vorsorgeaufwendungen auch auf Fälle in der Schweiz ausgedehnt hat.

- In § 50 Abs. 1a Satz 2 EStG, mithin also in einem vorherigen Absatz zur hier streitigen Regelung (§ 50 Abs. 2 EStG), hat der deutsche Steuergesetzgeber durch das Jahressteuergesetz 2020 einen Abzug von bestimmten Beiträgen an berufsständische Versorgungseinrichtungen bei beschränkter Steuerpflicht eingeführt. Mit der Regelung trägt der deutsche Gesetzgeber dem EuGH-Urteil vom 6. Dezember 2018 (Montag, C-480/17, ECLI:EU:C:2018:987, ABl EU 2019, Nr C 44, 3-4 sowie IStR 2019, 27; Vorinstanz war ein Vorlagebeschluss des hier erkennenden Senats, siehe Beschluss des FG Köln vom 3. August 2017, 15 K 950/13, ECLI:DE:FGK:2017:0803.15K950.13.00, EFG 2017, 1656) Rechnung. Die Regelung gilt neben EU/EWR-Staatsangehörigen gemäß § 50 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 EStG auch für Staatsangehörige der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz haben.

Die Gesetzesbegründung zur Einführung der Regelung (siehe Bundestag-Drucksache 19/22850, Seite 16) führt nach Verweis auf das EuGH-Urteil sowie das BMF-Schreiben vom 26. Juni 2019 (BStBl I 2019, 624) aus (Seite 94, letzter Absatz; Hervorhebungen nur hier):

„Mit der Ergänzung des § 50 EStG um einen Absatz 1a wird die EuGH-Entscheidung auch gesetzlich umgesetzt. Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG sind danach abweichend von der bisherigen Regelung auch bei beschränkt Steuerpflichtigen als Sonderausgaben zu berücksichtigen, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt werden. Die Begrenzung der Anwendung der Neuregelung auf die genannten Staatsangehörigen mit entsprechendem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt resultiert aus den Anforderungen des AEUV sowie des im Verhältnis zur Schweiz geltenden Freizügigkeitsabkommens in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit.“.

In der Neuregelung hat der deutsche Steuergesetzgeber folglich eine EuGH-Entscheidung in eigener Gestaltungshoheit auf in der Schweiz ansässige Steuerpflichtige ausgedehnt, ohne dass er hierzu ausdrücklich vom EuGH verpflichtet worden ist.

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