EuGH: Ausgabe von Guthabenpunkten zur Abgabe von Geboten bei Online-Auktionen – Dienstleistung gegen Entgelt
EuGH, Urteil vom 5.7.2018 – C-544/16, Marcandi Ltd gegenCommissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs
ECLI:EU:C:2018:540
Volltext BB-Online BBL2018-1684-1
Tenor
1. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die Ausgabe von „Guthabenpunkten“ wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die es den Kunden eines Wirtschaftsteilnehmers ermöglichen, in den von ihm veranstalteten Auktionen Gebote abzugeben, eine Dienstleistung gegen Entgelt darstellt, deren Gegenleistung der für die „Guthabenpunkte“ gezahlte Betrag ist.
2. Art. 73 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der Wert der für die Abgabe von Geboten eingelösten „Guthabenpunkte“ nicht in der Gegenleistung enthalten ist, die der Steuerpflichtige als Entgelt für die Lieferungen von Gegenständen erhält, die er für die Nutzer, die bei einer von ihm veranstalteten Auktion den Zuschlag erhalten haben oder die ihren Kauf mittels der „Buy-Now“- oder der „Earned-Discount“-Funktion getätigt haben, bewirkt.
3. Stellen die Gerichte eines Mitgliedstaats bei der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des nationalen Rechts fest, dass ein und derselbe Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat mehrwertsteuerrechtlich anders behandelt wird, sind sie in Abhängigkeit davon, ob ihre Entscheidungen selbst noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können oder nicht, berechtigt oder gar verpflichtet, den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung zu ersuchen.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1, der Art. 14, 24, 62, 63, 65 und 73 sowie von Art. 79 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Marcandi Ltd, handelnd unter der Firma Madbid, und den Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (Steuer- und Zollverwaltung, Vereinigtes Königreich, im Folgenden: Steuerverwaltung) über die Mehrwertsteuerregelung, die auf den Verkauf von „Guthabenpunkten“ für die Teilnahme an Online-Auktionen zur Anwendung kommt.
Rechtlicher Rahmen
3 In Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;
… “
4 Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie definiert die Lieferung von Gegenständen als „die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“.
5 Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie lautet:
„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist. “
6 Art. 62 der Richtlinie bestimmt:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt
(1) als ‚Steuertatbestand‘ der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;
(2) als ‚Steueranspruch‘ der Anspruch auf Zahlung der Steuer, den der Fiskus kraft Gesetzes gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt an geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann.“
7 Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.“
8 Art. 65 dieser Richtlinie lautet:
„Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag.“
9 Art. 73 dieser Richtlinie sieht vor:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“
10 Art. 79 dieser Richtlinie bestimmt:
„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente nicht einzubeziehen:
…
b) Rabatte und Rückvergütungen auf den Preis, die dem Erwerber oder Dienstleistungsempfänger eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem der Umsatz bewirkt wird;
… “
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
11 Marcandi ist eine Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, die unter der Firma Madbid einen Online-Handel betreibt (im Folgenden: Madbid). Beim Großteil der von Madbid verkauften Artikel handelt es sich um so genannte „High tech“-Produkte wie Mobiltelefone, Tablets, Computer und Fernsehgeräte. Madbid vertreibt gelegentlich höherwertige Artikel, wie u. a. Autos.
12 Auf der Website von Madbid können ihre Nutzer von ihr vertriebene Artikel entweder zu einem bestimmten Preis im Online-Shop oder im Rahmen von Internetauktionen erwerben.
13 Während des für den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeitraums war Madbid im Vereinigten Königreich sowie in mehreren anderen Mitgliedstaaten, u. a. in Deutschland, als mehrwertsteuerpflichtig registriert.
14 Nach der Klausel 1.2 ihrer AGB „betreibt“ Madbid „eine Online-Auktionsplattform, die für die Bieter kostenpflichtig ist (Pay-to-Bid)“. Die Nutzer, die an den von Madbid veranstalteten Auktionen teilnehmen möchten, müssen bei ihr gegen Bezahlung „Guthabenpunkte“ („credits“) erwerben, die zur Abgabe eines Gebots erforderlich sind und zu keinen anderen Zwecken verwendet werden können. Insbesondere können diese „Guthabenpunkte“ nicht verwendet werden, um die im Online-Shop vertriebenen Artikel zu kaufen. Sie können auch nicht in Geld umgewandelt werden.
15 Auf jeder Seite der Website von Madbid befindet sich eine Schaltfläche, über die der Nutzer auf eine Seite gelangen kann, auf der „Guthabenpunkte“ verkauft werden. Nach dem Erwerb werden sie auf dem Nutzerkonto gutgeschrieben. Jeder „Guthabenpunkt“ ist durch einen Code eindeutig identifizierbar und erhält einen Geldwert in Höhe des vom Nutzer gezahlten Betrags. Bisweilen erhalten Nutzer „Gratis-Guthabenpunkte“. Sie haben einen Wert von 0,00 GBP und ermöglichen den Nutzern lediglich die Teilnahme an den von Madbid veranstalteten Auktionen. Diese „Gratis-Guthabenpunkte“ verfallen nach 30 Tagen, während die bezahlten „Guthabenpunkte“ 180 Tage gültig sind.
16 Jede Auktion beginnt damit, dass der Preis, zu dem ein Artikel aufgerufen wird, auf 0,00 GBP festgesetzt und die Uhr auf das für die Abgabe eines Gebots zugewiesene Zeitlimit, das im Allgemeinen eine Minute beträgt, eingestellt wird. Bei jeder Abgabe eines höheren Gebots beginnt die Uhr wieder für dieselbe Zeitspanne zu laufen, die ursprünglich festgelegt worden war. Für jede Auktion ist eine bestimmte Zahl von „Guthabenpunkten“ (zwischen 1 und 8 Punkten) erforderlich, um Gebote abzugeben, und der Nutzer setzt seine „Guthabenpunkte“ in entsprechender Höhe durch Anklicken der „Bid“-Schaltfläche ein. Das in dieser Weise vom Nutzer abgegebene Gebot ist um 0,01 GBP höher als das vorherige Gebot und wird zum Höchstgebot für die betreffende Auktion. Der angezeigte Auktionspreis des Artikels erhöht sich ebenfalls um 0,01 GBP.
17 Der Nutzer, der in einer Auktion den Zuschlag erhält, hat das Recht, den Artikel zum Zuschlagspreis, zuzüglich Versandkosten und Bearbeitungsgebühr, zu erwerben. Der Wert der bei dieser Auktion für die Abgabe von Geboten eingesetzten „Guthabenpunkte“ verfällt und wird daher nicht auf den Preis des Artikels, für den der Zuschlag erteilt wurde, angerechnet. Solange der Artikel nicht an den Nutzer versandt wurde, hat er das Recht, seine Bestellung zu annullieren. Gegebenenfalls wird ihm der Preis, zu dem er den Zuschlag erhielt, erstattet.
18 Außerdem ermöglicht eine „Buy-Now“-Funktion dem Nutzer, einen Artikel, der mit dem in der Auktion, an der er teilnimmt, versteigerten identisch ist, zu einem Preis zu kaufen, der sich im Laufe der Auktion um den Gegenwert der von ihm zur Abgabe von Geboten im Rahmen der Auktion eingesetzten „Guthabenpunkte“ vermindert. Der Nutzer, der einen Artikel mittels der „Buy-Now“-Funktion im Lauf einer Auktion erwirbt, kann in dieser Auktion kein Gebot mehr abgeben.
19 Schließlich ermöglicht die „Earned-Discount“-Funktion es dem Nutzer, dem der Zuschlag nicht erteilt wurde und der auch nicht die „Buy-Now“-Funktion genutzt hat, einen Rabatt zu erlangen, den er später beim Kauf eines im Online-Shop von Madbid erhältlichen Artikels einlösen kann. Ein „Earned Discount“, dessen Höhe dem Gegenwert der „Guthabenpunkte“ entspricht, die es dem Nutzer ermöglichten, im Rahmen der Auktion zu bieten, verfällt nach 365 Tagen.
20 Annulliert der Nutzer, der mittels der „Earned-Discount“- oder der „Buy-Now“-Funktion einen Kauf getätigt hat, seine Bestellung, wird ihm der Betrag erstattet, den er für die fraglichen Artikel gezahlt hat, nicht aber der Gegenwert der „Guthabenpunkte“, die auf den Endpreis, zu dem ihm die Artikel verkauft wurden, angerechnet wurden.
21 Die Steuerverwaltung ging in einem Bescheid vom 9. Dezember 2013 davon aus, dass der von den Kunden von Madbid für „Guthabenpunkte“ gezahlte Betrag das Entgelt für eine im Vereinigten Königreich erbrachte Dienstleistung sei, nämlich für die Gewährung der Berechtigung zur Teilnahme an den Online-Auktionen von Madbid.
22 Madbid erhob gegen diesen Bescheid Klage beim First-tier Tribunal (Tax Chamber) (Gericht erster Instanz [Steuerkammer], Vereinigtes Königreich) und machte geltend, dass die Ausgabe von „Guthabenpunkten“ an ihre Kunden keine Dienstleistung, sondern einen bloßen „Zwischenschritt“ im Sinne des Urteils vom 16. Dezember 2010, MacDonald Resorts (C-270/09, EU:C:2010:780, Rn. 24), darstelle. Madbid leitet daraus ab, dass sie nicht für die Ausgabe der „Guthabenpunkte“ an ihre Kunden mehrwertsteuerpflichtig sei, sondern nur für die Lieferungen von Gegenständen. Das Entgelt für diese Lieferungen umfasse sowohl den vom Kunden für den von ihm erworbenen Gegenstand gezahlten Preis als auch den Gegenwert der beim Kauf dieses Gegenstands eingelösten „Guthabenpunkte“. Hilfsweise trug Madbid vor dem vorlegenden Gericht vor, dass, falls dieses entscheiden sollte, dass die Ausgabe von „Guthabenpunkten“ eine Dienstleistung darstelle, davon auszugehen sei, dass eine solche Leistung nicht gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie erbracht werde.
23 Die Steuerverwaltung machte vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass Madbid, wenn es seinen Nutzern „Guthabenpunkte“ gewähre, ihnen die Berechtigung einräume, an den von ihr veranstalteten Online-Auktionen teilzunehmen, von der sie unmittelbar Gebrauch machen könnten. Es handle sich um eine Dienstleistung. Zudem stellten die „Buy-Now“- und die „Earned-Discount“-Funktion Werbemechanismen dar, in deren Rahmen im Sinne von Art. 79 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie einen Rabatt auf den Kaufpreis seiner Gegenstände einräume.
24 Das vorlegende Gericht führt außerdem aus, dass das Finanzamt Hannover-Nord in einem Bescheid vom 9. Juli 2014 der Ansicht gewesen sei, dass der Verkauf von „Guthabenpunkten“ durch Madbid weder eine Lieferung von Gegenständen noch eine Erbringung von Dienstleistungen im Sinne der Mehrwertsteuer darstelle. Nach Auffassung dieser Behörde sei Madbid in Deutschland für die Lieferungen von Gegenständen mehrwertsteuerpflichtig, die sie an in diesem Mitgliedstaat ansässige Nutzer vornehme. Das Entgelt für diese Lieferungen von Gegenständen umfasse nicht nur den vom Kunden für den erworbenen Gegenstand gezahlten Preis, d. h. den Zuschlagspreis, den Preis, der sich aus der Nutzung der „Buy-Now“-Funktion ergebe oder den Preis nach Abzug des „Earned Discount“, sondern auch den Wert der für den Erwerb dieses Gegenstands eingesetzten „Guthabenpunkte“, d. h. den Wert der „Guthabenpunkte“, die eingelöst worden seien, um den Zuschlag zu erhalten oder eine Preisminderung mittels der „Buy-Now“- oder der „Earned-Discount“-Funktion entstehen zu lassen. Bei den Nutzern, die „Guthabenpunkte“ gekauft und erfolglos an einer Auktion teilgenommen hätten, gehe das Finanzamt Hannover-Nord davon aus, dass für diese nur dann eine Dienstleistung erbracht worden sei, wenn sie keinen Kauf tätigten, bei dem sie den Gegenwert der „Guthabenpunkte“, die ihnen die Teilnahme an der Auktion ermöglicht hätten, einlösten. Das Entgelt für diese im Vereinigten Königreich mehrwertsteuerpflichtige Erbringung von Dienstleistungen entspreche dem Wert dieser „Guthabenpunkte“.
25 Unter diesen Umständen hat das First-tier Tribunal (Tax Chamber) (Gericht erster Instanz [Kammer für Steuersachen]) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist bei richtiger Auslegung der Art. 2 Abs. 1, 24, 62, 63, 65 und 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie unter Umständen wie denjenigen des Ausgangsverfahrens:
a) die Ausgabe von Guthabenpunkten an Nutzer durch Madbit gegen Zahlung von Geld
i) ein nicht unter Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie fallender „Zwischenschritt“ der vom Gerichtshof im Urteil vom 16. Dezember 2010, MacDonald Resorts (C-270/09, EU:C:2010:780, Rn. 23 bis 42), bezeichneten Art oder
ii) eine Dienstleistung von Madbid im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie, nämlich die Gewährung einer Berechtigung zur Teilnahme an Online-Auktionen?
b) sofern die Gewährung einer Berechtigung zur Teilnahme an Online-Auktionen eine Dienstleistung von Madbid darstellt, diese dann eine „gegen Entgelt“ erbrachte Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie, nämlich eine gegen Bezahlung (d. h. die von Madbid von einem Nutzer als Gegenleistung für die Guthabenpunkte erhaltene Geldzahlung) erbrachte Dienstleistung?
c) Frage 1 Buchst. b anders zu beantworten, wenn die Guthabenpunkte auch zur Berechtigung des Nutzers zum Erwerb von Gegenständen im selben Wert für den Fall dient, dass der Nutzer in der Auktion nicht den Zuschlag erhält?
d) sofern Madbid durch die Ausgabe von Guthabenpunkten an ihre Nutzer gegen Zahlung von Geld keine Dienstleistung gegen Entgelt erbringt, davon auszugehen, dass sie zu einem anderen Zeitpunkt eine solche Dienstleistung erbringt?
Und welche Grundsätze gelten für die Beantwortung dieser Fragen?
2. Was ist bei richtiger Auslegung der Art. 2 Abs. 1, 14, 62, 63, 65, 73 und 79 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie unter Umständen wie denjenigen des Ausgangsverfahrens das Entgelt im Sinne der Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und 73 dieser Richtlinie, das Madbid als Gegenleistung für die von ihr an Nutzer erbrachten Lieferungen von Gegenständen erhält?
Ist unter Berücksichtigung der Antwort auf Frage 1 insbesondere
a) die Zahlung, die ein Nutzer an Madbid für Guthabenpunkte leistet, eine „Anzahlung“ für eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 65 der Mehrwertsteuerrichtlinie, so dass „der Mehrwertsteueranspruch“ zum Zeitpunkt der Vereinnahmung dieser Zahlung „entsteht“ und die Zahlung, die Madbid von dem Nutzer erhält, das Entgelt für eine Lieferung von Gegenständen darstellt?
b) sofern ein Nutzer Gegenstände über die „Buy Now“- oder die „Earned Discount“-Funktion erwirbt, der Wert der Guthabenpunkte, die für die Abgabe von Geboten in Auktionen verwendet werden und, soweit das Gebot unterliegt, dazu führen, dass ein „Earned Discount“ entsteht oder der „Buy-Now“-Preis reduziert wird:
i) ein „Rabatt“ im Sinne von Art. 79 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie, so dass das Entgelt für die Lieferung der Gegenstände durch Madbid die Zahlung ist, die der Nutzer zum Zeitpunkt des Erwerbs der Gegenstände tatsächlich an Madbid leistet, oder
ii) Teil des Entgelts für die Lieferung von Gegenständen, so dass das Entgelt für die Lieferung von Gegenständen durch Madbid sowohl die Zahlung umfasst, die der Nutzer an Madbid zum Zeitpunkt des Erwerbs der Gegenstände leistet, als auch die Zahlung, die der Nutzer für Guthabenpunkte leistet, die für die Abgabe unterlegener Gebote in Auktionen verwendet wurden?
c) sofern ein Nutzer das Recht ausübt, nach Erlangung des Zuschlags in einer Online-Auktion Gegenstände zu erwerben, das Entgelt für die Lieferung dieser Gegenstände nur der genannte Zuschlagspreis (zuzüglich Versand und Bearbeitungsgebühren), oder ist der Wert der Guthabenpunkte, die der erfolgreiche Bieter für das Gebot in dieser Auktion verwendet hat, ebenso Bestandteil des Entgelts für die Lieferung dieser Gegenstände durch Madbid an den Nutzer?
Oder welche Grundsätze gelten für die Beantwortung dieser Fragen?
3. Inwieweit ist im Fall einer unterschiedlichen mehrwertsteuerlichen Behandlung eines Umsatzes durch zwei Mitgliedstaaten von den Gerichten eines dieser Mitgliedstaaten bei der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des nationalen Rechts das Ziel zu berücksichtigen,
a) eine Doppelbesteuerung des Umsatzes und/oder
b) eine Nichtbesteuerung des Umsatzes zu vermeiden,
und welche Bedeutung kommt für diese Frage dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
26 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Ausgabe von „Guthabenpunkten“ wie den im Ausgangsverfahren fraglichen gegen Bezahlung eine „Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie ist oder ob sie als „Zwischenschritt“ zur Lieferung von Gegenständen im Sinne des Urteils vom 16. Dezember 2010, MacDonald Resorts (C-270/09, EU:C:2010:780, Rn. 24), anzusehen ist.
27 Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in diesem Urteil entschieden hat, dass der Erwerb von als „Punkte-Rechte“ bezeichneten vertraglichen Rechten, mit denen man Punkte erhalten kann, die u. a. in das Recht zur vorübergehenden Nutzung einer Wohnung in den Ferienanlagen des Dienstleisters umgewandelt werden können, kein mehrwertsteuerpflichtiger Umsatz, sondern ein Zwischenschritt sei, der getätigt wurde, um ein Recht auf vorübergehende Nutzung einer Wohnanlage, auf Gewährung von Unterkunft in einem Hotel oder auf eine andere Dienstleistung in Anspruch nehmen zu können. Der Gerichtshof ging nämlich davon aus, dass der Kauf von „Punkte-Rechten“ für den Kunden kein eigenständiges Ziel darstelle, da der Kunde den Ausgangsvertrag nicht in der Absicht schließe, Punkte zu sammeln, sondern im Hinblick auf die vorübergehende Nutzung einer Wohnanlage oder den Erhalt anderer, später auszuwählender Dienstleistungen (Urteil vom 16. Dezember 2010, MacDonald Resorts, C-270/09, EU:C:2010:780, Rn. 24 und 32).
28 Er folgerte daraus, dass die tatsächliche Leistung, derentwegen die „Punkte-Rechte“ erworben würden, die Dienstleistung sei, die darin bestehe, den Teilnehmern dieses Programms die verschiedenen möglichen Gegenleistungen zur Verfügung zu stellen, die sie aufgrund der sich aus diesen Rechten ergebenden Punkte erhalten könnten (Urteil vom 16. Dezember 2010, MacDonald Resorts, C-270/09, EU:C:2010:780, Rn. 27).
29 Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass die „Guthabenpunkte“ es ausschließlich ermöglichen, im Rahmen der Online-Auktionen von Madbid mitzubieten. Folglich erwirbt ein Nutzer „Guthabenpunkte“ zwangsläufig in der Absicht, an den Auktionen teilzunehmen.
30 An dieser Dienstleistung haben die Nutzer ein vom Erwerb von Artikeln im Online-Shop von Madbid gesondertes Interesse (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 2010, Everything Everywhere, C-276/09, EU:C:2010:730, Rn. 27). Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, erhalten die Nutzer durch die Teilnahme an Madbid-Auktionen die Chance, Gegenstände zu einem unter ihrem Marktwert liegenden Preis zu erwerben.
31 Da jedoch die von Madbid ausgegebenen „Guthabenpunkte“ nicht als Zahlungsart für den Erwerb von in ihrem Online-Shop veräußerten Artikeln dienen können, da diese „Guthabenpunkte“, wie der Rn. 30 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, ab ihrem Erwerb als Entgelt für die den Nutzern gewährte Möglichkeit des Kaufs von Gegenständen zu unter ihrem Marktwert liegenden Preisen angesehen werden und da die für die Teilnahme an einer Aktion eingelösten „Guthabenpunkte“ nicht auf den am Ende einer Auktion festgelegten Kaufpreis angerechnet werden, kann ihre Ausgabe nicht als „Zwischenschritt“ zur Lieferung eines Gegenstands im Sinne der Rn. 24 des Urteils vom 16. Dezember 2010, MacDonald Resorts (C-270/09, EU:C:2010:780), eingestuft werden.
32 Folglich stellt das den Nutzern, die diese „Guthabenpunkte“ erworben haben, zuerkannte Recht, an den Auktionen von Madbid teilzunehmen, für sich genommen eine vollständige Dienstleistung dar, die nicht mit der nach den Auktionen gegebenenfalls erfolgenden Lieferung von Gegenständen verwechselt werden darf.
33 Diese Schlussfolgerung drängt sich umso mehr auf, wenn der Einlöser von „Guthabenpunkten“ einen Gegenstand erwirbt, indem er die „Buy-Now“- oder die „Earned-Discount“-Option nutzt, da, wenn er die Dienstleistung, die ihm die erworbenen „Guthabenpunkte“ ermöglichen, in Anspruch genommen hat, der durch die Nutzung dieser Optionen getätigte Kauf einen Umsatz darstellt, der von der als Gegenleistung für den Erwerb von „Guthabenpunkten“ erbrachten Dienstleistung unabhängig ist.
34 Madbid macht jedoch geltend, dass auch dann, wenn die Ausgabe von „Guthabenpunkten“ als Dienstleistung anzusehen sein sollte, diese nicht gegen Entgelt erbracht werde.
35 Insoweit ist zu beachten, dass nach Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegen.
36 Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Dienstleistung nur dann im Sinne dieser Bestimmung „gegen Entgelt“ erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (Urteile vom 16. Dezember 2010, MacDonald Resorts, C-270/09, EU:C:2010:780, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 20. Juni 2013, Newey, C-653/11, EU:C:2013:409, Rn. 40).
37 Der Gerichtshof hat entschieden, dass dies der Fall ist, wenn es zwischen der erbrachten Leistung und dem erhaltenen Entgelt einen unmittelbaren Zusammenhang gibt, wobei die gezahlten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen eines solchen Rechtsverhältnisses erbracht wurde (Urteile vom 3. März 1994, Tolsma, C-16/93, EU:C:1994:80, Rn. 13 und 14; vom 16. Dezember 2010, Macdonald Resorts, C-270/09, EU:C:2010:780, Rn. 16 und 26, sowie vom 10. November 2016, Baštová, C-432/15, EU:C:2016:855, Rn. 28).
38 Im Ausgangsverfahren ist der Klausel 1.2 der AGB von Madbid zu entnehmen, dass diese „eine Online-Auktionsplattform betreibt, die für die Bieter kostenpflichtig ist“.
39 Die Nutzer, die an den Auktionen von Madbid teilnehmen möchten, müssen nämlich bei ihr gegen Bezahlung „Guthabenpunkte“ erwerben. Diese „Guthabenpunkte“ sind für die Abgabe von Geboten erforderlich und können keinen anderen Zwecken dienen. Die Zahl der „Guthabenpunkten“, die für die Abgabe von Geboten erforderlich ist, variiert je nach Auktion. Wenn ein Nutzer ein Gebot abgibt, werden seine „Guthabenpunkte“ in Höhe dieser Zahl verbraucht und der Preis des versteigerten Gegenstands erhöht sich um 0,01 GBP. Der Nutzer, der in einer Auktion den Zuschlag erhält, hat das Recht, den Gegenstand zum Zuschlagspreis, zuzüglich Versandkosten und Bearbeitungsgebühr, zu erwerben. Der Wert der für die Abgabe von Geboten im Laufe der Auktion eingelösten „Guthabenpunkte“ ist jedoch erschöpft. Schließlich wird dem Nutzer, der bei der Auktion den Zuschlag erhalten hat, den versteigerten Gegenstand kauft und dann seinen Kauf annulliert, nur der Zuschlagspreis für diesen Gegenstand erstattet, nicht aber der Wert der für die Abgabe von Geboten eingelösten „Guthabenpunkte“.
40 Dies deutet darauf hin, dass die Zahlung, die Madbid für die von ihr ausgegebenen „Guthabenpunkte“ erhält, die tatsächliche Gegenleistung für die Dienstleistung darstellt, die sie ihren Nutzern erbringt und die in der Gewährung der Berechtigung zur Teilnahme an den von ihr veranstalteten Auktionen besteht.
41 An dieser Schlussfolgerung ändert sich nichts dadurch, dass bei den Nutzern, die in der Auktion nicht den Zuschlag erhalten, aufgrund der „Earned-Discount“-Funktion der Gegenwert ihrer „Guthabenpunkte“ in einen Rabatt umgewandelt wird, der später beim Kauf eines im Online-Shop von Madbid erhältlichen Artikels geltend gemacht werden kann.
42 Ebenso wenig wirkt sich insoweit aus, dass der Nutzer, der die Schaltfläche „Buy-Now‘-Button angeklickt hat, die Möglichkeit hat, einen mit dem Artikel, der in der Auktion versteigert wird, identischen Artikel zu einem Preis zu erwerben, der um den Gegenwert der von ihm zur Abgabe von Geboten im Rahmen der betreffenden Auktion eingesetzten „Guthabenpunkte“ vermindert ist.
43 Zum einen kann nämlich nur der Wert der zuvor für die Abgabe von Geboten eingelösten „Guthabenpunkte“ auf den Preis der über die „Buy-Now“- und die „Earned-Discount“-Funktion erworbenen Gegenstände angerechnet werden.
44 Zum anderen wird dem Nutzer, der sich für die Annullierung eines über die „Buy-Now“- oder die „Earned-Discount“-Funktion getätigten Kaufs entscheidet, nur der Preis nach Abzug des Rabatts zuzüglich Lieferkosten ersetzt, nicht aber der Gegenwert der „Guthabenpunkte“, die bei der Berechnung des von ihm für die Gegenstände gezahlten Preises berücksichtigt wurden.
45 Daher entspricht das Vorbringen von Madbid, die Ausgabe von „Guthabenpunkten“ bedeute für den Nutzer das Recht, Gegenstände in Höhe des Gegenwerts dieser „Guthabenpunkte“ zu kaufen, nicht der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität, die ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt (Urteil vom 20. Juni 2013, Newey, C-653/11, EU:C:2013:409, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Infolgedessen stellt die von Madbid für die von ihr ausgegebenen „Guthabenpunkte“ erhaltene Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die Leistung dar, die in der Gewährung der Berechtigung zur Teilnahme an den von ihr veranstalteten Auktionen besteht und sich von der Lieferung eines auf ihrer Website erworbenen Gegenstands unterscheidet.
47 Insoweit ist klarzustellen, dass im Ausgangsverfahren die Nutzer beim Kauf von im Online-Shop von Madbid vertriebenen Gegenständen mit Kredit- oder Bankkarte zahlen können, d. h., ohne an den von Madbid veranstalteten Auktionen teilzunehmen. Zudem führt nicht jede Teilnahme an einer Auktion von Madbid zwangsläufig zu einer Lieferung von Gegenständen, sei es weil der Nutzer, der den Zuschlag erhalten hat, beschließt, den ihm zugesprochenen Gegenstand nicht zu kaufen, oder weil der Nutzer, der weder den Zuschlag erhalten noch von der „Buy-Now“-Funktion Gebrauch gemacht hat, einen Rabatt erhält, den er nicht sofort einlöst.
48 Daher können, wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge dargelegt hat, die Ausgabe von „Guthabenpunkten“ und die Lieferung von Gegenständen, soweit sie nicht eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung darstellen, nicht als einheitlicher Umsatz angesehen werden. Aus denselben Gründen und in Anbetracht des Grundsatzes, dass jeder Umsatz als vom anderen getrennt und unabhängig anzusehen ist, können die Ausgabe von „Guthabenpunkten“ und die Lieferung von Gegenständen auch nicht als Nebenleistung im jeweiligen Verhältnis zueinander eingestuft werden.
49 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Ausgabe von „Guthabenpunkten“ wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die es den Kunden eines Wirtschaftsteilnehmers ermöglichen, in den von ihm veranstalteten Auktionen Gebote abzugeben, eine Dienstleistung gegen Entgelt darstellt, deren Gegenleistung der für die „Guthabenpunkte“ gezahlte Betrag ist.
Zur zweiten Frage
50 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht in Erfahrung bringen, ob Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Wert der für die Abgabe von Geboten eingelösten „Guthabenpunkte“ in der Gegenleistung enthalten ist, die der Steuerpflichtige als Entgelt für die Lieferungen von Gegenständen erhält, die er für die Nutzer, die bei einer von ihm veranstalteten Auktion den Zuschlag erhalten haben oder die mittels der „Buy-Now“- oder der „Earned-Discount“-Funktion einen Gegenstand erworben haben, bewirkt.
51 Nach Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie umfasst die Steuerbemessungsgrundlage bei der gegen Entgelt bewirkten Lieferung von Gegenständen und den gegen Entgelt erbrachten Dienstleistungen „alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll“.
52 Insoweit ist vorweg darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, die Zahlung, die ein Nutzer für die von Madbid ausgegebenen „Guthabenpunkte“ leistet, die Gegenleistung für die Gewährung der Berechtigung zur Teilnahme an den von ihr veranstalteten Auktionen darstellt.
53 Wie der Generalanwalt in Nr. 79 seiner Schlussanträge hervorhebt, kann aber der als Entgelt für einen Umsatz gezahlte Betrag nicht die Gegenleistung für einen anderen Umsatz darstellen, und auch keine Anzahlung auf die Entrichtung der Gegenleistung für einen anderen Umsatz.
54 Folglich ist auf eine Frage des vorlegenden Gerichts darauf hinzuweisen, dass die Zahlung, die ein Nutzer für „Guthabenpunkte“ leistet, nicht als vor der Lieferung von Gegenständen geleistete Anzahlung im Sinne von Art. 65 der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft werden kann.
55 Zudem kann die Gegenleistung für die Lieferung eines Gegenstands, für den bei einer Auktion der Zuschlag erteilt wurde, nicht den Betrag enthalten, der für die Ausgabe von im Rahmen der Auktion eingelösten „Guthabenpunkten“ gezahlt wurde, sondern einzig und allein den Preis, zu dem für den Gegenstand der Zuschlag erteilt wurde, sowie Versandkosten und Bearbeitungsgebühren.
56 Schließlich kann dieser Betrag auch nicht in der Gegenleistung für die spätere Lieferung von Gegenständen enthalten sein, die mittels der „Buy-Now“- oder der „Earned-Discount“-Funktion gekauft werden.
57 Wie der Generalanwalt in Nr. 92 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist der Wert der für die Abgabe von Geboten verwendeten „Guthabenpunkte“, der auf den ursprünglichen „Buy-Now“-Preis bzw. auf den Preis im Online-Shop angerechnet wird, als Rabatt auf den Preis der über die „Buy-Now“- oder die „Earned-Discount“-Funktion erworbenen Gegenstände anzusehen. Daher ist der Wert dieser „Guthabenpunkte“ nach Art. 79 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht Teil der Steuerbemessungsgrundlage für die Lieferung der Gegenstände.
58 Das ist auch dann der Fall, wenn im Rahmen des Kaufs von Gegenständen mittels der „Buy-Now“- oder der „Earned-Discount“-Funktion der Wert der für die Abgabe von Geboten verbrauchten „Guthabenpunkte“ den ursprünglichen, sich aus der Nutzung der „Buy-Now“- oder der „Earned-Discount“-Funktion ergebenden Preis vollständig abdeckt.
59 Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 102 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, können die in einem solchen Fall erworbenen Gegenstände anders als in der Rechtssache, in der das Urteil vom 27. April 1999, Kuwait Petroleum (C-48/97, EU:C:1999:203), ergangen ist, nicht als unentgeltlich abgegeben gelten, da sie im Austausch gegen eine bestimmbare Gegenleistung, nämlich den ursprünglichen Preis, der sich aus der Nutzung der „Buy-Now“-Funktion ergibt, bzw. den im Online-Shop ausgewiesenen Preis geliefert werden.
60 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der Wert der für die Abgabe von Geboten eingelösten „Guthabenpunkte“ nicht in der Gegenleistung enthalten ist, die der Steuerpflichtige als Entgelt für die Lieferungen von Gegenständen erhält, die er für die Nutzer, die bei einer von ihm veranstalteten Auktion den Zuschlag erhalten haben oder die ihren Kauf mittels der „Buy-Now“- oder der „Earned-Discount“-Funktion getätigt haben, bewirkt.
Zur dritten Frage
61 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob, wenn zwei Mitgliedstaaten ein und denselben Umsatz mehrwertsteuerrechtlich unterschiedlich behandeln, die Gerichte eines dieser Mitgliedstaaten bei der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des nationalen Rechts verpflichtet sind, im Hinblick insbesondere auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität die Notwendigkeit einer Vermeidung von Doppelbesteuerung oder doppelter Nichtbesteuerung des Umsatzes zu berücksichtigen.
62 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass mit Art. 267 AEUV ein Vorabentscheidungsmechanismus eingerichtet ist, der gerade unterschiedliche Auslegungen des von den nationalen Gerichten anzuwendenden Unionsrechts verhindern soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2011, Kelly, C-104/10, EU:C:2011:506, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
63 Nach Art. 267 AEUV sind die nationalen Gerichte zur Vorlage berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet, je nachdem, ob ihre Entscheidungen selbst noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können oder nicht, wenn sie der Auffassung sind, dass eine bei ihnen anhängige Rechtssache Fragen der Auslegung der unionsrechtlichen Bestimmungen aufwirft, über die diese Gerichte im konkreten Fall entscheiden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2011, Kelly, C-104/10, EU:C:2011:506, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
64 Stellen die Gerichte eines Mitgliedstaats, die mit einem Rechtsstreit befasst sind, der Fragen nach der Auslegung unionsrechtlicher Bestimmungen aufwirft, über die sie zu entscheiden haben, daher fest, dass ein und derselbe Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat steuerlich unterschiedlich behandelt wird, sind sie berechtigt oder gar verpflichtet, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen.
65 Im Übrigen ist klarzustellen, dass, wenn es in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten Betrachtungsweisen gibt, die sich von der in dem betreffenden Mitgliedstaat vorherrschenden unterscheiden, dies die Gerichte des letztgenannten Staats jedenfalls nicht dazu veranlassen kann, die Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie falsch auszulegen.
66 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats, wenn sie bei der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des nationalen Rechts feststellen, dass ein und derselbe Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat mehrwertsteuerrechtlich anders behandelt wird, in Abhängigkeit davon, ob ihre Entscheidungen selbst noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können oder nicht, berechtigt oder gar verpflichtet sind, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen.
Kosten
67 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt: