FG München: Anwendung eines unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatzes bei Vorlage einer Handelsrechnung mit Herstellererklärung nach Annahme der Zollanmeldung und Überlassung der Waren
FG München, Beschluss vom 25.2.2016 – 14 K 2534/14
VORLAGEFRAGEN
A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden gem. Art. 267 des Vertra-ges über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen zur Vorabent-scheidung vorgelegt:
I. Lässt es Art. 1 Abs. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 412/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgülti-gen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Geschirr und anderen Artikeln aus Keramik für den Tisch- oder Küchengebrauch mit Ursprung in der Volksre-publik China (ABI. EU Nr. L 131/1 vom 15. Mai 2013, nachfolgend: DVO Nr. 412/2013) zu, für die erstmalige Festsetzung eines endgültigen Antidumpingzolls eine gültige Handelsrechnung nachzureichen, wenn alle anderen notwendigen Voraussetzungen zur Erlangung eines unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatzes vorliegen?
II. Für den Fall, dass die erste Frage verneint wird:
Steht es Art. 78 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABl. L 311, S. 17) geänderten Fassung entgegen, wenn die Zollbehörde im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Erstattung eines Antidumpingzolls mit der Begründung ablehnt, dass der Anmelder erst nach der Zollanmeldung eine ordnungsgemäße Handelsrechnung vorgelegt hat?
ZK Art. 68 Buchst. a S. 2, Art. 78 Abs. 1, Art. 236; DVO Nr. 412/2013 Art. 1; VO Nr. 1072/2012 Art. 1
Sachverhalt
Die Klägerin führte in Stellvertretung für die Firma XY GmbH, H. verschiedene Erzeugnisse und andere keramische Stoffe der Postionen 6911 und 6912 der Kombinierten Nomenklatur eines chinesischen Versenders für den Tischgebrauch aus der Volksrepublik China nach Deutschland ein. Die Zollanmeldung vom 17. Dezember 2012 unter Vorlage einer Handelsrechnung beim Hauptzollamt (HZA) zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr wies unter Position 1 die Warenbezeichnung Tassen und Teekannen (TARIC Code 6912 00 30 10 mit dem TARIC Code N380 und Zusatzcode B999) und unter Position 3 Gegenstände zum Tisch- und Küchengebrauch aus Porzellan (TARIC Code 6911 10 00 90 mit dem TARIC Code N380 und Zusatzcode B999) auf. Die Zollstelle beschaute die Waren am Zollamt und änderte den angemeldeten TARIC-Zusatzcode B999 jeweils in TARIC-Zusatzcode B354.
Da bei der Einfuhr keine Rechnung mit unterzeichneter Herstellererklärung vorlag, ordnete das HZA mit Einfuhrabgabenbescheid vom 17. Dezember 2012 für die Positionen 1 und 3 der Zollanmeldung auf der Verordnung (EU) Nr. 1072/2012 der Kommission vom 14. November 2012 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Geschirr und anderen Artikeln aus Keramik für den Tisch- oder Küchengebrauch mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABI. EU Nr. L 318/28 vom 15. November 2012; nachfolgend DVO Nr. 1072/2012) die Erbringung einer Barsicherheit zu Lasten der Klägerin für einen vorläufigen Antidumpingzoll in Höhe von insgesamt … € - ausgehend von einem Abgabensatz von 58,8% - an.
Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 28. Juni 2013 setzte das HZA gegen die Klägerin einen Antidumpingzoll i.H.v. .. € auf der Grundlage der DVO Nr. 412/2013 endgültig fest und verrechnete diesen mit der für den vorläufigen Antidumpingzoll erbrachten Sicherheit. Dabei legte es seiner Abgabenberechnung einen Antidumpingzollsatz von 36,1 % (TARIC-Zusatzcode B999 - andere) zugrunde, ohne von der Klägerin eine gültige Handelsrechnung, die den Anforderungen der DVO Nr. 412/2013 entspricht, anzufordern.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2013 legte die Klägerin die Rechnung Nr. RX12020 vom 12. November 2012 mit einer unterzeichneten Herstellererklärung im Original vor, in der im Feld „Name of Company officer" die Versenderfirma eingetragen war. Weiterhin beantragte sie die Erstattung des Antidumpingzolls, was das HZA mit Bescheid vom 2. Oktober 2013 ablehnte, weil eine nachträglich vorgelegte oder ausgestellte Handelsrechnung insbesondere nach dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Juli 2013 (Finanzgerichtsakte 14 K 2534/14) nicht anerkannt werden könne.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 4. November 2013 Einspruch ein und reichte am 5. Mai 2014 eine abgeänderte Rechnung der chinesischen Versenderfirma ein. Die Herstellererklärung, die sich am unteren Ende der Rechnung befindet, weist nunmehr den Namen des die Rechnung ausstellenden Mitarbeiters und den zum Zeitpunkt der Ausstellung der neuen Herstellererklärung im Jahr 2014 gültigen TARIC-Zusatzcode B479 auf.
Den Einspruch der Klägerin wies das HZA mit der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2015 zurück. Das Hauptzollamt ist der Meinung, der Antrag auf Erstattung von Antidumpingzoll sei abzulehnen, weil die mit dem Erstattungsantrag nachgereichte und im Einspruchsverfahren nochmals nachgebesserte Rechnung mit entsprechender Herstellererklärung für die Gewährung des individuellen Antidumpingzollsatzes im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung hätte vorliegen müssen.
Aus den Gründen
2. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
Im Streitfall ist die DVO Nr. 412/2013 anzuwenden, bei deren Auslegung im Zusammenhang mit anderen Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die
Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABl. L 311, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: ZK) Zweifelsfragen bestehen, die entscheidungserheblich sind.
Vorliegend kommt es nämlich darauf an, ob zur Erlangung eines bestimmten Antidumpingzollsatzes die (ordnungsgemäße) Rechnung mit Herstellererklärung des chinesischen Versenders auch noch nach Annahme der Zollanmeldung und Festsetzung eines endgültigen Antidumpingzollsatzes beim Zollamt eingereicht werden kann.
3. Anzuwendendes Unionsrecht
a) Artikel 1 der DVO Nr. 1072/2012 lautet:
1. Es wird ein vorläufiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren von Geschirr und anderen Artikeln, ausgenommen Messer aus Keramik für den Tisch- oder Küchengebrauch, mit Ursprung in der Volksrepublik China, die derzeit unter den KN-Codes ex 6911 10 00, ex 6912 00 10, ex 6912 00 30, ex 6912 00 50 und ex 6912 00 90 (TARIC-Codes 6911 10 00 90, 6912 00 10 11, 6912 00 10 91, 6912 00 30 10, 6912 00 50 10 und 6912 00 90 10) eingereiht werden.
2. Für die in Absatz 1 beschriebene und von den nachstehend aufgeführten Unternehmen hergestellte Ware gelten folgende vorläufige Antidumpingzollsätze auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt:
Unternehmen |
Zollsatz
(in %) |
TARIC-
Zusatzcode |
|
26,8 |
B349 |
|
31,2 |
B350 |
|
30,0 |
B351 |
|
17,6 |
B352 |
|
23,0 |
B353 |
In Anhang I aufgeführte Unternehmen |
26,6 |
B354 |
Alle übrigen Unternehmen |
58,8 |
B999 |
3. Die Anwendung der für die in Absatz 2 genannten Unternehmen festgelegten vorläufigen Antidumpingzollsätze setzt voraus, dass den Zollbehörden der Mitgliedstaaten eine gültige Handelsrechnung vorgelegt wird, die den Vorgaben im Anhang II entspricht. Wird keine solche Handelsrechnung vorgelegt, findet der für alle übrigen Unternehmen geltende Zollsatz Anwendung.
4. Die Überführung der in Absatz 1 genannten Waren in den zollrechtlich freien Verkehr in der Union ist von der Leistung einer Sicherheit in Höhe des vorläufigen Zolls abhängig.
5. Sofern nichts anderes bestimmt ist, finden die geltenden Zollvorschriften Anwendung.
b) Artikel 1 der DVO Nr. 412/2013 lautet:
1. Es wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren von Geschirr und anderen Artikeln aus Keramik für den Tisch- oder Küchengebrauch – ausgenommen Messer aus Keramik, Gewürzmühlen aus Keramik und ihre keramischen Mahlteile, Schäler aus Keramik, Messerschärfer aus Keramik und Pizzasteine aus Kordierit-Keramik von der zum Backen von Pizza oder Brot verwendeten Art – mit Ursprung in der VR China, die derzeit unter den KN-Codes ex 6911 10 00, ex 6912 00 10, ex 6912 00 30, ex 6912 00 50 und ex 6912 00 90 (TARIC-Codes 6911 10 00 90, 6912 00 10 11, 6912 00 10 91, 6912 00 30 10, 6912 00 50 10 und 6912 00 90 10) eingereiht werden.
2. Für die in Absatz 1 beschriebene und von den nachstehend aufgeführten Unternehmen hergestellte Ware gelten folgende endgültige Antidumpingzollsätze auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt:
Unternehmen |
Zollsatz
(in %) |
TARIC-
Zusatzcode |
|
18,3 |
B349 |
|
13,1 |
B350 |
|
23,4 |
B351 |
|
17,6 |
B352 |
|
22,9 |
B353 |
In Anhang I aufgeführte Unternehmen |
17,9 |
|
Alle übrigen Unternehmen |
36,1 |
B999 |
3. Die Anwendung der für die in Absatz 2 genannten Unternehmen festgelegten unternehmensspezifischen Antidumpingzollsätze setzt voraus, dass den Zollbehörden der Mitgliedstaaten eine gültige Handelsrechnung vorgelegt wird, die den Vorgaben in Anhang II entspricht. Wird keine solche Handelsrechnung vorgelegt, findet der für „alle übrigen Unternehmen“ geltende Zollsatz Anwendung.
4. Sofern nichts anderes bestimmt ist, finden die geltenden Zollvorschriften Anwendung.
Auszug aus Anhang I Position 23 lautet:
Name TARIC-Zusatzcode
C. Co., Ltd. B479
c) Artikel 20 ZK lautet:
(1) Die bei Entstehen einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben stützen sich auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Die sonstigen durch besondere Gemeinschaftsvorschriften erlassenen Maßnahmen im Warenverkehr werden gegebenenfalls auf der Grundlage der zolltariflichen Einreihung der betreffenden Waren angewendet.
(3) Der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst:
a) bis f) …
g) die sonstigen in anderen Gemeinschaftsregelungen vorgesehenen zolltariflichen Maßnahmen.
(4) Unbeschadet der Vorschriften über die Verzollung zum Pauschalsatz sind die in Absatz 3 Buchstaben d) bis f) aufgeführten Maßnahmen auf Antrag des Anmelders anstelle der unter Buchstabe c) genannten Maßnahmen anwendbar, wenn die betreffenden Waren die Voraussetzungen für die Anwendung der erstgenannten Maßnahmen erfüllen. Der Antrag kann solange nachträglich gestellt werden, wie die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt sind.
(5)…
d) Artikel 67 ZK lautet:
Wenn nichts anderes bestimmt ist, ist der Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung durch die Zollbehörden in Bezug auf alle Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, zugrunde zu legen.
e) Artikel 68 ZK lautet:
Die Zollbehörden können zwecks Überprüfung der von ihnen angenommenen Anmeldungen
a) die Unterlagen prüfen; geprüft werden können die Anmeldung und die dieser beigefügten Unterlagen. Die Zollbehörden können vom Anmelder verlangen, dass er ihnen weitere Unterlagen zur Nachprüfung der Richtigkeit der Angaben in der Anmeldung vorlegt;
b) eine Zollbeschau vornehmen, gegebenenfalls mit Entnahme von Mustern oder Proben zum Zweck einer Analyse oder eingehenden Prüfung.
f) Artikel 78 ZK lautet:
(1) Die Zollbehörden können nach der Überlassung der Waren von Amts wegen oder auf Antrag des Anmelders eine Überprüfung der Anmeldung vornehmen.
(2) Die Zollbehörden können nach der Überlassung der Waren die Geschäftsunterlagen und anderes Material, das im Zusammenhang mit den betreffenden Einfuhr- oder
Ausfuhrgeschäften sowie mit späteren Geschäften mit diesen Waren steht, prüfen, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Anmeldung zu überzeugen. Diese Prüfung kann beim Anmelder, bei allen in geschäftlicher Hinsicht mittelbar oder unmittelbar beteiligten Personen oder bei allen anderen Personen durchgeführt werden, die diese Unterlagen oder dieses Material aus geschäftlichen Gründen in Besitz haben. Die Zollbehörden können auch eine Überprüfung der Waren vornehmen, sofern diese noch vorgeführt werden können.
(3) Ergibt die nachträgliche Prüfung der Anmeldung, dass bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist, so treffen die Zollbehörden unter Beachtung der gegebenenfalls erlassenen Vorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen Umstände zu regeln.
g) Artikel 79 ZK lautet:
Durch die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr erhält eine Nichtgemeinschaftsware den zollrechtlichen Status einer Gemeinschaftsware.
Die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr umfasst die Anwendung der handelspolitischen Maßnahmen, die Erfüllung der übrigen für die Ware geltenden Einfuhrmöglichkeiten sowie die Erhebung der gesetzlich geschuldeten Abgaben.
4. Vorlagefragen
Zu Frage I.:
Das vorlegende Gericht neigt dazu, eine gültige Handelsrechnung auch noch nach Annahme der Zollanmeldung und der Festsetzung eines endgültigen Antidumpingzolls zuzulassen, wenn der EuGH die Auffassung teilt, dass das Unionsrecht keine Regelung enthält, die eine nachträgliche Vorlage einer ordnungsgemäßen Rechnung ausschließt.
Nach Art. 1 Abs. 1 der DVO Nr. 412/2013 wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren von bestimmten Geschirrwaren und anderen Artikeln aus Keramik für den Tisch- und Küchengebrauch mit Ursprung in der VR China.
Der endgültige Antidumpingzollsatz auf den Nettopreis frei Grenze unverzollt beträgt zwischen 13,1% und 23,4% für bestimmte in Art. 1 Abs. 2 der DVO Nr. 412/2013 genannte Unternehmen, für im Anhang I aufgeführte Unternehmen 17,9% und für die übrigen Unternehmen 36,1%.
Nach Art. 1 Abs. 3 Satz 1 der DVO Nr. 412/2013 setzt der festgelegte unternehmensspezifische Antidumpingzollsatz voraus, dass den Zollbehörden der Mitgliedstaaten eine gültige Handelsrechnung vorgelegt wird, die den Vorgaben im Anhang II der Verordnung entspricht.
Nach Anhang II muss die gültige Handelsrechnung die folgenden Angaben enthalten:
„1. Name und Funktion der zuständigen Person des Unternehmens, das die Handelsrechnung ausgestellt hat.
2. Folgende Erklärung: 'Der/Die Unterzeichnete versichert, dass die auf dieser Rechnung ausgewiesenen und zur Ausfuhr in die Europäische Union verkauften [Mengenangabe] Geschirr und andere Artikel aus Keramik für den Tisch- oder Küchengebrauch von [Name und Anschrift des Unternehmens] [TARIC-Zusatzcode] in [betroffenes Land] hergestellt wurden und dass die Angaben auf dieser Rechnung vollständig und richtig sind'.
3. Datum und Unterschrift.“
Wird keine solche Handelsrechnung vorgelegt, findet der für „alle übrigen Unternehmen“ geltende Zollsatz von 36,1% Anwendung (Art. 1 Abs. 3 Satz 2 der DVO Nr. 412/2013).
Es ist nach dieser Regelung offensichtlich, dass ein unternehmensspezifischer Zollsatz ausgeschlossen ist, wenn der Einführer überhaupt keine Handelsrechnung mit dem Zusatz vorlegt, den der Wortlaut des Anhang II der DVO Nr. 412/2013 enthält, weil dies eine zwingende Voraussetzung für die Anwendung des individuellen Antidumpingzollsatzes ist.
Für die Durchführung von Antidumpingmaßnahmen werden regelmäßig eigene Codes im integrierten Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften (TARIC) geschaffen. Sind für bestimmte Hersteller individuelle Zollsätze anwendbar, so wird diesen ein eigener TARIC-Zusatzcode zugeordnet (für die Herstellerfirma im Streitfall der Code B479 nach Anhang I der DVO Nr. 412/2013), der in der Zollabfertigung anzumelden ist. Wird zusätzlich die Vorlage einer bestimmten Handelsrechnung für die Gewährung eines individuellen Antidumpingzollsatzes gefordert, ist diese mit der TARIC-Codierung D008 anzumelden, was ausdrückt, dass der Steuerpflichtige die verlangte Handelsrechnung besitzt und bereithält.
Im Streitfall hat die Klägerin die Waren bei der Zollabfertigung zunächst mit dem TARIC-Zusatzcode B999 (Antidumpingzollsatz von 36,3% für die übrigen Unternehmer) und dem TARIC-Code N380 („einfache Handelsrechnung“) angemeldet. Bei einer stichprobenweisen Beschaffenheitsbeschau mit den vorhandenen Einfuhrpapieren durch die Zollstelle stellte diese fest, dass es sich bei dem Verkäufer der Sendung um ein Unternehmen handelt, dem in Anhang I der DVO (EU) Nr. 1072/2012 der TARIC-Zusatzcode B354 zugeordnet war; die Zolldienststelle änderte den TARIC-Zusatzcode daher - abweichend von der Klägerin - von B999 auf B354 und nahm die Zollanmeldung mit dieser Änderung an.
Da die weitere Bedingung für einen individuellen Antidumpingzollsatz, nämlich eine gültige Handelsrechnung mit Herstellererklärung im Zeitpunkt der Zollanmeldung und bei der Festsetzung des endgültigen Antidumpingzollsatzes nicht vorgelegen hat, sondern erst mit dem Schriftsatz der Klägerin am 5. Mai 2014 eingereicht wurde, versagte das Hauptzollamt der Klägerin den individuellen (günstigeren) Antidumpingzollsatz.
Nach Art. 201 Abs. 2 ZK, der gemäß Art. 1 Abs. 4 DVO Nr. 412/2013 auch auf die Entstehung des Antidumpingzolls anzuwenden ist, entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird. Soweit die Klägerin ursprünglich mit ihrer Zollanmeldung durch Verwendung des TARIC-Codes B999 nicht den ermäßigten unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatz angegeben hat, dürfte dieser Umstand vorliegend keine entscheidende Rolle spielen, weil der Abfertigungsbeamte die Zollanmeldung im Rahmen einer stichprobenweisen Beschau gemäß Art. 71 Abs. 1 ZK überprüft, den TARIC-Code entsprechend der damals einschlägigen DVO Nr. 1072/2012 auf B354 angepasst und die Zollanmeldung angenommen hat.
Daher kommen die Erwägungen des HZA, Antidumpingzölle fielen unter die Maßnah-men nach Art. 20 Abs. 3 Buchstabe g) ZK, so dass die Regelung des Art. 20 Abs. 4 ZK nicht gelte und außerdem eine nachträgliche Beantragung eines individuellen Antidumpingzollsatzes im ZK nicht vorgesehen sei, nicht zum Tragen. Denn im Streitfall ist durch die Überprüfung der Zollstelle die Beanspruchung des individuellen Zollsatzes in die Zollanmeldung eingegangen, so dass es der angenommenen Zollanmeldung letztlich lediglich an einer ordnungsgemäßen Handelsrechnung mangelt.
Auch die vom HZA für seine Auffassung herangezogenen Art. 67 und 79 ZK geben keinen weiteren Aufschluss darüber, ob die bei der Zollanmeldung und der Festsetzung des endgültigen Antidumpingzollsatzes fehlende besondere Handelsrechnung noch nachgereicht werden kann.
Korrespondierend mit Art. 201 Abs. 2 ZK erklärt Art. 67 ZK den Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung durch die Zollbehörde als maßgebend für die Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet worden sind. Hauptanwendungsfall des Art. 67 ZK dürften dabei die Fälle der Zollsatzänderung sein, so dass für einen anzuwendenden Zollsatz jeweils der Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung maßgebend ist.
Vorliegend stellt sich allerdings nicht die Frage, welcher Zeitpunkt maßgebend ist, weil die Zollanmeldung unstreitig am 17. Dezember 2012 angenommen worden und damit der maßgebende Zeitpunkt im Sinne von Art. 67 ZK ist. Darüber hinaus trifft der Art. 67 ZK ersichtlich keine Aussage darüber, dass bestimmte Unterlagen, die bei der Zollanmeldung oder bei der Festsetzung des endgültigen Antidumpingzollsatzes nicht vorgelegt werden konnten und den begehrten individuellen Antidumpingzollsatz begründen, nicht nachgereicht werden können.
Die Zollbehörden können zwecks Überprüfung der von ihnen angenommenen Anmeldungen unter anderem vom Anmelder verlangen, dass er ihnen weitere Unterlagen zur Nachprüfung der Richtigkeit der Angaben in der Anmeldung vorlegt (Art. 68 Buchstabe a Satz 2 ZK). Das Gericht entnimmt dieser Regelung, dass Unterlagen auch noch nach der angenommenen Anmeldung angefordert bzw. vom Anmelder nachgereicht werden können. Die Prüfung der beigefügten oder nachgereichten Unterlagen untersteht der Zielvorgabe des Art. 68 ZK, die Richtigkeit und Vollständigkeit der angenommenen Anmeldung zu sichern und damit eine möglichst zuverlässige Grundlage für das beantragte Zollverfahren zu schaffen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Beschau der Waren – wie vorliegend – ein von der Zollanmeldung abweichendes Ergebnis hervorbringt und der Zollanmelder auf Grund dessen weitere Unterlagen vorzulegen hat.
Nach der Auffassung des Gerichts existiert danach keine Rechtsgrundlage, die es einem Anmelder verweigern könnte, seine ansonsten ordnungsgemäße Zollanmeldung durch die Vorlage einer gültigen Handelsrechnung zu ergänzen.
Zu Frage 2:
Für den Fall, dass der Gerichtshof die Auffassung vertritt, dass die Vorlage einer ordnungsgemäßen Handelsrechnung nach der Festsetzung des vorläufigen bzw. endgültigen Antidumpingzollsatzes nicht mehr möglich ist, stellt sich die Frage, ob der von der Klägerin gegen den Steuerbescheid eingelegte Rechtsbehelf es ihr zumindest im Rahmen einer Überprüfung nach Art. 78 ZK ermöglicht, den unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatz zu erhalten.
Art. 78 ZK sieht ein Verfahren vor, das es den Zollbehörden erlaubt, gegebenenfalls von Amts wegen eine nachträgliche Überprüfung einer Zollanmeldung, d. h. nach der Freigabe der in einer solchen Zollanmeldung bezeichneten Waren, vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile vom 20. Oktober 2005 Overland Footwear, C-468/03, EU:C:2005:624, Rn. 62, 64 und 66; vom 14. Januar 2010 Terex Equipment, C-430/08 und C-431/08 [EWS 2010, 155 m. EWS-Komm. Hundebeck], EU: 2010: 15, Rn. 56; vom 27. Februar 2014 Greencarrier Freight Services Latvia, C-571/12, EU:C:2014:102, Rn. 28; vom 10. Dezember 2015 SIA Veloserviss, C-427/14, EU:C:2015:803, Rn. 20). Diese Bestimmung gilt für die Zeit nach Überlassung der Waren, zu der sich deren Vorführung als unmöglich erweisen kann und die Einfuhrabgaben bereits festgesetzt worden sind.
Neben der Überprüfung durch die Zollbehörden gestattet Art. 78 Abs. 1 ZK auch dem Anmelder, einen Antrag auf Vornahme einer Überprüfung zu stellen, die sowohl hinsichtlich der Frage, ob sie überhaupt vorgenommen werden soll, als auch hinsichtlich ihres Ergebnisses im Ermessen der Zollbehörden liegt. Der Antrag der Klägerin auf Erstattung/Erlass des zuviel entrichteten Antidumpingzolls enthält im Kern zugleich auch einen Antrag nach Art. 78 ZK auf Überprüfung der Anmeldung; diese haben die Zollbehörden auch durchgeführt, aber mangels rechtzeitiger Vorlage einer gültigen Handelsrechnung nicht stattgegeben. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts gibt Art. 78 Abs. 3 ZK der Zollbehörde nicht die Handhabe, die nachträgliche Prüfung der Zollanmeldung zu beschränken und bestimmte Unterlagen, wie hier die nachgereichte Handelsrechnung mit Herstellererklärung, zurückzuweisen.
Nach Art. 78 Abs. 3 ZK haben die Zollbehörden vielmehr die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen Umstände zu regeln (vgl. EuGH Terex Equipment, EU: 2010: 15, Rn. 62). Weitergehend hat der EuGH (Urteil vom 16. Oktober 2014 VAEX Varkens en Veehandel C-387/13, EU:C:2014: 2296) zudem sogar entschieden, dass auch in den Fällen, in denen bei Annahme einer Ausfuhranmeldung noch keine Ausfuhrlizenz erteilt worden ist, eine Überprüfung nach Art. 78 ZK mit dem Ergebnis möglich sei, die Ausfuhranmeldung in dem Sinne zu regularisieren, dass sie an einem späteren Tag, an dem die gültige Ausfuhrlizenz vorgelegen ist, als durchgeführt gelte.
Von entscheidender Bedeutung ist daher bei einer Überprüfung nach Art. 78 ZK, dass die Ziele der fraglichen Regelung nicht gefährdet sind, wofür im Hinblick auf die im Streitfall einschlägige Antidumpingregelung keine Anhaltspunkte sprechen.
Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 74 der Finanzgerichtsordnung.