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Steuerrecht
01.01.1970
Steuerrecht
BMF: Ausgleichszahlungen an außenstehende Anteilseigner (Anwendung des BFH-Urteils - I R 1/08 vom 4.3.2009)

BMF: Ausgleichszahlungen an außenstehende Anteilseigner (Anwendung des BFH-Urteils - I R 1/08 vom 4.3.2009)

BMF, Nichtanwendungserlass vom 20.4.2010 IV C 2 - S 2770/08/10006

Volltext des Urteils: siehe Zusatzmaterialien rechts

In dem Urteil vom 4.3.2009 - I R 1/08, BB 2009, 2183 m. Komm. Scheunemann/Bauersfeld - vertritt der BFH die Auffassung, dass eine Vereinbarung von Ausgleichszahlungen des beherrschenden Unternehmens an einen außenstehenden Aktionär der beherrschten Gesellschaft der steuerrechtlichen Anerkennung eines Gewinnabführungsvertrages entgegensteht, wenn neben einem bestimmten Festbetrag ein zusätzlicher Ausgleich in jener Höhe vereinbart wird, um die der hypothetische Gewinnanspruch des Außenstehenden ohne die Gewinnabführung den Festbetrag übersteigen würde. Abweichend davon hatte die Finanzverwaltung bisher auch Vereinbarungen zugelassen, in denen sich ein an einen Minderheitsgesellschafter gezahlter Zuschlag auf einen festen Mindestbetrag an dem Gewinn der Organgesellschaft orientiert, sofern der feste Mindestbetrag den Mindestausgleich des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht unterschreitet (BMF, 13.9.1991 - IV B 7 - S 2770 - 11/91).

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Rechtsgrundsätze des Urteils über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Das Urteil steht nicht im Einklang mit § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG und den Grundsätzen des § 304 AktG.

§ 304 AktG bezweckt den Schutz des außenstehenden Gesellschafters, indem dieser weitestgehend so gestellt werden soll, als würde der Gewinnabführungsvertrag nicht bestehen. Nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG ist dem außenstehenden Aktionär als fester Ausgleich mindestens der Betrag zuzusichern, den er nach der bisherigen Ertragslage und den künftigen Ertragsaussichten der Gesellschaft voraussichtlich als durchschnittlichen Gewinnanteil erhalten hätte. Darüber hinausgehende (feste oder variable) Ausgleichszahlungen sind nicht ausgeschlossen, da § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG im festen Zahlungsbetrag nur das Minimum des aktienrechtlich vorgeschriebenen Ausgleichs vorsieht.

Eine zivilrechtlich zulässigerweise vereinbarte Ausgleichszahlung steht daher der Durchführung des Gewinnabführungsvertrags nicht entgegen.

BB-Kommentar
Dr. Marc P. Scheunemann, LL.M., RA/FAStR/StB und Dipl.-Finw. Dr. Heide Bauersfeld, beide Clifford Chance, Düsseldorf
Organschaft bei Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter

Mit einem Nichtanwendungserlass vom 20.4.2010 (IV C 2 - S 2770/08/10006, 2010/0216002) hat das BMF auf Unsicherheiten bei der Ausgestaltung von Organschaften reagiert. Der Nichtanwendungserlass betrifft das Urteil des BFH I R 1/08. Im Einzelnen ging es um Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter der Organschaft.

Problem

Gegenstand der Entscheidung des BFH waren sog. kombinierte Ausgleichszahlungen. Bei einer kombinierten Ausgleichszahlung wird ein Festbetrag festgelegt, der sich am voraussichtlichen durchschnittlichen Gewinn der Organgesellschaft je Aktie orientiert. Der Festbetrag wird dann um eine variable Komponente aufgestockt, sofern der jeweilige Gewinnanteil des außenstehenden Gesellschafters bei Nichtbestehen eines Gewinnabführungsvertrages den festen Ausgleichsbetrag überstiegen hätte. Es findet also eine organgesellschaftsbezogene Anpassung zugunsten des außenstehenden Gesellschafters an dessen hypothetische Dividende statt.

Bislang hat die Finanzverwaltung die Ansicht vertreten, dass eine derart kombinierte Ausgleichszahlung dem Organschaftsverhältnis nicht entgegenstehe. § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG beinhalte einen Festbetrag als Mindestausgleich. Die Vorschrift schließe damit einen variablen organgesellschaftsbezogenen Zuschlag nicht aus (BMF, 13.9.1991 - IV B 7 - S 2770 - 34/91). Durch die Orientierung am tatsächlichen Gewinn der Organgesellschaft wird der außenstehende Gesellschafter im Ergebnis so gestellt, wie wenn kein Gewinnabführungsvertrag bestünde. Dies entspricht auch dem Zweck des § 304 Abs. 2 AktG (Scheunemann/Bauersfeld, BB 2009, 2186 f.).

Urteil des BFH vom 4.3.2009

Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hat der BFH in seinem Urteil vom 4.3.2009 (I R 1/08, BB 2009, 2183 ff. m. Komm. Scheunemann/Bauersfeld) die Regelung einer kombiniert festen und variablen Ausgleichszahlung als mit den Vorgaben des § 304 AktG unvereinbar angesehen. Eine Orientierung am tatsächlichen Gewinn der Organgesellschaft komme einer hypothetischen Dividende gleich. Damit werde, anders als von § 14 KStG vorausgesetzt, nicht der vollständige Gewinn der Organgesellschaft an den Organträger abgeführt. Vielmehr würden die Wirkungen des Gewinnabführungsvertrages wieder aufgehoben. Eine körperschaftsteuerliche Organschaft sei aus diesen Gründen nicht anzuerkennen.

Nichtanwendungserlass des BMF vom 20.4.2010

Das BMF hat auf das Urteil des BFH mit einem Nichtanwendungserlass reagiert, welcher im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden soll. Die Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils seien nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Sie stünden nicht im Einklang mit § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG sowie den Grundsätzen des § 304 AktG. Die Anforderungen des § 304 AktG seien auch im Fall der kombinierten Ausgleichszahlung erfüllt. Eine zivilrechtlich zulässige Ausgleichszahlung könne aber der Durchführung des Gewinnabführungsvertrages nicht entgegenstehen.

Jahr: 2010 Heft: 26 Seite: 1583

Dem Wortlaut des § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG sei die feste Ausgleichszahlung nur als Minimum zu entnehmen, ohne darüber hinausgehende variable Beträge auszuschließen. Ein solcher Zuschlag könne nicht nur variabel, sondern auch fest ausgestaltet sein. Auch der Schutzzweck des § 304 AktG enthalte das Erfordernis, den außenstehenden Gesellschafter so zu stellen, wie er ohne Gewinnabführungsvertrag stünde. Damit schließt sich das BMF der bisherigen Literaturauffassung an, dass dieses Ziel mit der Vereinbarung einer - vom BFH gerügten - hypothetischen Dividende gerade erreicht werde.

Praxisfolgen

Im Ergebnis ist der Nichtanwendungserlass des BMF zu begrüßen. Die dem Wortlaut und Zweck der Vorschrift des § 304 AktG zu entnehmende Lösung entspricht der gängigen Praxis der Gestaltung von Ausgleichszahlungen an außenstehende Gesellschafter, die den wirtschaftlichen Interessen derselben gerecht wird.

Es gibt in der Regel keine Alternativgestaltungen für Gewinnabführungsverträge, welche zu wirtschaftlich vergleichbaren Ergebnissen führen würden. Für eine variable Ausgleichszahlung, die sich am Gewinn des Organträgers orientiert, steht aufgrund der Verlustverrechnung innerhalb des Organkreises meist kein ausreichendes Jahresergebnis zur Verfügung. Auch eine feste Bemessung an dem Ertrag der Organgesellschaft stellt in der Regel keine Alternative dar, weil die Gewinnentwicklung über den fünfjährigen Mindestzeitraum gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG nicht verlässlich prognostiziert werden kann. Allerdings sollten auch nach dem BFH Mindestbeträge zulässig sein, welche sich in gewissem Rahmen und abhängig von bestimmten Faktoren um feste Beträge aufstocken.

Eine Anpassung der Gesellschaftsstruktur führt meist zu keinen wirtschaftlich vergleichbaren Ergebnissen oder kann mit steuerlichen Risiken verbunden sein. Beispielsweise werden die Anforderungen an die Ausgestaltung eines Organkreises als Einheitsunternehmen mit disquotaler Gewinnbeteiligung des vormals außenstehenden Gesellschafters (sog. Tracking Stocks) von der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt (BMF, 7.12.2000 - IV A 2 - S 2810 - 4/00, BStBl. I 2001, 47; BFH, 19.8.1999 - I R 77/96, BStBl. II 2001, 43, 44 ff., BB 1999, 2443). In Einzelfällen kann allerdings ein Formwechsel in eine GmbH & Co. KG oder eine Beteiligung des vormals außenstehenden Gesellschafters als typisch oder atypisch stiller Gesellschafter in Frage kommen.

Dass die einzelnen Finanzämter von dem Nichtanwendungserlass bei der Veranlagung zuungunsten der Steuerpflichtigen abweichen, ist sehr unwahrscheinlich. Denn bei den BMF-Schreiben handelt es sich um Weisungen der obersten Bundesbehörde an die jeweils obersten Landesbehörden. Die Weisungen werden im Rahmen der Auftragsverwaltung gem. Art. 108 Abs. 3 Satz 2 GG i. V. m. Art. 85 Abs. 3 GG nach Stellungnahme und im mehrheitlichen Einvernehmen der Länder erteilt. Zwar kann sich der Bürger mangels Außenwirkung nicht auf die Einhaltung der Weisung durch die Finanzämter berufen. Diese sind jedoch im Verhältnis zum Bund zur Befolgung der Weisung verpflichtet, da ihnen die Sachkompetenz entzogen ist. Nur wenn die Gestaltung der Ausgleichszahlungen aus anderen Gründen Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens wird, besteht die Gefahr, dass die Finanzgerichte die Organschaft nicht anerkennen. Der Gesetzgeber sollte durch eine Klarstellung in § 14 KStG bzw. § 304 AktG die Zulässigkeit kombinierter Ausgleichszahlungen ausdrücklich festschreiben.

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