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Steuerrecht
06.02.2014
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Abzug von Aufwendungen für einen häuslichen Telearbeitsplatz

FG Düsseldorf, Urteil vom 8.8.2013 - 11 K 1705/12 E


Sachverhalt


Streitig ist der Abzug von Arbeitszimmeraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.


Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Tätigkeit als Bankkaufmann. Die Klägerin ist als Bilanzbuchhalterin ebenfalls nichtselbständig tätig. Daneben erzielen beide Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung.


Der Kläger ist Angestellter der X-Bank in K und fungiert als „Referent medialer Betrieb". Er übt seine Tätigkeit im ...Center in A aus, wobei er mit der X-Bank eine sog. Zusatzvereinbarung Telearbeit (vgl. Einspruchshefter der Beklagten) getroffen hat. Danach haben die Beteiligten vereinbart, dass der Kläger seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit in der Privatwohnung ausübt, soweit nicht betriebliche Belange die Arbeitsleistung in den Räumen der X-Bank erfordern. Für die Telearbeit werden dem Kläger die erforderlichen Arbeits- und Hilfsmittel kostenlos zur Verfügung gestellt (vgl. Inventarliste, Blatt 64 der Gerichtsakte). Die X-Bank zahlt eine Pauschale von 51,13 € für die Kosten des häuslichen Arbeitsplatzes (vgl. die gemeinsame Erklärung des Vorstandes und des Personalrates der X-Bank in K zur Pilotphase Telearbeit, Einspruchshefter des Beklagten). Der Anteil der Telearbeit wurde mit 40 bis 60 % festgelegt (vgl. Bestätigung der X-Bank, Blatt 73 der Gerichtsakte). In den Streitjahren nutzte der Kläger für die Telearbeit ein häusliches Arbeitszimmer in der Wohnung bzw. - ab April 2008 - im Einfamilienhaus der Kläger in M.


In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2010 machten die Kläger für Zwecke der Entfernungspauschale 131, 120 bzw. 122 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einer Entfernung von jeweils 58 km sowie Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer i. H. v. 1.908 €, 1.263 €, 1.225 € als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend.


In den Bescheiden vom 9. September 2009 und 14. Oktober 2011 (Einkommensteuer 2008), 12. Juli 2010 (Einkommensteuer 2009) bzw. 28. Juli 2011 (Einkommensteuer 2010) berücksichtigte das beklagte Finanzamt die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erklärungsgemäß als Werbungskosten, die Arbeitszimmeraufwendungen hingegen nicht.


Dagegen legten die Kläger rechtzeitig Einspruch ein. Im Hinblick auf die Arbeitszimmeraufwendungen führten sie aus, dass die Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer in qualitativer wie quantitativer Hinsicht einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers ausmache. Der qualitative Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege im Arbeitszimmer. Auch in quantitativer Hinsicht überwiege die Tätigkeit im Arbeitszimmer. Zur Erläuterung nahmen die Kläger auf den Tätigkeitskatalog der X-Bank in K aus Juli 2003 sowie eine Aufstellung über die im Arbeitszimmer und in der X-Bank abgeleisteten Arbeitstage (vgl. Einspruchshefter des Beklagten) Bezug.


Mit Schreiben vom 28. September 2011 wies das beklagte Finanzamt die Kläger auf die Möglichkeit der Verböserung hin und bat um Erläuterung der im Vergleich zu den Vorjahren gestiegenen Entfernungskilometer.


Mit Teil-Einspruchsentscheidungen vom 27. März 2012 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre dergestalt, dass er der Entfernungspauschale nur noch eine Entfernung von 49 km - die nach seiner Auffassung verkehrsgünstigere Strecke - zugrunde legte. Den Einspruch hielt er, soweit über ihn entschieden wurde, für unbegründet und berief sich darauf, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit des Klägers gebildet habe. Da alle wesentlichen Aufgaben des Klägers objektiv sowohl im Arbeitszimmer als auch am betrieblichen Arbeitsplatz erledigt werden könnten und die Bevorzugung des Arbeitszimmers aufgrund subjektiver Beweggründe erfolge, könne der Schlussfolgerung der Kläger, der qualitative Tätigkeitsmittelpunkt liege im Arbeitszimmer, nicht gefolgt werden. Vor dem Hintergrund, dass bereits ein Arbeitsplatz im Großraumbüro, der dem Arbeitnehmer nicht individuell zugeordnet sei, einen Abzug von Arbeitszimmerkosten ausschließe (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. August 2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78), vermöge der vonseiten der Kläger angeführte Beweggrund der Störungsvermeidung keinen Ausschlag zu geben, das häusliche Arbeitszimmer als Tätigkeitsmittelpunkt anzusehen. Für den betrieblichen Arbeitsplatz könne keine Nutzungsbeschränkung festgestellt werden. Die Vereinbarung über alternierende Telearbeit (40 bis 60 % Telearbeit) stelle keine echte Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten dar, da diese angesichts der erklärten Arbeitstage am Betriebssitz und im häuslichen Arbeitszimmer von den Vertragsparteien offenbar nicht streng ausgelegt werde. Die Kläger könnten sich weiterhin nicht auf das BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 (VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600) berufen, wonach sich der qualitative Tätigkeitsmittelpunkt im Arbeitszimmer befinde, wenn der Arbeitnehmer eine in qualitativer Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistung wöchentlich zu mehr als der Hälfte der Arbeitszeit am häuslichen Telearbeitsplatz verbringe. Die Kläger hätten nicht nachgewiesen, dass die Telearbeit überwiege, da lediglich 79, 89 bzw. 81 Telearbeitstage angegeben worden seien, wohingegen 131, 120 bzw. 122 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erklärt worden seien. Weiterhin hätten die Kläger nicht darlegen können, dass - wie in dem vom BFH entschiedenen Fall - eine objektive Verschlechterung der Arbeitsplatzsituation am auswärtigen Arbeitsplatz eingetreten sei.


Die Kläger haben am 27. April 2012 Klage erhoben, mit der sie für Zwecke der Entfernungspauschale die Berücksichtigung einer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 54 km sowie den Abzug der Arbeitszimmeraufwendungen begehren. Im Hinblick auf die Arbeitszimmerkosten tragen sie wie folgt vor:


Das streitgegenständliche Arbeitszimmer entspreche bereits nicht dem Typus eines häuslichen Arbeitszimmers im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes - EStG -. Der Abzug der Aufwendungen sei im Hinblick auf die vertragliche Verpflichtung zur Bereitstellung eines Heimarbeitsplatzes gerechtfertigt. Der Kläger würde sich vertragsbrüchig machen, wenn er keinen Telearbeitsplatz zur Verfügung stelle. Auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2012 (4 K 1270/09, EFG 2012, 1625, Revision unter VI R 40/12) werde Bezug genommen. Die dort angestellte Argumentation lasse sich auf den Streitfall übertragen. Die Verpflichtungen des Klägers gingen noch über die im Streitfall genannten zwei Telearbeitstage hinaus. Ausgehend von einer Fünf-Tage-Arbeitswoche sei die Telearbeitszeitverpflichtung des Klägers von 40 bis 60 % eher mit drei als mit zwei Tagen zu bewerten. Es sei eine Mindestarbeitszeit am Telearbeitsplatz vereinbart worden, die von der Einteilung der Arbeitszeit her vielleicht flexibler ausgestaltet worden sei als im Vergleichsfall, vom Anteil der Telearbeit her aber über den Vergleichsfall hinausgehe. Der Telearbeitsplatz sei der vertragliche Regelarbeitsplatz des Klägers.


Nur hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass der qualitative Tätigkeitsschwerpunkt des Klägers in seinem Arbeitszimmer liege. Dort würden die den Erfolg ausmachenden Aufgaben im Wesentlichen ausgeführt. Zum Nachweis haben die Kläger eine Bescheinigung der X-Bank in K über die Notwendigkeit des Telearbeitsplatzes (Blatt 9 der Gerichtsakte), eine vom Kläger erstellte Aufstellung über die Verteilung der Arbeitszeit (Blatt 9 Rückseite der Gerichtsakte), den Tätigkeitskatalog der X-Bank in K aus Juli 2003 (Blatt 10 Rückseite ff. der Gerichtsakte), das Anforderungsprofil der X-Bank in K aus Dezember 2012 (Blatt 60 f. der Gerichtsakte) sowie eine Aufstellung des Klägers über die verschiedenen Tätigkeiten und den Anteil der Heimarbeit (Blatt 12 f. der Gerichtsakte) eingereicht.


Ob die prägenden Arbeiten theoretisch auch in der X-Bank durchgeführt werden könnten - wie der Beklagte ausführe -, sei irrelevant. Der Arbeitgeber des Klägers habe ganz bewusst einen Telearbeitsvertrag mit dem Kläger geschlossen, um ihm Entscheidungsfreiheit bezüglich Arbeitszeit und -ort zu geben. Die Selbsteinschätzung des Klägers sei die logische Konsequenz eines auf Vertrauen aufgebauten Arbeitsverhältnisses.


Im Hinblick auf einen entsprechenden Vorhalt des Beklagen führen die Kläger aus, dass die Arbeitsmittel, die der Kläger von der X-Bank erhalte, gemäß der für die X-Bank geltenden Sicherheitsrichtlinien eingerichtet seien. Fremdsoftware (z.B. Bankprogramme anderer Kreditinstitute zu Testzwecken) könne nicht eingespielt werden, das Aufladen der Geldkarten der X-Bank sei nicht möglich und sogar das X-Bank-Informationsvideo im Internet könne nicht abgespielt werden. Um auch diese Aufgaben erfüllen zu können, sei der Kläger auf den Einsatz von Arbeitsmitteln angewiesen, die die X-Bank nicht zur Verfügung stelle und er daher selbst beschaffen müsse.


Letztlich liege auch der quantitative Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers, dem allenfalls indizielle Bedeutung zukomme, im Arbeitszimmer. Auf die Aufstellung über die Zeitverteilung (Blatt 9 Rückseite der Gerichtsakte) werde Bezug genommen. Zusätzlich seien die anfallenden unbezahlten Überstunden und die persönlichen Fortbildungszeiten im Arbeitszimmer zu berücksichtigen, wenngleich diese nicht exakt beziffert werden könnten.


Die Kläger beantragen sinngemäß,


die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 vom 9. September 2009 und 14. Oktober 2011, 12. Juli 2010 bzw. 28. Juli 2011 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidungen vom 27. März 2012 dahingehend abzuändern, dass der Entfernungspauschale jeweils eine Entfernung von 54 km zugrunde gelegt wird und Arbeitszimmeraufwendungen i. H. v. 1.908 € (2008), 1.263 € (2009) bzw. 1.225 € (2010) als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.


Der Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen.


Im Hinblick auf die Arbeitszimmeraufwendungen macht er geltend, der Streitfall sei mit dem der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19. Januar 2012 4 K 1270/09, EFG 2012, 1625, Revision unter VI R 40/12) zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Kläger sei nicht verpflichtet, mindestens zwei Tage pro Woche im häuslichen Arbeitszimmer zu verbringen. Der Arbeitsvertrag stelle ihm den Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers frei. Dies ergebe sich auch aus dem Schreiben der X-Bank in K vom 24. Mai 2004, wonach der Anteil der Telearbeit zwischen 40 und 60 % liege, für das Jahr 2003 jedoch aus organisatorischen Gründen habe vermindert werden müssen.


Zudem handele es sich bei der Annahme der Kläger, die im häuslichen Arbeitszimmer erledigten Arbeiten seien für den Beruf prägend, um eine bloße Selbsteinschätzung; eine Arbeitgeberbescheinigung fehle. Auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Kläger sämtliche prägenden Tätigkeiten am Arbeitsplatz in A erledigen könne. Die geltend gemachten Unzulänglichkeiten des Arbeitsplatzes hätten die Kläger nicht durch eine Arbeitgeberbescheinigung nachgewiesen. Es erscheine zudem wenig glaubhaft, dass die X-Bank ihren Arbeitnehmern wichtige Hilfsmittel (z.B. den Internetanschluss) vorenthalte und hierdurch den Arbeitserfolg gefährde.


Bei Durchsicht der Selbstbewertung des Klägers falle auf, dass der Anteil der Heimarbeit bei den angeführten Tätigkeiten jeweils zwischen 50 und 100 % liege; keine der genannten Aufgaben werde überwiegend in der X-Bank erledigt. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben höchstens an rund 39 % der Gesamtarbeitstage im häuslichen Arbeitszimmer gearbeitet habe, erscheine dies stark subjektiv eingefärbt. Die eingereichte Arbeitgeberbescheinigung vom 29. November 2011 (Blatt 9 der Gerichtsakte) enthalte nur allgemeine Ausführungen über die Vorteile von Telearbeitsplätzen und keine Aussagen über Zeit, Art und Umfang der Tätigkeit des Klägers an seinem Arbeitsplatz. Das Anforderungsprofil aus Dezember 2012 (Blatt 60 ff. der Gerichtsakte) sei im Hinblick auf die Verteilung von Arbeitszeit und Aufgaben auf Heimarbeitsplatz und X-Bank nicht aussagekräftig. Die vom Kläger angeführten Leistungsprämien seien kein Indiz dafür, dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit im Arbeitszimmer ausgeübt werde. Sie würden für die gesamte Arbeitsleistung gezahlt.


Weiterhin stehe der Vortrag der Kläger im Klageverfahren im Widerspruch zu verschiedenen Schreiben der Kläger aus den Jahren 2009 und 2010. Dort hätten die Kläger vorgetragen, dass der Kläger zuhause und im Betrieb eine in qualitativer Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistung erbringe.


Schließlich sei der Vortrag der Kläger zu den unbezahlten Überstunden und Fortbildungszeiten sehr unkonkret und wenig glaubhaft. Zudem hätte sich der Kläger Überstunden vom X-Bank-Vorstand genehmigen lassen können. Damit liege der quantitative Tätigkeitsschwerpunkt - wie sich aus der entsprechenden Aufstellung ergebe - weiterhin in der X-Bank.


Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin in tatsächlicher Hinsicht dahingehend verständigt, dass der Entfernungspauschale eine Entfernung von 54 km zugrunde zu legen ist.


Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift, und der beigezogenen Steuerakte des Beklagten Bezug genommen.


Aus den Gründen


Im Hinblick auf das Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).


Die Klage ist nur teilweise begründet.


Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 vom 9. September 2009 und 14. Oktober 2011, 12. Juli 2010 bzw. 28. Juli 2011 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidungen vom 27. März 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, soweit der Beklagte der Entfernungspauschale nicht eine Entfernung von 54 km zugrunde gelegt und damit höhere Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Hingegen stellen sich die angefochtenen Bescheide im Hinblick auf die nicht berücksichtigten Arbeitszimmeraufwendungen i. H. v. 1.908 € (2008), 1.263 € (2009) bzw. 1.225 € (2010) als rechtmäßig dar.


1. Zu Unrecht hat der Beklagte der Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG lediglich eine Entfernung von 49 km zugrunde gelegt. Die Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte des Klägers beträgt 54 km. Darauf haben sich die Beteiligten im Erörterungstermin in tatsächlicher Hinsicht verständigt. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieser Wert den tatsächlichen Gegebenheiten widersprechen könnte.


2. Hingegen hat der Beklagte den Abzug der Arbeitszimmeraufwendungen zu Recht abgelehnt. Die Kläger haben nicht nachweisen können, dass das Arbeitszimmer in den Streitjahren den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung des Klägers dargestellt hat.


Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung (§ 52 Abs. 12 Satz 9 EStG) sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht abzugsfähig. Dies gilt allerdings nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).


a) Der erkennende Senat hält den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG für eröffnet, obschon der Kläger einen häuslichen Telearbeitsplatz unterhalten hat. Zwar könnte daraus eine - gesteigerte - zwangsläufige Veranlassung der Aufwendungen durch die Erwerbstätigkeit hergeleitet werden (offen gelassen im BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600). Die Beschränkung des Werbungskostenabzugs für ein häusliches Arbeitszimmer dient indes der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist (BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59). Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für allein maßgebend, ob der Raum, dessen Bereithaltung die betreffenden Aufwendungen verursacht hat, unter den Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers zu subsumieren ist. Dies ist vorliegend unproblematisch der Fall. Den arbeitsvertraglichen Gegebenheiten kommt dabei - entgegen dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2012 (4 K 1270/09, EFG 2012, 1625, Revision unter VI R 40/12) - keine weitergehende Bedeutung zu. Dementsprechend ist es ohne Relevanz, wenn arbeitsvertraglich die Verpflichtung besteht, ein häusliches Arbeitszimmer vorzuhalten. Andernfalls könnte die Abzugsbeschränkung allzu leicht umgangen werden, da insoweit regelmäßig kein natürlicher Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen wird.


Zudem kann der erkennende Senat im Streitfall - im Unterschied zum Sachverhalt, den das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19. Januar 2012 4 K 1270/09, EFG 2012, 1625, Revision unter VI R 40/12) zu beurteilen hatte - nicht erkennen, dass aus der Vereinbarung über Telearbeit im Umfang von 40 bis 60 % tatsächlich eine Beschränkung der Verfügungsmöglichkeit des Klägers über den Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber resultiert hat. Dafür spricht, dass der Kläger den Telearbeitsplatz in den Streitjahren tatsächlich in geringerem Umfang (2008: 31,60 %, 2009: 35,04 %, 2010: 32,27 %, Blatt 9 der Gerichtsakte Rückseite) genutzt hat. Im Übrigen geht aus der gemeinsamen Erklärung des Vorstandes und des Personalrates der X-Bank in K zur Pilotphase Telearbeit (Ziff. 3, vgl. Einspruchshefter des Beklagten) hervor, dass der betriebliche Arbeitsplatz des Telemitarbeiters für die Dauer der Pilotphase nicht anderweitig belegt wird. Dementsprechend geht die X-Bank in K selbst davon aus, dass durch die Telearbeit keine Schreibtische „eingespart" werden können (Blatt 9 der Gerichtsakte).


b) Der (auf 1.250 € begrenzte) Werbungskostenabzug ist nicht deshalb eröffnet, weil dem Kläger in der X-Bank kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger in der X-Bank über einen anderen Arbeitsplatz verfügt. Dieser steht ihm auch für die berufliche Tätigkeit zur Verfügung, d.h. der Kläger kann ihn in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7. August 2003 VI R 162/00, BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83). Wenngleich der Kläger vorgetragen hat, einzelne Arbeitsschritte innerhalb bestimmter Arbeitsgänge („Marktbeobachtung", „Prüfung der Verfahren und Verfahrenserweiterungen", „Aus- und Fortbildung", vgl. Blatt 12 ff. der Gerichtsakte) wegen technischer Restriktionen nur auf einem - aus der Sicht der X-Bank - externen PC ausführen zu können, hat er nicht glaubhaft gemacht, dass gesamte Arbeitsfelder und damit Bürotätigkeiten in erheblichem Umfang nicht (innerhalb der üblichen Bürozeiten) in der X-Bank erbracht werden konnten. Insbesondere im Hinblick auf die Mitwirkung bei sog. Releasewechseln hat der Kläger zwar geltend gemacht, dass Bereitschaftszeiten im häuslichen Arbeitszimmer „akzeptabel und flexibel zu handhaben" seien. Zudem hat er auf die ansonsten bestehende Notwendigkeit des Gebäudezutritts im Sicherheitsbereich hingewiesen. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass diese Aufgaben nicht auch in der X-Bank erledigt werden könnten.


c) Schließlich kommt kein (unbegrenzter) Werbungskostenabzug unter dem Gesichtspunkt des Arbeitszimmers als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG) in Betracht.


aa) Dabei kann der Senat offen lassen, ob ein unbegrenzter Werbungskostenabzug schon daran scheitert, dass dem Kläger in der X-Bank ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (s.o.). Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist damit die Ausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG bereits dem Grunde nach nicht gegeben. Der Abzug von Arbeitszimmeraufwendungen ist nämlich dem Grunde nach nur möglich, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, und scheidet demnach aus, wenn die Berufstätigkeit zum Teil an einem Arbeitsplatz außer Haus und zum Teil in einem häuslichen Arbeitszimmer verrichtet wird (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 4 Rn. 592). Auf die Frage, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet und damit ein unbegrenzter Abzug in Betracht kommt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG), käme es nicht mehr an. Demgegenüber geht die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 2. März 2011 (BStBl I 2011, 195) davon aus, dass der unbegrenzte Abzug im Sinne eines eigenständigen Abzugstatbestandes eröffnet ist, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung darstellt (vgl. auch Bergkemper, jurisPR-SteuerR 17/2011, Anm. 1; Nolte, NWB 2011, 2039, 2040). Nach den Urteilen des FG Düsseldorf vom 17. Juni 2011 (16 K 2791/09, EFG 2011, 2134) und 5. September 2012 (15 K 682/12, EFG 2012, 2270) soll diese - dem Gesetzeswortlaut zuwider laufende - Auslegung aus verfassungsrechtlichen Gründen (drohende unzulässige Rückwirkung durch das Jahressteuergesetz - JStG - 2010 vom 8. Dezember 2010, BStBl I 2010, 1394) jedenfalls im Hinblick auf die Veranlagungszeiträume 2008 und 2009 geboten sein. Der Senat braucht auf diese Problematik allerdings vor dem Hintergrund der nachfolgenden Ausführungen nicht näher einzugehen.


bb) Die Kläger haben nämlich nicht nachgewiesen, dass das Arbeitszimmer des Klägers in den Streitjahren als dessen beruflicher Betätigungsmittelpunkt anzusehen war.


Der Begriff des Mittelpunkts der gesamten Betätigung ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Der Mittelpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen. Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen. Im Rahmen dieser Wertung kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Deswegen schließt das zeitliche Überwiegen der außerhäuslichen Tätigkeit einen unbeschränkten Abzug der Aufwendungen nicht von vornherein aus (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59; Heinicke, in: Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 4 Rn. 594).


In Anwendung dieser Grundsätze und unter Abwägung der Gesamtumstände des Streitfalls ist der erkennende Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass das häusliche Arbeitszimmer des Klägers in den Streitjahren 2008 bis 2010 dessen qualitativen Betätigungsmittelpunkt dargestellt hat. Dabei hat er sich insbesondere von der schlüssigen Beschreibung einer typischen Projektabwicklung, die der Kläger im Rahmen des Erörterungstermins am 19. Februar 2013 vorgenommen hat, leiten lassen. Wenngleich die beschriebene Informationsphase und die Umsetzungsphase vom Telearbeitsplatz aus begleitet werden, gehören der vom Kläger dargestellte Kontakt und der Austausch mit Kollegen sowie die Präsentation der gefundenen Ergebnisse in der X-Bank und die anschließende Besprechung mit dem Vorstand nach Ansicht des Senats zum Kernbereich der Betätigung des Klägers und können nicht vernachlässigt werden.


Zwar deutet die vom Kläger erstellte Evaluation der einzelnen Tätigkeiten (Blatt 3 ff. der Gerichtsakte) darauf hin, dass ein gewichtiger Teil seiner Berufstätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird. Ungeachtet der Tatsache, dass es sich dabei naturgemäß um eine bloße Selbsteinschätzung des Klägers handelt, rekurriert er dabei häufig auf die Aspekte des störungsfreien Arbeitens und des Arbeitens außerhalb der regulären Arbeitszeit (vgl. die Aufgaben „Sicherstellung des Fachwissens durch interne Informationsaufnahme"„ Umsetzungsverantwortung" und „Mitarbeit bei der Entwicklung der Bereichsstrategie"). Hierbei handelt es sich jedoch allein um Arbeitsbedingungen, die für die Frage, ob der Kläger seine Kerntätigkeit in der X-Bank oder im häuslichen Arbeitszimmer ausübt, ebenso wenig von Bedeutung sind wie für die Frage, ob dem Steuerpflichtigen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Es genügt auch nicht, dass nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet werden, die grundsätzlich auch an dem anderen Arbeitsplatz verrichtet werden können (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7. August 2003 VI R 162/00, BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83).


Aus den eingereichten Arbeitgeber-Bescheinigungen folgt nichts anderes. Der Tätigkeitskatalog aus Juni 2003 (Blatt 10 Rückseite der Gerichtsakte) und das Anforderungsprofil aus Dezember 2012 (Blatt 60 f.) lassen keinerlei Rückschlüsse auf den qualitativen Schwerpunkt der Betätigung des Klägers zu. In der Bescheinigung vom 29. November 2011 hat die X-Bank in K zudem lediglich die Notwendigkeit des Telearbeitsplatzes bescheinigt und allgemein die Vorzüge der Telearbeit aufgezeigt (vgl. Blatt 9 der Gerichtsakte). Sie stellt sich als unergiebig dar.


Nach alledem gehört sowohl die Arbeit in der X-Bank als auch die Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer zum Kernbereich der Betätigung des Klägers. Der erkennende Senat kann nicht erkennen, dass der eine oder andere Bereich der Betätigung in qualitativer Hinsicht das Gepräge gibt. Bei qualitativ gleichwertiger Arbeitsleistung kann subsidiär auf quantitative Gesichtspunkte zurückgegriffen werden (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600). In zeitlicher Hinsicht hat die Arbeit des Klägers in der X-Bank in A die Arbeit am häusliches Telearbeitsplatz in den Streitjahren jeweils deutlich überwogen (2008: 49,20 zu 31,60 %, 2009: 42,13 zu 35,04 %, 2010: 41,83 zu 32,27 %). Das Vorbringen der Kläger zu nicht bezahlten Überstunden und Fortbildungszeiten im häuslichen Arbeitszimmer ist nicht substantiiert genug und nicht ansatzweise glaubhaft gemacht. Es kann daher nicht berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund befand sich der Betätigungsmittelpunkt des Klägers jedenfalls in den Streitjahren in der X-Bank in A.


Die Übertragung der Ermittlung der festzusetzenden Steuerbeträge auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.


Die Revision war im Hinblick auf das Revisionsverfahren VI R 40/12 wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

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