FG Köln: Anordnung einer Anschlussprüfung
FG Köln, Urteil vom 24.5.2017 – 3 K 101/15
ECLI:DE:FGK:2017:0524.3K101.15.00
Volltext:BB-ONLINE BBL2017-2710-4
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt war, beim Kläger eine zweite Anschlussprüfung, nämlich für die Jahre 2009 bis 2011 (Streitzeitraum), anzuordnen.
Der Kläger hatte im Jahr 2000 mit Erfolg an einer REFA-Spezialausbildung zum EDV-Organisator teilgenommen. Seit dem war der Kläger auf dem Gebiet der IT selbstständig tätig und im Zuständigkeitsbezirk des Beklagten ansässig. Für den Streitzeitraum erklärte der Kläger Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als EDV-Testmanager. Sein Betrieb wurde vom Beklagten mit Wirkung ab dem 1.1.2013 - wie in den Vorjahren - als sog. Kleinbetrieb eingestuft.
Der Beklagte hatte beim Kläger bereits für die Zeiträume 2003 bis 2005 und 2006 bis 2008 Betriebsprüfungen durchgeführt. Wegen der Ergebnisse wird auf die Prüfungsberichte vom 2.6.2009 und vom 21.11.2012 Bezug genommen. Mit dem Abschluss der Prüfung für den Zeitraum 2006 bis 2008 setzte der Beklagte den Betrieb des Klägers zum Zweck einer (weiteren) Anschlussprüfung auf den Prüfungsgeschäftsplan 2014. Nach dem Aktenvermerk vom 21.11.2012 sollte im Hinblick auf vom Kläger in den Bilanzen zum 31.12.2006 bis 31.12.2008 gebildete Rückstellungen geprüft werden, ob der Kläger im Streitzeitraum gegen die zugrunde liegenden Forderungen die Einrede der Verjährung erheben kann.
Nachdem der Kläger im Zeitraum 2009/2010 ein Einfamilienhaus errichtet hatte, in dem er wohnen und seine betriebliche Tätigkeit ausüben wollte, führte der Beklagte eine Umsatzsteuersonderprüfung durch und schloss diese mit Bericht vom 3.1.2011 ab.
Die in 2011 bis 2013 eingegangenen Erklärungen zur Umsatz- und Einkommensteuer für den Streitzeitraum veranlagte der Beklagte jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Anfang August 2014 begann die zuständige Prüferin mit der Vorbereitung einer Betriebsprüfung für den Streitzeitraum. Sie stellte durch eine Internetrecherche fest, dass der Kläger in den Jahren 2009 und 2010 Qualifikationen als Software-Tester erworben hatte. Nach dem Ergebnis der Vorbereitung sollten unter anderem die bereits erwähnten Rückstellungen, der Bau des Einfamilienhauses, die Einkunftsart des Klägers und die Anpassung an die Ergebnisse der vorherigen Betriebsprüfung geprüft werden.
Durch Verfügung vom 14.8.2014 ordnete der Beklagte unter Bezugnahme auf § 193 Abs. 1 AO an, dass beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer im Streitzeitraum vorgenommen wird.
Der Kläger legte Einspruch ein und führte aus, der Erlass der Prüfungsanordnung sei ermessensfehlerhaft. Er, der Kläger, werde seit dem Veranlagungszeitraum 2003 ununterbrochen geprüft, mit der neuerlichen Prüfung somit neun Jahre. Gemäß § 4 Abs. 3 BpO solle der Prüfungszeitraum nicht mehr als drei zusammenhängende Jahre betragen. Diese Regelung werde durch die einzelnen Prüfungsanordnungen umgangen. Bei den vorangegangenen beiden Prüfungen seien keine bzw. nur geringfügige Änderungen beim Gewinn und Umsatz vorgenommen worden. Ein Bedürfnis nach weiterer Sachverhaltsaufklärung bestehe nicht. Streitig sei nur noch die Rechtsfrage, ob er, der Kläger, freiberufliche oder gewerbliche Einkünfte erziele. An Art und Umfang seiner Tätigkeit habe sich nichts geändert. Die von der Finanzverwaltung zu beachtenden Grundsätze der Verhältnismäßigkeit der Mittel und des geringstmöglichen Eingriffs würden nicht beachtet. Das Gleiche gelte für das Willkür- und Schikaneverbot.
Am 11.12.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte aus, die Prüfungsanordnung sei ermessensfehlerfrei. Bei Beziehern von Gewinneinkünften wie beim Kläger sei die Außenprüfung ein geeignetes Mittel zur Sachverhaltsermittlung. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei beachtet worden. Die Finanzbehörden seien auch bei Mittel-, Klein- und Kleinstbetrieben weder durch die AO noch durch die BpO an einen bestimmten Prüfungsturnus gebunden. Sie könnten daher auch solche Betriebe einer so genannten Anschlussprüfung unterwerfen, sofern - wie im Streitfall - ein sachlicher Grund vorliege. Die Nachzahlung aufgrund der Prüfung für den Zeitraum 2006 bis 2008 betrage selbst nach der Berechnung des Klägers immer noch etwa 9.600 €. Die Anpassung an die Ergebnisse der zweiten Betriebsprüfung müsse im Streitzeitraum geprüft werden, weil der Kläger dies bei den Ergebnissen der ersten Betriebsprüfung im Zeitraum 2006 bis 2008 versäumt habe. Ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit liege nicht vor, da im Rahmen des Streitzeitraums unter anderem die Frage der Einkunftsart zu klären sei.
Der Kläger hat am 23.12.2014 seinen Wohnsitz in den Zuständigkeitsbezirk des Finanzamts A verlegt und am 13.1.2015 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und führt ergänzend aus:
Aufgrund der wiederholten und lückenlosen Betriebsprüfungen habe der Beklagte seine Ermessensentscheidung für den Streitzeitraum besonders zu begründen. Einer Betriebsprüfung bedürfe es auch unter Berücksichtigung der Prüfungsvorbereitung nicht. Der Bau des Einfamilienhauses sei bereits Gegenstand der Umsatzsteuersonderprüfung gewesen. Auch wenn es dabei nicht um die ertragsteuerliche Beurteilung gegangen sei, sei nicht nachvollziehbar, inwieweit der Bau noch ein prüfungsbedürftiger Sachverhalt sein solle. Die Verjährung der Forderungen könne der Beklagte im Streitzeitraum nicht prüfen, da der maßgebende Darlehensvertrag erst anschließend, nämlich in 2012 geschlossen worden sei. In Bezug auf die Umqualifizierung der Einkünfte als Freiberufler in solche aus Gewerbebetrieb sei noch ein Einspruchsverfahren anhängig, über das noch nicht entschieden worden sei. Einer erneuten Betriebsprüfung bedürfe es nicht, weil sich an Art und Umfang der selbstständigen Tätigkeit nichts geändert habe. Es handele sich um eine reine Rechtsfrage.
Zur Nachvollziehbarkeit der sachgerechten Ausübung des Ermessens hinsichtlich der mehrfach wiederholten lückenlosen Prüfungsanordnung habe die Finanzverwaltung eine nachprüfbare Begründung, z. B. unter Nennung der von ihr angewendeten Auswahlmethoden geben müssen. Da dies nicht in ausreichendem Maße erfolgt sei, könnten nur sachfremde Erwägungen zu einer ermessensmissbräuchlichen Auswahl geführt haben. Es bestehe der Eindruck, dass der Beklagte die Prüfungspunkte nur vorschiebe, um die dritte Prüfung in Folge vornehmen zu können.
Der Kläger beantragt,
die Anordnung der steuerlichen Außenprüfung vom 14.8.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 11.12.2014 aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass jedenfalls die Frage der Einkunftsart nochmals Gegenstand der Prüfung sein solle. Die Angaben in den Steuererklärungen seien widersprüchlich. Im Streitzeitraum seien Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erklärt worden. Für 2012 sei im Rahmen des Einspruchsverfahrens beantragt worden, die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb zu besteuern. In der Einkommensteuererklärung 2013 seien wieder Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erklärt worden.
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I. Der Beklagte ist gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO für das Klageverfahren passiv prozessführungsbefugt, weil er den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat. Die abweichende Regelung aus § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO greift nicht ein, weil bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung keine andere Behörde für den Streitfall zuständig geworden ist. Der Umzug des Klägers hat erst danach stattgefunden. Auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Klageerhebung kommt es nicht an.
II. Das Gericht kann die Prüfungsanordnung in der Gestalt der Einspruchsentscheidung nicht aufheben, weil sie nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte war befugt, beim Kläger eine Außenprüfung der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für den Streitzeitraum anzuordnen. Rechtsgrundlage sind die §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1, 196 AO. Die darin aufgestellten formellen und materiellen Voraussetzungen sind erfüllt.
1. Nach § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung unter anderem bei Steuerpflichtigen zulässig, die freiberuflich tätig sind.
a) Zu einer freiberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehört unter anderem die selbständige Berufstätigkeit der Ingenieure und ähnlicher Berufe, wie zum Beispiel der Beruf des Informatikers (vgl. BFH, Urteile vom 4.5.2004 XI R 9/03, BStBl II 2004, 989; vom 3.5.2016 VIII R 4/13, BFH/NV 2016,1275). Der Kläger hat in den Steuererklärungen für den Prüfungszeitraum angegeben, dass er als EDV-Testmanager freiberuflich tätig sei. Das genügt bereits für § 193 Abs. 1 AO. Für die Anordnung einer Außenprüfung ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige tatsächlich freiberuflich tätig ist (BFH, Urteil vom 23.10.1990 VIII R 45/88, BStBl II 1991, 278).
b) Der sachliche Umfang der vom Beklagten angeordneten Prüfung hält sich in dem durch § 194 Abs. 1 Satz 2 AO vorgegebenen Rahmen. Danach kann die Außenprüfung beim Steuerpflichtigen mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume umfassen, also - wie beim Kläger - dessen Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer für den Streitzeitraum.
c) Weitere materielle Anforderungen enthalten die §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1 Satz 2 AO nicht.
aa) Es handelt sich bei § 193 Abs. 1 AO um eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung (BFH, Urteil vom 15.6.2016 III R 8/15, BStBl II 2017, 25). Deshalb ist es entgegen der Auffassung des Klägers nicht von Belang, ob die vorherigen Betriebsprüfungen ein nennenswertes Mehrergebnis erbracht haben, ob seine steuerlichen Verhältnisse in der Vergangenheit bereits vollständig aufgeklärt wurden und ob die Verhältnisse im Streitzeitraum schon durch eine Prüfung an Amtsstelle ermittelt werden könnten. Diese Erwägungen wären nur von Bedeutung, wenn es um eine Außenprüfung gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO ginge. Diese Bestimmung gilt aber nur bei anderen als den in § 193 Abs. 1 AO bezeichneten Steuerpflichtigen. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die steuerlichen Verhältnisse der in § 193 Abs. 1 AO genannten Steuerpflichtigen, zu denen der Kläger zählt, "durchweg" nur durch Außenprüfungen genau überprüft werden könnten (Bundestags-Drucksache 6/1982, S. 161). Steuerpflichtige im Sinne des § 193 Abs. 1 AO unterliegen kraft Gesetzes der Außenprüfung und sind deswegen verpflichtet, die damit verbundenen Eingriffe zu dulden (BFH, Beschluss vom 14.7.2014 III B 8/14, BFH/NV 2014, 1880).
bb) Die Häufigkeit von Außenprüfungen wird auf der Tatbestandsseite von §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1 Satz 2 AO nicht beschränkt. Ebenso wenig ist den Vorschriften zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur mit zeitlichen Abständen durchgeführt werden dürfen. Für die Anordnung der Prüfung des Streitzeitraums spielt es deshalb an dieser Stelle keine Rolle, dass der Beklagte auch die unmittelbar vorangehenden Zeiträume 2003 bis 2005 und 2006 bis 2008 bereits geprüft hat.
2. Die formellen Erfordernisse für die Anordnung einer Außenprüfung sind gewahrt.
a) Der Beklagte hat die Prüfungsanordnung - wie von § 196 AO verlangt - schriftlich erteilt. Ein schriftlicher Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist (§ 121 Abs. 1 AO). Der Beklagte hat in der Prüfungsanordnung als Rechtsgrundlage lediglich § 193 Abs. 1 AO zitiert. Dass dies genügt, ist bisher nur für die Anordnung der ersten Anschlussprüfung entschieden worden (BFH, Beschluss vom 19.11.2009 IV B 62/09, BFH/NV 2010, 595). Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden.
b) Selbst wenn die Prüfungsanordnung vom 14.8.2014 nicht in dem durch § 121 AO vorgeschriebenen Umfang begründet und die Norm dadurch verletzt worden wäre, wäre dieser Fehler jedenfalls gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO geheilt. Nach dieser Bestimmung ist die Verletzung der Formvorschrift aus § 121 AO, die den Verwaltungsakt - offensichtlich - nicht nach § 125 AO nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; sie kann bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Das ist in der Einspruchsentscheidung vom 11.12.2014, die der Prüfungsanordnung ihre für die vorliegende Anfechtungsklage maßgebende Gestalt gibt (§ 44 Abs. 2 FGO), geschehen. Der Beklagte hat in der Einspruchsentscheidung seine Gründe für die Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung im Einzelnen dargelegt. Damit ist dem Erfordernis des § 121 AO selbst dann genüge getan, wenn die Begründung den Erlass dieser Prüfungsanordnung in der Sache nicht rechtfertigen würde. Auch die auf einer rechtsfehlerhaften Beurteilung beruhende unzutreffende Begründung eines Verwaltungsaktes ist eine Begründung im Sinne des § 121 AO (vgl. BFH, Urteil vom 11.2.2004 II R 5/02, BFH/NV 2004, 1062).
c) Im Übrigen steht die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsanordnung außer Frage. Der Beklagte war im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung für den Streitfall noch zuständig.
3. Die Prüfungsanordnung in der Gestalt der Einspruchsentscheidung enthält keine Ermessensfehler im Sinne des § 102 Satz 1 FGO.
Der Beklagte ist durch die §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1 Satz 2 AO ermächtigt, Außenprüfungen nach seinem Ermessen anzuordnen. In der Entscheidung, ob bei einem unter § 193 Abs. 1 AO fallenden Steuerpflichtigen eine Außenprüfung angeordnet wird oder nicht, ist die Finanzbehörde frei (BFH, Urteil vom 28.9.2011 VIII R 8/09, BStBl II 2012, 395). Das Gleiche gilt, wenn eine Außenprüfung angeordnet wird, für die Bestimmung ihres sachlichen Umfangs. Denn nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO „kann“ die Außenprüfung eine oder mehrere Steuerarten und einen oder mehrere Besteuerungszeiträume umfassen. In solchen Fällen verpflichtet § 5 AO die Finanzbehörde, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Im Rahmen seiner Entscheidung, ob der angefochtene Verwaltungsakt wegen eines Ermessensfehlers im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO rechtswidrig ist, hat der Senat gemäß § 102 Satz 1 FGO geprüft, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dabei hat er im Ergebnis keine Ermessensfehler feststellen können.
a) Der Erlass der Prüfungsanordnung entspricht dem Zweck der Ermächtigung. Die Außenprüfung ist ein spezielles Verfahren der Finanzbehörde, die steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu ermitteln (§ 194 Abs. 1 Satz 1 AO, § 88 Abs. 1 Satz 1 AO). Es dient der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags der Finanzbehörden, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85 Satz 1 AO). Die Finanzbehörden sind verpflichtet, für eine steuerliche Belastungsgleichheit zu sorgen und diese auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges zu gewährleisten (BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654). Die Herstellung der steuerlichen Lastengleichheit spricht für eine möglichst lückenlose Prüfung; die Verwaltung muss daher grundsätzlich alle Veranlagungszeiträume durch eine Außenprüfung kontrollieren können (BFH, Urteil vom 10.6.1992 I R 142/90, BStBl II 1992, 784). Da eine umfassende Prüfung der unter § 193 Abs. 1 AO fallenden Steuerpflichtigen nicht realisierbar ist, kann sich die Finanzbehörde zumindest die prophylaktische Wirkung nutzbar machen, die in der Unberechenbarkeit eines prüfungsfreien Zeitraums zwischen den turnusmäßigen Prüfungen liegt (BFH, Urteil vom 2.9.1988 III R 280/84, BStBl II 1989, 4 und Beschluss vom 3.2.2009 VIII B 114/08, BFH/NV 2009, 887).
b) Der Beklagte hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten.
aa) Er hat den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Die Anordnung einer Betriebsprüfung kann beim Steuerpflichtigen die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) berühren (vgl. Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, Loseblattausgabe, § 193 AO Rn. 78, Stand Februar 2011). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass jeder Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dienen und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen sein muss (BVerfG, Beschluss vom 13.6.2007 1 BvR 1550/03, 2357/04 und 603/05, BVerfGE 118, 168, BStBl II 2007, 896; BFH, Urteil vom 26.6.2014 IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507). Das ist bei der Prüfungsanordnung der Fall. Die Gleichheit der Steuerbelastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges ist - wie bereits ausgeführt - ein legitimer Zweck. Die Außenprüfung ist zur Erreichung dieses Zwecks ferner ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel. Für die Berücksichtigung eines Individualinteresses auf Verschonung von den durch eine Außenprüfung ausgelösten Belastungen ist grundsätzlich kein Raum (BFH, Urteil vom 2.10.1991 X R 89/89, BStBl II 1992, 220).
bb) Der Beklagte hat ferner nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 GG) verstoßen.
Wenn die Ausübung des den Finanzbehörden eingeräumten Ermessens durch intern zu beachtende und öffentlich gemachte Verwaltungsvorschriften beschränkt wird, dürfen sich die Finanzbehörden von dieser Selbstbindung im Einzelfall nicht ohne triftigen Grund lösen, weil sie sonst den Gleichheitssatz verletzen würden (BFH, Urteil vom 23.4.2015 V R 32/14, BFH/NV 2015, 1106). Die BpO 2000 (vom 15.3.2000, BStBl I 2000, 368, zuletzt geändert BStBl I 2011, 710) ist eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung (Art. 108 Abs. 7 GG) für die Betriebsprüfung. Die Ausübung des Ermessens richtet sich hier nach § 4 Abs. 3 BpO 2000, weil die freiberufliche Tätigkeit des Klägers mit Wirkung zum 1.1.2013 als sog. Kleinbetrieb eingeordnet war (vgl. BMF-Schreiben vom 22.6.2012 IV A 4-S 1450/09/10001, BStBl I 2012, 689). Darüber streiten die Beteiligten nicht. Die Überprüfung von ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften muss sich darauf beschränken, ob deren Auslegung durch die Behörde möglich ist (BFH, Urteil vom 19.9.2012 VI R 54/11, BStBl II 2013, 395).
Der Beklagte hat sich in der Einspruchsentscheidung zu Recht auf § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 gestützt. Diese Verwaltungsvorschrift erklärt - unter anderem bei Kleinbetrieben - Anschlussprüfungen für zulässig. Eine Anschlussprüfung liegt vor, wenn der angeordnete Prüfungszeitraum, der bei Kleinbetrieben in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen soll, an den vorhergehenden Prüfungszeitraum anschließt (vgl. § 4 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 BpO 2000). So liegen die Dinge hier. Der Streitzeitraum (2009 bis 2011) schließt an den Zeitraum der 2012 angeordneten Betriebsprüfung (2006 bis 2008) an, und dieser wiederum schließt an den Zeitraum der in 2008 angeordneten Betriebsprüfung (2003 bis 2005) an. Es handelt sich im Streitfall somit um die „zweite Anschlussprüfung“. Selbst eine solche ist gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 zulässig, der ausdrücklich „Anschlussprüfungen“ für zulässig erklärt. Der Senat schließt sich insoweit dem Urteil des BFH vom 15.6.2016 (III R 8/15, BStBl II 2017, 25) an, der in der Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung bei einem Mittelbetrieb einen Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung verneint hat. Für einen Kleinbetrieb wie im Streitfall kann nichts anderes gelten.
c) Andere Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
aa) Nach der Rechtsprechung kann die Finanzbehörde im Einzelfall verpflichtet sein, eine Prüfungsanordnung - über den Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO hinaus - zu begründen, wenn dies zum Verständnis der Prüfungsanordnung wegen der besonderen Umstände oder nach der Art der angeordneten Maßnahme erforderlich ist (grundlegend BFH, Urteile vom 16.11.1989 IV R 29/89, BStBl II 1990, 272 und vom 2.10.1991 X R 1/88, BStBl II 1992, 274; ferner Beschlüsse vom 12.8.2002 X B 210/01, BFH/NV 2003, 3 und vom 20.10.2003 IV B 67/02, BFH/NV 2004, 311). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob diese Voraussetzungen hier vorliegen. Denn die vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung gegebene Begründung, warum er den Kläger für den Streitzeitraum (erneut) prüfen möchte, ist in jedem Falle ausreichend und frei von Ermessensfehlern.
Ein Bedürfnis für eine zweite Anschlussprüfung besteht schon deshalb, weil der Beklagte für den Streitzeitraum klären möchte, ob der Kläger Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Ingenieur bzw. einem ähnlichen Beruf (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) oder aus einem gewerblichen Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG) erzielt. Die dagegen erhobenen Einwände schlagen nicht durch.
Die Abgrenzung ist nicht nur eine reine Rechtsfrage. Der ähnliche Beruf muss dem Beruf des Ingenieurs sowohl hinsichtlich der erforderlichen Berufsausbildung als auch hinsichtlich der tatsächlich entfalteten Tätigkeit im Wesentlichen gleichen (BFH, Urteil vom 22.9.2009 VIII R 79/06, BStBl II 2010, 404). Substantiierte Feststellungen zum Inhalt der Tätigkeit des Klägers im Streitzeitraum sind daher unverzichtbar. Dass sich die Tätigkeit gegenüber den Vorjahren nicht verändert hat, ist zweifelhaft, weil der Kläger ‑ wie die Prüferin bereits festgestellt hat - gerade im Streitzeitraum Qualifikationen als Software-Tester erworben hat, über die er zuvor nicht verfügte.
Die Anpassung der Gewinnermittlung an die Ergebnisse der Betriebsprüfung für den Zeitraum 2006 bis 2008, die zutreffende Besteuerung des Baus des Einfamilienhauses in 2009/2010 und die Verjährung der Forderungen, wegen der der Kläger auch im Streitzeitraum Rückstellungen gebildet hat, sind allesamt Vorgänge, die den Streitzeitraum betreffen und typischerweise im Rahmen einer Außenprüfung ermittelt werden. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dies wegen veränderter Umstände - z.B. der Verkauf des Einfamilienhauses in 2015 - noch möglich ist, wird im Rahmen der Durchführung der Betriebsprüfung zu klären sein. Das gleiche gilt für die Frage der Auswirkung von Verträgen, die - wie der Darlehensvertrag aus 2012 - erst nach dem Streitzeitraum geschlossen worden sind.
bb) Der Senat hat schließlich nicht feststellen können, dass die Prüfungsanordnung des Beklagten auf sachfremden Erwägungen beruht. Zwar wäre eine Prüfungsanordnung, die allein auf Willkür der Finanzbehörde beruht oder den Steuerpflichtigen lediglich schikanieren soll, ermessensfehlerhaft (BFH, Urteil vom 28.9.2011 VIII R 8/09, BStBl II 2012, 395). Das setzt aber zunächst einmal voraus, dass der konkrete Einzelfall besondere tatsächliche Umstände in dieser Richtung aufweist. Der Kläger stützt das Vorliegen von sachfremden Erwägungen allein auf seine Auffassung, die vom Beklagten vorgebrachte „besondere“ Begründung sei nicht ausreichend, so dass der tatsächliche Grund für die Anordnung der zweiten Anschlussprüfung nur Willkür bzw. Schikane sein könne. Da der Senat dem aber nicht folgt und die Begründung des Beklagten für ausreichend hält, ist für die Annahme von sachfremden Erwägungen kein Raum. Ins Blaue hinein vom Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzbehörde geäußerte Vorwürfe des willkürlichen bzw. schikanösen Verhaltens genügen nicht.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Da der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Aufwendungen hat, kann das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren nicht für notwendig erklären (§ 139 Abs. 4 Satz 3 FGO).