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Steuerrecht
26.11.2010
Steuerrecht
FG Münster: Aufwendungen eines Redakteurs für Tages- und Wochenzeitungen keine Werbungskosten

FG Münster, Urteil vom 30.9.2010 - 5 K 3976/08 E

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten noch über die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Tages- und Wochenzeitungen als Werbungskosten.

Der Kläger (Kl.), der mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, war im Streitjahr 2007 als angestellter Redakteur in C tätig. Im Regelfall hielt er sich von montags bis freitags in C auf, wo er eine Wohnung unterhielt, während er die Wochenenden am Familienwohnsitz in T verbrachte.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute unter anderem Aufwendungen in Höhe von insgesamt 507,26 EUR als Werbungskosten des Kl. bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Diese Aufwendungen entfallen auf ein Abonnement der Wochenzeitschrift "Die Zeit" und auf den regelmäßigen Erwerb der Wochenzeitschrift "Der Spiegel" sowie der Samstagsausgaben der Tageszeitungen "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ), "Frankfurter Rundschau" (FR) und "Neue Westfälische" (NW) mit den Regionalteilen D und I. Daneben bezog er die NW mit dem Regionalteil F/T, ohne die Aufwendungen hierfür als Werbungskosten geltend zu machen.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 3.6.2008 setzte der Beklagte (Bekl.) die Einkommensteuer der Eheleute für das Streitjahr 2007 mit 12.142,- EUR fest. Dabei berücksichtigte er diverse als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben geltend gemachte Aufwendungen nicht, darunter auch die Kosten für die Zeitungen, da es sich dabei um gemischte Aufwendungen handele.

Im Rahmen des Verfahrens über den hiergegen eingelegten Einspruch machte der Kl. geltend, dass er die FAZ, die FR und die NW allein zur Stellensuche in Ostwestfalen gekauft habe. Sein privates Informationsinteresse befriedige er durch die Regionalausgabe der NW F/T. Im Übrigen stünden ihm unter anderem die FAZ und die FR auch bei seinem Arbeitgeber zur Verfügung. Da er berufsbedingt sehr viel Zeitung lese, habe er am Wochenende kein besonderes Bedürfnis nach privater Erbauung durch Zeitungslektüre. Der montägliche Kauf des Magazins "Der Spiegel" sei ebenfalls ausschließlich beruflich bedingt, da er dieses auf der Fahrt nach C auf beruflich relevante Informationen durchschaue. Dies sei Bestandteil einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber, der ihm deshalb erlaube, montags erst um 10.30 Uhr zu erscheinen. Anderenfalls wäre eine Anreise bereits am Sonntagabend erforderlich.

Daneben wendete sich der Kl. gegen die Nichtanerkennung von geltend gemachten Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer, für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für Rundfunkgebühren.

Mit Teileinspruchsentscheidung vom 24.9.2008 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück, wobei er über die Entfernungspauschale zunächst keine Entscheidung traf. Die Aufwendungen für die Zeitungen stellten keine Werbungskosten, sondern Kosten der Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehörten Aufwendungen für den Bezug regionaler und überregionaler Tageszeitungen sowie Wochenzeitschriften zu den Lebenshaltungskosten, da sie in einem breit gefächerten Spektrum über verschiedene Themen berichteten und damit stets auch private Interessen befriedigten. Dies gelte auch dann, wenn die Informationen beruflich nützlich sind. Bei einer teils beruflichen und teils privaten Nutzung eines Gegenstands sei eine Aufteilung nur dann möglich, wenn objektive Merkmale und Unterlagen eine leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen und der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Dies sei bei Tages- bzw. Wochenzeitungen nicht der Fall. Der Bezug verschiedener Zeitungen sei bei vielen Steuerpflichtigen verbreitet. Es entspreche nicht der Lebenserfahrung, dass allgemeine Informationen ausschließlich aus der einen und berufliche Informationen ausschließlich aus anderen Zeitungen bezogen würden. Vielmehr würden typischerweise alle Zeitungen unter beiden Gesichtspunkten durchgesehen. Die Aufwendungen könnten auch nicht als Bewerbungskosten anerkannt werden, da es an einem hinreichend konkreten Zusammenhang zu einer künftig ausgeübten Tätigkeit fehle.

Der Kl. hat am 26.10.2008 Klage wegen der Nichtanerkennung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer und der Zeitungen erhoben. Er verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass ihm am Wochenende gar keine Zeit bleibe, um einem privaten Informationsbedürfnis nachzukommen. Obwohl sämtliche Zeitungen auch beim Arbeitgeber zur Verfügung stünden, erwerbe er sie privat, da er Stellenanzeigen nicht im Büro durchblättern könne und sie zudem in der Regel eine schnelle Reaktion erforderten. Darüber hinaus werte er die Zeitungen im Hinblick auf seinen Arbeitsschwerpunkt Energie und Umwelt aus. Der Kl. weist ferner auf die geänderte Rechtsprechung des BFH zum Aufteilungsverbot hin.

Nachdem der Kl. seine Klage im Hinblick auf die Anerkennung des häuslichen Arbeitszimmers nicht mehr weiter verfolgt und der Bekl. die Einkommensteuer mit Bescheid vom 18.2.2009 wegen der vollständigen Anerkennung der Entfernungspauschale auf 11.776,- EUR herabgesetzt hat, beantragt der Kl. nunmehr sinngemäß (Bl. 2 GA), den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 3.6.2008 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 24.9.2008, geändert durch Bescheid vom 18.2.2009, dahingehend abzuändern, dass zusätzliche Aufwendungen in Höhe von 507,26 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften des Kl. aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigt werden.

Der Bekl. beantragt (Bl. 62 GA), die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Teileinspruchsentscheidung.

In der Sache hat am 16.9.2010 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

Der Senat entscheidet gemäß § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) nach billigem Ermessen ohne mündliche Verhandlung, da der Streitwert 500,- EUR nicht übersteigt.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung und in der Fassung des Änderungsbescheids ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Bekl. hat die Aufwendungen für die Zeitungen und Zeitschriften zu Recht nicht als Werbungskosten anerkannt, da es sich um nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung handelt.

Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nicht als Werbungskosten abzugsfähig sind jedoch Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen. Dazu gehören auch Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Sätze 1 und 2 EStG).

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) war bei gemischt veranlassten Aufwendungen eine Aufteilung in nicht abziehbare Aufwendungen für die Lebensführung einerseits und in Betriebsausgaben oder Werbungskosten andererseits nur zulässig, wenn objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichten und wenn außerdem der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung war (z.B. BFH-Beschluss vom 19.10.1970 GrS 2/70, BStBl II 1971, 17). Unter dieses Aufteilungs- und Abzugsverbot fielen auch Aufwendungen eines Redakteurs für den Bezug von Tageszeitungen und Wochenzeitschriften, die über ein breit gefächertes Spektrum allgemein interessierender Themen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Sport und anderen Bereichen berichten. Neben dem Bezug berufsbezogener Informationen würden derartige Zeitungen typischerweise auch unter anderen (privaten) Gesichtspunkten durchgesehen. Eine leichte und einwandfreie Aufteilung anhand eines objektiven Maßstabs sei nicht möglich (BFH-Urteil vom 7.9.1989 IV R 128/88, BStBl II 1990, 19). Eine Berücksichtigung von Zeitungen als Bewerbungskosten im Hinblick auf Stellenangebote kam ebenfalls nicht in Betracht (vgl. FG München, Urteil vom 10.6.1997 13 K 389/97, abrufbar über Juris).

Mit Beschluss des Großen Senats vom 21.9.2009 (GrS 1/06, BStBl II 2010, 672 zur Aufteilung von Reisekosten) hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung geändert und geht nunmehr davon aus, dass § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot normiert. Vielmehr sind gemischt beruflich und privat veranlasste Aufwendungen grundsätzlich in abziehbare Betriebsausgaben oder Werbungskosten und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung aufzuteilen, wenn die beruflich veranlassten Anteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Dagegen sind Aufwendungen, die nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum, als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, grundsätzlich vom Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug ausgeschlossen, um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden. Von diesen Aufwendungen grenzt der BFH die im Beschlussfall streitigen Reisen ausdrücklich ab. Als Beispiele für derartige Aufwendungen nennt der Große Senat des BFH Kosten für bürgerliche Kleidung, für eine Armbanduhr oder für eine Brille.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614 Tz. 4) fallen auch Kosten für Zeitungen unter die Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums, die grundsätzlich vom Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug ausgeschlossen sind. Es ist davon auszugehen, dass auch der BFH diese Auffassung teilt, da er in einer nach dem Beschluss des Großen Senats ergangenen Entscheidung Aufwendungen für allgemeinbildende Zeitschriften grundsätzlich als dem Abzugsverbot des § 12 EStG unterfallende Aufwendungen angesehen hat, ohne insoweit eine Aufteilung vorzunehmen (BFH-Urteil vom 13.4.2010 VIII R 26/08, abrufbar über Juris oder www.bundesfinanzhof.de).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Aufwendungen für regionale und überregionale Tages- und Wochenzeitungen werden bereits vom Grundfreibetrag erfasst, der die Freistellung des steuerlichen Existenzminimums gewährleistet. Zeitungen und Zeitschriften mit Inhalt von allgemeinem Interesse sind vergleichbar mit Kleidung und Nahrung, da sie ein Grundbedürfnis, nämlich die Information über das allgemeine Tagesgeschehen, befriedigen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt es im Streitfall nicht darauf an, dass der Kl. aus den geltend gemachten Zeitungen beruflich nützliche Informationen sowie Stellenangebote bezogen hat. Es handelt sich bei sämtlichen Zeitungen nicht um Fachzeitschriften, sondern um allgemeine Zeitungen.

Auch dem Umstand, dass der Kl. neben der "privat" bezogenen regionalen Tageszeitung (NW F) noch zwei überregionale Tageszeitungen (FAZ und FR), eine weitere regionale Tageszeitung (NW) und zwei wöchentlich erscheinende Zeitungen (Der Spiegel und Die Zeit) bezogen hat, kommt keine Bedeutung zu. Auf die Anzahl der Gegenstände, für die die Aufwendungen geltend gemacht werden, kommt es nicht an, wenn es sich der Art nach um Gegenstände handelt, die mit dem Grundfreibetrag abgegolten sind. Dementsprechend nimmt auch der BFH beispielsweise bei Aufwendungen für bürgerliche Kleidung keine Differenzierung im Hinblick auf die Anzahl der Kleidungsstücke vor, auch wenn ein Steuerpflichtiger überdurchschnittlich viele Kleidungsstücke erwirbt, weil er in einer repräsentativen Position tätig ist. Im Übrigen ist es nicht unüblich, dass ein Steuerpflichtiger mehrere regionale und überregionale Tages- sowie Wochenzeitungen bezieht, um sich umfassend zu informieren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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