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Steuerrecht
04.03.2016
Steuerrecht
Niedersächsisches FG: Anforderungen an den Nachweis des verspäteten Zugangs eines Steuerbescheides

Niedersächsisches FG, Urteil vom 25.11.2015 – 9 K 215/14

Leitsätze

1. Um den Tag der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post feststellen zu können, bedarf es keines Absendevermerks der Poststelle. Bei Fehlen eines solchen Vermerks kann das Finanzamt vielmehr darlegen, wie der Ablauf der Postversendung gestaltet war und welche Maßnahmen ergriffen worden waren, um die Gewähr für die Übereinstimmung von Bescheiddatum und tatsächlichem Aufgabetag zu bieten.

2. Wenn nach der Rechtsprechung des BFH allein ein selbst gefertigter Eingangsvermerk nicht ausreicht (vgl. BFH Beschlüsse vom 25. Februar 2010 - IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115; vom 30. November 2006 - XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389), kann auch eine von einem Mobiltelefon an den Berater gesendete Kurznachricht mit der Behauptung eines bestimmten Tags des "Erhalts der Post" nicht genügen, um Zweifel an der Zugangsvermutung zu begründen.

§ 122 Abs 2 Nr 1 AO

Sachverhalt

Streitig ist die Rechtzeitigkeit eines Einspruchs.

Der Kläger ist ledig und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielt im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger war in den Streitjahren als Geschäftsführer sowie als Büro- und Teamleiter im Firmengeflecht von verschiedenen Firmen tätig (…).

Im Streitjahr 2007 erfolgte zunächst keine Steuerfestsetzung. Für die Streitjahre 2008 bis 2010 erließ der Beklagte Einkommensteuerbescheide vom 12. Oktober 2010, 17. Dezember 2010 sowie 20. August 2012.

Im Zuge von Ermittlungen der Steuerfahndung ...zu Betreibern von Callcentern im Bereich L., F.  sowie in weiteren Teilen der neuen Bundesländer wurde festgestellt, dass innerhalb des vorgenannten Firmengeflechts größere Beträge an Bargeld in Form von Motivations- und Prämienzahlungen als Lohnbestandteil an die Beschäftigten der Firmen gezahlt wurden. Im Rahmen der Ermittlungen der Steuerfahndung wurde bekannt, dass auch der Kläger in das Prämienzahlungssystem eingebunden war und solche Gelder selbst zur Auszahlung brachte. Die Steuerfahndung und dem folgend der Beklagte kamen zu dem Schluss, dass auch der Kläger in den Streitjahren solche Schwarzgeldzahlungen erhalten hatte und erließ für 2007 erstmalig einen Einkommensteuerbescheid bzw. änderte die vorgenannten Ausgangsbescheide für 2008 und 2009 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO -  sowie für 2010 gemäß § 164 Abs. 2 AO. Der Vorbehalt der Nachprüfung für das Streitjahr 2010 wurde aufgehoben.

Die vorgenannten Einkommensteuerbescheide tragen das aufgedruckte Bescheiddatum „14.02.2014“. Unstreitig handelt es sich dabei um Steuerbescheide, die nicht im maschinellen Verfahren verschickt wurden. Das liegt an dem Umstand, dass den Bescheiden noch eine Anlage – der Bericht der Steuerfahndung – beizufügen war. Aus diesem Grund gab ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin des Finanzamts die Steuerbescheide (manuell) zur Post auf. Ein entsprechender Absendevermerk wurde darüber nicht gefertigt.

Hiergegen wendete sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 19. März 2014, der am 18. März 2014 beim Beklagten einging. Zur Begründung teilte der Kläger mit Schreiben vom 15. Mai 2014 mit, dass ihm die Bescheide erst am 20. Februar 2014 bekanntgegeben worden seien. Der Kläger bezweifelte hier das Datum der Aufgabe der Bescheide zur Post. Er bat um den Nachweis des Absendevermerks auf den Bescheiden und um Mitteilung, wer die Bescheide zur Post gegeben habe. Des Weiteren ersuchte er den Beklagten, anhand des Postausgangsbuches nachzuweisen, wann die Bescheide tatsächlich zur Post aufgegeben worden seien.

Der Beklagte erörterte daraufhin mit Einlassung vom 28. Mai 2014 ausführlich die Sach- und Rechtslage und bat den Kläger um abschließende Stellungnahme. Da eine Antwort hierauf nicht erfolgte, verwarf das beklagte Finanzamt den Einspruch als unzulässig.

In der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2014 errechnete der Beklagte das Ende der Einspruchsfrist mit dem Ablauf des 17. März 2014. Der am 18. März 2014 eingelegte Einspruch sei danach nicht fristgerecht erfolgt. Einen späteren Zugang der geänderten Einkommensteuerbescheide nach dem gesetzlich fingierten Bekanntgabedatum (17. Februar 2014) habe der Kläger nicht nachgewiesen. Es gebe weder einen Eingangsvermerk noch habe der Kläger den Briefumschlag aufbewahrt. Dem Kläger obliege es insoweit, Beweisvorsorge zu treffen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass die streitbefangenen Steuerbescheide ihm gegenüber am 20. Februar 2014 bekanntgegeben worden seien. Das beklagte Finanzamt habe die angeforderten Nachweise über die Aufgabe zur Post nicht beigebracht. Zur Glaubhaftmachung des Zugangs der streitbefangenen Bescheide am 20. Februar 2014 hat der Kläger – soweit ersichtlich erstmals mit Schriftsatz vom 22. Januar 2015 - die Kopie einer E-Mail vom 24. Februar 2014, gesendet vom Mobiltelefon und gerichtet an den Klägervertreter, vorgelegt. Darin heißt es unter Betreff: „ESt 2007 – 2010 incl. Steuerbericht“ wörtlich: „Habe Donnerstag diese Post erhalten. Ich bitte Sie, diese zu prüfen und mir eventuelle Vorgehensweisen zu erläutern. Ps.: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein Vorname auf einem Dokument kein Nachweis für eine Verbindung zu meiner Person ist.“ Des Weiteren hat der Kläger eine an ihn gerichtete Antwort-E-mail des Klägervertreters vom 7. März 2014 vorgelegt. Hier heißt es u.a.: “Die Bescheide wurden ihnen am 20.02.2014 bekannt gegeben.“

Inhaltlich bestreitet der Kläger weiterhin ausdrücklich, sogenannte Schwarzgelder erhalten zu haben. Die Ergebnisse der Steuerfahndung werden bestritten. Nur weil ein Teil der Zeugen Schwarzgeldzahlungen bestätigt hätten, könne seitens des beklagten Finanzamtes nicht gefolgert werden, dass auch der Kläger Schwarzgeldzahlungen erhalten habe. Eine weitere falsche Schlussfolgerung sei, den Namen „…“ mit dem Kläger in Verbindung zu bringen. Gegen den Erhalt von Schwarzgeldzahlungen spreche ferner, dass der Kläger regelmäßig finanziell von seiner Mutter unterstützt worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 14. Februar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2014 abzuändern und die Einkommensteuer auf 0,- € festzusetzen, und die geänderten Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2010, jeweils vom 14. Februar 2014, jeweils in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 4. Juli 2014, ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seinen Einspruchsbescheid. Darüber hinaus wird der Klageabweisungsantrag wie folgt begründet: Der Kläger habe weiterhin keine Angaben dazu gemacht, ob er den Tag des Zugangs der angefochtenen Bescheide dokumentiert habe. Auch habe er sich nach Aktenlage nicht sofort nach dem behaupteten Zugang an das Finanzamt gewandt. Darüber hinaus habe der Klägervertreter in dem erstmaligen Einspruchsschreiben nicht auf den vermeintlich verspäteten Zugang der angefochtenen Bescheide hingewiesen, sondern diesen Umstand erst erläutert, nachdem das beklagte Finanzamt ihn mit Schreiben vom 28. März 2014 auf die verspätete Einspruchseinlegung hingewiesen habe. Der Beklagte geht danach weiterhin davon aus, dass die Einsprüche nicht fristgerecht eingelegt worden seien. Inhaltlich beruft sich der Beklagte auf die Feststellungen der Steuerfahndung.

Auf Aufforderung des Berichterstatters hat der Beklagte den Verfahrensablauf bei nicht zentral versandten Bescheiden mit Schreiben vom 24. November 2015 wie folgt dargestellt: “Die Bescheide werden einschließlich des Hinweiszettels über die Hinweisliste in den Arbeitnehmerbereich gegeben. Die Bearbeiter der Hinweisliste leiten Bescheid und Hinweis ggf. z.w.V. an den entsprechenden Bearbeiter weiter (damit z.B. Anlagen etc. beigefügt werden können). Der Bearbeiter fügt dem Bescheid die entsprechende Anlage bei. Diese Abläufe sind elektronisch dokumentiert (vgl. die als Anlage beigefügte Hinweiskarte in der E-Akte). Die Hinweise werden im Feld „Vermerke“ durch den Bearbeiter abgearbeitet. Der Bearbeiter gibt den Bescheid zu den an der zentralen Stelle gesammelten Bescheiden mit gleichem Absendedatum (der Bescheid ist vordatiert). Die Bescheide werden nach Absendedatum sortiert, das Absendedatum ist für jeden Stapel gesondert kenntlich gemacht. Die Bearbeiter der Hinweisliste geben die Bescheide am Nachmittag vor dem Absendetag zur Post. Der Versand erfolgt sodann am nächsten Tag. So wird gewährleistet, dass Bescheid- und Absendedatum identisch sind.“

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die vorgenannte Verfahrensweise noch einmal ausführlich erläutert und entsprechende Fotos zur Veranschaulichung vorgelegt. Zudem hat der Klägervertreter seine Fristenkontrolle in der mündlichen Verhandlung dargestellt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 25. November 2015 Bezug genommen.

Aus den Gründen

1. Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte den - unstreitig - am 18. März 2014 beim Finanzamt eingegangenen Einspruch des Klägers als unzulässig verworfen. Die Einspruchsfrist vom einem Monat (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO) war bereits mit Ablauf des 17. März 2014 abgelaufen (§ 108 Abs. 1 AO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).

a. Die streitbefangenen Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 wurden nach den Feststellungen des Gerichts am 14. Februar 2014 (Freitag) zur Post aufgegeben und gelten entsprechend der gesetzlichen Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als dem Kläger am 17. Februar 2014 bekannt gegeben.

aa. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

Für den Beginn der Frist von drei Tagen kommt es danach auf die Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post und nicht auf das aufgedruckte Bescheiddatum an. Das Bescheiddatum hat lediglich die Funktion, die Steuerfestsetzung zeitlich zu fixieren und in diesem Sinne den Bescheid zu kennzeichnen (BFH-Urteile vom 3. Mai 2001 III R 56/98, BFH/NV 2001, 1365, und vom 20. November 2008 III R 66/07, BFHE 223, 317, BStBl II 2009, 185). Aus dem Bescheiddatum lässt sich auch nicht auf den Tag der Aufgabe zur Post schließen (BFH-Urteile vom 19. Dezember 1984 I R 7/82, BFHE 143, 200, BStBl II 1985, 485; in BFH/NV 2001, 1365, und vom 22. Mai 2002 VIII R 53/00, BFH/NV 2002, 1417; BFH-Beschluss vom 26. Juni 2006 II B 99/05, BFH/NV 2006, 1860).

Der Beweis der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post an einem bestimmten Tag kann nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt werden, wenn die Absendung nicht in einem Absendevermerk der Poststelle des Finanzamts festgehalten ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1860). Da sich die Aufgabe von Verwaltungsakten zur Post im Wissens- und Verantwortungsbereich des Finanzamts abspielt, hat es insoweit die erforderliche Beweisnähe (BFH-Urteil vom 28. September 2000 III R 43/97, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211, unter II.3.a). Die Feststellungslast (objektive Beweislast) für den Tag der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post trägt daher das Finanzamt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1860).

Um den Tag der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post feststellen zu können, bedarf es allerdings keines Absendevermerks der Poststelle. Bei Fehlen eines solchen Vermerks kann das Finanzamt vielmehr darlegen, wie der Ablauf der Postversendung gestaltet war und welche Maßnahmen ergriffen worden waren, um die Gewähr für die Übereinstimmung von Bescheiddatum und tatsächlichem Aufgabetag zu bieten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. August 2005 V B 115/04, BFH/NV 2006, 84, zur Absendung eines Steuerbescheids durch ein Druckzentrum; vom 22. Mai 2006 X B 190/05, BFH/NV 2006, 1681; vom 30. November 2006 XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389, unter 3.d; vom 16. Mai 2007 V B 169/06, BFH/NV 2007, 1454, und vom 13. Februar 2008 XI B 218/07, BFH/NV 2008, 742).

Die Rechtsprechung des BFH, wonach nicht jedes beliebige Bestreiten des Zugangszeitpunkts die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 AO außer Kraft setzt, der Empfänger vielmehr substantiiert Tatsachen vortragen muss, die schlüssig auf den verspäteten Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 389, m.w.N., und in BFH/NV 2007, 1454), betrifft Fälle, in denen der Tag der Aufgabe des Verwaltungsakts zur Post feststeht und sich deshalb Beginn und Ende der in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO vorgesehenen Dreitagesfrist bestimmen lassen. Steht dieser Tag nicht fest, ist die Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht anwendbar (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1417; BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1681).

bb. Im Streitfall kann der Tag, an dem die streitbefangenen Einkommensteuerbescheide zur Post aufgegeben worden waren, vom Gericht festgestellt werden.

Zwar hat der Beklagte diesbezüglich keine Absendevermerke in den Steuerakten und Protokollen festgehalten und verfügt auch nicht über eine eigenständige Postausgangskontrolle. Der Senat konnte aber aufgrund der Darlegungen des Finanzamts bezüglich des Ablaufs der Postversendung mit Schreiben vom 24. November 2015 und in der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewinnen, dass die ergriffenen Maßnahmen grundsätzlich in ausreichendem Maße Gewähr für die Übereinstimmung von Bescheiddatum und tatsächlichem Aufgabetag bieten. So ist aus Sicht des Senats die Zeitspanne zwischen der Rücksendung eines Bescheides vom Rechenzentrum und dem aufgedruckten Absendedatum von 5 Tagen ausreichend, um die sich aus dem mitübersandten Hinweiszettel ergebenden „Aufgaben“ abzuarbeiten und den jeweiligen Bescheid dann zu den an der zentralen Stelle gesammelten Bescheiden mit gleichem Absendedatum zu legen. Da die zur Absendung bestimmten Bescheide nach Absendedatum sortiert sind und das Absendedatum für jeden Stapel gesondert kenntlich gemacht ist, kann der zuständige Bearbeiter leicht erkennen, auf welchen Stapel der jeweilige Bescheid gehört. Auch der vom Finanzamt glaubhaft geschilderte Umstand, dass die Bearbeiter der Hinweisliste die Bescheide bereits am Nachmittag vor dem Absendetag zur Post geben, obwohl der Versand (erst) am nächsten Tag erfolgt, gewährleistet nach Überzeugung des Senats, dass Bescheid- und Absendedatum identisch sind. Der Senat geht ferner aufgrund der Schilderung der Vertreterin des beklagten Finanzamts in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass die sachliche Zuständigkeit für die einzelnen Arbeitsschritte und die Vertretung in einem Krankheits- oder Urlaubsfall klar geregelt sind und damit auch in unvorhergesehenen Fällen ein unbearbeitetes „Liegen bleiben“ ausgeschlossen wird. Da die Erledigung der Arbeitsschritte des Hinweiszettels protokolliert wird, hat auch der Vertreter des zuständigen Bearbeiters im Krankheits- oder Urlaubsfall jederzeit einen Überblick über den jeweiligen Verfahrensstand und ist über ggf. noch ausstehende Arbeiten informiert.

Entgegen der Auffassung des Klägers steht die fehlende Fristenkontrolle im beklagten Finanzamt dem nicht entgegen. Das Fehlen einer Fristenkontrolle führt bei eigener Fristversäumnis des Finanzamts – etwa im Fall der Einlegung einer Revision – dazu, dass insoweit wegen eines Organisationsverschuldens des Finanzamts eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 11. September 2014 VI R 68/13, BFH/NV 2015, 47). Unabhängig davon ist es Sache des erkennenden Senats, die Umstände des Absendevorgangs im konkreten Fall zu bewerten und den Tag der Aufgabe zur Post nach seiner gewonnenen Überzeugung festzustellen. In diesem Zusammenhang ist für den Senat ohne Bedeutung, dass – so wie die Vertreterin des Finanzamts in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat – die theoretische Möglichkeit besteht, dass ein Bescheid in einen Stapel mit einem abweichenden vorbestimmten Absendedatum einsortiert werden könnte. Solche theoretischen Störungen sind in jeder Phase eines Absendevorgangs, an dem menschliches Handeln mitwirkt, denkbar. Sofern jedoch im konkreten Einzelfall keine Anzeichen für eine solche Störung bestehen, ist nach Auffassung des Senats für die Überzeugungsbildung ausreichend, dass die ergriffenen Maßnahmen in ausreichendem Maße Gewähr für die Übereinstimmung von Bescheiddatum und tatsächlichem Aufgabetag bieten (so auch BFH-Beschluss vom 30. November 2006 XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389). Das ist vorliegend aus Sicht des Senats der Fall.

b. Dem Kläger ist es nicht gelungen, die gesetzliche Vermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO über den Zeitpunkt des Zugangs der streitbefangenen Steuerbescheide zu entkräften.

aa. Die Vermutung des § 122 Abs. 2 AO greift dann nicht, wenn der Verwaltungsakt tatsächlich nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang zu beweisen. Um die Beweislast der Behörde zu begründen, muss der Steuerpflichtige nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung durch substantiierte Erklärungen darlegen, dass er nicht rechtzeitig in den Besitz des Bescheides gekommen ist (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2012 V S 1/12 (PKH), BFH/NV 2012, 979; vom 25. Februar 2010 IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115; vom 31. März 2008 III B 151/07, BFH/NV 2008, 1335; vom 30. November 2006 XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389).  Er muss Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische -Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post- ernstlich in Betracht zu ziehen ist. Es genügt danach nicht schon ein einfaches Bestreiten, um die gesetzliche Vermutung über den Zeitpunkt des Zugangs des Schriftstücks zu entkräften. Es müssen vielmehr Zweifel berechtigt sein, sei es nach den Umständen des Falles, sei es nach dem schlüssigen oder jedenfalls vernünftig begründeten Vorbringen des Steuerpflichtigen (BFH-Beschluss -III S 4/11 (Pkh), BFH/NV 2011, 1717).

Zur Begründung von Zweifeln am Zugang innerhalb der Drei-Tages-Frist reicht ein abweichender Eingangsvermerk allein jedoch nicht aus (so BFH-Beschlüsse vom 25. Februar 2010 IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115; vom 30. November 2006 XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389; vom 27. Februar 1998 IX B 29/96, BFH/NV 1998, 1064), auch wenn dieser als private Urkunde zu beurteilen wäre. Eine als mögliche anwaltliche Versicherung zu wertende Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Verlauf des Klageverfahrens genügt ebenfalls zur Glaubhaftmachung des Zugangszeitpunkts eines Verwaltungsaktes nicht, wenn objektive Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten (s. BFH-Beschlüsse vom 10. Oktober 2003 VI B 95/03, BFH/NV 2004, 219; vom 13. Oktober 2005 IV B 21/05, BFH/NV 2006, 328). Objektives Beweismittel ist der betreffende Briefumschlag mit dem sich darauf befindlichen Poststempel (BFH-Beschlüsse vom 1. Dezember 2010 VIII B 123/10, BFH/NV 2011, 410; vom 25. Februar 2010 IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115).

bb. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalles hat der Senat keine Zweifel am Zugang innerhalb der Drei-Tages-Frist. Der Kläger hat keine Umstände substantiiert vorgetragen, die gegen die Vermutung sprechen, dass ihm die Briefe mit den Einkommensteuerbescheiden innerhalb der Drei-Tages-Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO tatsächlich zugegangen sind.

So wurden die betreffenden Briefumschläge mit dem Poststempel als objektive Beweismittel nicht vorgelegt. Insoweit trifft den Kläger allerdings die Pflicht zur Beweisvorsorge (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 2010 VIII B 123/10 BFH/NV 2011, 410, Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 24. Oktober 2012 2 K 436/12, juris).

Wenn nach der Rechtsprechung des BFH allein ein selbst gefertigter Eingangsvermerk nicht ausreicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. Februar 2010 IX B 149/09, BFH/NV 2010, 1115; vom 30. November 2006 XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389), genügt auch eine von einem Mobiltelefon an den Berater gesendete Kurznachricht mit der Behauptung eines bestimmten Tags des „Erhalts der Post“ nicht, um Zweifel an der Zugangsvermutung zu begründen. Daran ändert auch die nachfolgende schriftliche Bestätigung des Klägervertreters bezüglich des genannten „Zugangsdatums“ gegenüber dem Kläger nichts. Der Klägervertreter hat sich hier in keiner Weise zuvor vergewissert oder nachgefragt, worauf sich die Nennung des deutlich nach dem Tag des gesetzlich fingierten Zugangs liegenden Zugangsdatums durch den Kläger gründet, obwohl infolge der behaupteten ungewöhnlich langen Brieflaufzeit Anlass dafür bestanden hatte.

Nicht zuletzt ist die Mitteilung des Klägers an den Klägervertreter vom 24. Februar 2014, er habe die Post am 20. Februar 2014 „erhalten“ zu wenig genau bzw. konkret, um ein Einlegen der streitbefangenen Einkommensteuerbescheide in den Briefkasten des Klägers innerhalb des Drei-Tages-Zeitraums nach Aufgabe zur Post sicher ausschließen zu können. Die Formulierung des Klägervertreters in seiner an den Kläger gerichteten mail vom 7. März 2014 „Die Bescheide wurden ihnen am 20.2.2014 bekannt gegeben“ ist insoweit eine zu weit gehende und nicht gerechtfertigte Interpretation, die im Übrigen nicht erneut bestätigt wurde.

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

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