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Steuerrecht
30.04.2014
Steuerrecht
FG Baden-Württemberg: Anwaltskosten als Veräußerungskosten

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.2.2014 - 4 K 2523/09


Sachverhalt


Streitig ist die Höhe eines Entstrickungsgewinns der Klägerin (Klin) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG).


Die Klin hatte zunächst einen Kommanditanteil an der X GmbH & Co. KG inne. Diesen brachte sie am 26. September 1996 in die Y (Y) GmbH/A ein. Als Gegenleistung für die Einbringung erhielt sie Geschäftsanteile an der Y GmbH. Im Rahmen des späteren Formwechsels der Y GmbH in die Y AG erhielt die Klin 363.060 Aktien Y AG im Tausch gegen die GmbH-Anteile.


Mit am 22. November 2004 beim Beklagten (Bekl) eingegangenem Schreiben beantragte die Klin für ihre einbringungsgeborenen Anteile an der Y AG die Gewinnrealisierung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung und reichte in der Anlage zu diesem Schreiben eine Wertberechnung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren ein. Dabei gelangte sie zu einem gemeinen Wert der Anteile von 2.329.000 €.


Am 20. September 2005 reichte sie ihre Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr (2004) beim Bekl ein. Dabei erklärte sie einen Entstrickungsgewinn in Höhe von 1.106.114 €. Diesen berechnete sie wie folgt:


Gemeiner Wert der Anteile:                                                            2.329.000,00 €


abzüglich fortgeführte Anschaffungskosten:                                              116.771,00 €


2.212.229,00 €


davon 1/2, da Halbeinkünfteverfahren:                                        1.106.114,50 €


Mit Bescheid vom 30. November 2005 setzte der Bekl die ESt der Klin für das Streitjahr fest. Dabei legte er der Besteuerung - wie von der Klin erklärt - einen Entstrickungsgewinn in Höhe von (i.H.v.) 1.106.114 € zugrunde. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) gemäß § 164 Abgabenordnung (AO).


Mit Schreiben vom 20. Juli 2007 teilte die Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts für Körperschaften II/A dem Bekl im Wege der Amtshilfe seine Auffassung mit, dass der gemeine Wert der Anteile der Klin sich auf 5.518.000 € belaufe. Dies ergebe sich aus der von der Y AG zugesagten Garantiedividende von 0,76 € je nennwertloser Stückaktie sowie aus dem von der Y AG abgegebenen Kaufangebot von 16,87 € je Aktie.


Nach entsprechender Gewährung rechtlichen Gehörs änderte der Bekl daraufhin mit Bescheid vom 20. Februar 2008 den ESt-Bescheid vom 30. November 2005 unter Bezugnahme auf § 164 Abs. 2 AO dahingehend, dass der Veräußerungsgewinn nunmehr mit 2.705.879 € [(5.518.000 € ./. 106.242 €): 2] angesetzt wurde. Der VdN wurde aufgehoben. Der Bescheid erging bezüglich des Entstrickungsgewinns vorläufig gemäß § 165 AO. Zur Begründung führte der Bekl aus, es seien keine Gründe ersichtlich, die einen Risikoaufschlag begründen würden, weshalb der Wert von 5.518.000 € zutreffend sei. Ein Risikozuschlag beim Kapitalisierungszinsfuß sei nur zu berücksichtigen, wenn ein tatsächliches Ausfallrisiko zumindest wahrscheinlich bestehe. Gründe, die gegen eine Werthaltigkeit des Kaufangebots vom 31. Dezember 2006 oder der Garantiedividende sprächen, seien von der Klin aber nicht vorgebracht worden. Zudem beinhalte der Wert von 5.518.000 € schon einen Risikoabschlag zum fixen Kaufangebot von 6.124.000 € von rund 600.000 €. Im Streitfall habe zum 31. Dezember 2006 ein Verkaufsrecht zum Wert von 6.124.822 € bestanden, welches den Wert von 5.518.512 € übersteige.


Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11. März 2008 legte die Klin Einspruch ein. Zur Begründung ließ sie im Wesentlichen vortragen, ein Risikoabschlag könne nicht in der Wertdifferenz des vom Bekl ermittelten gemeinen Werts von 5.518.000 € zum Wert nach Anwendung des Kaufangebots der Y-GmbH i.H.v. 6.124,822 € gesehen werden. Die Gründe, die die Y-GmbH zu diesem Kaufangebot bewogen hätten, stellten keine wertbildenden Faktoren dar, die bei der Ermittlung des gemeinen Wertes zu berücksichtigen wären. Die Klin begehre daher eine Veranlagung unter Ansatz eines sachgerechten Risikozuschlages. Zur weiteren Begründung verwies die Klin auf die Ausführungen in dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten an den Bekl vom 27. Dezember 2007. Wegen des weiteren Vorbringens der Klin wird auf den Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17. Oktober 2008 Bezug genommen.


Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2009 erklärte der Bekl die Steuerfestsetzung hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags für vorläufig im Sinne des - i.S.d. - § 165 AO und für endgültig hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3a Einkommensteuergesetz (EStG) sowie der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen und wies den Einspruch der Klin im Übrigen als unbegründet zurück. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Gründe der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.


Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 8. September 2009 erhob die Klin Klage, mit der sie zunächst die Herabsetzung des Entstrickungsgewinns auf 2.652.801,00 € (Ansatz zu 1/2 = 1.326.400,50 €) begehrte. Diesem Betrag liegt die folgende Berechnung zugrunde:


Ertragswert: 363.060 Aktien x 0,76 €/Aktie = 275.925,60 €


Kapitalisierungszinsfuß: 10 %


Gemeiner Wert der Anteile:                                                            2.759.256,00 €


./. fortgeführte Anschaffungskosten                                              ./.106.455,00 €


Entstrickungsgewinn                                                                        2.652.801,00 €


Ansatz 1/2, da Halbeinkünfteverfahren                                        1.326.400,50 €


Auf Antrag der Klin vom 26. Februar 2010 änderte der Bekl mit Bescheid vom 17. Juni 2010 die ESt-Festsetzung gegenüber der Klin unter Bezugnahme auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dahingehend, dass Kosten der Klin für ihre Rechtsberatung i.H.v. 44.357 € als Veräußerungskosten zur Hälfte berücksichtigt wurden und der Veräußerungsgewinn auf 2.683.701 € herabgesetzt wurde.


Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2012 verständigten sich die Beteiligten - vorbehaltlich der nachträglich erteilten Zustimmung der Klin - dahingehend, dass der Entstrickungsgewinn der Klin mit 4.100.000 € anzusetzen sei.


Auf der Grundlage der getroffenen Verständigung erließ der Bekl am 16. Januar 2013


einen geänderten ESt-Bescheid für das Streitjahr, in dem der Entstrickungsgewinn mit


2.027.822 € [(4.100.000 € ./. 44.357 €):2] angesetzt wurde.


Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27. Juni 2013 begehrte die Klin daraufhin, den Bescheid vom 16. Januar 2013 dahingehend abzuändern, dass weitere Kosten für ihre Prozessvertretung im vorliegenden Streitfall i.H.v. insgesamt 28.224,25 € (1/2 von 56.448,49 €, da Halbeinkünfteverfahren) in Abzug gebracht werden. Hierbei handle es sich um die Kosten der Klin für ihre anwaltliche Vertretung im Streitfall. Diese seien wie folgt abgerechnet worden:
















Rechnungsdatum


Betrag


21.06.2010


10.620,75 €


11.03.2011


22.826,23 €


21.06.2013


23.001,51 €


Zur Begründung ließ die Klin weiter ausführen, der geänderte ESt-Bescheid vom 16. Januar 2013 berücksichtige lediglich die mit Schreiben an den Bekl vom 26. Februar 2010 geltend gemachten Veräußerungskosten i.H.v. 45.056,26 €. Die mit den o.g. Rechnungen abgerechneten Anwaltshonorare seien deshalb noch anzusetzen. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Begründung für den Ansatz als Veräußerungskosten in Höhe der Hälfte der Kosten verweise die Klägerseite auf die Ausführungen in ihren Schreiben an den Bekl vom 10. Januar 2011 und vom 25. März 2011. Weiter lässt die Klin unter Bezugnahme auf das Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten an den Bekl vom 8. März 2011 ausführen, sie habe mit ihren Prozessbevollmächtigten eine von der Steuerberatergebührenverordnung abweichende Honorarvereinbarung getroffen. Danach würden die von den Prozessbevollmächtigten erbrachten Leistungen auf Basis eines Zeithonorars abgerechnet. Die durchschnittlichen Stundensätze betrügen für die Rechnungszeiträume 150,00 € bis 470,00 € (Consultant bis Partner). Die Klägerseite sehe aber keine Veranlassung, die Gebührenvereinbarung vorzulegen, und verweise auf die bereits zur Akte gereichten Rechnungen mit den jeweiligen Anlagen.


Nachdem der erkennende Senat die Beteiligten mit Kurzmitteilung vom 6. Dezember 2013 auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Oktober 2013 IX R 25/12 hingewiesen hatte, ließ die Klin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30. Januar 2014 ausführen, sie sehe in der genannten Entscheidung des BFH eine weitere Untermauerung ihres Standpunktes, wonach die geltend gemachten Steuerberatungskosten in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Entstrickungsgewinn des Jahres 2004 stünden. Die Aufwendungen für die Steuerberatung seien ihr aufgrund der steuerpflichtigen Entstrickung im Jahre 2004 entstanden. Zugleich ließ die Klin die mit ihren Prozessbevollmächtigten geschlossene Honorarvereinbarung vorlegen und verwies zur Begründung ihrer Rechtsauffassung auf die Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten an den Bekl vom 10. Januar 2011 und vom 25. März 2011.


Die Klin beantragt,


den geänderten ESt-Bescheid für 2004 vom 16. Januar 2013 dahingehend abzuändern, dass weitere Anwaltshonorare i.H.v. insgesamt 56.448,49 € zur Hälfte als Veräußerungskosten bei der Ermittlung des Entstrickungsgewinns der Klin in Abzug gebracht werden.


Der Bekl beantragt,


die Klage abzuweisen.


Der Bekl erwidert, die nachträglich geltend gemachten Steuerberatungskosten seien nicht über den bereits anerkannten Betrag von 44.357 € hinaus als Veräußerungskosten zu berücksichtigen. Seitens des Bekl werde nach wie vor bezweifelt, ob im Zusammenhang mit dem Entstrickungsgewinn Steuerberatungskosten i.H.v. insgesamt 101.504 € entstanden seien. Ohne Vorlage einer detaillierten Aufschlüsselung der Kosten unter Angabe der abgerechneten Stunden und der entsprechenden Sätze könne das Finanzamt einer Anerkennung der Steuerberatungskosten nicht zustimmen. Außerdem sei anzugeben, ob und ggf in welcher Höhe darüber hinaus in den Jahren 2010 bis 2013 weitere Steuerberatungskosten (z.B. für die Fertigung von Steuererklärungen) angefallen seien. In der Rechnung vom 21. Juni 2010 (10.620,75 €) werde z.B. die Erstellung von zwei Schriftsätzen mit jeweils zwei Seiten abgerechnet. Bei Ansatz eines Stundensatzes von 470 € würde sich hierfür ein Zeitaufwand von über 22 Stunden ergeben. Dies erscheine nicht glaubhaft.


Aus den Gründen


I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.


Der geänderte ESt-Bescheid für 2004 vom 16. Januar 2013 ist gemäß § 68 Satz 1 FGO der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden. Hiernach war, da sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2012 - vorbehaltlich der nachträglich erteilten Zustimmung der Klin - auf den Ansatz eines Entstrickungsgewinns i.H.v. 4.100.000 € verständigt hatten und die Klin daraufhin nur noch den Ansatz weiterer Kosten für ihre Rechtsberatung als Veräußerungskosten i.H.v. 28.224,25 (1/2 von 56.448,49 €) begehrte, nur noch hierüber zu entscheiden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).


Nach der Rechtsprechung des BFH sind Veräußerungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG Aufwendungen, die in unmittelbarem sachlichem Zusammenhang mit der Veräußerung stehen, d.h. durch die Veräußerung wirtschaftlich veranlasst sind (BFH-Urteile vom 11. Mai 2010 IX R 26/09, BFH/NV 2010, 2067; vom 8. Februar 2011 IX R 15/10, BStBl II 2011, 684 und vom 9. Oktober 2013 IX R 25/12, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2013, 2613). Ein solcher unmittelbarer sachlicher Zusammenhang mit der Veräußerung ist bei Kosten der Rechtsverfolgung, die sich auf die Frage der steuerrechtlichen Beurteilung eines Veräußerungsvorgangs beziehen, nicht gegeben. Denn diese Kosten sind nicht unmittelbar durch die Veräußerung selbst veranlasst, sondern durch die Frage ihrer steuerlichen Beurteilung. Diese steht indes nur in einem mittelbaren Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft (ebenso zur Frage der Behandlung von Kosten der Rechtsberatung im Zusammenhang mit einem Verständigungsverfahren: BFHUrteil vom 9. Oktober 2013 IX R 25/12 a.a.O.; a.A. L. Schmidt-Wacker, EStG, 32. Aufl. 2013, § 16 Rn. 301).


Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, stellen die Kosten der Klin für ihre Rechtsberatung im Zusammenhang mit dem vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren keine Veräußerungskosten i.S.d. § 21 Abs. 1 UmwStG dar. Denn die vom BFH mit Urteil vom 9. Oktober 2013 IX R 25/12 , a.a.O., zu den Veräußerungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG entwickelten Grundsätze sind aufgrund des engen inhaltlichen Zusammenhangs der Regelungen des § 17 EStG und des § 21 UmwStG gleichermaßen auf den Begriff der Veräußerungskosten i.S.d. § 21 Abs. 1 UmwStG anzuwenden.


Die Frage, ob die geltend gemachten Kosten der steuerlichen Rechtsverfolgung möglicherweise als Betriebsausgaben abziehbar sind, kann im Streitfall dahingestellt bleiben, da die genannten Kosten im Streitjahr weder entstanden noch abgeflossen sind.


II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 in Verbindung mit § 138 FGO. Für die Zeit bis zum Erlass des Änderungsbescheids vom 16. Januar 2013 ergeht die Kostenentscheidung im Einvernehmen mit den Beteiligten (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 28. November 2012). Soweit die Kostenentscheidung die Zeit nach Erlass des Änderungsbescheids vom 16. Januar 2013 betrifft, waren die Kosten der Klin aufzuerlegen, da sie mit ihrem zuletzt noch streitgegenständlichen Begehren unterlegen ist (arg. § 135 Abs. 1 FGO)(zur Teilbarkeit der Kostenentscheidung nach Verfahrensabschnitten: vgl. Gräber/Ratschow, FGO, Kommentar, § 136 Rn. 5 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

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