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Steuerrecht
02.06.2017
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Abzug von Verlusten aus der Ausbuchung wertloser Aktien

FG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2016 – 7 K 2175/16 F, Rev. eingelegt (Az. BFH VIII R 34/16)

ECLI:DE:FGD:2016:1123.7K2175.16F.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2017-1319-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze Redaktion

1. Ein Forderungsausfall ist keine Veräußerung i. S. § 20Abs. 2Nr. 7EStG.

2. Eine planwidrige und auslegungsbedürftige Regelungslücke liegt nicht vor.

EStG § 29 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 7

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Depotgemeinschaft und erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Kapitalvermögen. Sie erwarb am …. und … 2011 (19.000 Stück für 30.143,20 EUR; Kurs 1,46 EUR, 1,65 EUR bzw. 1,64 EUR ) sowie am … 2012 (20.000 Stück; 6.128,57 EUR; Kurs: 0,304 EUR bzw. 0,305 EUR) insgesamt 39.000 Namensaktien O.N. der A AG zu einem Gesamtkaufpreis von 36.262,77 EUR.

Die A AG war bereits im Jahre 2010 in wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten geraten. Nachdem eine mit den Gläubigern geschlossene Stillhaltevereinbarung nicht umgesetzt werden konnte, wurde über das Vermögen der AG am 28.3.2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Im Rahmen einer Sanierung wurde mit Zustimmung des Insolvenzgerichts u.a. das Grundkapital der AG auf 0 EUR herabgesetzt. Anschließend erfolgte eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre; neuer alleiniger Aktionär wurde eine in Luxemburg ansässige Gesellschaft. Die Anteile der Altaktionäre gingen unter; der Handel der Altaktien wurde eingestellt (Pressemitteilung vom 27.11.2012).

Mit Schreiben vom 3.12.2012 teilte die Sparkasse … der Klägerin mit, dass die Namensaktien der A AG ersatz- und gegenwertlos ausgebucht worden seien.

Die Klägerin reichte zu der Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen eine Steuerbescheinigung der Sparkasse … ein, in der Verluste aus der Ausbuchung der Aktien nicht erfasst waren. Sie teilte mit, zusätzlich zu den erklärten Einkünften sei ein Verlust aus der Ausbuchung der Aktien zu berücksichtigen. Auch diese Aktien seien mit Gewinnerzielungsabsicht erworben worden und entsprechend der Anerkennung von Verlusten aus Veräußerungsgeschäften bei der Veranlagung zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 21.8.2013 stellte der Beklagte die Einkünfte aus Kapitalvermögen ohne die geltend gemachten Verluste fest.

Die Klägerin erhob hiergegen am 11.9.2013 Einspruch. Sie trug vor, steuerpflichtig seien nicht nur Veräußerungsgeschäfte, wie etwa die Berücksichtigung sogen. Squeeze-Outs zeige, die steuerpflichtig seien, soweit ein Veräußerungsgewinn anfalle. Der Kapitalschnitt auf Null, der zu einem vollständigen Verlust der Anlage führe, müsse steuermindernd zu berücksichtigen sein.

Das Einspruchsverfahren ruhte bis zu einer Entscheidung des BFH in dem Verfahren IX R 57/13. Mit Einspruchsentscheidung vom 28.6.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, nach § 20 Abs.2 Nr.1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehörten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien. Veräußerung in diesem Sinne sei eine entgeltliche Übertragung auf einen Dritten und zwar auch dann, wenn wertlose Anteile ohne Gegenleistung übertragen würden. Bei der Ausbuchung der Aktien fehle es an einer derartigen Übertragung. Die Entscheidung des BFH in dem Verfahren IX R 57/13 sei nicht einschlägig, da in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt die Aktien eingezogen und auf die Gläubiger der Gesellschaft übertragen worden seien. Auch im Falle eines Squeeze-Outs würden die Aktien gegen Gewährung einer Abfindung übertragen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beträfen Aufwendungen, die mit dem Kapital in Zusammenhang stünden, wie Anschaffungskosten, Tilgungszahlungen oder Verluste des Kapitals die Einkunftsart des § 20 EStG nicht. Hieran habe sich durch die Einführung des § 20 Abs.2 nichts geändert. Der Totalverlust einer Forderung erfülle keinen der Tatbestände dieser Vorschrift.

Die Klägerin hat am 26.7.2016 Klage erhoben zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt sie vor, das FG Rheinland-Pfalz habe in einem Urteil vom 23.10.2013 (Az.: 2 K 2096/11, Vorinstanz zu BFH IX R 57/13) die Einziehung von Aktien im Rahmen einer Insolvenz als veräußerungsgleichen Vorgang i.S. § 20 Abs.2 EStG bewertet. Vorliegend seien die Aktien durch die Kapitalherabsetzung auf Null eingezogen und danach auf einen neuen Aktionär gegen Zahlung der Kapitalerhöhung übertragen worden. Die Klägerin habe mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Die wirtschaftliche Entwicklung der A AG sei im Zeitpunkt der Investition nicht absehbar gewesen. Das Unternehmen existiere nach wie vor mit einer starken Marktstellung.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 21.8.2013 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28.6.2016 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen auf 32.568,38 EUR herabgesetzt werden,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte bezieht sich auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, nach dem BMF-Schreiben vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85ff Rdz.60 werde ein Forderungsausfall weder vom Begriff der Veräußerung erfasst, noch handele es sich um einen veräußerungsähnlichen Vorgang i.S. § 20 Abs.2 Satz 1 EStG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten.

Aus den Gründen

Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs.1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Wertverlust der Aktien und deren nachfolgende Ausbuchung aus dem Depot ist nicht als Verlust aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.

 

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 20 i.d.F. vor dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 steht ein Verlust des Darlehenskapitals nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart des § 20 EStG. Bei der Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung wird nicht das Kapital selbst, sondern seine Nutzungsmöglichkeit eingesetzt. Nur in diesem Rahmen besteht bei Aufwendungen auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Zinserträgen. Aufwendungen, die das Kapital selbst betreffen, wie Anschaffungskosten, Tilgungszahlungen oder Verlust des Kapitals berühren die Einkunftsart des § 20 EStG nicht (vgl. BFH Urteil vom 16.4.1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234 [BB 1991, 2063]; zuletzt Urteil vom 10.4.2014 VI R 57/13 BFHE 245, 330, BStBl II 2014, 850).

 

An dieser Wertung hat sich nach Auffassung des Senats durch die Einführung des § 20 Abs.2 Nr. 1 EStG nichts geändert (vgl. Urteil vom 11.3.2015 7 K 3661/14, BB 2015, 1639, nicht rechtskräftig, BFH VIII R 13/15). Nach dieser Vorschrift gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1. Gem. § 20 Abs.2 Satz 2 EStG gilt als Veräußerung im Sinne des Satzes 1 auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft. Es ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Begründung, dass der Umstand, dass Aktien durch eine Herabsetzung des Kapitals einer Aktiengesellschaft wertlos werden und in Folge dessen aus einem Depot ausgebucht werden müssen, keinen dieser Tatbestände erfüllt. Insbesondere ist ein Forderungsausfall keine Veräußerung i.S. § 20 Abs.2 Nr. 7 EStG (so VV DEU BMF 2012-10-09 IV C 1-S 2252/10/10013 BStBl I 2012, 953 Rdz. 60). Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, dass der Ausfall einer Kapitalforderung die zum Wegfall der Vermögenssubstanz führt, einer Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG gleichzustellen sein. Dies wird mit einer nach Sinn und Zweck des Gesetzes gebotenen erweiternden Auslegung des Begriffs der „Veräußerung“ i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr.7 und Abs. 4 Satz 1 EStG begründet (statt vieler: Blümich/Ratschow EStG § 20 Rn. 247A m.w.N.; vgl. auch von Beckerath in Kirchhoff § 20 EStG Rdz.144; Aigner in DStR 2016 S.345ff, Hahne in DB 2015 S.1640, wohl auch Spieker in DB 2016, 197). Eine derartige Auslegung über den klaren und eindeutigen Wortlaut hinaus scheidet jedoch bereits deshalb aus, weil eine planwidrige und auslegungsbedürftige Regelungslücke erkennbar nicht vorliegt. Aus § 20 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz EStG, wonach Währungsschwankungen bei der Ermittlung des Gewinns zu berücksichtigen sind, ergibt sich, dass dem Gesetzgeber das Problem von Wertänderungen beim Kapital bewusst war (ebenso FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.1.2016 14 K 14040/13, BB 2016, 2405 nicht rechtskräftig BFH VIII R 18/16; Helios/Link, DStR 2008, 386). Auch eine verfassungskonforme Analogie (so Kellersmann in FR 2012, 57; FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 23.10.2013 EFG 2014, 136; hierzu Aigner in JM 2015, 119, ders. DStR 2016, 346ff) scheidet aus. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Vermögenssphäre umfassend berücksichtigen wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Wertänderungen nur auf die im Gesetz ausdrücklich genannten Tatbestände eingeschränkt sein soll. Hierin liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der steuerrechtlichen Vorschriften einen weiten Gestaltungsspielraum hat und aus Gründen der Praktikabilität berechtigt war, die Erfassung von Wertänderungen im Vermögen an bestimmte nachvollziehbare Sachverhalte zu knüpfen.

 

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs.1 FGO abzuweisen.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs.2 Nr.1 und 2 FGO).

 

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