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Steuerrecht
29.08.2014
Steuerrecht
FG Münster: Ausschluss der Abgeltungsteuer und des Sparer-Pauschbetrages für Zinsen aus Gesellschafterdarlehen verfassungsgemäß

FG Münster, Urteil vom 16.7.2014 – 10 K 2637/11 E

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Abgeltungssteuersatz auf Darlehenszinsen anzuwenden ist, die ein zu mehr als 10 % beteiligter Anteilseigner bezieht, und ob auch im Fall der Unanwendbarkeit des Abgeltungssteuersatzes der Sparer-Pauschbetrag in Abzug gebracht werden kann.

Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in den Streitjahren 2009 und 2010 alleiniger Anteilseigner der G GmbH. Der Kläger hatte der G GmbH mit Darlehensvertrag vom 26.06.2009 ein Darlehen in Höhe von 45.000 EUR gewährt, für das ein Zinssatz in Höhe von 3 % p.a. vereinbart war. Das Darlehen wurde am 29.06.2009 ausgezahlt. Der Kläger erzielte aus dem Darlehen Zinseinnahmen in Höhe von 687,95 EUR im Jahr 2009 und in Höhe von 1.370,64 EUR im Jahr 2010. Werbungskosten im Zusammenhang mit dem Darlehen fielen beim Kläger nicht an. Die G GmbH machte die Zinsaufwendungen in den Streitjahren als Betriebsausgaben geltend, was vom Beklagten anerkannt wurde.

Der Kläger erklärte im Hinblick auf die Zinsen aus dem an die G GmbH gewährten Darlehen in seiner Einkommensteuererklärung 2009 zunächst Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.350 EUR und in seiner Einkommensteuererklärung 2010 zunächst Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.390,50 EUR. Außerdem erklärten die Kläger Zinsen der X-bank H in Höhe von 110,77 EUR im Jahr 2009 und 48,89 EUR im Jahr 2010 als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Beklagte unterwarf die Zinseinnahmen in der erklärten Höhe in den Einkommensteuerbescheiden 2009 und 2010 vom 08.06.2010 bzw. 01.06.2011 unter Berufung auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 c) Satz 2 cc) Einkommensteuergesetz (EStG) ohne Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrages der tariflichen Einkommensteuer. Im Hinblick auf die Zinsen der X-bank H wurde die Einkommensteuer, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, durch die einbehaltene Zinsabschlagsteuer abgegolten.

Gegen die Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 legten die Kläger jeweils Einspruch ein. Mit ihren Einsprüchen beantragten die Kläger den Abzug des Sparer-Pauschbetrages gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 und 2 EStG. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen seien mit 0 EUR anzusetzen, da die vereinnahmten Zinserträge den bei zusammen veranlagten Ehegatten anzuwendenden Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 1.602 EUR nicht überstiegen. Es widerspreche dem Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Grundgesetz (GG), dass bei Zinserträgen aus Darlehen zwischen nahestehenden Personen der Sparer-Pauschbetrag nicht zum Abzug gebracht werden könne.

Der Beklagte wies die Einsprüche der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 18.07.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass in Fällen, in denen der Abgeltungssteuersatz gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 c) Satz 2 cc) EStG ausgeschlossen sei, gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG der Sparer-Pauschbetrag keine Anwendung finde. Der Beklagte sei an die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden. Es bestünden seitens des Beklagten aber auch keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der streitigen Regelung. Es seien nachvollziehbare und rationale Gründe erkennbar, warum bei einer Darlehensgewährung an eine GmbH durch einen maßgeblich beteiligten Gesellschafter der Sparer-Pauschbetrag nicht zur Anwendung kommen solle. Durch eine Kapitalüberlassung im Rahmen eines Darlehensvertrages bestehe regelmäßig die Möglichkeit einen steuerlichen Vorteil zu erzielen, weil sich die Zinsaufwendungen bei der GmbH in vollem Umfang als Betriebsausgabe auswirkten, die Zinseinnahmen aber bei einem verheirateten Darlehensgeber bis zu einem Betrag von 1.602 EUR nicht besteuert würden. Sowohl § 32d Abs. 1 EStG als auch § 20 Abs. 9 EStG seien vom Gesetzgeber in einem Zug zur Verwaltungsvereinfachung geschaffen worden. Es liege im gestalterischen Ermessensspielraum des Gesetzgebers, bei Kapitalüberlassungen an nahe Angehörige und an Gesellschaften, an denen der Darlehensgeber wesentlich beteiligt ist, die Anwendung der § 32d Abs. 1 EStG und § 20 Abs. 9 EStG auszuschließen. Hierdurch sollten Steuerausfälle durch vertragliche Gestaltungen vermieden werden, die von den Beteiligten nur aus Gründen der Minderung der Steuerlast getroffen werden.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machen die Kläger geltend, dass die Versteuerung der Zinseinnahmen aus dem an die G GmbH gewährten Darlehen mit dem tariflichen Steuersatz den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 3 GG verletzte. Die Zinseinnahmen unterfielen zwar nach dem Wortlaut der Regelung § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG. Diese Regelung aber sei aber vorliegend nicht anwendbar. § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG habe der Gesetzgeber als Missbrauchsbekämpfungsnorm konzipiert. Es solle verhindert werden, dass betriebliche Gewinne bspw. in Form von Darlehenszinsen abgesaugt werden, um deren Steuerbelastung auf den Abgeltungssteuersatz zu reduzieren. Dieses Missbrauchsargument greife allerdings nicht durch. Die Minderung des betrieblichen Gewinns um die Fremdkapitalzinsen bei gleichzeitiger Besteuerung der Zinsen mit dem Abgeltungssteuersatz würde auch dann eintreten, wenn die Kapitalgesellschaft das benötigte Kapital bei einem Dritten aufnehmen oder der Gesellschafter sein Kapital einem Fremden zur Nutzung überlassen würde. Der Ausschluss der Abgeltungssteuer trete insbesondere auch bei Fremdüblichkeit der Finanzierungsvereinbarung ein. Der Nachweis einer tatsächlich missbräuchlichen Gestaltung werde von § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG nicht gefordert. Im Übrigen könne der Missbrauchsgefahr mit dem Instrument der verdeckten Gewinnausschüttung ausreichend begegnet werden.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form der von der G GmbH an den Kläger gezahlten Darlehenszinsen der Sparer-Pauschbetrag gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 und 2 EStG abgezogen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung stellt der Beklagte zunächst klar, dass die Versagung des Sparer-Pauschbetrages auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG gestützt werde. Durch die Regelung des Werbungskostenausschlusses in § 20 Abs. 9 EStG habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass die Werbungskosten in den oberen Einkommensgruppen durch die Steuervergünstigung des relativ niedrigen Abgeltungssteuersatzes abgegolten sei. Für die unteren Einkommensgruppen habe der Gesetzgeber die Werbungskosten durch den Sparer-Pauschbetrag typisiert. Erfahrungsgemäß fielen in den unteren Einkommensgruppen auch in der Regel keine höhere Werbungskosten an. Bei Anwendung der tariflichen Einkommensteuer sei die Berücksichtigung der tatsächlich entstandenen Werbungskosten deshalb folgerichtig. Konsequenz der Berücksichtigung der tatsächlichen Werbungskosten sei, dass der Sparer-Pauschbetrag keine Anwendung finde. Die Ausnahmeregelung in § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG, die zur Anwendung der tariflichen Einkommensteuer führe, sei geboten, um Missbrauchsgestaltungen zu vermeiden. Die Regelung leiste einen Beitrag zur Finanzierungsneutralität. Die unterschiedliche Behandlung der einzelnen Kapitalerträge sei gerechtfertigt, da es ein grundlegendes Ziel der Einführung des abgeltenden Steuersatzes für Kapitalerträge sei, die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Finanzplatzes zu verbessern, um den Kapitalabfluss ins Ausland zu verhindern. Ziel sei nicht, betriebliches Eigenkapital in die privilegiert mit nur 25 % besteuerte private Anteilseignerebene zu verlagern und durch Fremdkapital zu ersetzen. Es seien zwar Fallgestaltungen möglich, die unter § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG fielen, bei denen aber die pauschale Versteuerung mit einem Steuersatz von 25 % den Beteiligten keinen unmittelbaren Steuervorteil brächte. Der Gesetzgeber sei aber aus verwaltungsökonomischen Gründen berechtigt, Lebenssachverhalte zu Lasten einer vollkommenen Einzelfallgerechtigkeit pauschalierend zu regeln. Im Übrigen liege der tarifliche Grenzsteuersatz der Kläger im Streitfall nur geringfügig über 25 %. Eine Anwendung des pauschalen Steuersatzes von 25 % ohne Abzug des Sparer-Pauschbetrages würde bei ihnen nur zu einer geringfügigen Minderung der Steuerbelastung führen.

Der Beklagte hat die Einkommensteuerfestsetzungen 2009 und 2010 im Klageverfahren mit Bescheiden vom 29.11.2011 geändert und aufgrund der Ausführungen der Kläger in der Klagebegründung die vom Kläger tatsächlich von der G GmbH erhaltenen Darlehenszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt. Mit Änderungsbescheiden vom 12.09.2012 hat die Beklagte die Einkommensteuerfestsetzungen 2009 und 2010 aus im Klageverfahren nicht streitigen Gründen geändert.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Verfahrensakte Bezug genommen.

Aus den Gründen

1. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 sind rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat die vom Kläger in den Streitjahren aufgrund der erhaltenen Darlehenszinsen erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen zutreffend ohne Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrages dem persönlichen Steuersatz des Klägers unterworfen. Die im Streitfall maßgeblichen Regelungen der § 20 Abs. 9 Satz 1 und 2 EStG und § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2009 und 2010 im Hinblick auf die von der G GmbH geleisteten Darlehenszinsen Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form von Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen findet § 20 Abs. 9 Satz 1 und 2 EStG keine Anwendung. § 20 Abs. 9 Satz 1 und 2 EStG sehen vor, dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Werbungskosten grundsätzlich ein Betrag von 801 EUR bzw. von 1.602 EUR bei zusammen veranlagten Eheleuten abzuziehen ist (Sparer-Pauschbetrag), der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist ausgeschlossen. § 20 Abs. 9 EStG findet allerdings gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 in den Fällen des § 32d Abs. 2 Nr. 1  Satz 1 lit. a) bis c) EStG keine Anwendung. Vorliegend ist § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 lit. b) EStG anwendbar. Die Regelung sieht vor, dass der Abgeltungssteuersatz gemäß § 32 Abs. 1 EStG u.a. für Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Anwendung findet, wenn die Kapitalerträge von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 Prozent an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Der Kläger war in den Streitjahren Alleingesellschafter der G GmbH.

b) Gegen die Regelungen der § 20 Abs. 9 Satz 1 und 2 EStG und § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

aa) Gegen die Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (so auch der 12. Senat des FG Münster, Urteil vom 22. Januar 2014 – 12 K 3703/11 E –, EFG 2014, 1005 und Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 12. April 2012 – 14 K 335/10 –, juris). Insbesondere verstößt die Regelung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

(1) Gemäß Art. 3 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber bei Belastungs- und Begünstigungstatbeständen wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Bei der Prüfung, ob der Gesetzgeber diesen Anforderungen bei der konkreten Regelung gerecht geworden ist, ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes ein weitreichender Entscheidungsspielraum eingeräumt ist. Dieser Spielraum wird begrenzt durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (BVerfG, Beschlüsse vom 07. November 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192; vom 09. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338; vom 04. Februar 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1; BStBl II 2009, 1035). Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung von Belastungsentscheidungen im Rahmen der Steuergesetzgebung erkennt das Bundesverfassungsgericht neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken auch Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (BVerfGE, Beschlüsse vom 15. Januar 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, BFH/NV, Beilage 2008, 247;  vom 09. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, BFH/NV 2009, 338; vom 06. Juli 2010 – 2 BvL 13/09, BStBl II 2011, 318, BFH/NV 2010. 1767).

(2) § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) EStG führt zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung von Darlehenszinsen, die von einer Kapitalgesellschaft an einen zu mehr als 10 Prozent beteiligten Anteilseigner gezahlt werden, mit Darlehenszinsen, die eine Kapitalgesellschaft einen zu weniger als 10 Prozent beteiligten Anteilseigner oder einen Dritten zahlt. Im letzteren Fall werden die Darlehenszinsen beim Gläubiger mit dem – im Regelfall – günstigeren Abgeltungssteuersatz von 25 % (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG) und im ersteren Fall mit dem individuellen Steuersatz besteuert. Diese Ungleichbehandlung ist aber nach den vorstehenden Grundsätzen sachlich gerechtfertigt.

Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912), durch das mit Wirkung zum 01.01.2009 die Regelungen der Abgeltungsteuer für die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen eingeführt wurde, bezweckte der Gesetzgeber die Erhöhung der Standortattraktivität und die langfristige Sicherung des deutschen Steuersubstrats (BT-Drucks. 16/4841). Die Einführung der Abgeltungssteuer sollte der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland und der Verringerung des Kapitalabflusses ins Ausland dienen. Außerdem sollten Erhebungsdefizite bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte verringert und eine Steuervereinfachung herbeigeführt werden. Dabei war es Anliegen des Gesetzgebers, dass unternehmerische Entscheidungen zur Finanzierungsstruktur des Unternehmens nicht durch steuerliche Vorschriften verzerrt werden sollten (BT-Drucks. 16/4841). Durch die Regelungen der Abgeltungsteuer sollten keine Anreize dafür geschaffen werden, unternehmerisches Eigenkapital in die privilegiert besteuerte private Anlageebene zu verlagern und durch Fremdkapital zu ersetzen. Nach Auffassung des Gesetzgebers waren die in § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG vorgesehene Ausnahmen von der Abgeltungssteuer geboten, weil bei den dort erfassten Fallgestaltungen grundsätzlich die Gefahr besteht, dass die Steuerspreizung ausgenutzt wird, ohne dem Sinn und Zweck der Einführung der Abgeltungssteuer zu dienen (BT-Drucks. 16/4841).

Die Sicherung des Steueraufkommens und die Erhöhung der Standortattraktivität sind Sachgründe für die Einführung der Abgeltungssteuer, die von fiskalischen Erwägungen bzw. wirtschaftlichen Kapitallenkungsinteressen, die letztlich dem Gemeinwohl dienen, getragen werden (so auch der 12. Senat des FG Münster, Urteil vom 22. Januar 2014 – 12 K 3703/11 E –, EFG 2014, 1005). Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Abgeltungssteuer so auszugestalten, dass die Finanzierungsentscheidungen der Unternehmen durch steuerliche Vorschriften nicht verzerrt werden, stellt einen sachlichen Grund für die Schaffung von Ausnahmeregelungen dar, die sich im Rahmen des Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers hält. Dies gilt unabhängig davon, dass der Gesetzgeber noch weitere Instrumente wie die Zinsschranke geschaffen hat, um einer übermäßigen Fremdfinanzierung zu begegnen. Die Einführung einer weiteren „Abwehrmaßnahme“ auf Ebene des Gesellschafters bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums (a.A. etwa Herrmann/Heuer/Raupach-Baumgärtel/Lange,             § 32d EStG; Anm. 21). In Konstellationen, in denen typischerweise die Gefahr besteht, dass die Ziele, die mit Einführung der Abgeltungssteuer vom Gesetzgeber berechtigterweise verfolgt werden, nämlich die Finanzierungsneutralität der Besteuerung und die Sicherung des Steuersubstrats, aufgrund einer Ausnutzung der Steuersatzspreizung nicht erreicht werden können, ist der Gesetzgeber berechtigt, die Anwendung des – im Regelfall – günstigeren Abgeltungssteuerregimes durch Schaffung von Ausnahmetatbeständen zu begrenzen. Bei einer Unternehmensfinanzierung durch die Unternehmensträger besteht in besonderer Weise die Gefahr der Nutzung der Steuersatzspreizung (so zutreffend der 12. Senat des FG Münster, Urteil vom 22. Januar 2014 – 12 K 3703/11 E –, EFG 2014, 1005). Im Rahmen seines weiten Entscheidungsspielraumes konnte der Gesetzgeber typisierend davon ausgehen, dass bei einer Beteiligungsquote von mindestens 10 Prozent steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zwischen der Gesellschaft und ihrem Anteilseigner genutzt werden, weil ab dieser Beteiligungsquote ein unternehmerischer Einfluss auf die Gesellschaft bestehen kann (so auch der 12. Senat des FG Münster, Urteil vom 22. Januar 2014 – 12 K 3703/11 E –, EFG 2014, 1005 und Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 12. April 2012, 14 K 335/10, iuris). Im Streitfall eröffnet die Stellung des Klägers als Alleingesellschafter einen offensichtlichen Einfluss auf die G GmbH als Darlehensschuldnerin.

Einen „Gegenbeweis“ in Form der Fremdüblichkeit der Darlehensgewährung, wie sie im Streitfall, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, gegeben ist, muss das Gesetz dabei nicht zwingend zulassen. Die Entscheidung, wie bspw. in Rahmen der Darlehensgewährung durch einen körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseigner in Fällen des § 8b Abs. 3 Satz 6 Körperschaftsteuergesetz (KStG) den Nachweis der Fremdüblichkeit zuzulassen oder es bei einer typisierenden Betrachtung zu belassen, bewegt sich im Rahmen des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums.

bb) Es bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss der Anwendung des Sparer-Pauschbetrages durch § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG iVm § 20 Abs. 9 Satz 1 und 2 EStG. Insbesondere verstoßen die Regelungen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

(1) Die Regelungen der § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG iVm § 20 Abs. 9 Satz 1 und 2 EStG sehen vor, dass in den Fällen, in denen die Anwendung des Abgeltungssteuersatzes auf Darlehenszinsen, die ein zu mindestens 10 Prozent beteiligter Anteilseigner von seiner Kapitalgesellschaft erhält, ausgeschlossen ist, das Werbungskostenabzugsverbot in § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG keine Anwendung findet und anstelle des Sparer-Pauschbetrages von 801 EUR bzw. 1.602 EUR bei verheirateten Anteilseignern die tatsächlichen Werbungskosten abgezogen werden können. Damit führen die Regelungen zu einer steuerlichen Ungleichbehandlung von Anteilseignern, die ihrer Gesellschaft ein Darlehen gewährt haben und zu mindestens 10 Prozent an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sind, mit solchen darlehensgewährenden Gesellschaftern, die zu weniger als           10 Prozent an der Gesellschaft beteiligt sind. Während letztere nicht die tatsächlichen Werbungskosten im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung, sondern den Sparer-Pauschbetrag abziehen können, können erstere die tatsächlich entstandenen Werbungskosten zum Abzug bringen. Diese Regelung kann sich zu Gunsten oder zu Lasten des Gesellschafters in der jeweiligen Konstellation auswirken, je nachdem, ob die tatsächlichen Werbungskosten, bspw. Fremdkapitalzinsen, höher oder niedriger als der Sparer-Pauschbetrag sind oder ob, wie im Streitfall, überhaupt keine Werbungskosten entstanden sind.

(2) Auch diese Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt. Die Grenzen des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums bei der Ausgestaltung der Regelungen bei Einführung der Abgeltungssteuer werden nicht überschritten.

Die grundsätzliche Nichtabzugsfähigkeit von Werbungskosten im System der Abgeltungsteuer hat ihren Grund darin, dass bei Berücksichtigung der tatsächlichen Werbungskosten die Abgeltung der Einkommensteuer durch den Kapitalertragsteuerabzug gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG nicht administrierbar wäre (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, § 20 EStG. Rz. 206). Das gesetzgeberische Ziel der Steuervereinfachung würde verfehlt, wenn bei jedem Zufluss von Einnahmen aus Kapitalvermögen der Nachweis der tatsächlichen Werbungskosten ermöglicht würde. Der Gesetzgeber darf grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (st.Rspr. des BVerfG, vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 09. Dezember 2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08 –, BVerfGE 122, 210-248 m.w.N.). Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (BVerfG, a.a.O.).

Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (stRspr BVerfG, vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 09. Dezember 2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08 –, BVerfGE 122, 210-248 m.w.N.). Auch diese Anforderungen hat der Gesetzgeber bei der Einführung von § 20 Abs. 9 Satz 1 und 2 EStG erfüllt. Der Ausschluss des Abzugs der tatsächlichen Werbungskosten hat nach der Gesetzesbegründung seinen Grund darin, dass mit dem niedrigen proportionalen Steuersatz von 25 Prozent sowohl die Werbungskosten in den oberen Einkommensgruppen als auch mit der Typisierung der Werbungskosten durch die Höhe des Sparer-Pauschbetrages in den unteren Einkommensgruppen die mit Kapitaleinnahmen zusammenhängenden Aufwendungen ausreichend berücksichtigt werden (BT-Drucks. 16/4841). Hierdurch hat sich der Gesetzgeber realitätsgerecht an den typischen Fällen der Erzielung von Kapitalerträgen orientiert. Ob die Regelung des § 20 Abs. 9 EStG aufgrund der Verwerfungen, wie sie bei hohen Werbungskosten durch den Werbungskostenausschluss in § 20 Abs. 9 EStG im Einzelfall auftreten können, einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip darstellt und ob ein solcher Verstoß durch sachliche Gründe gerechtfertigt wäre (ablehnend etwa Herrmann/Heuer/Raupach-Buge, § 20 EStG; Anm. 682), kann im vorliegenden Fall offen bleiben, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Für den Kläger sind im Zusammenhang mit dem der G GmbH gewährten Darlehen gerade keine Werbungskosten angefallen.

(3) Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, im Rahmen des § 20 Abs. 9 EStG Ausnahmeregelungen dergestalt zu schaffen, dass bei fehlenden oder den Sparer-Pauschbetrag unterschreitenden Werbungskosten der Sparer-Pauschbetrag zur Anwendung kommt. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfG, a.a.O.). Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, Pauschalierungen zu einer für alle Steuerpflichtigen geltenden Steuervergünstigung auszugestalten.

Im Übrigen kann bei fehlenden oder den Sparer-Pauschbetrag unterschreitenden Werbungskosten auch kein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip vorliegen. Das objektive Nettoprinzip folgt aus dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Lei-stungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und besagt, dass Einnahmen nicht brutto, sondern gemindert um die mit den Einnahmen in Zusammenhang stehenden Erwerbsaufwendungen der Besteuerung zu unterwerfen sind (BVErfG v. 02.10.1969, 1 BvL 12/68, BStBl. II 1980, 140; BVerfG v. 23.01.1990, 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BStBl. II 1990, 483). Bei fehlenden oder den Sparer-Pauschbetrag unterschreitenden Werbungskosten würde durch die Anwendung des Sparer-Pauschbetrages keine Besteuerung der tatsächlich angefallenen Netto-Erträge erreicht, sondern ein Werbungskostenabzug zugelassen, der über die tatsächlich angefallenen Werbungskosten hinausgeht. Der Ausschluss des Sparer-Pauschbetrages verbunden mit der Eröffnung der Abzugsfähigkeit der tatsächlich entstandenen Werbungskosten verwirklicht im Gegenteil gerade das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 iVm § 137 FGO. Der Beklagte hat zwar die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen im Lauf des Klageverfahrens aufgrund der Ausführungen der Kläger in der Klagebegründung reduziert. Die ursprünglich fehlerhafte Festsetzung erfolgte aber auf der Grundlage der Einkommensteuererklärungen 2009 und 2010 der Kläger. Die Kläger hätten schon mit Einreichung der Einkommensteuererklärungen 2009 und 2010 eine zutreffende Berechnung der Zinseinnahmen vornehmen können.

3. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

 

 

 

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