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Steuerrecht
25.04.2024
Steuerrecht
FG München: Anwendbarkeit des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG

FG München, Urteil vom 27.10.2023 – 8 K 797/22, Rev. eingelegt (Az. BFH VIII R 33/23)

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Die Investition in gegenläufige, betragsidentische und laufzeitidentische Wandelschuldverschreibungen auf Gold mit Option auf Warrants ist kein Gestaltungsmissbrauch und führt auch nicht zur Anwendung des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG.

2. Im Veranlagungszeitraum 2015 ist der Tausch von Wandelschuldverschreibungen (hier: BEAR-Zertifikaten) in Kaufoptionsscheine (hier: Warrants) nach § 20 Abs. 4a S. 3 EStG i. d. F. vom 25.7.2014 steuerneutral. Eine teleologische Reduktion der Norm im vorstehend genannten Fall scheidet aus.

EStG 2009 § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 4a S. 3, Abs. 2 S. 2, S. 1 Nr. 7, Nr. 3, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; WpHG § 2 Abs. 1; AO § 42 Abs. 2

Sachverhalt

Streitig ist, ob bei dem Tausch von Wandelschuldverschreibungen („BEAR USD Convertible Certificates on Gold“ [nachfolgend: BEAR-Zertifikate]) in Kaufoptionsscheine („… Gold Call Warrants“ [nachfolgend: Kaufoptionsschein bzw. Warrant]) oder bei der Ausübung der Kaufoptionsscheine mit der Folge des Erwerbs von physischem Gold steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von (i.H.v.) x…….. € bei der Einkommensteuer 2015 entstanden sind.

Die Klägerin erwarb im Streitjahr jeweils drei Wandelschuldverschreibungen auf Gold (Zertifikate) mit gegenläufigen Kurszielen und einem Beobachtungszeitraum von 7 Tagen bezüglich des festgelegten Basiswerts von Gold. Während die einen Zertifikate mit Verlusten abschlossen („BULL USD Convertible Certificates on Gold“ [nachfolgend: BULL-Zertifikate]), die von der Klägerin in den Verrechnungstopf ihres Depots eingebucht und im Folgejahr steuerlich mit positiven Kapitaleinkünften verrechnet wurden, schlossen die anderen Zertifikate (BEAR-Zertifikate) mit positiven Ergebnissen ab. Die Klägerin nahm für die BEAR-Zertifikate ihr Wahlrecht zugunsten des Erwerbs von Kaufoptionsscheinen (Warrants) auf die Lieferung von physischem Gold oder Barausgleich in Anspruch. Wenige Tage später übte die Klägerin die Kaufoptionsscheine aus mit der Folge, dass ihrem Metallkonto Gold zugeführt wurde. Der Verkauf des Goldes erfolgte in 2016 steuerfrei nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Details der Investition stellen sich wie folgt dar:

Die Schweizer Bank B. emittierte im Mai 2015 BEAR-Zertifikate (Internationale Wertpapierkennnr. [ISIN] … bzw. Wertpapierkennnr. [WKN] …) und gegenläufige BULL-Zertifikate (ISIN … bzw. WKN …).

Den Zertifikaten lagen die (…)vorgelegten Emissionsbedingungen („Terms and Conditions of BULL USD Convertible Certificates on Gold“ [nachfolgend: BULL-Terms]; „Terms and Conditions of BEAR USD Convertible Certificates on Gold“ [nachfolgend: BEAR-Terms]) zugrunde, auf die im Einzelnen (einschließlich „Annex 1“ [„Form of Selection“], „Annex 2“ [„Terms and Conditions of … Gold Call Warrant A“-nachfolgend: Warrant-Terms]) Bezug genommen wird. Danach handelte es sich bei den BULL- und BEAR-Zertifikaten um zinslose (§ 2 (2) Satz 1, § 3 BULL-, BEAR-Terms), gegenläufige, betrags- und laufzeitidentische auf die Entwicklung des Goldpreises als Basiswert bezogene Finanzinstrumente, die schuldrechtliche Ansprüche vermögensrechtlichen Inhalts begründeten (vor allem [v.a.] § 2 (1) und (2), § 4, § 7 (1) BULL-, BEAR-Terms), und einen Nominalwert von x…….. USD pro Zertifikat (§ 2 Abs. 3 BULL-, BEAR-Terms) hatten. Den BULL-Zertifikaten lag die Annahme eines steigenden, den BEAR-Zertifikaten die Annahme eines fallenden Goldpreises in der Zeit („Observation Period“) zwischen … („Valuation Date 1“) und … („Valuation Date 2“) (§ 1, § 4 (1) BULL-, BEAR-Terms) unter Bezugnahme auf einen Korridor von 101% („Barrier 1“) und 99% („Barrier 2“), jeweils bezogen auf den Basiswert (Goldpreis) am … (…), zugrunde. Bei Fälligkeit (hier: … [„Maturity Date“; § 1 BULL-, BEAR-Terms]) erhielt der Inhaber eines Zertifikats gemäß § 4 (1) BULL-, BEAR-Terms entweder

- x…….. USD pro Zertifikat, wenn der Basiswert während der „Observation Period“ zu keiner Zeit die Grenzen des Korridors erreichte bzw. unter-, überschritt, oder

- xx…. USD pro Zertifikat, wenn entweder die Grenze „Barrier 1“ oder „Barrier 2“ erreicht wurde, aber (BULL-Zertifikat) die Grenze „Barrier 2“ (99%) zuerst bzw. (BEAR-Zertifikat) die Grenze „Barrier 1“ (101%) zuerst, oder

- (wahlweise nach freiem Ermessen) entweder x…….. USD oder einen Kaufoptionsschein pro Zertifikat, wenn entweder die Grenze „Barrier 1“ oder „Barrier 2“ erreicht wurde, aber (BULL-Zertifikat) die Grenze „Barrier 1“ (101%) zuerst bzw. (BEAR-Zertifikat) die Grenze „Barrier 2“ (99%) zuerst.

Die BULL- und BEAR-Zertifikate waren repräsentiert durch bei E., einem Schweizer Zentralverwahrer, als Intermediär verwahrte Dauer-Globalurkunden („Permanent Global Certificate“ […]) im Sinne des (i.S.d.) Art. 973b des Schweizer Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Fünfter Teil: Obligationenrecht [nachfolgend: OR]) vom 30.03.1911 [verfügbar unter www.fedlex.admin.ch]). Nach Art. 973b (2) OR in der für das Streitjahr geltenden Fassung ist die Globalurkunde „ein Wertpapier gleicher Art wie die durch sie verkörperten Einzelrechte“ und steht „im Miteigentum der daran beteiligten Hinterleger, und zwar im Verhältnis ihrer Beteiligung“. Ein Anspruch auf Lieferung bzw. Ausweis von Wertrechten („uncertificated securities“) oder von einzelnen Wertpapieren („individually certificated securities“) war ausgeschlossen (§ 2 (2) BULL-, BEAR-Terms). Mit Bezug auf Einzelrechte wurden Bucheffekten („intermediated securities“) im Sinne des Schweizer Bundesgesetzes über Bucheffekten vom 03.10.2008 in der Fassung vom 01.07.2015 (BEG, englisch: „FISA“ [verfügbar unter www.fedlex.admin.ch]) begründet, die durch Buchung auf einem Effekten-, Depotkonto des Erwerbers übertragen werden (§ 2 (4) BULL-, BEAR-Terms). Nach Art. 3 (1) BEG sind Bucheffekten „vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten: a. die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind; und b. über welche die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber nach den Vorschriften dieses Gesetzes verfügen können“ (zur Verfügung durch Gutschrift s. Art. 24 (1), (2) BEG). Bucheffekten entstehen nach Art. 6 (1) b) BEG mit der Hinterlegung von Globalurkunden – (auch) nach Art. 5 f) BEG ein Wertpapier – bei einer Verwahrungsstelle und deren Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkonten. Als Verwahrungsstellen im Sinne des BEG gelten u.a. auch ausländische Banken (Art. 4 (3) BEG). Nach Art. 13 (1) BEG lässt die Entstehung von Bucheffekten die Rechte der Anlegerin gegenüber der Emittentin unberührt. Art. 16 BEG bestimmt, dass die Kontoinhaberin bzw. der Kontoinhaber von der Verwahrungsstelle jederzeit einen Ausweis über die dem betreffenden Effektenkonto gutgeschriebenen Bucheffekten verlangen kann, dem Ausweis jedoch nicht die Eigenschaft eines Wertpapiers zukommt. § 12 (1) BULL-, BEAR-Terms erklärte Schweizer Recht für anwendbar hinsichtlich Form und Inhalt des Zertifikats bzw. hinsichtlich sämtlicher Rechte und Pflichten der Emittentin und des Inhabers des Zertifikats. § 2 Abs. 4 Sätze 3 und 4 BULL-, BEAR-Terms bestimmten eine Übertragung des Zertifikats nach Maßgabe des BEG, im Übrigen jedoch eine Anwendbarkeit des für das Effekten-, Depotkonto (jeweils) maßgeblichen ausländischen Rechts bei Zertifikaten, die vom Anleger außerhalb der Schweiz gehalten werden. Gesamtvolumen der nach § 7 Abs. 2 BULL-, BEAR-Terms nicht an der Börse gehandelten Emission waren xx Mio. USD (je BULL- und BEAR-Zertifikate).

Ferner emittierte B. 38 Kaufoptionsscheine (Warrants) mit ISIN … bzw. WKN …, nach § 7 Abs. 2 Warrant-Terms ebenfalls nicht an der Börse gehandelt, (nur) durch eine Dauer-Globalurkunde im Sinne des Art. 973b OR (…) repräsentiert und Bucheffekten (§ 2 (2) und (4), § 7 (1) Warrant-Terms) begründend. Nach den Emissionsbedingungen (Warrant-Terms), auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, berechtigten die Kaufoptionsscheine den Inhaber dazu, entweder die physische Lieferung von Gold in Form einer Gutschrift auf einem Metallkonto („Physical Settlement“) oder einen Geldbetrag (als Goldgegenwert) („Cash Settlement“, „Barausgleich“) zu verlangen (§ 3 (1), § 4 (1) und (2) Warrant-Terms). Mit einer Gutschrift von Gold auf dem Metallkonto war der Investor (schuldrechtlich und ohne Ersetzungsbefugnis durch B.) berechtigt, die Lieferung physischen Goldes entsprechend der auf dem (zinslosen) Metallkonto gebuchten Mengenangabe zu verlangen (…). Beim Barausgleich wurden (pro Zertifikat) vom Goldgegenwert ein Kaufpreis (Ausübungspreis [„Strike Price“]) von ……. USD und eine Ausübungsgebühr („Cash Settlement Calculation Fee“) von ……. USD abgezogen (§ 1, § 4 (1) Warrant-Terms). Bei der Lieferung von physischem Gold fiel nur der Kaufpreis an. Die Option konnte in der Zeit vom … („Strike Date“) bis … („Expiration Date“) ausgeübt werden (§ 1 Warrant-Terms). Bei Nichtausübung bis 12:00 GMT am … verfiel die Option. Nach § 3 (2) Warrant-Terms war jedoch eine automatische Optionsausübung vorgesehen. Endfälligkeit („Maturity Date“) war am … (§ 1 Warrant-Terms). Der Gold(gegen) wert bestimmte sich bei Endfälligkeit (pro Kaufoptionsschein) im Verhältnis x…….. USD zum maßgeblichen Basiswert („…) am ersten Tag des Ausübungszeitraums (hier: …; § 1 Warrant-Terms – „Ratio“). Der „innere Wert“ der Kaufoptionsscheine lag bei Emission bei 195% bzw. x…….. USD (§ 2 (1) Warrant-Terms; Risikohinweis von A. …], …). Die Regelung des maßgeblichen Rechts erfolgte wie bei den BULL- und BEAR-Zertifikaten (§ 2 (4) Sätze 3, 4, § 12 (1) Warrant-Terms).

Die Klägerin beauftragte mit Schreiben vom … (Anl. K 12) die Bank D., von B. je drei der BULL- und BEAR-Zertifikate zu erwerben. Nach Hinterlegung der maßgeblichen Dauer-Globalurkunden durch B. bei E. am … und Abschluss von Zeichnungsvereinbarungen („Subscription Agreements“) zwischen B. und D. am …wurde der Kauf für die Klägerin gegen Überweisung von x…….. USD am … vollzogen (…). Die Zertifikate wurden auf dem Depotkonto der Klägerin bei D. (Depotnr. …) gebucht („Subscription Agreement“, Präambel (C) für BULL-, BEAR-Zertifikate). Für die Zertifikate wurde als Lagerstelle die Bank in F. eingesetzt (…).

Mit Schreiben vom … (…) wies die Klägerin die D. an, die BULL-Zertifikate (unentgeltlich und ohne Gläubigerwechsel) auf das Wertpapierdepot der Klägerin (Depot-Nr. …) bei der (damaligen) Bank C. zu übertragen. In der Erträgnisaufstellung der C. war ein „Allgemeiner Verlusttopf in EUR“ i.H.v. x……..,xx € sowie eine Habenbuchung … i.H.v. xx….,xx €, resultierend aus dem Erhalt von insgesamt xx…. USD für die drei BULL-Zertifikate, ausgewiesen (…).

Ferner übte die Klägerin mit Erklärung vom … (…) ihr Wahlrecht nach § 4 (1) Variante 3) b) der BEAR-Terms aus und wies die Lieferung der drei Kaufoptionsscheine (Warrants) in das Wertpapierdepot mit der Nr. … bei der D. an. Auch für die Kaufoptionsscheine wurde die Bank in F. als Lagerstelle eingesetzt (). Mit Schreiben vom … erklärte die Klägerin gegenüber der D. die Ausübung der drei Kaufoptionsscheine in Form der physischen Lieferung von Gold („Physical Settlement“). … Gegenüber B. gab die D. eine entsprechende Erklärung („Physical Settlement Exercise Notice“) für die Klägerin mit Datum … ab. Am … wurden gemäß Kontoauszug vom selben Tag x……..,xx USD von dem USD-Kontokorrentkonto der Klägerin bei der D. mit der Nr. … an B. mit dem Betreff „Physical Exercise Notice, ISIN …, number of warrants 3“ überwiesen bzw. gemäß Kontoauszug der D. mit der Nr. … (EUR) vom … am selben Tag Gebühren (xx,xx €) … gebucht (…). Dem bei B. für die Klägerin geführten Gold-Konto („Metallkonto XAU“ mit der Nr. …) wurden am … (mit Valutadatum …) x….,xx Unzen Gold (zum Wert von x…….. USD …) gutgeschrieben (…).

Nach der in Orientierung an deutschem Steuerrecht erstellten Erträgnisaufstellung der D. zur Konto-/Depotnr. … waren für 2015 keine Erträge oder Gewinne in Zusammenhang mit BEAR-Zertifikaten bzw. Kaufoptionsscheinen ausgewiesen (…), jedoch war in den Erläuterungen zur Erträgnisaufstellung darauf verwiesen, dass steuerliche Ergebnisse aus Optionen bzw. Termingeschäften aus technischen Gründen nicht berechnet werden könnten und deswegen nicht enthalten seien (…).

Die Investition in BULL-, BEAR-Zertifikate bzw. Kaufoptionsscheine war von der Klägerin fremdfinanziert worden. … Die … mbH, an der die Klägerin beteiligt war, stellte ……. € und ……. € als Darlehen zur Verfügung (…). Mit Darlehensvertrag vom … gewährte ferner B. der Klägerin (gegen eine Abschlussgebühr von … CHF) ein besichertes … und verzinsliches …Darlehen i.H.v. x…….. USD „ausschließlich …für den Erwerb der Zertifikate bzw. zur Begleichung des Ausübungspreises für die … Gold Call Warrants“ (Ziff. 2, 3; Präambel 1), auszuzahlen in zwei Tranchen. Voraussetzung für die Auszahlung der zweiten Tranche war gemäß Anhang II b) zum Darlehensvertrag u.A. die unwiderrufliche Erklärung, die Kaufoptionsscheine (Warrants) beziehen zu wollen sowie ein Auszahlungsverlangen innerhalb von 30 Tagen seit Auszahlung der ersten Tranche (Ziff. 2). Die erste Tranche (x…….. USD) wurde am … (mit Valuta … und einer Laufzeit bis …) von B. auf das Konto der Klägerin bei der D. (Nr. …) gezahlt (…). Ebenfalls am … wurden dem Konto der Klägerin bei B. (mit der Nr. …) xx…. USD („Vergütung“) sowie die Abschlussgebühr von … USD („Arrangement Fee Loan“) belastet. Die zweite Tranche des Darlehens (x…….. USD) wurde am … (ebenfalls mit einer Laufzeit bis …) ausgezahlt (…).

Zur Absicherung der Entwicklung des Marktpreises für die x….,xx Unzen Gold (…) war am … zwischen der Klägerin und B. eine „Verkaufsoption auf physische Lieferung von Gold“ (für die Klägerin; nachfolgend: Verkaufsoption) mit einem Ausübungspreis von x….,xxUSD/Unze bzw. eine „Kaufoption auf physische Lieferung von Gold“ (für B.; nachfolgend: Kaufoption) mit einem Ausübungspreis von x….,xx USD/Unze vereinbart worden (…). Der ursprünglich als Verfallstag der Verkaufs- und Kaufoption bestimmte … (Ziff. 1, 5 der Optionsvereinbarungen) wurde mit Ergänzungsvereinbarungen vom … auf den … vorverlegt. Nach dem Inhalt der Optionsvereinbarungen konnte die Klägerin von B. 99% des zum Bewertungstag (… [Ziff. 1 der Optionsvereinbarungen]) festgestellten Goldpreises Zug-um-Zug gegen Lieferung des Bestandes verlangen, wenn der Goldpreis am Verfallstag der Verkaufsoption nur 99% des zum Bewertungstag (…) festgestellten Goldpreises erreichte oder unterschritt (Präambel B, Ziff. 3 Verkaufsoption). Dafür war (unabhängig von der Ausübung der Verkaufsoption) von der Klägerin an B. eine Optionsprämie i.H.v. ……. USD zu zahlen (Ziff. 2 Verkaufsoption). B. konnte die Lieferung des Gold-Bestandes Zug-um-Zug gegen Zahlung des Ausübungspreises von 101% des zum Bewertungstag festgestellten Goldpreises verlangen, wenn der Goldpreis am Verfallstag der Kaufoption 101% des zum Bewertungstag festgestellten Goldpreises erreichte oder überschritt (Präambel B, Ziff. 3 Kaufoption). Dafür erhielt die Klägerin (unabhängig von der Ausübung der Option) von B. eine Optionsprämie i.H.v. xx…. USD (Ziff. 2 Kaufoption). Ausweislich des Kontoauszugs von B. zu dem USD-Kontokorrentkonto der Klägerin mit der Nr. … für … wurden die Optionsprämien (nach vorhergehender Stornierung einer bereits zum … mit Valuta … erfolgten Buchung) … (mit Valuta …) gebucht (…).

Im … 2016 veräußerte die Klägerin den gesamten Bestand des Metallkontos an B. für x……..,xx USD. Der Betrag wurde am … mit Valuta … dem USD-Konto der Klägerin bei B. (Nr. …) gutgeschrieben (…). Am … (mit Valutadatum …) zahlte die Klägerin das Darlehen vollständig an B. zurück sowie (weitere) Zinsen dafür i.H.v. xx…. USD.

B. beschrieb das Investment im Darlehensvertrag wie folgt: „…Finanzierung u.a. zum Erwerb bestimmter Wertpapiere (Zertifikate, die auf die Goldpreisentwicklung referenzieren und mit spezifischen Wandlungsrechten ausgestaltet sind, sowie Optionsscheine, die das Recht auf physische Lieferung von Gold verbriefen) … sowie ein Metallkonto zum Erwerb des Goldes…“ (…), „… spekulative[n] und teilweise abgesicherte[n] Anlagestrategie auf die kurz- bis mittelfristige Goldpreisentwicklung…“ (…), „Die Anschaffung des Goldes erfolgte mittels vorgeschalteter Zertifikate und in Ausübung von Erwerbs-Optionen gegen Zahlung eines Ausübungspreises im Rahmen einer spekulativen Gesamtstrategie …“ (…). Der von der Klägerin beauftragte Finanzberater A. verwies mit Schreiben vom …, auf das im Einzelnen Bezug genommen wird, auf erhebliche Risiken des Investments.

In der am …2017 beim Beklagten (Finanzamt) eingegangen Einkommensteuererklärung für 2015 (…) erklärte die Klägerin nur Einkünfte aus nicht-selbständiger Arbeit i.H.v. ……. € und einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften (Fremdwährungsguthaben) i.H.v. xx €. Die Einkommensteuer wurde zunächst erklärungsgemäß mit Bescheid vom …2017 (ohne Vorbehalt der Nachprüfung) mit xx…. € festgesetzt (…). In einer am …2017 nachgereichten Anlage zur Einkommensteuererklärung (…) teilte die Klägerin erstmals „zur Klarstellung“ mit, dass noch positive und negative Kapitalerträge aus Wertpapiergeschäften angefallen seien, ohne dazu weiter konkrete Angaben zu machen.

Bei einer … durchgeführten Betriebsprüfung (BP; …) beanstandete diese die Behandlung der BULL-Zertifikate als einen nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2, § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtigen Vorgang mit Ausweis eines Verlustes i.H.v. x……..,xx € in dem Verrechnungstopf der C. nicht (…). Bezogen auf den Tausch der BEAR-Zertifikate in Kaufoptionsscheine (Warrants) stellte die BP jedoch einen positiven Ertrag i.H.v. x…….. € fest, der nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 EStG steuerpflichtig sei. (…)… Ein Gewinnansatz sei nicht nach § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG ausgeschlossen, wonach Anschaffungskosten und Veräußerungspreis in gleicher Höhe anzusetzen seien (Fall eines steuerneutralen Wertpapiertauschs). … Das Finanzamt schloss sich den Feststellungen der BP an. Mit Änderungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) vom …2020 (…) wurden nach § 32d Abs. 1 EStG mit 25% besteuerte Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. x…….. € (ohne Berücksichtigung eines Sparer-Pauschbetrags) angesetzt bzw. die Einkommensteuer nunmehr mit ……. € festgesetzt. Der aus den BULL-Zertifikaten resultierende Verlust blieb 2015 ohne steuerliche Auswirkung (…); er wurde erst 2016 mit positiven Kapitaleinkünften der Klägerin verrechnet (…). Der gegen den Änderungsbescheid …gerichtete Einspruch der Klägerin … wurde mit Einspruchsentscheidung vom …, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage begehrt die Klägerin weiterhin den Nichtansatz der Einkünfte aus Kapitalvermögen i.H.v. x…….. €. Die Wandlung der BEAR-Zertifikate in Kaufoptionsscheine (Warrants) sei nach § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG steuerneutral. Bei den BEAR-Zertifikaten handele es sich um Kapitalforderungen („Kassageschäfte“) im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da ein Rückzahlungsanspruch in Geld bestehe. Die ausweislich der BEAR-Terms in Einzelfällen vereinbarte Ersetzungsbefugnis des Emittenten zur teilweisen Erfüllung der Kapitalforderung durch Andienung eines Wertpapiers stehe dem nicht entgegen. Ein hiervon abweichendes Verständnis ließe andernfalls den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG dem Grunde nach entfallen, da er eine Ersetzungsbefugnis tatbestandlich gerade voraussetze. Für ein nicht von § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG erfasstes Termingeschäft i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG fehle es an einem zeitlichen Auseinanderfallen von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 Wertpapierhandelsgesetz [WpHG]). Der Erwerb der BEAR-Zertifikate als Verpflichtungsgeschäft sei unmittelbar durch Lieferung derselben erfüllt worden. Bei den Warrants handele es sich ferner auch um Wertpapiere i.S. des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG. Wertpapiere seien grundsätzlich alle in- und ausländischen Urkunden, ohne die ein in ihnen verbrieftes privates Recht nicht geltend gemacht werden könne. Aus § 20 Abs. 4 Satz 7 EStG lasse sich schließen, dass zumindest nach dem Depotgesetz sammelverwahrte Wertpapiere, wie hier vorliegend, erfasst seien. Die Warrants seien während ihrer gesamten Laufzeit in einer Inhaber-Sammelurkunde verbrieft gewesen.

Die restriktiven Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG lägen nicht vor, da die Anwendung im Streitfall dem Wortlaut entspreche und nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe. Die Regelung beabsichtige, aus Gründen der Vereinfachung die liquiditätslose Wandlung von Wertpapieren nicht mit der Einforderung von Steuerbeträgen sowie streitanfälligen Bewertungen zu belasten und steuerliche Reserven erst nachträglich zu versteuern (BT-Drs. 16/10189, S. 50). Der Tausch der BEAR-Zertifikate in Warrants führe weder zu einer Entstrickung steuerlicher Reserven noch unmittelbar zu einem Wechsel der Einkunftsart. Die Warrants unterfielen – ebenso wie die BEAR-Zertifikate – bei Realisation § 20 Abs. 2 EStG. Wortlaut und Sinn des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG stünden daher hier in Einklang, so dass kein Raum für eine teleologische Reduktion sei. Ein von der Finanzverwaltung behaupteter weiterer Zweck des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG, vermeintliche „Besteuerungslücken“ zu vermeiden, sei der Norm nicht zu entnehmen. Sonst hätte es 2020 keiner Korrektur des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG durch den Gesetzgeber bedurft, um „Steuerschlupflöcher“ zu schließen (BR-Drs. 503/20, S. 22 f.).

Auch die Möglichkeit, das im Zuge der Einlösung der Warrants erhaltene Währungsgold – Der Vollständigkeit halber werde darauf verwiesen, dass die Lieferung des Basiswerts „Gold“ aus der Einlösung der Warrants keinen (eigenständigen) Realisationstatbestand darstelle, sondern die bloße steuerneutrale Anschaffung dieses Referenzwertes sei. – nach Ablauf der Haltefrist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die Einkunftsart wie von Gesetzes wegen vorgesehen wechselnd, steuerfrei zu veräußern, führe nicht zu einem sinnwidrigen, sondern vielmehr dem Vereinfachungszweck weiterhin Rechnung tragenden Ergebnis. Für die Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG komme es nicht auf einen anderen, zeitlich nachgelagerten und eigenständig zu beurteilenden Vorgang an. Das vom Finanzamt aufgestellte Erfordernis einer dauerhaften Verstrickung steuerlicher Reserven widerspreche dem Vereinfachungszweck des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG, da dann erst nach Ablauf einer potenziellen Haltefrist über die Anwendbarkeit der Vorschrift entschieden werden würde. Ein solches Verständnis würde zu sinnwidrigen Ergebnissen führen bzw. wäre praktisch nicht umsetzbar, zumal eine Anknüpfung der steuerneutralen Wandlung nach § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG an die Erfüllung oder Nichterfüllung von Haltefristen weder gesetzlich vorgesehen sei noch in der Gesetzgebungshistorie einen Niederschlag finde.

Im Streitfall liege zudem kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor. Es fehle hier bereits an einer unangemessenen Gestaltung im Sinne des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO, so dass es auf das vermeintliche Fehlen außersteuerlicher Gründe für die Investition nicht mehr ankomme. Eine (auch unter steuergestaltender Motivation) getätigte Investition, die lediglich auf dem Zeichnen von marktgängigen Zertifikaten, der Ausübung vertraglicher Wahlrechte und dem Abwarten von steuerlichen Haltefristen beruhe, könne für sich genommen nicht unangemessen sein. Dies gelte erst recht, wenn – wie vorliegend – schon nicht erkennbar sei, worin denn die vom Gesetzgeber vorausgesetzte alternative „angemessene“ Gestaltung liegen solle. Ein unmittelbarer Erwerb von physischem Gold – wie vom Finanzamt behauptet – könne aufgrund der unterschiedlichen ökonomischen Implikationen (Möglichkeit der „Überverzinsung“ innerhalb des Korridors; Unterschiedlichkeit der Assetklassen „Wertpapier“ und „Rohstoff“; Möglichkeiten der Besicherung und anderes mehr) nicht diese alternative Gestaltung sein. Sie, die Klägerin, habe mit der Investition in die Wertpapiere zudem keinen vom Gesetz nicht vorgesehenen Steuervorteil in Anspruch genommen. Die im Rahmen der Investition ausgelösten steuerlichen Folgen seien vielmehr systemimmanent und vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Letzteres gelte für die Gestaltung insgesamt wie auch deren einzelnen Elemente. Es reiche nicht aus, wenn der Steuergesetzgeber die vom Steuerpflichtigen gewählte Gestaltung nur „nicht vorhergesehen“ habe. Vielmehr dürfe der durch die Gestaltung begründete Vorteil „nicht vorgesehen“ sein, was hier gerade nicht der Fall sei. Mit Bezug auf die Gesamtgestaltung sei noch darauf zu verweisen, dass eine Zusammenfassung gegenläufig ausgestalteter Finanzinstrumente auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht in Betracht komme (vgl. zu einem vergleichbaren Fall gegenläufig ausgestalteter Call-Optionen auf Zertifikate BFH-Urteil vom 20.08.2013, IX R 38/11, BStBl. II 2013, 1021). Weder handele es sich hier um Teilschritte eines von vornherein als Einheit gedachten und nur als Einheit wirtschaftlich sinnvollen Sachverhaltes noch reiche die bloße Motivation der Schadensbegrenzung aus nicht beinflussbaren Indexentwicklungen für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung aus. Insoweit stütze auch die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) München mit dem Az. 5 K 2870/19 zu einem sehr ähnlichen Fall mit teilweise gegenläufigen Zertifikaten ihre, der Klägerin, Rechtsauffassung.

Schließlich fehle es auch nicht an der Einkünfteerzielungsabsicht, die grundsätzlich vermutet werde. Dies könne hier auch nicht durch die selektive Berechnung des Finanzamts in Abrede gestellt werden. Zudem sei die Erzielung eines wirtschaftlichen Gewinns für jedes der erworbenen BULL- bzw. BEAR-Zertifikate wie auch in der Gesamtheit sehr wohl möglich: Innerhalb der während des Beobachtungszeitraums festgelegten Schwellenwerte (d.h. bei einer „Seitwärtsbewegung“ des Basiswertes im Kurskorridor von 99% und 101%) würden sich BULL- und BEAR-Zertifikate nicht spiegelbildlich entwickeln. Für diesen Fall sei eine Verzinsung oberhalb des regulären Marktzinses vorgesehen. Jedes der erworbenen Zertifikate habe sich im Falle des Austritts aus dem Kurskorridor in Abhängigkeit der Entwicklung des Basiswertes nahezu verdoppeln können. Das damit einhergehende Risiko eines weitgehenden Wertverfalles des Zertifikates sei – wie dies spekulativen Investitionen zu eigen sei – lediglich die Kehrseite der weit über einer „regulären“ Verzinsung liegenden Rückzahlungschance. Hinzu komme die Möglichkeit, an einer Wertsteigerung des Referenzwertes zu partizipieren, welcher unter dem Optionsschein geliefert werde. Selbst unter einer – bei der Ausübung der Warrants bereits aufgrund des daraus resultierenden Vorliegens unterschiedlicher Besteuerungssysteme jedoch steuerlich nicht maßgeblicher – Gesamtbetrachtung habe sie die Möglichkeit, die Wertminderung des einen Zertifikats durch die Werterhöhung des anderen Zertifikats zu kompensieren und durch das Halten und spätere Veräußern des gelieferten Referenzwertes aus dem Gewinnzertifikat insgesamt einen Überschuss zu erzielen. Dass die tatsächliche Kursentwicklung unter Berücksichtigung der gewählten Absicherungsstrategie sie daran gehindert habe, insgesamt einen wirtschaftlichen Gewinn aus der Investition zu erzielen, könne nach den vorgenannten Grundsätzen keine Auswirkung auf die vermutete und vorliegend nicht widerlegbare Einkünfteerzielungsabsicht haben (…).

Die Klägerin beantragt,

- den Einkommensteuerbescheid für 2015 … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG auf Null € herabgesetzt werden, und die Einkommensteuer entsprechend gemindert wird,

- hilfsweise die Revision zuzulassen, sowie

- die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das Finanzamt beantragt,

- die Klage abzuweisen,

- hilfsweise den Gewinnen und Verlusten aus Kapitalvermögen die steuerliche Anerkennung zu versagen,

- weiter hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung … verwiesen. Bei den Kaufoptionsscheinen (Warrants) handele es sich um Termingeschäfte im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG, auf die § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG keine Anwendung finde. Daran werde trotz des BMF-Schreibens vom 03.06.2021 (BStBl. I 2021, 723) festgehalten. Bereits der Tausch der BEAR-Zertifikate in Warrants löse daher einen nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn aus.

Selbst wenn man die Warrants als sonstige Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sehen würde und damit § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG dem Wortlaut nach Anwendung finden würde, stelle der Tausch der Warrants in Gold einen Realisationsakt dar, der die Versteuerung der stillen Reserven nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG zur Folge habe.

Unabhängig davon sei § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG in jedem Fall aufgrund des von Beginn an und zu jeder Zeit objektiv erkennbaren Zwecks – aus Praktikabilitäts- und Vereinfachungsgründen mit Bezug auf die Abgeltungssteuer (nur) Verschiebung des Zeitpunkts der Besteuerung bis zum tatsächlichen Aufdecken der steuerlichen Reserven unter Gewährleistung der Versteuerung dieser zu einem späteren Zeitpunkt zur Vermeidung eines endgültigen Wegfalls einer Besteuerung – und des eindeutigen, insbesondere auch nach den Ausführungen des BFH-Urteils vom 15.11.2022 VIII R 21/19, BStBl. II 2023, 567 Rn. 21 maßgeblichen Willens des Gesetzgebers (BT-Drs. 16/10189, S. 50; 16/11108, S. 16, 20 bzw. BR-Drs. 545/08, S. 72; BR-Drs. 503/20, S. 22 f.) teleologisch zu reduzieren und komme daher letztlich hier nicht zur Anwendung. Der Gültigkeitsbereich der Norm sei (ggfs. auch rückwirkend) überschritten, sobald, wie hier, eine Entstrickung der steuerlichen Reserven erfolge. Ungeachtet des Vereinfachungscharakters der Norm dürfe hier nicht nur der Tauschvorgang als solcher, sondern müssten auch hieraus weiter resultierende Folgen und Vorgänge beachtet werden. Die Berücksichtigung späterer Ereignisse (z.B. steuerfreier Verkauf von Gold nach Ablauf der Haltefrist) stehe dem Vereinfachungszweck nicht entgegen. Vereinfacht werden solle in erster Linie das Abgeltungssteuerverfahren, was auch weiterhin der Fall sei, da etwaige spätere Vorkommnisse, die die Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG ausschlössen, notfalls rückwirkend nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bei der Steuerveranlagung zu berücksichtigen seien. § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG finde daher bei einer nicht dauerhaften Verstrickung der steuerlichen Reserven keine Anwendung, so dass diese bereits zum Zeitpunkt des Tauschvorgangs (ggfs. rückwirkend) zu versteuern seien. Dies folge letztlich auch aus dem BFH-Urteil vom 09.05.2017 VIII R 54/14, BFHE 258, 111, BStBl II 2018, 262 Rn. 19. Zudem habe der Gesetzgeber mit der ab 01.01.2021 geltenden Einschränkung des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG deutlich gemacht, dass Tauschvorgänge, die aufgrund des zu weit gefassten Gesetzeswortlauts dem Gesetzeszweck zuwider eine Entstrickung der steuerlichen Reserven zur Folge hätten, (letztlich von vornherein) als missbräuchlich und eine (schlussendliche) Entstrickung als ungewollte Rechtsfolge bewertet worden seien. Aus dem Umstand, dass eine rückwirkende Gesetzesänderung nicht zulässig gewesen sei, könne nicht auf eine Billigung der missbräuchlichen Tauschvorgänge mit Steuerentstrickung für frühere Wertpapiere geschlossen werden.

Im Streitfall liege außerdem ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 Abs. 2 AO vor. Zur Beurteilung dessen sei hier auf die Gesamtinvestition abzustellen, zumal sich auch aus von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergebe, dass die einzelnen, in engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte von Anfang an als Gesamtinvestition geplant gewesen seien. Bezogen auf die Gesamtinvestition handele es sich hier um einen nicht wirtschaftlich bedingten Sachverhalt, der künstlich geschaffen worden sei und nur darauf ausgelegt gewesen sei, Steuern zu sparen, indem zum einen (hier: BULL-Zertifikate) ein künstlicher Verlust zur Verrechnung mit anderen steuerpflichtigen Kapitaleinkünften (…) erzeugt und gleichzeitig zum anderen (hier: BEAR-Zertifikate mit Wandlung in Warrants und weiterem Erwerb von Gold) Gewinne steuerfrei erzielt worden seien. Die hier vorliegende, sich gegenseitig kompensierende Gestaltung von Rechtsgeschäften sei ohne wirtschaftlichen Zweck bzw. unwirtschaftlich und eindeutig ein ungewöhnlicher, vom Gesetzgeber nicht beabsichtigter Weg, um die Entstehung von Abgeltungssteuer zu umgehen. Die Gesamtgestaltung selbst sei daher eindeutig unangemessen und nicht vergleichbar mit dem Recht auf eine möglichst steuersparende Gestaltung eines aus wirtschaftlichen Gründen getätigten Rechtsgeschäfts. Im Streitfall habe sich ein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil durch einen steuerlich verrechnungsfähigen Verlust von bis zu …….,xx € (=25% von x……..,xx €) ergeben sowie gleichzeitig ein (vermeintlich) steuerfreier Veräußerungsgewinn von x…….. €. Auf diese Weise werde von der Klägerin zwar ein tatsächlicher Verlust von mindestens ……. € (=x…….. € Verlust aus den BULL-Zertifikaten – x…….. € Gewinn aus der Einlösung der BEAR-Zertifikate, ohne Berücksichtigung von sonstigen Kosten) erwirtschaftet. Dem stehe jedoch die beabsichtigte Steuerersparnis i.H.v. …….,xx € gegenüber, was letztlich zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil i.H.v. …….,xx € führe. Außersteuerliche Gründe für die streitgegenständlichen Investitionen seien weder genannt worden noch anderweitig erkennbar. Eine Gestaltung, die, wie hier, überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck habe bzw. unwirtschaftlich sei, könne der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Dies folge hier auch daraus, dass, bezogen auf die Gesamtgestaltung, die Einkünfteerzielungsabsicht zu verneinen sei, da das Entstehen eines Verlustes nahezu zwingend sei. …Realistisch gesehen, sei … ein (ohnehin nur geringer) Gewinn nahezu unmöglich bzw. nur rein theoretisch (und damit vernachlässigbar [vgl. dazu auch Hessisches FG-Urteil vom 21.10.2020 4 K 1644/18]), da sich der Goldpreis in der Vergangenheit regelmäßig, wenn nicht immer, über einen längeren Zeitraum hinweg mehr als 1% nach oben oder unten verändert habe. Das Reißen der festgesetzten Grenze und der damit einhergehende Verlust sei somit regelrecht vorhersehbar und demnach angestrebtes Ziel des Investments gewesen. Kein sachverständiger Dritter bzw. gewissenhafter Unternehmer würde eine derartige Investition tätigen, um einen Gewinn zu erzielen. Der auf die Investition von x Millionen USD bezogene fiktive Jahreszinssatz betrage im Fall der – ohnehin unrealistischen – Seitwärtsbewegung (ohne Berücksichtigung von weiteren Ausgaben) bei einem Gewinn von xx…. USD und einer Laufzeit von 24 Tagen lediglich x,x % …). Dies könne keinesfalls als deutliche Übermarktverzinsung angesehen werden. Berücksichtige man noch angefallene Aufwendungen, soweit bekannt, etwa Abschlussgebühr für das Darlehen i.H.v. … CHF, Zinsen für das Darlehen i.H.v. xx…. USD, mindestens jedoch x…. USD (Ziff. 8.1 c) des Darlehensvertrags), Ausführungskosten für den Kauf der Zertifikate von insgesamt xx…. € (…), sei ein Gewinn auch für den Fall der Seitwärtsbewegung und damit – mit Bezug auf die Gesamtinvestition – die Einkünfteerzielungsabsicht ausgeschlossen. Dies bestätige auch noch einmal die, ohnehin nicht vollständige und teilweise unzutreffende, Zusammenstellung u.a. von Aufwendungen, die von der Klägerin … vorgelegt worden sei. Das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht bestätige wiederum das Fehlen wirtschaftlicher Gründe und damit das Vorliegen einer unangemessenen Gestaltung im Sinne des § 42 AO.

Im Falle eines – hier vorliegenden – Gestaltungsmissbrauchs im Sinne des § 42 AO sei der Sachverhalt so zu besteuern, als wenn eine angemessene Gestaltung gewählt worden wäre.

Unangemessen im Sinne des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO sei hier konkret die Zwischenschaltung der Optionsscheine (Warrants), da diese nur „Vehikel“ gewesen seien, um zu einer vermeintlichen Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG und im weiteren Fortgang zu einem Wechsel der Einkunftsart mit vom Gesetzgeber nicht gewollter Entstrickung der steuerlichen Reserven zu gelangen. Wäre daher nur die Anschaffung von physischem Gold mittels vorgeschalteter Wertpapiere die Absicht gewesen, ohne hieraus ungerechtfertigte Steuervorteile zu generieren, hätte die Klägerin eine Investition in derartige Wertpapiere getätigt, welche eine anschließende Lieferung von Gold beinhaltet hätten. Dies wäre eine angemessene Gestaltung gewesen. Da die Unangemessenheit in der Zwischenschaltung der Warrants liege, sei die Besteuerung derart vorzunehmen, als wäre eine Zwischenschaltung nicht erfolgt. Dies hätte die Entstehung eines (unter Beachtung der § 32d Abs. 4 EStG, § 20 Abs. 6 S. 5 i.V.m. § 43a Abs. 3 S. 4 EStG [Antrag Klägerin auf Einbeziehung in die tarifliche Einkommensteuer, Steuerbescheinigung der Bank]) verrechnungsfähigen Verlustes sowie eines steuerpflichtigen Gewinns zum Zeitpunkt des Zertifikattausches (BEAR in Warrants) zur Folge (§ 20 EStG) sowie einen späteren steuerfreien Veräußerungsgewinn (§ 23 EStG) betreffend den Verkauf des physischen Goldes. Da die entstandenen und dem Verlustverrechnungstopf der Bank zugeführten Verluste aus der Einlösung der BULL-Zertifikate zwischenzeitlich von der Klägerin mit anderweitigen Kapitaleinkünften in 2016 verrechnet worden seien, habe eine Verlustverrechnung in der streitgegenständlichen Einkommensteuerfestsetzung für 2015 nicht mehr vorgenommen werden können.

Alternative angemessene Gestaltung sei der direkte Erwerb von physischem Gold, wodurch die gesamte Konstellation mit den gegenläufigen BULL- und BEAR-Zertifikaten weggefallen wäre. Die Angemessenheit der Gestaltung liege hier v.a. darin, dass sich allein aus dem direkten Erwerb und späteren Verkauf von physischem Gold ohne vorherige defizitäre Investition in Wertpapiere die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Gewinns ergebe. Es wäre hier nur der Gewinn aus der Veräußerung von physischem Gold zu versteuern gewesen, der nach Ablauf der Haltefrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steuerfrei wäre. Der aus der Einlösung der BULL-Zertifikate resultierende Verlust wäre in diesem Fall nicht zur Verrechnung mit anderen Kapitaleinkünften in 2016 verfügbar und diese somit zu versteuern gewesen.

Schließlich hätte ein gewissenhafter Unternehmer eine solche Investition wegen der damit verbundenen Verluste und Kosten nicht getätigt. Die angemessene Gestaltung würde daher im Nichtabschluss der Rechtsgeschäfte liegen. Dann aber wären weder Gewinne zu versteuern noch Verluste zu berücksichtigen.

Mit Bezug auf die insgesamt zu betrachtende Gesamtinvestition, die hier in 2015 (unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen) sowohl zu einem Gewinn als auch zu einem Verlust geführt habe, wobei die Verrechenbarkeit des Verlustes aufgrund der Abschnittsbesteuerung sowie der Bindungswirkung für Folgejahre ausschließlich in 2015 zu beurteilen sei, sei zudem die Einkünfteerzielungsabsicht zu verneinen, nachdem hier die Möglichkeit einer tatsächlichen Gewinnerzielung bzw. Vermögensmehrung, wie bereits ausgeführt, von Beginn an nicht bestanden habe.

Außersteuerliche Gründe für die Investition seien von der Klägerin nicht genannt worden und lägen auch nicht vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2023, auf den im Einzelnen Bezug genommen wird, wurde der Klage stattgegeben. Das Finanzamt hat … fristgerecht Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 90a Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Finanzamts, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2023 Bezug genommen.

Aus den Gründen

 

II. Die Klage ist begründet. Im streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid sind zu Unrecht Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt. Diese sind auf Null € und die Einkommensteuer um ……. € (= 25% von x…….. €) zu mindern (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG findet hier Anwendung. Weder greift eine teleologische Reduktion noch liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO vor.

 

1. Der Tausch der BEAR-Zertifikate in Kaufoptionsscheine (Warrants) ist nach § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG steuerneutral. Positive Einkünfte aus Kapitalvermögen werden dadurch nicht erzielt. Eine teleologische Reduktion des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG scheidet aus.

 

a) Nach § 20 Abs. 4a Satz 3 Halbsatz 1 EStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung vom 25.07.2014 ist abweichend von Abs. 4 Satz 1 das Entgelt für den Erwerb einer Forderung als Veräußerungspreis der Forderung und als Anschaffungskosten der erhaltenen Wertpapiere anzusetzen, wenn der Inhaber einer sonstigen Kapitalforderung im Sinne des Abs. 1 Nr. 7 das Recht besitzt, bei Fälligkeit dieser anstelle der Zahlung eines Geldbetrags vom Emittenten die Lieferung von Wertpapieren zu verlangen oder aber der Emittent das Recht besitzt, bei Fälligkeit dem Inhaber anstelle der Zahlung eines Geldbetrags Wertpapiere anzudienen, und der Inhaber der Forderung oder der Emittent von diesem Recht Gebrauch macht. Soweit es auf die steuerliche Wirksamkeit einer Kapitalmaßnahme ankommt, ist auf den Zeitpunkt der Einbuchung in das Depot des Steuerpflichtigen abzustellen (§ 20 Abs. 4a Satz 6 EStG). Maßgeblich ist die zivilrechtliche Wirksamkeit, die ggf. nach ausländischem Recht zu beurteilen ist (Buge, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, § 20 EStG, Rn. 591). § 20 Abs. 4a EStG ist nach § 20 Abs. 8 Satz 2 EStG ausgeschlossen, soweit Einkünfte der in den Abs. 1, 2 und 3 bezeichneten Art zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören und diesen zuzurechnen sind.

 

b) Die BEAR-Zertifikate sind im Streitfall sonstige Kapitalforderungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) und keine Termingeschäfte (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG).

 

aa) Termingeschäfte sind allgemein – unabhängig von den weiteren spezifischen Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG – dadurch gekennzeichnet, dass die diesen zugrunde liegenden Verträge (z.B. über Wertpapiere, Devisen etc.) nach gleichartigen Bedingungen von beiden Seiten erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Ende der Laufzeit) zu erfüllen sind (zeitliches Auseinanderfallen von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft), wobei die Konditionen schon bei Abschluss des Geschäfts festgelegt werden, und die zudem eine Beziehung zu einem Terminmarkt haben, der es ermöglicht, jederzeit ein Gegengeschäft abzuschließen. Demgegenüber setzt der Anleger bei einem Kassageschäft sofort bzw. innerhalb der für diese Geschäfte üblichen Frist von zwei (Bankarbeits- oder Börsen-) Tagen (oder einer sonst vom Markt als Standardlieferfrist akzeptierten Zeit [vgl. z.B. Art. 7 Abs. 2 b) Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 vom 25.04.2016, Abl. 2017 L87, S. 1]) Barvermögen oder einen Kreditbetrag ein (BFH-Urteile vom 04.12.2014 IV R 53/11, BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rn. 22, 26; vom 06.07.2016 I R 25/14, BFHE 254, 326, BStBl II 2018, 124, Rn. 33; vom 21.02.2018 I R 60/16, BFHE 261, 35, BStBl II 2018, 637, Rn. 21; vom 08.12.2021 I R 24/19, BFHE 275, 316, Rn. 23; BFH-Beschluss vom 24.04.2012 IX B 154/10, BFHE 236, 557, BStBl II 2012, 454, Rn. 18; FG Berlin-Brandenburg-Urteil vom 14.04.2021 1 K 1142/19, juris, Rn. 20, 23-25; Bundesgerichtshof [BGH]-Urteile vom 18.12.2001 XI ZR 363/00, BGHZ 149, 294, Rn. 13, 17; vom 13.07.2004 XI ZR 178/03, BGHZ 160, 58, Rn. 13 ff.; MüKoBGB/Lehmann, IntFinanzMarktR Rn. 45; Levedag, in: Schmidt, Kommentar zum EStG, 42. Aufl. 2023, § 20 Rz. 166). Zertifikate sind regelmäßig keine Termingeschäfte, sondern strukturierte Finanzprodukte in Form einer Inhaberschuldverschreibung, die den Anspruch des Inhabers gegen den Emittenten auf Zahlung eines Geldbetrages verbriefen, dessen Höhe vom Stand der zugrunde gelegten Basiswerte (sog. Underlyings) abhängt (BGH-Urteile vom 13.07.2004 XI ZR 178/03, BGHZ 160, 58; vom 27.09.2011 XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119, Rn. 26, jeweils m.w.N.; BFH-Urteil vom 08.12.2021 I R 24/19, BFHE 275, 316, Rn. 23, 29). Sie unterfallen damit regelmäßig § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

 

bb) Sonstige Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind Forderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt; dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Sätze 1, 2 EStG). Unter den Begriff der Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen danach alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 oder 8 bis 11 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs.

Nicht unter den Begriff der Kapitalforderung fallen Ansprüche auf die Lieferung anderer Wirtschaftsgüter, insbesondere auf eine Sachleistung gerichtete Forderungen (BFH-Urteile vom 12.05.2015 VIII R 35/14, BFHE 250, 71, BStBl II 2015, 834; vom 12.05.2015 VIII R 19/14, BFH/NV 2015, 1559; vom 12.05.2015 VIII R 4/15, BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835 – jeweils m.w.N.; vom 29.10.2019 VIII R 16/16, BFHE 266, 550, BStBl II 2020, 254, Rn. 14 f.; vom 16.06.2020 VIII R 7/17, BFHE 269, 188, BStBl II 2021, 9, Rn. 11; s. auch BFH-Urteil vom 06.02.2018 IX R 33/17, BFHE 260, 485, BStBl II 2018, 525; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 20 Rn. C/7 10). Die Möglichkeit, statt einer Geldeine Sachleistung zu verlangen, ändert jedoch grundsätzlich nichts an dem Wesen einer auf eine Geldleistung ausgerichteten Forderung (vgl. BFH-Urteil vom 25.06.1974 VIII R 109/69, BFHE 113, 207, BStBl II 1974, 735), was im Ergebnis auch aus § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG folgt, wonach die Einstufung als sonstige Kapitalforderung unberührt bleibt, wenn der Inhaber das Recht besitzt, bei Fälligkeit anstelle der Zahlung eines Geldbetrags vom Emittenten die Lieferung von Wertpapieren zu verlangen und dieses Recht ausübt.

 

cc) Nach vorstehenden Grundsätzen stellen die BEAR-Zertifikate sonstige Kapitalforderungen und keine Termingeschäfte dar.

 

aaa) Der Erwerb der BEARwie auch der BULLZertifikate wurde hier als Kassageschäft vollzogen, bei dem der Leistungsaustausch unmittelbar durch Übertragung einer in Form einer Dauer-Globalurkunde wertpapiermäßig verbrieften Forderung der Klägerin gegen B. als Emittentin (vgl. dazu insbesondere § 7 Abs. 1 BEAR-Terms i.V.m. Art. 13 (1) BEG) am … Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von x…….. USD erfolgte, und die Emittentin der Klägerin bei Laufzeitende grundsätzlich einen Geldbetrag in Erfüllung der begründeten Forderung zurückzuzahlen hatte, der der Höhe nach von der Entwicklung eines Basiswertes (hier: Gold) abhängig war (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 04.12.2014 IV R 53/11, BFHE 248,57, BStBl. II 2015, 483 Rn. 22; BFH-Beschluss vom 24.04.2012 IX B 154/10, BFHE 236, 557 BStBl. II 2012, 454 Rn. 18; FG Berlin-Brandenburg-Urteil vom 14.04.2021 1 K 1142/19, juris, Rn. 23-25). Der Anspruch (Rückzahlungsbetrag) beträgt nach § 4 (1) BEAR-Terms bei Fälligkeit mindestens xx…. USD und höchstens x…….. USD pro Zertifikat. Selbst wenn man hier – ohne Gesamtbetrachtung der gegenläufigen, laufzeit- und betragsidentischen BULL- und BEAR-Zertifikate – nur von einem bedingten (Fort-) Bestand der Forderung aufgrund des möglichen nahezu vollständigen Kapitalverlusts von 97% (bzw. ggf. auch vollständigen Kapitalverlustes bei Realisierung des Emittenten-Risikos, etwa aufgrund dessen Zahlungsunfähigkeit) ausgeht, betrifft dies nicht die Ebene des Erfüllungsgeschäftes, sondern lediglich die Ebene der Realisierung der mit dem Kauf der Zertifikate erworbenen Forderung, so dass es auch dann an einem für das Vorliegen eines Termingeschäfts erforderlichen hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt fehlt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 08.12.2021 I R 24/19, BFHE 275, 316, Rn. 31 f.; vgl. ferner FG Münster-Urteil vom 29.09.2020 6 K 1176/17 E, EFG 2021, 198, Rn. 91, m.w.N.).

 

bbb) Dass die Klägerin in Ausübung des nach § 4 (1) 3b) BEAR-Terms vorgesehenen Rechts („Redemption Mechanism“) statt Geld tatsächlich die Kaufoptionsscheine (Warrants) erhielt, führt zu keiner anderen Bewertung. Mit der Ausübung des Rechts nach § 4 (1) 3b) BEAR-Terms und dem Tausch der BEAR-Zertifikate in Kaufoptionsscheine wird nicht der Vertrag über den Erwerb der Zertifikate, sondern die durch diese begründete Forderung erfüllt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 04.12.2014 IV R 53/11, BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rn. 22; FG Münster-Urteil vom 29.09.2020 6 K 1176/17 E, juris, Rn. 91), ohne dass darin ein terminierter, weil erst später erfüllter Anspruch auf Lieferung von Wertpapieren gesehen werden kann.

 

c) Mit Tausch der BEAR-Zertifikate in Kaufoptionsscheine (Warrants) in Ausübung des Rechts nach § 4 (1) 3) b) BEAR-Terms erwirbt die Klägerin auch Wertpapiere im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG.

 

aa) In der Rechtsprechung des BFH, der sich das Gericht anschließt, wird der im EStG nicht legal definierte Wertpapierbegriff unter Heranziehung des § 2 WpHG (bzw. § 1 Abs. 11 des Gesetzes über das Kreditwesen [KWG]) konkretisiert (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26.09.2012 IX R 50/09, BFHE 239, 95, BStBl II 2013, 231, Rn. 13; vom 11.02.2014 IX R 46/12, BFH/NV 2014, 1025, Rn. 23; vom 04.12.2014 IV R 53/11, BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rn. 25; vom 13.01.2015 IX R 13/14, BFHE 248, 340, BStBl II 2015, 827, Rn. 16; vom 08.12.2021 I R 24/19, BFHE 275, 316, Rn. 23 f.; BFH-Beschluss vom 24.04.2012 IX B 154/10, BFHE 236, 557, BStBl II 2012, 454, Rn. 14 ff.; FG Berlin-Brandenburg-Urteil vom 14.04.2021 1 K 1142/19, juris, Rn. 20).

 

aaa) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG (vgl. dazu auch § 1 Abs. 11 Satz 2 KWG) waren – zur Zeit der Einfügung des § 20 Abs. 4a EStG – bzw. sind Wertpapiere, auch wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind – bzw. im Falle von Sammelurkunden, wie hier Dauer-Globalurkunden, jedenfalls keine individuellen Urkunden ausgestellt sind (vgl. dazu auch § 9a Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren [DepotG]; ferner: BGH-Urteil vom 24.09.2015 IX ZR 272/13, BGHZ 207, 23-40, Rn. 14-16; BFH-Urteil vom 02.02.2022 I R 22/20, BFHE 276, 20, BStBl II 2022, 324, Rn. 29 f.) –, alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten (z.B. Bargeld), die ihrer Art nach auf den Finanz- bzw. Kapitalmärkten handelbar sind, unabhängig von einem tatsächlichen Handel (Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, b) Gemeinsame Merkmale von Wertpapieren i.S.d. WpHG, § 2 Rn. 11-13). Lediglich beispielhaft sind in § 2 Abs. 1 WpHG als Wertpapiere u.a. Schuldtitel genannt, insbesondere Genussscheine und Inhaber-, Orderschuldverschreibungen sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten, bzw. sonstige Wertpapiere, die z.B. zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird. Maßgeblich für die Kategorisierung sind in erster Linie die für ein Finanzprodukt geltenden Emissionsbedingungen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 24.04.2012 IX B 154/10, BFHE 236, 557, BStBl II 2012, 454, Rn. 18).

 

bbb) Da der Wertpapierbegriff nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG bereits begrifflich keine Beurkundung voraussetzt, ist ein weites Begriffsverständnis erkennbar. Nicht unmittelbar relevant für die Einordnung als Wertpapier im Sinne dieser Vorschrift kann daher sein, wie sich konkret Erwerb bzw. Übertragung vollziehen, ob etwa nach Sachenrecht, regelmäßig auf die Verbriefung (Urkunde) als maßgeblich abstellend, oder nach Schuldrecht, regelmäßig auf das jeweilige Forderungsrecht als maßgeblich abstellend (vgl. zu dem in Zusammenhang damit relevanten Unterschied zwischen dem Wertpapiersachstatut, welches von einer Verbriefung [Urkunde] in sachenrechtlicher Hinsicht beherrscht wird, und dem Wertpapierrechtsstatut [Hauptstatut], d.h. dem Statut des verbrieften Rechts Staudinger/Mansel (2015) Anhang zu Art. 43 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch [EGBGB], Rn. 23-25, 72 f.; MüKoBGB/Wendehorst Art. 43 EGBGB Rn. 200 f.), sofern Handelbarkeit und damit Übertragbarkeit gegeben sind (dazu Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, b) Gemeinsame Merkmale von Wertpapieren i.S.d. WpHG, Rn. 14). Dies folgt auch daraus, dass mit Bezug auf Einzelrechte gerade rein schuldrechtliche Positionen in Form von Buchrechten, -effekten an die Stelle von Wertpapieren mit gegenständlicher Verkörperung nur aus Gründen der Rationalisierung und der Vereinfachung eines global ausgerichteten Handels treten (vgl. dazu etwa MüKoBGB/Wendehorst Art. 43 EGBGB Rn. 211, 213 ff., 248 ff., 266), und steht zudem in Einklang mit depotrechtlichen Regelungen (etwa insbesondere §§ 5-9a, § 17a, § 24 DepotG). Ob und nach welchem Recht bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Finanzprodukt wirksam übertragen wird, berührt damit nicht unmittelbar die Kategorisierung als Wertpapier und damit auch nicht das Verständnis des Wertpapierbegriffs im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG i.V.m. § 2 WpHG (bzw. § 1 KWG), was auch im Fall eines ausländischen Investments gilt (vgl. MüKoBGB/Wendehorst Art. 43 EGBGB Rn. 219 f.; BT-Drucks. 16/10189, S. 50, auch Auslandsfälle einbeziehend). Allenfalls kann davon die – hier nicht in Streit stehende – Zurechnung eines Finanzprodukts zum Steuerpflichtigen auch in zeitlicher Hinsicht (etwa i.V.m. § 20 Abs. 4a Satz 6 EStG) berührt sein.

 

bb) Nach vorstehenden Grundsätzen stellen die Kaufoptionsscheine (Warrants) im Streitfall Wertpapiere im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG dar.

 

aaa) Die gattungsmäßig, d.h. standardisierten, 38 Einheiten umfassenden Warrants sind in Form einer Dauer-Globalurkunde verbriefte (vgl. dazu § 2 (2) Warrant-Terms; …), handelbare Finanzinstrumente mit einer eigenen ISIN bzw. WKN, die den Anleger berechtigen, aber nicht verpflichten, zu bereits von vornherein festgelegten Bedingungen Gold zu erwerben, bzw. ihn (jedenfalls) alternativ berechtigen, einen auf die Entwicklung des Goldpreises referenzierenden Betrag in bar zu erhalten. Die Warrants – hier in Form einer Call-, d.h. Kaufoption, auf steigende Goldkurse setzend – weisen damit typische Elemente von Optionsscheinen auf (vgl. auch § 2 (3) Warrant-Terms) und erfüllen die allgemeinen Voraussetzungen des Wertpapierbegriffs nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG (vgl. zur Qualifizierung von Optionsscheinen bzw. „warrants“ als Wertpapiere nunmehr auch BMF-Schreiben vom 19.05.2022, BStBl I 2022, 742 Rn. 8 unter Einbeziehung des vom Finanzamt zitierten BMF-Schreiben vom 03.06.2021, BStBl I 2021, 723 [nur Optionsanleihen, die gekennzeichnet sind durch das Fortbestehen des Rechts auf Rückzahlung des Nominalbetrags trotz Ausübung der Option – vgl. dazu Buge, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, § 20 EStG Rn. 476 –, nicht aber Optionsscheine vom Wertpapierbegriff ausscheidend]; LG Bonn-Urteil vom 27.03.2009 27 KLs 11/08, Rn. 11 ff.; Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, b) Gemeinsame Merkmale von Wertpapieren i.S.d. WpHG, § 2 Rn. 37).

 

bbb) Unmaßgeblich nach vorstehenden Grundsätzen ist, dass die Lieferung und Abrechnung von Kaufoptionsscheinen (Warrants) nach Hinterlegung der Dauer-Globalurkunde ausweislich § 2 (4) Satz 2 Warrant-Terms i.V.m. Art. 3 Satz 1 BEG unter Begründung schuldrechtlicher Forderungsrechte (§ 7 Abs. 1 Warrant-Terms i.V.m. Art. 13 (1) BEG) im Effektengiroverkehr erfolgt. Bucheffekten im Sinne des BEG, die nach Art. 6 (1) b BEG durch Hinterlegung einer Globalurkunde und Gutschrift auf einem Effektenkonto begründet werden, repräsentieren ein Wertpapier in Form einer Globalurkunde (Art. 5 f BEG, Art. 973b (2) S. 1 OR), durch die gerade die Verkehrsfähigkeit erweitert, nicht aber der an den Wertpapiercharakter geknüpfte Schutzstatus, auch in kapitalmarktrechtlicher Hinsicht für Anleger bzw. in Hinblick auf eine hinreichend transparente Abgrenzung einer Rechtsposition gegenüber Dritten, vermindert werden soll. Durch die Hinterlegung der Dauer-Globalurkunde ist hier zudem eine Abgrenzung zu Wertrechten gegeben, die nur in Form buchmäßiger Aufzeichnungen bestehen (vgl. zur Differenzierung etwa Art. 2 (1) Nrn. 3, 4 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 vom 23.07.2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ABl. L 257/1; ferner: MükoBGB/Wendehorst, Art. 43 EGBGB Rn. 210 ff.).

 

ccc) Zudem bestimmen sich im Schweizer Recht Begriff und anwendbares Recht für – wie hier – intermediärverwahrte Wertpapiere nach dem Haager Übereinkommen über die auf be-stimmte Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung vom 05.07.2006 (Art. 108a, 108c des Schweizer Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 18.12.1987 i.d.F. vom 01.07.2014 [nachfolgend: IPRG] i.V.m. dem Haager Übereinkommen, jeweils verfügbar unter https://www.fedlex.admin.ch). Nach Art. 1 (1) f) des Haager Übereinkommens bezeichnen „intermediärverwahrte Wertpapiere“ … die Rechte eines Depotinhabers, die sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergeben“. Wertpapiere sind nach Art. 1 (1) a) des Haager Übereinkommens „Aktien, Schuldverschreibungen, andere Finanzinstrumente, Finanzanlagen (ausgenommen Barguthaben) oder Rechte daran“. Die Kaufoptionsscheine (Warrants) stellen somit nach Schweizer Recht Wertpapiere dar. Da nach § 2 (4) Satz 3, § 12 (1) Warrant-Terms Schweizer Recht maßgeblich ist, v.a.für Form und Inhalt der Warrants, somit für das Wertpapierrechtstatut (Staudinger/Mansel (2015) Anhang zu Art. 43 EGBGB, Rn. 23 ff., 72, 84), ist diese Qualifizierung auch für das deutsche Recht maßgeblich, zumal Kollisionsregeln des deutschen Rechts die Zulässigkeit einer entsprechenden Rechtswahl nicht ausschließen. Art. 43 EGBGB regelt nicht das Wertpapierrechtsstatut, sondern das – für die Bestimmung des Statuts der Kaufoptionsscheine hier, da nach Maßgabe des BEG und nicht nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen bzw. geliefert – nicht maßgebliche Wertpapiersachstatut (s. dazu bereits Ziff. II 1 c) aa) bbb); ferner: Staudinger/Mansel (2015) Anhang zu Art. 43 EGBGB, Rn. 29). § 17a DepotG regelt nur das auf Verfügungen über Wertpapiere bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen anwendbare Recht, nicht aber das für Form und Inhalt (Rechtsstatut) maßgebliche Recht.

 

ddd) Die Reglung in Art. 16 Satz 2 BEG, wonach ein von der Verwahrungsstelle verlangter Ausweis über die einem Effektenkonto gutgeschriebenen Bucheffekten keine Wertpapiereigenschaft zukommt, spricht hier nicht gegen die Einordnung der Kaufoptionsscheine als Wertpapier. Es würde dem Wesen einer Globalurkunde als maßgebliche Verbriefung auch der damit in Zusammenhang stehenden Einzelrechte widersprechen, würde man auch einem Depotausweis als Papier Wertpapiercharakter zukommen lassen. Der Buchung auf einem Effektenkonto mit entsprechendem Ausweis dieser kommt danach nur Beweiswirkung, aber keine rechtsbegründende Wirkung zu.

 

eee) Für die Kategorisierung als Wertpapier ist ferner unmaßgeblich, dass gemäß den Emissionsbedingungen (Warrant-Terms) nach dem Ermessen der Klägerin entweder ein Barausgleich („cash settlement“) oder die Lieferung des Basiswertes („physical settlement“) verlangt werden kann. Dass in § 2 Abs. 1 Nr. 3b) WpHG bei der Beschreibung des Begriffs „Schuldtitel“ darauf abgestellt wird, dass (sonstige) Wertpapiere zu einer Barzahlung führen, ist unmaßgeblich, da es sich zum einen um keine exklusive, d.h. andere Formen von Schuldtiteln als Wertpapiere ausschließende Definition handelt (vgl. dazu Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, b) Gemeinsame Merkmale von Wertpapieren i.S.d. WpHG, § 2 Rn. 25 f., 37), und zum anderen die Kaufoptionsscheine (alternativ) auch zu einer Barzahlung („cash settlement“) berechtigen. Auch wenn im – hier tatsächlich realisierten – weiteren Fortgang es dazu kommen kann, dass steuerliche Reserven nicht versteuert werden, wenn es zur Lieferung des Basiswerts kommt und dieser – hier: Gold – erst nach Ablauf der Haltefrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG veräußert wird, kann dies nicht zu einer einschränkenden Auslegung des Wertpapierbegriffs führen, sondern allenfalls im Rahmen einer teleologischen Reduktion der Vorschrift berücksichtigt werden.

 

d) § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG ist hier aber nicht teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die Regelung im Streitfall unangewendet bleibt.

 

aa) Eine teleologische Reduktion zielt darauf, den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht auf ihren Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten Wortlaut einzuschränken. Sie ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Ihre Aufgabe ist es daher nicht, das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich – gemessen an seinem Zweck bzw. der ihm immanenten Teleologie, wie objektiv zum Ausdruck kommend – noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist. Vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt sein kann (BFH-Urteile vom 26.06.2007 IV R 9/05, BFHE 219, 173, BStBl II 2007, 893, Rn. 27; vom 04.12.2014 IV R 53/11, BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rn. 20; vom 12.06.2018 VIII R 14/15, BFHE 262, 66, BStBl II 2018, 755, Rn. 32; vom 14.05.2019 VIII R 20/16, BFHE 264, 459, BStBl II 2019, 586 Rn. 28 m.w.N.; vom 30.11.2022 VIII R 15/19, Rn. 36, juris; vom 30.11.2022 VIII R 30/20, juris, Rn. 21; vom 09.03.2023 IV R 25/20, juris, Rn. 18; FG München-Urteil vom 10.07.2019 7 K 1253/17, juris, Rn. 41). Nur dann ist eine Auslegung ausnahmsweise gegen den Gesetzeswortlaut möglich oder aber, wenn sonst anerkannte Auslegungsmethoden dies verlangen (BFH-Urteil vom 04.12.2014 IV R 53/11, BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483, Rn. 20 m.w.N.). Dabei ist auch maßgeblich auf die Wertungen des Gesetzes, insbesondere dessen Entstehungsgeschichte, zurückzugreifen (BFH-Urteile vom 22.09.2011 IV R 3/10, BFHE 235, 346, BStBl II 2012, 14, Rn. 21; vom 03.12.2019 VIII R 34/16, BFHE 267, 232, BStBl II 2020, 836, Rn. 27).

 

bb) Nach vorstehenden Grundsätzen scheidet eine teleologische Reduktion des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG mangels feststellbaren sinnwidrigen Ergebnisses unter besonderer Berücksichtigung von Gesetzeshistorie und Wortlaut aus.

 

aaa) § 20 Abs. 4a EStG wurde eingefügt durch Art. 1 Nr. 11 Buchst. b des Gesetzes vom 19.12.2008, BGBl. I 2794. Grund dafür war, die Abgeltungsteuer insbesondere in Zusammenhang mit liquiditätslosen, gesellschaftsrechtlich veranlassten Kapitalmaßnahmen, v.a. auch in Zusammenhang mit in Auslandsfällen kaum feststellbaren Veräußerungszeitpunkten bzw. -preisen, praktikabel auszugestalten (BT-Drs. 16/10189, S. 50; 16/11108, S. 16; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 20 EStG Rn. Fa 5 ff.). Der Regelung lag der Gedanke einer dauerhaften Verstrickung steuerlicher Reserven bis zu einer zukünftigen Veräußerung gegen Geldzahlung zugrunde (BT-Drs. 16/10189, S. 50; BFH-Urteil vom 09.05.2017 VIII R 54/14, BFHE 258, 111, BStBl II 2018, 262, Rn. 19). Während ursprünglich nur der Tausch in Aktien erfasst war (BT-Drs. 16/10189, S. 9), wurde Satz 3 im weiteren Gesetzgebungsverfahren allgemein auf Wertpapiere erweitert (BT-Drs. 16/11108, S. 16). Durch Art. 1 Nr. 16 Buchst. c) bb) des Gesetzes vom 08.12.2010, BGBl. I 1768 wurde Satz 3 des § 20 Abs. 4a EStG nochmals erweitert, indem statt auf die Rückzahlung des Nominalbetrags (als Inhalt der sonstigen Kapitalforderung) auf die Zahlung eines Geldbetrags bzw. statt auf die Lieferung einer vorher festgelegten Anzahl von Wertpapieren nur mehr auf eine Lieferung von Wertpapieren abgestellt wurde. Es sollten damit insbesondere auch Vollrisikozertifikate, bei denen die Wertentwicklung von der Entwicklung eines Basiswerts (z.B. eines Indexes) abhängig ist und bei denen sowohl die Rückzahlung des Kapitals als auch die Erzielung von Erträgen unsicher ist, erfasst werden (BT-Drs. 16/4841, S. 54, 56; 17/2249, S. 53; vgl. auch BMF-Schreiben, BStBl I 2016, 85 Rz. 105 bzw. BStBl I 2022, 742 Rn. 105; ferner: BFH-Urteil vom 20.11.2018 VIII R 37/15, BFHE 263, 169, BStBl II 2019, 507, Rn. 23 m.w.N.).

Ohne Rückwirkung erst für nach dem 31.12.2020 angediente Wertpapiere (§ 52 Abs. 28 S. 19 EStG) wurde der Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG auf Wertpapiere im Sinne des – unverändert gebliebenen – § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG eingeschränkt (Art. 1 Nr. 9 a) aa) des Gesetzes vom 21.12.2020, BGBl. I 3096). Begründet wurde dies damit, dass die Erfahrung der Praxis in den letzten Jahren gezeigt habe, dass § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG „zu missbräuchlichen Steuergestaltungen genutzt“ worden sei, bei denen es Ziel sei, bei den Einkünften aus Kapitalvermögen einerseits voll abzugsfähige Verluste und andererseits steuerfreie Gewinne in ähnlicher Höhe zu erzeugen. Um solche „vom Gesetzgeber nicht gewollte Missbräuche“ bzw. dieses „Steuerschlupfloch zu schließen“, müsse § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG – entsprechend der ursprünglichen Zielrichtung – auf den Eintausch in Aktien beschränkt werden (BR-Drs. 503/20, S. 22 f.; BT-Drs. 19/25160, S. 190).

 

bbb) Gerade bei – mit Ausnahme der Zahlung des den Wert der Kaufoptionsscheine (Warrants) aber nicht hinreichend abbildenden Ausübungspreises von insgesamt x…….. USD – liquiditätslosen Maßnahmen, wie hier der Tausch der BEAR-Zertifikate in Kaufoptionsscheine, und Auslandsbezug trägt eine Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung dem Wortlaut und auch der gesetzgeberischen Intention Rechnung, da in solchen Fällen nicht das Erfordernis der Findung adäquater Ersatzwerte bestehen soll, umso mehr als aufgrund des globalen Kapitalmarktes auch die Schwierigkeit gegeben war bzw. ist, mit einem vertretbaren Aufwand überhaupt an geeignete Informationen dafür zu kommen. Dass die der Regelung unterfallenden Fallkonstellationen weit zu fassen waren, kommt objektiv dadurch zum Ausdruck, dass § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens 2008 ausdrücklich auf Wertpapiere allgemein und in 2010 nochmals erweitert wurde. Ein sinnwidriges, eine teleologische Reduktion rechtfertigendes Ergebnis bei Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG kann daher unter besonderer Berücksichtigung von Wortlaut und Entstehungsgeschichte nicht festgestellt werden.

 

ccc) Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass sich der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Gedanke einer dauerhaften Verstrickung steuerlicher Reserven in der Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG nicht objektiviert niedergeschlagen hat (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 15.11.2022 VIII R 21/19, BStBl II 2023, 567, Rn. 21). Anders als in § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG, wie etwa auch an anderer Stelle des EStG (z.B. in § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1, § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, § 16 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 EStG), ist in § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG gerade nicht ausdrücklich das Fortbestehen eines Besteuerungsrechts als Voraussetzung für die Anwendbarkeit normiert.

 

ddd) Zudem regelt § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG, dass abweichend von § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG das Entgelt für den Erwerb der Forderung als Veräußerungspreis der Forderung und als Anschaffungskosten der erhaltenen Wertpapiere anzusetzen ist, was im Ergebnis den steuerneutralen Austausch bewirkt. Anders als die in § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG beim Anteilstausch zum Ausdruck kommende „Fußstapfentheorie“, nach der die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile treten, sind die nach § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG erlangten Wertpapiere damit als neu angeschafft zu sehen (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 01.10.2014 IX R 55/13, BFHE 247, 397, BStBl II 2015, 265 Rn. 21; Hamacher; Dahm, in: Korn, Kommentar zum EStG, § 20, Rn. 415; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 20, Rn. Fa 41, 49). Die steuerliche Beurteilung der nach § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG erlangten Wertpapiere bei deren weiteren „Verwertung“ bzw. Realisation ist damit auch nach der konkreten Regelungstechnik des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG grundsätzlich eigenständig zu beurteilen, was ebenfalls dagegen spricht, die Anwendung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG teleologisch auf die Fälle zu reduzieren, in denen eine (dauerhafte) Verstrickung steuerlicher Reserven, auf welchem verfahrenstechnischen Weg auch immer, gewährleistet ist.

 

eee) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass konkret mit Bezug auf die hier streitgegenständliche Konstellation die Kaufoptionsscheine (Warrants) zum Zeitpunkt ihres Erwerbs der Besteuerung nicht entzogen waren. Mindestens nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (innerhalb der Haltefrist) oder im Fall des Barausgleichs („cash settlement“) als § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Satz 2 EStG unterfallende Einlösung bzw. Rückzahlung, bestand weiterhin eine Steuerbarkeit und konnte so auch der Gesetzeszweck einer Vereinfachung des Abgeltungssteuerverfahrens mit zeitlicher Verlagerung des Besteuerungszeitpunkts erreicht werden. Eine „Entstrickung“ fand damit mit Ausübung des Wahlrechts nach § 4 (1) 3b) der BEAR-Terms nicht statt.

 

fff) Eine teleologische Reduktion des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG kommt auch nicht in Hinblick darauf in Betracht, dass die Regelung in Zusammenhang mit der Einführung der Abgeltungssteuer und des damit verbundenen Systemwechsels hin zu einer möglichst umfassenden Besteuerung realisierter Wertänderungen steht. Die Besteuerung von Kapitalmaßnahmen, z.B. der in § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG alte Fassung (a.F.) geregelten Termin- und Optionsgeschäfte, war nach altem Recht vielfach abhängig von Haltefristen. Dies wurde durch die mit Wirkung ab 01.01.2009 erfolgte Neuregelung der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. des § 23 EStG nicht vollständig abgelöst. Einzelne Kapitalmaßnahmen, wie z.B. Termingeschäfte, die nicht auf einen Differenzausgleich im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG, sondern auf die Lieferung von Basiswerten ausgerichtet sind, sind auch weiterhin allein nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG und damit (nur) innerhalb bestehender Haltefristen zu beurteilen (vgl. dazu etwa Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 20 Rn. Fa 10; s. ferner: BFH-Urteil vom 24.10.2017 VIII R 35/15, BFHE 259, 540, BStBl II 2018, 189, Rn. 22). Eine Kollisionsregelung im Verhältnis zu den Einkünften aus § 23 EStG findet sich in § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG nicht. Dementsprechend ist auch die Anwendung des § 20 Abs. 4a EStG im Verhältnis zu § 23 EStG, d.h. bei einem Wechsel der Einkunftsart zu § 23 EStG, nach der im Gesetz angelegten Systematik nicht ausgeschlossen.

 

ggg) Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen erweist sich § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung gemessen an seinem Zweck bzw. der ihm immanenten Teleologie (keine Besteuerung liquiditätsloser Maßnahmen) wie auch dem Wortlaut und der Gesetzeshistorie nicht als zu weit und scheidet eine teleologische Reduktion daher aus. Rechtspolitisch unerwünschte Effekte dieser Regelung, wie sie im Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2020 aufgegriffen wurden, können keine Grundlage für eine teleologische Reduktion sein.

 

hhh) Die Ausführungen des Finanzamts … dazu führen zu keiner anderen Bewertung.

 

(1) Soweit darin auf das BFH-Urteil vom 09.05.2017 VIII R 54/14, BFHE 258, 111, BStBl II 2018, 262, dort v.a. Rn.19, verwiesen wird, folgt gerade aus diesem, dass die Regelung des § 20 Abs. 4a EStG eine Einkünfteermittlungsvorschrift darstellt, die ein Besteuerungsrecht (und damit eine fortgesetzte Steuerverstrickung) voraussetzt, dieses (bzw. diese) aber nicht begründen kann (s. Rn. 18 f. des BFH-Urteils vom 09.05.2017 VIII R 54/14, BFHE 258, 111, BStBl II 2018, 262). Wie bereits unter II 1 d) bb) eee) dargelegt, bestand im Streitfall zum Zeitpunkt des Tauschvorgangs BEAR-Zertifikate in Warrants noch ein Besteuerungsrecht. Dass dieses im Streitfall letztendlich nicht realisiert worden ist, beruht maßgeblich auf der gesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 8 EStG sowie des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

 

(2) Ferner verweist des Finanzamts im Schriftsatz vom … darauf, dass die Voraussetzung einer dauerhaften Verstrickung steuerlicher Reserven in § 20 Abs. 4a EStG hinreichend objektiviert zum Ausdruck komme und eine teleologische Reduktion nicht nur rechtfertige, sondern notwendig mache, was sich, wie auch der BFH in seinem Urteil vom 15.11.2022 VIII R 21/19 (BStBl II 2023, 567 Rn. 21) betont habe, auch aus der von Anfang an eindeutigen Gesetzesbegründung ergebe. Wie bereits unter Ziff. II 1 d) aa) ausgeführt, ist allgemeine methodische Voraussetzung einer teleologischen Reduktion, dass Zweck bzw. immanente Teleologie einer gesetzlichen Regelung objektiv im gesetzlichen Tatbestand zum Ausdruck kommen müssen. Anhaltspunkte dafür können sich auch aus der Gesetzesbegründung bzw. -historie ergeben. Dabei ist aber zu unterscheiden zwischen dem Gesetzeszweck als möglicher Grundlage für eine teleologische Reduktion und (eventuell weitergehenden, damit verbundenen) rechtspolitischen Motiven bzw. Gesichtspunkten, die keine zulässige Grundlage für eine teleologische Reduktion sind. Der Zweck der Regelung des § 20 Abs. 4a EStG, der auch objektiv im Gesetzeswortlaut sowie in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommt, besteht in der vereinfachten und praktikablen Durchführung der Abgeltungssteuer bzw. der Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts, wenn eine vereinfachte und praktikable Durchführung der Abgeltungssteuer andernfalls nicht möglich ist. Dafür wurde (bewusst), wie die Gesetzgebungshistorie zeigt, ein weiter Gesetzeswortlaut gewählt. Dass der Gesetzgeber (rechtspolitisch) auch bei einer Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts in Anwendung des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG letztlich nicht auf die Besteuerung verzichten wollte, kommt als rechtspolitisches Ziel zwar in den Begründungen zur Einführung bzw. den Änderungen des § 20 Abs. 4a EStG zum Ausdruck, nicht aber im gesetzlichen Tatbestand des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG. Dazu wird v.a. auf die Ausführungen unter Ziff. II 1 d) bb) ccc) und ddd) verwiesen. Letztlich auch aus diesem Grunde dürfte sich der Gesetzgeber im Gesetz vom 21.12.2020 zu einer Korrektur des Gesetzeswortlauts entschieden haben (vgl. dazu auch die Ausführungen unter Ziff. II 1 d) bb) aaa)). Wäre das rechtspolitische Ziel einer (dauerhaften) Sicherung der Besteuerung bereits hinreichend objektiviert in § 20 Abs. 4a S. 3 EStG zum Ausdruck gekommen, hätte es dieser Gesetzeskorrektur nicht zwingend bedurft bzw. wäre dann ggf. auch eine steuerliche Rückwirkung dieser mangels durch tatsächliche Entstrickung verfassungsrechtlich zu schützenden Vertrauenstatbestandes in Betracht gekommen (s. dazu etwa BFH-Urteil vom 09.05.2017 VIII R 54/14, BFHE 258, 111, BStBl II 2018, 262, Rn. 22).

 

iii)) Eine zusammenfassende Betrachtung der Gesamtinvestition der Klägerin (Erwerb der BULL-, BEAR-Zertifikate, Ausbuchung der BULL-Zertifikate gemäß § 4 (1) 2 BULL-Terms, Umtausch der BEAR-Zertifikate nach § 4 (1) 3b) BEAR-Terms in Kaufoptionsscheine (Warrants), Ausübung des Wahlrechts der Kaufoptionsscheine in Form der Lieferung des Basiswerts und anschließende Veräußerung des Basiswerts sowie ferner des Abschlusses von Kauf-, Verkaufsoptionen zur Absicherung der Goldpreisentwicklung) mit dem Ergebnis steuerlich verrechenbarer Verluste aus den BULL-Zertifikaten und steuerfreier bzw. „steuerentstrickter“ Gewinne in Zusammenhang mit den BEAR-Zertifikaten ist zur Beurteilung der Frage, ob die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG als zu weitgehend teleologisch zu reduzieren ist, weder zulässig noch geboten. Auch bei Bestehen einer Gesamtinvestitionsstrategie, wie sie hier etwa in der Beschreibung der Investition durch B. bzw. in der „Vereinbarung“ mit Datum … zum Ausdruck kommt, handelt es sich um rechtlich (und auch wirtschaftlich) selbständige Geschäfte bzw. Schritte, die unterschiedliche Besteuerungstatbestände erfüllen und damit keiner steuerrechtlichen Gesamtsaldierung unterliegen (vgl. dazu auch BFH-Urteile vom 28.11.1990 X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300, Rn. 22 ff.; vom 20.08.2013 IX R 38/11, BFHE 242, 386, BStBl II 2013, 1021, Rn. 33 f.; vom 11.02.2014 IX R 46/12, BFH/NV 2014, 1025, Rn. 26; vom 10.02.2015 IX R 8/14, BFH/NV 2015, 830, Rn. 11 f.). Zudem bedurfte es zu verschiedenen Zeitpunkten – etwa Ausübungserklärung die BEAR-Zertifikate betreffend am …, Ausübungserklärung die Kaufoptionsscheine (Warrants) betreffend am … – Entscheidungen bzw. Erklärungen der Klägerin und der Bezahlung weiterer Kosten (etwa des Ausübungspreises für die Lieferung des Basiswertes oder aber der Stillhalterprämie für die Verkaufsoption), was ebenfalls gegen eine Gesamtsaldierung spricht.

 

2. Ein Ansatz positiver Kapitalerträge, wie im streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid erfolgt, ist in 2015 auch nicht mit Bezug auf die Ausübung der Kaufoptionsscheine (Warrants) gerechtfertigt.

 

a) Es handelt sich nicht um ein Termingeschäft im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG.

 

aa) Es ist weder ein Differenzausgleich noch ein sonstiger Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) EStG geschuldet.

 

aaa) Entsprechend seinem Wortlaut gilt § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a) EStG nur für solche Termingeschäfte, die auf die Erlangung eines Differenzausgleichs oder eines durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrags oder Vorteils und nicht auf die tatsächliche („physische“) Lieferung des Basiswertes am Ende der Laufzeit gerichtet sind (so ausdrücklich BFH-Urteile vom 06.07.2016 I R 25/14, BFHE 254, 326, BStBl II 2018, 124, Rn. 35 f., 39 ff.; vom 24.10.2017 VIII R 35/15, BFHE 259, 540, BStBl II 2018, 189, Rn. 13 ff.; vom 09.02.2023 IV R 34/19, Rn. 23 m.w.N., juris, zur wortgleichen Formulierung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 20 Rn. D/3 3, D 3/19). Einen Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a) EStG erlangt derjenige, der mit dem Erwerb der Option das (bedingte) Recht auf einen Barausgleich erwirbt, egal ob er den Barausgleich im Fall einer für ihn günstigen Wertentwicklung durchführt oder ob er im Fall einer für ihn ungünstigen Wertentwicklung das Recht verfallen lässt. Schließt der Steuerpflichtige mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, ein entsprechendes Termingeschäft ab, so ist jedweder Ausgang des Geschäfts ohne zeitliche Beschränkung in vollem Umfang steuerbar (so BFH-Urteil vom 12.01.2016 IX R 48/14, BFHE 252, 423, BStBl II 2016, 456, Rn. 18 f.). Mit der Regelung wird im Wesentlichen der bisherige § 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG a.F. (in der Fassung vom 22.12.1999) abgebildet, nicht aber Satz 2 des § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG a.F., wonach im Wege der gesetzlichen Fiktion Zertifikate, die Aktien vertraten, und Optionsscheine als Termingeschäfte im Sinne des Satzes 1 galten (vgl. dazu auch Buge, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, § 20 EStG Rn. 470 f.; ferner: Ziff. II 2 a) aa) bbb) (3)).

 

bbb) Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a) EStG nicht gegeben.

 

(1) Das „cash settlement“ (Barausgleich) und das „physical settlement“ (Anspruch auf Liefeung des Basiswerts) stehen gleichrangig nebeneinander, so dass das Geschäft von vornherein (mindestens auch) auf die Lieferung des Basiswerts gerichtet ist und letzteres auch realisiert worden ist. Das „physical settlement“ aber bildet keinen Differenzausgleich ab, was an-gesichts der Formulierung in § 4 (1) Warrant-Terms im Übrigen auch für den Fall des Barausgleichs gegolten hätte. Dementsprechend wurde dem Metallkonto der Klägerin bei Endfälligkeit der Kaufoptionsscheine (Warrants) auch der Basiswert in voller Höhe gutgeschrieben, was keinen Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a) EStG darstellt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 06.07.2016 I R 25/14, BFHE 254, 326, BStBl II 2018, 124, Rn. 36). Der Basiswert (Basispreis) bestimmte sich dabei allein nach der „Ratio“, d.h. dem Verhältnis von x…….. USD zu dem am Ausübungstag („Strike Date“) – hier: … – geltenden Basiswert. Dessen spätere Entwicklung (Kurswert bzw. Marktpreis des Basiswerts) bis zum … („Expiration Date“) bzw. … („Maturity Date“) war danach nicht relevant für die Bestimmung der Menge physischen Goldes („Physical Settlement Amount“, hier: x….,xx Unzen), sondern nur für den „inneren Wert“ der Kaufoptionsscheine (Warrants) (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 12.05.2015 VIII R 4/15, BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835, Rn. 12). Stieg der Goldpreis (Kurswert) seit dem …, bekam die Klägerin x….,xx Unzen zu einem „günstigeren Preis“ und waren die Kaufoptionsscheine damit „wertvoller“. Fiel der Goldpreis, kaufte die Klägerin die x….,xx Unzen ggf. „zu teuer“ ein und waren die Kaufoptionsscheine „weniger wert“. Insbesondere für letzteren Fall, v.a. bei einem erheblichen Verfall des Goldpreises, wäre möglicherweise die Wahl des Barausgleichs trotz der zusätzlichen Gebühr von ……. USD pro Kaufoptionsschein bezogen auf den Fälligkeitszeitpunkt wirtschaftlicher gewesen.

 

(2) Zwar kann bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Termingeschäft mit Differenzausgleich auch dann vorliegen, wenn vor Fälligkeit eines auf tatsächliche Lieferung ausgerichteten Eröffnungsgeschäfts (z.B. Lieferung bestimmter Devisen zu einem vereinbarten Preis am Tag X) ein Gegengeschäft (z.B. Rücktausch dieser Devisen zum Tageskurs am Tag X) vereinbart wird. Allerdings müssen beide Geschäfte derart miteinander verknüpft sein, dass der auf die Realisierung einer Differenz aus Eröffnungs- und Gegengeschäft gerichtete Wille der Vertragsbeteiligten erkennbar ist (BFH-Urteil vom 20.11.2018 VIII R 37/15, BFHE 263, 169, BStBl II 2019, 507, Rn. 11 m.w.N.; ferner: BFH-Urteil vom 12.01.2016 IX R 48/14, BFHE 252, 423, BStBl II 2016, 456, Rn. 16; Buge, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, § 20 EStG Rn. 472). Dies gilt im Streitfall jedoch allenfalls für die Kauf- und Verkaufsoption vom …, die aber von den Kaufoptionsscheinen (Warrants) getrennt zu betrachten sind, zumal erst nach bzw. mit Wahl des „physical settlement“ zur Absicherung der Entwicklung des Marktpreises von Gold abgeschlossen (vgl. dazu auch Geurts, in: Bordewin/Brandt, Kommentar zum EStG, § 20 Rn. 710; Hamacher; Dahm, in: Korn, Kommentar zum EStG, § 20 Rn. 347; Johannemann/Reiter, DStR 2015, 1489, 1491 f.).

 

(3) Ungeachtet der Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a) EStG können nicht auf Differenzausgleich ausgerichtete Termingeschäfte, hier in Form von Optionsscheinen, die auch nach bisherigem Recht nicht ohne ausdrückliche Gesetzesfiktion (§ 23 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F.) unter einen entsprechenden Tatbestand subsumierbar waren, weiterhin (nur) nach § 23 Satz 1 Nr. 2 EStG (als subsidiäre Auffangregelung) steuerbar sein (vgl. dazu etwa BFH-Urteil vom 06.07.2016 I R 25/14, BFHE 254, 326, BStBl II 2018, 124, Rn. 43; ferner: BMF-Schreiben vom 03.06.2021, BStBl I 2021, 723 Rz. 8; Hamacher; Dahm, in: Korn, Kommentar zum EStG, § 20 Rn. 346). Mit Bezug auf § 23 Satz 1 Nr. 2 EStG fehlt es aber im Streitjahr an einem Veräußerungstatbestand mit Rechtsträgerwechsel (vgl. dazu BFH-Urteile vom 06.02.2018 IX R 33/17, BFHE 260, 485, BStBl II 2018, 525, Rn. 20 ff.; vom 12.06.2018 VIII R 32/16, BFHE 262, 74, BStBl II 2019, 221, Rn. 13; vom 29.10.2019 VIII R 16/16, BFHE 266, 550, BStBl II 2020, 254, Rn. 19; vom 03.12.2019 VIII R 34/16, BFHE 267, 232, BStBl II 2020, 836, Rn. 21 ff.; ferner: BFH-Beschluss vom 13.10.2021 I R 37/18, BFHE 275, 1, BStBl II 2023, 264, Rn. 28).

 

bb) Es liegen auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Nr. 3b) EStG nicht vor. § 20 Abs. 2 Nr. 3b) EStG regelt den Fall der Veräußerung eines als Termingeschäft ausgestalteten Finanzinstruments, wobei nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG die Einlösung grundsätzlich der Veräußerung gleichgestellt wird. Die (bloße) Ausübung der Kaufoptionsscheine (Warrants) stellt aber weder eine Veräußerung dar, da kein Rechtsträgerwechsel eintritt, noch eine Einlösung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, da hier der Basiswert „physisches Gold“ zu von vornherein festgelegten Konditionen geliefert wird, der als Wirtschaftsgut § 20 Abs. 2 EStG nicht unterfällt, zumal es insoweit auch noch an einer Gewinnrealisation in 2015 fehlt (s. auch Buge, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, § 20 EStG Rn. 472 a.E., 476).

 

b) Sieht man die Kaufoptionsscheine (Warrants) als sonstige Kapitalforderungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG (vgl. dazu etwa BFH-Urteil vom 16.06.2020 VIII R 1/17, BFHE 269, 279, BStBl II 2021, 144, Rn. 13, die Einordnung als Termingeschäft oder sonstige Kapitalforderung letztlich offen lassend), so käme als steuerbarer Realisationstatbestand hier allenfalls eine Einlösung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG in Betracht; eine Veräußerung scheidet aus den vorstehend genannten Gründen (fehlender Rechtsträgerwechsel) auch hier aus. Die (reine) Ausübung der Kaufoptionsscheine, hier in Form der Verschaffung eines schuldrechtlichen Lieferanspruchs auf Gold, stellt aber keine Einlösung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG dar (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12.04.2021 VIII R 15/18, BFHE 273, 17, BStBl II 2021, 913, Rn. 18). Der Begriff der Einlösung bezieht sich im Kontext des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG grundsätzlich auf die Erfüllung einer sonstigen Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG durch Zahlung des geschuldeten Geldbetrags (BFH-Urteile vom 20.11.2018 VIII R 37/15, BFHE 263, 169, BStBl II 2019, 507, Rn. 25; vom 03.12.2019 VIII R 34/16, BFHE 267, 232, BStBl II 2020, 836, Rn. 24; vgl. auch BFH-Urteil vom 06.02.2018 IX R 33/17, BFHE 260, 485, BStBl II 2018, 525, Rn. 17). Im Streitfall wurde aber kein geschuldeter Geldbetrag (in Form des Barausgleichs) gezahlt, sondern der Basiswert (physisches Gold) geliefert, was die Nichtanwendbarkeit des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG zur Folge hat. Das Abstellen auf die Lieferung des Basiswertes entspricht auch der neueren BFH-Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, wonach die Anschaffung der Option und der Ausgang des Optionsgeschäfts im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise grundsätzlich eine Einheit darstellen (BFH-Urteile vom 12.01.2016 IX R 48/14, BFHE 252, 423, BStBl II 2016, 456, Rn. 17; vom 20.11.2018 VIII R 37/15, BFHE 263, 169, BStBl II 2019, 507, Rn. 17 m.w.N.; vgl. auch Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 20 Rn. D/3 24).

 

c) Andere Tatbestände im Sinne des § 20 Abs. 1 und 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung, aus denen sich eine Steuerbarkeit ergeben könnte, sind nicht ersichtlich.

 

3. Nach Auffassung des Gerichts liegt hier auch kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO vor, der die vom Finanzamt gezogene Rechtsfolge rechtfertigen würde.

 

a) Ein Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO (in der Fassung vom 20.12.2007) vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nach Satz 2 nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Bei Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des § 42 Abs. 2 AO entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO).

 

aa) Die gesetzliche Missbrauchsdefinition des § 42 Abs. 2 AO übernimmt die bisherige, von der BFH-Rechtsprechung entwickelte Definition. Missbrauch liegt danach vor, wenn die gewählte Gestaltung gemessen an dem angestrebten Ziel unangemessen, d.h. ungewöhnlich ist und der Steuerminderung dienen soll und nicht durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe zu rechtfertigen ist (vgl. Krömker, in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 42 AO, Rn. 2, BFH-Urteile vom 29.08.2007 IX R 17/07, BFHE 219,32, BStBl II 2008, 502 Rn. 21, m.w.N.; vom 29.05.2008 IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789 Rn. 11). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteile vom 17.12.2003 IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl II 2004, 648 Rn. 11 f.; vom 29.05.2008 IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789 Rn. 11, m.w.N.; vom 07.12.2010 IX R 40/09, BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427, Rn. 10; vom 12.06.2018 VIII R 32/16, BFHE 262, 74, BStBl II 2019, 221, Rn. 19). Unangemessene Gestaltungen sind zumeist umständlich, kompliziert, unökonomisch, widersinnig oder undurchsichtig und nicht selten unpraktikabel und wenig effektiv (Drüen, in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 42 AO Rz. 47, 51).

 

bb) Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung, die zu einem ungerechtfertigten Steuervorteil führt, trägt die Behörde (BFH-Urteil vom 13.07.1989 V R 8/86, BFHE 158, 166, BStBl II 1990,100 Rn. 23). Kann eine solche missbräuchliche Gestaltung festgestellt werden, hat der Steuerpflichtige auf der zweiten Stufe nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AO nachzuweisen, dass für die von ihm gewählte Gestaltung beachtliche außersteuerliche Gründe vorliegen. Der Steuerpflichtige muss bei der Aufklärung, ob der Gestaltung vernünftige wirtschaftliche Gründe zugrunde liegen, mitwirken. Versagt er sich oder kann er keine vernünftigen Gründe nennen, so kann im Wege der Beweiswürdigung geschlossen werden, dass solche Gründe nicht vorliegen (BFH-Beschlüsse vom 29.10.1987 V B 61/87, BFHE 151, 251, BStBl II 1988, 45 Rn. 17; vom 21.03.1989 V B 86/87, BFH/NV 1990, 400 Rn. 16; FG Münster-Urteil vom 29.09.2020 6 K 1176/17 E, Rn. 102 ff., juris; vgl. auch Drüen, in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 42 AO Rn. 66 ff.).

 

b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall kann weder in der Vornahme der Gesamtinvestition noch in einzelnen Schritten ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im oben genannten Sinne gesehen werden, die zu der streitgegenständlichen Besteuerung führen würde.

 

aa) Es fehlt bereits an einer unangemessenen Gestaltung i.S.d. § 42 Abs. 2 Satz 1 AO.

 

aaa) Der Erwerb von Zertifikaten, hier der BULL- und BEAR-Zertifikate, wie auch von Optionsscheinen, hier der Warrants, ist grundsätzlich ein marktkonformes Verhalten, das vom Gesetzgeber, der gerade Transaktionen wie diese nicht nur kapitalmarkt- bzw. wertpapierrechtlich, sondern auch steuerrechtlich regelt, als nicht unangemessen bewertet wird. Insbesondere kann auch nicht, wie von der Klägerin zu Recht angeführt, der Einsatz von Zertifikaten bzw. von Optionsscheinen mit dem unmittelbaren Erwerb von physischem Gold verglichen werden, da insbesondere letzterer – auch mangels Hebelwirkung von Finanzprodukten – andere Anforderungen an Kapitaleinsatz und Investitionsverhalten begründet. Die Hebelwirkung, hier etwa angelegt in einem Ausgabewert pro Kaufoptionsschein (Warrant) von x…….. USD (gemäß § 2 (2) der Warrant-Terms) im Vergleich zu einem Nominalwert pro BEAR-Zertifikat von x…….. USD (gemäß § 2 (3) der BEAR-Terms) gegen einen von vornherein festgelegten, kreditfinanzierten Ausübungspreis von ……. USD pro Kaufoptionsschein (Warrant) (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 12.05.2015 VIII R 4/15, BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835, Rn. 12), verbunden mit der „ratio“ (§§ 1, 4 der Warrant-Terms), begründet auch eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung der Kaufoptionsscheine (Warrants). Ein unmittelbarer Tausch der BULL- bzw. BEAR-Zertifikate in physisches Gold ist zudem nach den Emissionsbedingungen nicht vorgesehen bzw. wäre nach der Rechtsprechung des BFH zu Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen nicht ohne Weiteres steuerpflichtig (vgl. dazu etwa BFH-Urteile vom 12.05.2015 VIII R 35/14, BFHE 250, 71, BStBl II 2015, 834; vom 06.02.2018 IX R 33/17, BFHE 260, 485, BStBl II 2018, 525; vom 16.06.2020 VIII R 7/17, BFHE 269, 188, BStBl II 2021, 9). Die vom Finanzamt als angemessen genannten Gestaltungen – keine Zwischenschaltung von Optionsscheinen (Warrants), sondern Erwerb von Wertpapieren mit Anspruch auf Lieferung von Gold bzw. direkter Erwerb von physischem Gold – sind daher als Vergleichsmaßstab für das tatsächlich vollzogene Vorgehen ungeeignet. Sie widersprechen auch dem Grundsatz der Privatautonomie. Letzteres gilt umso mehr für die dritte Variante einer vom Finanzamt angenommenen angemessenen Gestaltung, die in der Nichtvornahme der Gesamtinvestition besteht.

 

bbb) Im Streitfall ist ferner nicht ersichtlich, dass der von der Klägerin gewählte Weg, im Ergebnis steuerlich nutzbare Verluste (mit Bezug auf die BULL-Zertifikate) zu generieren und Veräußerungsgewinne (mit Bezug auf die BEAR-Zertifikate über Kaufoptionsscheine) steuer-frei zu vereinnahmen nach dem Willen des Gesetzgebers bzw. der gesetzlichen Regelungssystematik nicht erreichbar sein sollte. Durch § 20 EStG wird im Ergebnis zum einen eine umfassende Berücksichtigung gerade auch von zu Verlusten führenden Vermögens-/ Wertänderungen gewährleistet, und zum anderen durch die Ausgestaltung der §§ 20, 23 EStG bzw. des Verhältnisses zueinander bei Kapitalmaßnahmen auch eine steuerfreie Realisierung von Veräußerungsgewinnen ermöglicht, wobei § 23 Abs. 1 EStG dem Steuerpflichtigen ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts über den Eintritt des Steuertatbestandes zu entscheiden (BFH-Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05, BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259, Rn. 23). Das Ergreifen dieser gesetzlich bestehenden Möglichkeiten hat der Gesetzgeber für die hier streitgegenständliche Konstellation (ohne Rückwirkung) erst durch das Jahressteuergesetz 2020 mit Änderung des § 20 Abs. 4a S. 3 EStG und der damit fehlenden Möglichkeit, den Besteuerungszeitpunkt hinauszuschieben und die Haltefrist nach § 23 Abs. 1 EStG auszunutzen, ausgeschlossen. Die Klägerin hat somit im Streitjahr nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von ihr durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch gemacht (vgl. dazu auch BFH-Urteile vom 15.11.2022 VIII R 21/19, BStBl II 2023, 567, Rn. 27; vom 30.11.2022 VIII R 15/19, Rn. 42, juris).

 

ccc) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Ausschöpfung von Verlusten dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bzw. der Konzeption in § 20 Abs. 6 EStG entspricht. Somit ist es nicht zu beanstanden, wenn durch Sachverhaltsgestaltung ein möglichst vollständiger Verlustausgleich im Rahmen gesetzlicher Vorgaben erreicht wird (vgl. dazu BFH-Urteile vom 29.05.2008 IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789, Rn. 12; vom 12.06.2018 VIII R 32/16, BFHE 262, 74, BStBl II 2019, 221, Rn. 21 ff.; vom 17.11.2020 I R 2/18, BFHE 271, 330, BStBl II 2021, 580, Rn. 29, 31; FG Münster-Urteil vom 29.09.2020 6 K 1176/17 E, Rn. 102 ff., juris). Es wird hier kein gesetzlich nicht vorgesehener Vorteil ausgenutzt. Grundsätzlich darf der Steuerpflichtige seine Verhältnisse so gestalten, dass keine Steuer oder möglichst geringe Steuern anfallen. Dabei kann er gesetzliche Wahlrechte frei ausüben und Rechtsformen wählen, die vom Gesetz vorgesehen sind (BFH-Urteil vom 19.01.2017 IV R 10/14, BFHE 256, 507, BStBl II 2017, 466, Rn. 46).

 

ddd) Die von der Klägerin gewählte Gestaltung ist auch nicht deshalb unangemessen, weil sie überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat.

 

(1) Ein wirtschaftlicher Zweck fehlt etwa, wenn durch mehrere Geschäfte, die sich wirtschaftlich gegenseitig neutralisieren, lediglich ein steuerlicher Vorteil erzielt werden soll oder wenn die Gestaltung in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert wird und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 27.10.2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359, Rn. 17 f.; vom 07.12.2010 IX R 40/09, BFHE 232, 1, BStBl II 2011, 427, Rn. 13; vom 12.07.2012 I R 23/11, BFHE 238, 344, BFH/NV 2012, 1901 Rn. 32; vom 08.03.2017 IX R 5/16, BFHE 257, 211, BStBl II 2017, 930, Rn. 17-19; vom 12.06.2018 VIII R 32/16, BFHE 262, 74, BStBl II 2019, 221, Rn. 19; Stöber, in: Gosch, Kommentar zur AO/FGO, § 42 AO Rn. 86 ff. m.w.N.).

 

(2) Trotz betrags- und laufzeitidentischer, gegenläufiger BULL- und BEAR-Zertifikate war die Gesamtinvestition nicht zwingend und nur auf die Realisation steuerlich nutzbarer Verluste und gleichzeitig die Realisation steuerfreier Gewinne in der entstandenen Größenordnung ausgerichtet, auch wenn dies jeweils Hauptmotiv der Klägerin gewesen sein mag. Dies ergibt sich bereits aus dem in § 4 (1) a) BEAR- und BULL-Terms jeweils beschriebenen Szenario der Goldpreisentwicklung nur innerhalb des Korridors mit der Folge einer Zahlung von x…….. USD pro Zertifikat. Auch wenn dieses Szenario nicht wahrscheinlich gewesen sein mag, ist es auch nicht ausgeschlossen. Es wäre dann auch ein nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtiger Gewinn von xx…. USD entstanden, da nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG (auch i.V.m. einem Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG) die Berücksichtigung tatsächlicher Werbungskosten, wie etwa Zinszahlungen oder sonstiger Beschaffungskosten, ausgeschlossen ist. Die letztlich nicht von der Klägerin beeinflussbare, aber maßgebliche Entwicklung des Goldpreises macht die Gesamtinvestition damit nicht zu einer bloß formalen Maßnahme, zumal bei kreditfinanzierten Investitionsvolumina, wie hier im Raum stehend, es nachvollziehbar wirtschaftlicher Vernunft entspricht, Absicherungsmechanismen (in Form gegenläufiger, unterschiedliche Wertentwicklungen abbildender Zertifikate oder aber auch entsprechender Kaufs- und Verkaufsoptionen) vorzusehen. Der als Teil der Anl. … vorgelegte Risikohinweis von A. führt die ungeachtet des Ergreifens von Absicherungsmaßnahmen verbleibenden Risiken der Gesamtinvestition an. Anders als im Fall der vom Finanzamt zitierten Urteile des Hessischen FG (Urteile vom 21.10.2020 4 K 1431/18, s. dort v.a. Rn. 123 ff., juris, bzw. 4 K 1644/18, s. dort etwa Rn. 27, 105 ff.) fehlt es hier somit an einem von vornherein angelegten, d.h. auf einem Gesamtplan beruhenden „Nullsummenspiel“ durch gegenläufige Maßnahmen, zumal aufgrund des hier (bei Betrachtung der Gesamtinvestition) tatsächlich realisierten Verlustes von mindestens minus …….,xx € (=minus x……..,xx € [BULL-Zertifikate] plus x……..,xx € [BEAR-Zertifikate], ohne Berücksichtigung weiterer Kosten).

 

eee) Letztlich kann hier eine unangemessene Gestaltung auch nicht damit begründet werden, es handele sich um einen einheitlichen Vorgang, der eine umständliche, komplizierte, schwerfällige oder gekünstelte Gestaltung darstelle (dazu BFH-Urteil vom 19.08.1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43 Rn. 24). Insoweit fehlt es bereits daran, dass es hier keinen einfacheren, von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Weg gibt. Es gibt zudem keinen allgemeingültigen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine aufgrund einheitlicher Planung in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften für die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen und sodann unter den Steuertatbestand zu subsumieren ist (vgl. BFH-Urteile vom 25.08.2009 IX R 60/07, BFHE 226, 252, BStBl II 2009, 999, Rn. 15; vom 16.12.2015 IV R 8/12, BFHE 252, 141, BStBl II 2017, 766, Rn. 16; vom 30.03.2017 IV R 11/15, BFHE 257, 324, BStBl II 2019, 29 Rn. 27). Es sind vielmehr grundsätzlich die Rechtsgeschäfte für sich zugrunde zu legen, wie sie sich zivilrechtlich ereignet haben (BFH-Urteil vom 30.03.2017 IV R 11/15, BFHE 257, 324, BStBl II 2019, 29, Rn. 26 f., 29).

 

(1) Im Streitfall hatte die Klägerin zwar gegenüber B. gemäß Anhang II Buchst. b) zum Darlehensvertrag für die Auszahlung der zweiten Tranche des Darlehens unwiderruflich die Erklärung abzugeben, die Kaufoptionsscheine (Warrants) beziehen zu wollen. Es war aber nicht zwangsläufig, dass sich die Voraussetzungen dafür auch realisierten. Sofern der Goldpreis zwischen dem … („Valuation Date 1“) und … („Valuation Date 2“) innerhalb des Korridors von über 99% (bzw. – ausgehend von dem Basiswert am …, 14 Uhr von x….,xx USD/Unze – x….,xx USD/Unze) und unter 101% (bzw. x….,xx USD/Unze) geblieben wäre, was angesichts der Kürze des Zeitraums von – hier – sieben Tagen nicht völlig ausgeschlossen war, wäre weder nach den BEAR- noch nach den BULL-Terms ein Recht entstanden, Kaufoptionsscheine (Warrants) zu beziehen.

 

(2) Allein zur Disposition der Klägerin stand auch, ob sie in Ausübung der Kaufoptionsscheine (Warrants) einen Barausgleich („cash settlement“) oder eine Lieferung des Basiswertes („physical settlement“) wählte. Der Verweis des Finanzamts darauf, dass nur eine Lieferung des Basiswertes als einzig wirtschaftlich vernünftige Disposition zu sehen sei, da nur hier kein zusätzlicher Abzug von ……. USD pro Kaufoptionsschein (Warrant) erfolgte, führt zu keiner anderen Wertung. Ob der Steuerpflichtige einen geringeren Gewinn realisiert, ist letztlich Ausfluss seiner wirtschaftlichen Disposition. Die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit eines Verhaltens im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben kann keine Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltung im Sinne des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO begründen (Drüen, in: Tipke/Kruse, Kommentar zu AO/FGO, § 42 AO Rn. 45 m.w.N., 75; vgl. dazu auch BFH-Urteile vom 25.082009 IX R 55/07, BFH/NV 2010, 387 Rn. 13; vom 12.06.2018 VIII R 32/16, BFHE 262, 74, BStBl II 2019, 221, Rn. 22). Zudem sind auch wirtschaftliche Gründe für einen Barausgleich dergestalt denkbar, dass der Steuerpflichtige aktuell Bedarf an einer Liquidität hat und dafür einen geringeren Gewinn in Kauf nimmt oder aber die Gefahr einer negativen Entwicklung beim Emittenten sieht und somit auch vor diesem Hintergrund eine sofortige Zahlung in Geld begehrt. Damit schließt auch eine eigenständige Entscheidung mit Bezug auf die Ausübung der Kaufoptionsscheine (Warrants) hier eine einheitliche Betrachtung der Gesamtinvestition unter steuerlichen Gesichtspunkten aus.

 

(3) Selbst wenn man ungeachtet dessen von einer einheitlichen Betrachtung der BULL- und BEAR-Zertifikate bzw. der Gesamtinvestition ausgeht und, wie vom Finanzamt unter Ziff. 2.3.1 des Schriftsatzes vom … ausgeführt, als nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO angemessen (fiktiv) eine Anschaffung von physischem Gold unmittelbar durch die BEAR-Zertifikate ohne Zwischenschaltung von Optionsscheinen und weiter eine (wohl) nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, S. 2 EStG steuerpflichtige Einlösung der BEAR-Zertifikate in 2015 zugrunde legt, erschließt sich nicht, warum dann nicht bei Bestimmung der steuerlichen Folgen nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO die (auch) in 2015 realisierten Verluste aus der Einlösung der BULL-Zertifikate nach § 20 Abs. 6 EStG im Wege der Verlustverrechnung Berücksichtigung finden können sollen. Als Bestandteil einer (hypothetisch in Bezug zu nehmenden) angemessenen rechtlichen Gestaltung wird dann auch ein entsprechender (rechtzeitig) gestellter Antrag im Sinne des § 32d Abs. 4 i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG, § 43a Abs. 3 EStG mit der Folge der Einbeziehung der Verluste in das Veranlagungsverfahren zu berücksichtigen sein, worauf letztlich auch das Finanzamt … verweist. Der weitere Verweis des Finanzamts … darauf, dass in der hier vorliegenden Konstellation eine Verrechnung von Verlusten (aus den BEAR-Zertifikaten) – vom Finanzamt nicht beanstandet – in 2016 erfolgt sei, weswegen, so das Finanzamt, eine Berücksichtigung der Verluste bei der Einkommensteuerfestsetzung 2015 nicht (mehr) möglich (gewesen) sei, führt zu keiner anderen Bewertung, da hier unzulässig einerseits tatsächlich realisierte und der Besteuerung tatsächlich zugrunde gelegte Sachverhaltselemente (Verlustverrechnung in 2016 mangels in 2015 steuerpflichtiger Gewinne) und andererseits als angemessen (fiktiv) zugrunde gelegte Sachverhaltselemente (bereits in 2015 steuerpflichtiger Gewinn) vermengt werden. Ausgehend von bereits in 2015 steuerbaren Gewinnen wären nach § 20 Abs. 6 S. 1-3, 5 EStG i.V.m. § 10d Abs. 4, § 32d Abs. 4 EStG, § 43a Abs. 3 S. 4 EStG (in der jeweils für das Streitjahr geltenden Fassung) die ebenfalls in 2015 entstandenen Verluste vorrangig in 2015 zu berücksichtigen gewesen (vgl. dazu auch Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 20 Rn. H 29, H 35). Dann aber ist die vom Finanzamt im streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für 2015 gezogene steuerliche Folge, x……..,xx € als positive Einkünfte ohne Berücksichtigung der Verluste i.H.v. x……..,xx € anzusetzen, nicht begründbar. Allenfalls wäre mit dieser Argumentation eine Nichtberücksichtigung von Verlusten in 2016 mangels wirtschaftlicher Belastung im Umfang der Gewinnrealisation in Folge der gegenläufigen BULL- und BEAR-Zertifikate begründbar gewesen (vgl. in diesem Sinne auch Hessisches Finanzgericht-Urteil vom 21.10.2020 4 K 1644/18, Rn. 108, 112), zumal maßgebliches Ziel der Gesamtinvestition (laut Finanzamt) die Vermeidung der Besteuerung von in 2016 außerhalb der hier streitgegenständlichen Gesamtinvestition erzielten positiven Kapitaleinkünften (…) durch Verlustverrechnung war. Das Gericht versteht die Ausführungen des Finanzamts letztlich dahingehend, dass die steuerliche Auswirkung durch Verlustverrechnung in 2016 den eigentlich gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil darstellt. Dieser ist hier aber nicht streitgegenständlich und kann nicht (gleichsam im Wege der Fiktion), auch nicht auf Grundlage des § 42 AO, zu einem Ansatz positiver Kapitaleinkünfte in 2015, wie im streitgegenständlichen Steuerbescheid erfolgt, führen.

 

fff) Betrachtet man isoliert die Einlösung der BEAR-Zertifikate in Kaufoptionsscheine (Warrants), wäre die nach dem Finanzamt zugrunde zulegende angemessene Gestaltung der un-mittelbare Erwerb von physischem Gold. Wären die Emissionsbedingungen der BEAR-Zertifikate, deren genaue Ausgestaltung für diesen Fall mangels entsprechenden tatsächlichen Sachverhalts ohnehin nicht feststellbar wäre, aber maßgeblich darauf ausgerichtet gewesen, dürfte regelmäßig eine Steuerbarkeit nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 EStG ausgeschlossen sein. Die BEAR-Zertifikate würden dann nach der Rechtsprechung des BFH zu Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen regelmäßig keine sonstigen Kapitalforderungen im Sinne der Vorschrift darstellen, da auf Sachleistung ausgerichtet, bzw. würde es 2015 an einem Veräußerungstatbestand im Sinne der § 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG fehlen (vgl. dazu etwa BFH-Urteile vom 12.05.2015 VIII R 35/14, BFHE 250, 71, BStBl II 2015, 834; vom 06.02.2018 IX R 33/17, BFHE 260, 485, BStBl II 2018, 525; vom 16.06.2020 VIII R 7/17, BFHE 269, 188, BStBl II 2021, 9).

 

bb) Da es somit bereits tatbestandlich an einer unangemessenen Gestaltung im Sinne des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO fehlt, bedarf es weder des Vortrags der Klägerin zu außersteuerlichen Gründen noch der Feststellung solcher im Sinne des § 42 Abs. 2 Satz 2 AO.

 

4. Mangels – nach Rechtsauffassung des Gerichts unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen – in 2015 ansetzbarer positiver Einkünfte aus Kapitalvermögen stellt sich die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht nicht, jedenfalls nicht losgelöst von dem Vorliegen der – hier verneinten – Voraussetzungen des § 42 AO bei Betrachtung der Gesamtinvestition unter Berücksichtigung von Gewinn- bzw. Verlustwahrscheinlichkeiten. Im Übrigen wird eine Einkünfteerzielungsabsicht bei Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG (bezogen auf die einzelne Kapitalanlage) regelmäßig grundsätzlich vermutet (vgl. dazu etwa BFH-Urteile vom 14.03.2017 VIII R 38/15, BFHE 258, 240, BStBl II 2017, 1040, Rn. 19; vom 09.07.2019 X R 9/17, BFHE 265, 354, BStBl II 2021, 418, Rn. 72; vom 30.11.2022 VIII R 15/19, Rn. 31, juris; vom 30.11.2022 VIII R 30/20, juris, Rn. 38; BMF-Schreiben vom 18.01.2016, BStBl I 2016, 85 Rz. 125). Anhaltspunkte dafür, dass unter den Umständen des Streitfalls von vornherein feststand oder von der Klägerin von Anfang an beabsichtigt war, dass sie bei zusammenfassender Betrachtung jeweils per Saldo einen Verlust erzielen werde, liegen nicht vor. Soweit das Finanzamt mit Bezug auf die Gesamtinvestition das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht verneint, würde dies zudem für das Streitjahr (auch) zum Nichtansatz steuerbarer Einkünfte aus Kapitalvermögen führen, ohne dass sich im Rahmen der Einkommensteuer für 2015 eine gleichzeitige Nichtanerkennung von Verlusten steuererhöhend auswirken würde.

 

5. Einer eigenständigen Entscheidung über den hilfsweise gestellten Antrag des Finanzamts, die aus der Investition erzielten Gewinne und Verluste insgesamt (im Ergebnis) als nach § 42 AO unangemessen und damit als nicht steuerrelevant festzustellen, bedurfte es nicht. Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO ist das Gericht nur an das klägerische Begehren gebunden, das hier nur auf die Minderung der Kapitalerträge gerichtet war. Verluste haben sich in 2015 zudem steuerlich nicht ausgewirkt und sind bereits aus diesem Grunde nicht Entscheidungsgegenstand. Eine eventuelle Saldierung mit Verlusten nach § 177 AO und eine Feststellung zur steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit von Verlusten in 2015 in Zusammenhang damit käme nur dann in Betracht, wenn die Steuerbarkeit der streitgegenständlichen Kapitalerträge bejaht worden wäre, was hier nicht der Fall ist.

Anträge des Beklagten stellen in verfahrensrechtlicher Hinsicht zudem nur Anregungen an das Gericht dar, bei der Beurteilung der Rechtslage auf bestimmte Punkte besonders Wert zu legen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15.11.1971 GrS 7/70, BFHE 103, 456, BStBl II 1972,120 Rn. 26; BFH-Beschluss vom 16.08.2019 V B 57/18, BFH/NV 2020, 29 Rn. 5). Dem ist das Gericht durch die Ausführungen zu § 42 AO gemäß Ziff. II 3 unter Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Finanzamts nachgekommen. Letztlich ist auch vor dem Hintergrund in der Klagestattgabe in dem tenorierten Umfang zugleich die Ablehnung der Feststellung der Unangemessenheit enthalten. Selbst wenn man verfahrensrechtlich von dem Erfordernis einer eigenständigen Entscheidung über den Antrag des Finanzamts ausgehen würde, wäre dieser danach jedenfalls unbegründet, da, wie ausgeführt, eine Unangemessenheit nach § 42 Abs. 2 AO nicht festgestellt werden konnte.

 

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war angesichts der Komplexität der Sach- und Rechtsfrage notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 2 FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

 

7. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 FGO zugelassen, da die Frage einer Anwendbarkeit des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG im Falle der „Zwischenschaltung“ eines Optionsscheins (Warrants) bzw. generell die Frage einer zulässigen teleologischen Reduktion des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.

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