FG Düsseldorf: Abschluss eines Insolvenzverfahrens – Keine Verlustabzugsbeschränkung nach § 10d Abs. 2 S. 1 EStG im Rahmen einer endgültigen Abwicklungsbesteuerung
FG Düsseldorf, Urteil vom 18.9.2018 – 6 K 454/15 K
ECLI:DE:FGD:2018:0918.6K454.15K.00
Volltext:BB-ONLINE BBL2018-2645-5
Sachverhalt
Streitig ist, ob nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens sog. Zwischenveranlagungen aufzuheben sind und eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten des gesamten Liquidationszeitraumes ohne Berücksichtigung der Verlustverrechnungsbeschränkung des. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m § 8 Abs. 1 S. 1 KStG möglich ist.
Der Kläger wurde durch das Amtsgericht () zum Insolvenzverwalter der A GmbH (im Weiteren GmbH) bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde zum .2003 eröffnet. Am 2015 hat der Kläger die Schlussbilanz der GmbH erstellt und seinen Tätigkeitsbericht verfasst sowie die Schlussrechnung erstellt. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 2017 aufgehoben. Die GmbH ist laut Handelsregisterauszug vom 2018 aufgelöst aber noch nicht gelöscht.
Der Beklagte hat für den Veranlagungszeitraum 2003 bis 2005 durch Körperschaftsteuerbescheid vom 06.08.2008 die Körperschaftsteuer auf 335.905 € festgesetzt. In dem bezüglich dieses Bescheides geführten Klageverfahren gab der Senat der Klage teilweise statt, weil er der Auffassung war, dass der Grundabzugsbetrag des § 10d Abs. 1 EStG i.H.v. 1.000.000 € dreimal zu berücksichtigen sei (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.3.2012 6 K 2199/09 K, EFG 2012, 1387). Der BFH teilte die Auffassung des Senates nicht, hob das Urteil des Senates auf und wies die Klage ab (BFH-Urteil vom 23.01.2013 I R 35/12, BStBl II 2013, 508).
Für 2006 setzte der Beklagte durch Bescheid vom 27.05.2008 die Körperschaftsteuer auf 0 €, für 2007 durch Bescheid vom 18.03.2009 auf 3.017 €, für 2008, 2009 und 2010 durch Bescheide vom 16.12.2009, 01.04.2011 und 07.05.2012 auf 0 € fest.
In der Körperschaftsteuererklärung für 2011 erklärte der Kläger als gesetzlicher Vertreter der GmbH einen Jahresüberschuss i.H.v. 1.338.530 €. Durch Körperschaftsteuerbescheid für 2011 vom 27.03.2013 setzte der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Körperschaftsteuer auf 23.257 € fest. Dabei berücksichtigte er einen Jahresüberschuss i.H.v. 1.338.530 € und einen Gesamtbetrag der nichtabziehbaren Aufwendungen i.H.v. 48.920 € sowie einen Verlustabzug i.H.v. 1.232.470 €, wobei die festgestellten vortragsfähigen Verluste zum 31.12.2010 insgesamt 13.067.350 € betrugen. Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2011 setzte der Beklagte den verbleibenden Verlust auf 11.834.880 € fest. Durch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid für 2011 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 26.3.2013 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag für 2011 auf 5.421 € fest.
Durch Bescheide vom 19.8.2013 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung im Körperschaftsteuerbescheid 2011 und im Gewerbesteuermessbescheid 2011 auf.
Der Kläger legte am 13.9.2013 gegen diese Bescheide Einsprüche ein, die sich gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung richteten. Begründet wurden diese Einsprüche damit, dass für den gesamten Zeitraum der Insolvenz/Abwicklung am Ende dieses Zeitraums ein Gesamtstatus der steuerlichen Situation zu erstellen sei. Dieser beinhalte im Rahmen der zu erstellenden Abwicklungsgewinnermittlung nach § 11 KStG einen steuerlichen Gesamtüberblick über den Insolvenz-/Abwicklungszeitraum zwecks Aufdeckung der gegebenenfalls vorhandenen stillen Reserven. Sämtliche vorhandenen Verlustvorträge seien dann in voller Höhe gegenzurechnen. Aufgrund der per 31.12.2012 aufgestellten - wenngleich zu diesem Zeitpunkt noch hypothetischen - Abwicklungsgewinnermittlung ergebe sich, dass der Abwicklungsgewinn im Insolvenzzeitraum in voller Höhe durch die vorhandenen Verlustvorträge gedeckt sei. Das steuerliche Abwicklungsvermögen betrage minus 17.502.618 €. Der Kläger beantragte zunächst, die Vorbehalte der Nachprüfung im Rahmen der gesetzlichen Fristen bestehen zu lassen. Im weiteren Einspruchsverfahren beantragte er, dass angesichts der bestehenden Definitivsituation bereits im Streitjahr 2011 ein vollumfänglicher, unbeschränkter Ausgleich von steuerlichen Gewinnen mit den vorhandenen Verlusten vorgenommen wird.
Durch Einspruchsentscheidung vom 12.01.2015 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung seiner Entscheidung beruft sich der Beklagte darauf, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG für den Besteuerungszeitraum der Abwicklung regele, dass anstelle des kalenderjährlichen Veranlagungszeitraums (§ 7 Abs. 3 KStG) der Abwicklungszeitraum trete. Der Abwicklungszeitraum sei im Rahmen einer Insolvenz also grundsätzlich der Besteuerungszeitraum. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG solle dieser Besteuerungszeitraum jedoch drei Jahre nicht übersteigen. So könne es dazu kommen, dass sich der Abwicklungszeitraum noch über mehrere Besteuerungszeiträume hinziehe. Eine Zwischenveranlagung gebe es nach Verwaltungsauffassung nicht. Die auf einen dreijährigen Besteuerungszeitraum folgenden Besteuerungszeiträume des Abwicklungszeitraums seien grundsätzlich jeweils auf ein Jahr begrenzt (R 51 Abs. 1 Satz 6 KStR 2004). Die einzelnen Veranlagungen innerhalb eines Liquidationszeitraums seien endgültig aufgrund der Abschnittsbesteuerung und gingen nicht als Zwischenergebnisse in eine Gesamtveranlagung ein. Damit einhergehend finde die besondere Gewinnermittlung des § 11 KStG nur im letzten eines gegebenenfalls mehrere Besteuerungszeiträume dauernden Liquidationszeitraums statt.
Der Kläger hat am 12.02.2015 Klage erhoben.
Zur Begründung seiner Klage beruft sich der Kläger darauf, dass nach dem gegenwärtigen Stand der Veranlagung per 31.12.2011 noch nennenswerte Verlustvorträge vorhanden seien, nämlich für die Körperschaftsteuer 11.834.880 € und für die Gewerbesteuer 9.636.196 €. Die vorhandenen Verlustvorträge deckten in voller Höhe die zugrundeliegenden Besteuerungsgrundlagen für 2011, so dass sich eine Steuerzahlung bei unbeschränkter Verlustverrechnung nicht ergeben würde. Die Auslegung des § 11 KStG und des § 10d EStG seitens der Finanzverwaltung berühre den Kernbereich der Gewährleistung der Verlustverrechnung, da der Mindestbesteuerung die Wirkung zukomme, den Verlustabzug insoweit auszuschließen, soweit das Einkommen noch mit Verlusten hätte verrechnet werden können bzw. der Mindestbesteuerung im Übrigen die Wirkung zukomme, den Verlustabzug gänzlich auszuschließen. Vor dem Hintergrund der nun absehbaren Beendigung des Insolvenzverfahrens ergebe sich die Feststellung, dass die bisher nicht verrechneten Verluste nicht mehr zugunsten der GmbH in zukünftige Veranlagungszeiträume vorgetragen werden können und daher der sogenannte Definitiveffekt eintreten werde. Die Mindestbesteuerung gemäß § 10d Abs. 2 EStG verstoße gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Mit der Beschränkung von Verlustrückträgen und Verlustvorträgen der Höhe nach habe der Gesetzgeber beabsichtigt, die Steuereinnahmen besser kalkulieren zu können. Einen Wegfall der erlittenen Verluste habe der Gesetzgeber nicht vor Augen gehabt. Dass für den Fall der Liquidation einer Gesellschaft ein neues Problem geschaffen worden sei, nämlich dass Verlustvorträge im Veranlagungszeitraum der Liquidation trotz eines verrechenbaren Gewinns verloren gehen könnten, sei, wenn überhaupt, nur am Rande gewürdigt worden. Der Sinn und Zweck der in § 10d Abs. 2 EStG verankerten Mindestbesteuerung spreche daher gegen eine Mindestbesteuerung im Veranlagungszeitraum der Liquidation/Insolvenz.
Durch Körperschaftsteuerbescheid für 2012 wurde die Körperschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 € festgesetzt, dabei wurde ein Jahresüberschuss i.H.v. 399.937 €, nichtabziehbare Aufwendungen i.H.v. minus 323.752 € und abziehbarer Verluste i.H.v. 76.185 € berücksichtigt.
Für 2013 wurde durch Körperschaftsteuerbescheid vom 06.07.2015 die Körperschaft- steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 € festgesetzt, dabei wurde ein Jahresfehlbetrag i.H.v. 473.649 € berücksichtigt. Durch Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2013 wurde der verbleibende Verlustvortrag auf 12.203.579 € festgestellt.
Durch Körperschaftsteuerbescheid für 2014 vom 09.12.2015 wurde die Körperschaft- steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 € festgesetzt, dabei wurde ein Jahresfehlbetrag i.H.v. 7.062 € berücksichtigt. Durch Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2014 wurde der verbleibende Verlustvortrag auf 12.210.641 € festgestellt.
Durch Körperschaftsteuerbescheid für 2015 vom 20.10.2016 wurde die Körperschaft- steuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 € festgesetzt, dabei wurde ein Jahresfehlbetrag i.H.v. 941.055 € berücksichtigt. Durch Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2015 vom 20.10.2016 wurde der verbleibende Verlustvortrag unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 13.151.828 € festgestellt.
Mit Schreiben vom 29. März 2018 beantragte der Kläger die Aufhebung der bisher vorliegenden Zwischenveranlagungen der GmbH zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2003-2015 und den Erlass eines Körperschaftsteuer- und eines Gewerbesteuermessbetrags-Bescheides für den Zeitraum der Abwicklung/Insolvenz 2003-2015, wobei die Berechnung der Körperschaftsteuer und des Gewerbesteuermessbetrages für diesen Insolvenzzeitraum ohne Anwendung der Mindestbesteuerungsregelung gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 2 S. 1 EStG vorgenommen wird.
Die Beteiligten haben sich darauf geeinigt, dass der Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer der GmbH zum 31.12.2002 17.501.688 € und zum 31.12.2015 11.641.157 € betrug.
Den Abwicklungsgewinn berechnen die Beteiligten übereinstimmend wie folgt:
Steuerliches Abwicklungsendvermögen |
- 12.121.459 € |
steuerliches Abwicklungsanfangsvermögen |
- 17.485.249 € |
vorläufiger Abwicklungsgewinn |
5.363.789 € |
nicht abzugsfähige Betriebsausgaben |
+ 406.483 € |
Abwicklungsgewinn |
5.770.273 € |
Mit Bescheid vom 25.7.2018 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers hinsichtlich der Körperschaftsteuer ab. Für die Gewerbesteuer verwies der Beklagte auf § 7 GewStG i.V.m. R 7.1 Abs. 8 GewStR. Bei Erlass entsprechender Änderungsbescheide ergäbe sich jeweils für jeden einzelnen Veranlagungszeitraum ein festzustellender Gewerbesteuermessbetrag von null Euro.
Der Kläger hat am 17.8.2018 mit Zustimmung des Beklagten Sprungklage gegen den Ablehnungsbescheid bezüglich der Körperschaftsteuer 2003-2015 erhoben (Az. 6 K 2313/18 K). Durch Beschluss vom 24.8.2018 hat der Senat das Verfahren wegen Körperschaftsteuer 2003-2015 mit dem Verfahren wegen Körperschaftsteuer 2011 und Gewerbesteuermessbetrag 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Az. 6 K 454/15 K, G verbunden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die restriktive Anwendung der Mindestbesteuerungsregelung gemäß § 10d Abs. 2 S. 1 EStG, bei welcher der Sockelbetrag lediglich mit 1.000.000 € ein einziges Mal für den gesamten Zeitraum 2003-2015 berücksichtigt würde, zur Festsetzung einer Körperschaftsteuer führen würde, obwohl klar ersichtlich sei, dass die vorhandenen Verlustvorträge das körperschaftsteuerliche Einkommen voll decken. Dieser Steuereffekt sei somit als Definitiveffekt zu bezeichnen.
Ferner ist der Kläger der Ansicht, dass die bisherigen Veranlagungen für den Liquidationszeitraum nur vorläufigen Charakter haben. Selbst wenn diese Veranlagungen bereits in Bestandskraft erwachsen seien, handele sich um Zwischenveranlagungen, die nach Beendigung der Liquidation (bzw. Insolvenz) durch eine Veranlagung für den gesamten Veranlagungszeitraum zu ersetzen seien. Damit ergebe sich ein schlüssiges Konzept für die Besteuerung im Zeitpunkt der Abwicklung/Insolvenz, weil durch die Zwischenveranlagungen – zu Gunsten des Fiskus – Steuerausfälle bei länger als drei Jahre laufender Liquidation/Insolvenz vermieden würden und weil deren Aufhebung am Ende der Liquidation/Insolvenz sowie deren Ersetzung durch eine Veranlagung für den gesamten Zeitraum der Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG Wirksamkeit verschaffe. Für den vorläufigen Charakter der Zwischenveranlagung spreche der Gesetzeswortlaut, denn der § 11 Absatz 1 S. 1 KStG bestimme, dass bei einer Abwicklung der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn für die Besteuerung maßgeblich sei. Die Vorläufigkeit komme des Weiteren in dem Umstand zum Ausdruck, dass das den Zwischenveranlagungen zugrunde gelegte Betriebsvermögen zum Ende (eines vorläufig gebildeten) Besteuerungszeitraums noch nicht das endgültige Abwicklungsendvermögen im Sinne des § 11 Abs. 3 KStG darstelle. Vielmehr handele es sich um ein auf das Ende eines bestimmten Zeitraums (Bilanzstichtag) bezogenes und insofern lediglich vorläufiges Abwicklungsvermögen. Für die Annahme von Zwischenveranlagungen spreche auch das Bedürfnis, dass bei länger dauernder Liquidation Steuerpflichtige nicht Gefahr laufen sollen wegen der zeitlichen Grenzen der Verlustverrechnung innerhalb des Abwicklungszeitraums erzielte Verluste nicht oder nur teilweise ausgleichen zu können.
Im Zuge der einen Körperschaftsteuerveranlagung für den Zeitraum 2003-2015 sei keine Rücksicht auf die Restriktion des § 8 Absatz 1 S. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 2 S. 1 EStG zu nehmen, so dass es zu einer maximalen Ausschöpfung der per 31.12.2002 festgestellten Verlustvorträge komme. Aufgrund der antragsgemäßen Entscheidung ergebe sich ein Rückfluss zuviel gezahlter Steuern. Im Ergebnis seien Körperschaftsteuer i.H.v. 362.169 € und Solidaritätszuschlag i.H.v. 18.835 € zu erstatten.
Die Klage gegen den Gewerbesteuermessbetrags-Bescheid für 2011 werde mit einem separaten Schreiben zurückgenommen, sobald die geänderten Gewerbesteuer-Bescheide erlassen worden seien.
Der Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, die bisher vorliegenden Zwischenveranlagungen zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 - 2015 aufzuheben und für den Zeitraum der Abwicklung/Insolvenz von 2003 – 2015 einen einheitlichen Körperschaftsteuerbescheid zu erlassen und bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens einen Abwicklungsgewinn in Höhe von 5.770.273 € und einen Verlustvortrag in Höhe von 11.641.157 € ohne Anwendung der Mindestbesteuerungsregelung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG zugrunde zu legen,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Außerdem beantragt der Kläger hilfsweise,
den Körperschaftsteuerbescheid für 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2015 insoweit zu ändern, dass die Körperschaftsteuer auf 0 € festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung seines Antrags beruft sich der Beklagte u. a. darauf, dass der BFH in seinem Urteil vom 22.2.2006 (I R 67/05) ausdrücklich die Frage offen gelassen habe, ob im Anschluss an eine erste Zwischenveranlagung weitere mehrjährige Zwischenveranlagungen zulässig seien. In Anlehnung an R 11 Abs. 1 Satz 7 KStR 2015 sei das zu verneinen, mit der Folge, dass in den Folgejahren nach dem 3-Jahres-Zeitraum wieder normale jährliche Veranlagung vorzunehmen seien. Konsequenz sei, dass jeder Steuerbescheid selbständig anfechtbar sei und selbstständig bestandskräftig werde.
Verfahrensrechtlich änderbar seien letztlich im Streitfall nur noch die Bescheide 2003-2005 hinsichtlich des Verlustabzugs (Vorläufigkeit nach § 165 AO), 2011 wegen des Klageverfahrens und 2015 wegen des Vorbehalts der Nachprüfung. Tatsächlich käme eine Änderung wegen des zutreffend angewandten beschränkten Verlustabzugs nicht in Betracht, für 2015 sei darüber hinaus bereits die Körperschaftsteuer mit null Euro festgesetzt worden. Eine Entscheidung der Frage, ob bei Aufhebung aller bisherigen Veranlagungen und Erlass eines einheitlichen Bescheides für den gesamten Liquidationszeitraum 2003-2015 ein unbeschränkter Verlustabzug wegen des ansonsten (unbestritten) eintretenden Definitiveffektes in Betracht käme, könne dahinstehen, da es sich bei den bisher erlassenen Körperschaftsteuerbescheiden eben nicht um rein (vorläufige) Zwischenveranlagungen handle.
Das Verfahren bezüglich des Gewerbesteuermessbetragsbescheides 2011 wurde durch einen in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss abgetrennt und wird unter einem neuen Aktenzeichen fortgeführt.
Aus den Gründen
39 Die Klage ist begründet.
40 Der Beklagte hat zu Unrecht die Aufhebung der Zwischenveranlagungen für 2003-2015 abgelehnt und es zu Unrecht unterlassen einen den gesamten Abwicklungszeitraum umfassenden Körperschaftsteuerbescheid ohne die Anwendung der Mindestbesteuerungsregelung gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG zu erlassen.
41 1. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG ist der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft nach der Auflösung abgewickelt wird. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG soll der Besteuerungszeitraum drei Jahre nicht übersteigen. Gemäß § 11 Abs. 2 KStG ist zur Ermittlung des Gewinns im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG das Abwicklungs-Endvermögen dem Abwicklungs-Anfangsvermögen gegenüberzustellen. Unterbleibt eine Abwicklung, weil über das Vermögen der unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, sind gemäß § 11 Abs. 7 KStG die Absätze 1 bis 6 sinngemäß anzuwenden.
42 Nach Auffassung des Senates sind die Veranlagungen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG nur vorläufige Zwischenveranlagungen und am Ende des Abwicklungszeitraums durch einen Bescheid zu ersetzen, in dem der Gewinn bzw. der Verlust gemäß der Regelung des § 11 Abs. 2 KStG für den gesamten Abwicklungszeitraum ermittelt wird (vgl. auch FG Brandenburg, Urteil vom 23.1.2002 2 K 2272/98 K,U,F, EFG 2002, 432; Micker in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 11 KStG Rz. 37; Hageböke in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 11 Rz. 100 ff.; Hackemann in Ernst & Young, KStG, § 11 KStG Rz. 44; Zuber in Mössner/Seeger, KStG, 3. Aufl., § 11 Rz. 108; Lenz in Erle/Sauter, KStG , 3. Aufl., § 11 Rz. 39; Boochs in Lademann, KStG, § 11 Rz. 45; Bergmann, GmbHR 2012, 943, 946; derselbe, Liquidationsbesteuerung von Kapitalgesellschaften, Seite 67 ff.; Kläschen, KStG, § 11 Rz. 16; a. A. R 11 Abs. 4 KStR 2015; FG Köln, Urteil vom 27.9.2012 10 K 2838/11, EFG 2013, 78; Pfirrmann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 11 KStG Rz. 42, 43; Stalbold in Gosch, KStG, 3. Aufl., § 11 Rz. 52; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 11 KStG Rz. 23; Münch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die KSt, § 11 Rz. 34). Der BFH hat diese Frage bisher offengelassen. Er spricht aber beim Drei-Jahres-Zeitraum auch vom Zwischenveranlagungszeitraum (BFH-Urteile vom 22.2.2006 I R 67/05, BStBl II 2008, 312; vom 7.5.2014 I R 81/12, BFH/NV 2014, 1593).
43 Da unterschiedliche Besteuerungszeiträume u. a. wegen § 10d EStG und der Auffassung des BFH, dass der Grundabzugsbetrag des § 10d Abs. 1 EStG i. H. von 1.000.000 € auch bei mehrjährigen Zwischenveranlagungen nur einmal zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 23.1.2013 I R 35/12, BStBl II 2013, 508), zu unterschiedlichen Gewinnen und Verlusten führen können, ist es nach der Auffassung des Senates zur Ermittlung eines zutreffenden Totalgewinnes oder Totalverlustes notwendig, den Gewinn bzw. den Verlust nach Beendigung der Abwicklung gemäß der Regelung des § 11 Abs. 2 KStG für den gesamten Abwicklungszeitraum zu ermitteln (a. A.: Pfirrmann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 11 KStG Rz. 42, 43). Dafür spricht auch der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG. Denn danach ist abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 2 KStG der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn und nicht der für ein Kalender- oder Wirtschaftsjahr ermittelte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen. Daran ändert auch die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG, dass der Besteuerungszeitraum drei Jahre nicht übersteigen soll, nichts (a. A.: Stalbold in Gosch, KStG, 3. Aufl., § 11 Rz. 52), wenn man – wie der Senat – die Veranlagungen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG als nur vorläufige Zwischenveranlagungen ansieht, die am Ende des Abwicklungszeitraums durch einen Bescheid ersetzen werden, in dem der Gewinn bzw. der Verlust gemäß der Regelung des § 11 Abs. 2 KStG für den gesamten Abwicklungszeitraum ermittelt wird. Denn Zweck des im Wesentlichen bereits seit 1934 existierenden § 11 Abs. 1 KStG (früher § 14 KStG 1934; vgl. Bergmann, Liquidationsbesteuerung von Kapitalgesellschaften, S. 36) ist die Sicherstellung der Besteuerung sämtlicher während des Bestehens des Gewerbebetriebs gebildeter Reserven bei der Aufgabe eines Unternehmens – ähnlich § 16 EStG – (BFH, Urteil vom 14. Dezember 1965 I 246/62 U, BStBl III 1966, 152) und die Sicherstellung der Besteuerung der während der Liquidationsphase erzielten Gewinne (Kläschen, KStG, § 11 Rz. 2). § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG dient nach der Rechtsprechung des BFH der Sicherung des Steueranspruchs und namentlich der Vermeidung von Schwierigkeiten, die sich bei einer streng auf den gesamten Abwicklungszeitraum abstellenden Besteuerung daraus ergeben könnten, dass die Liquidation lange andauert oder nur zum Schein durchgeführt wird (BFH, Urteile vom 22. Februar 2006 I R 67/05, BStBl II 2008, 312; vom 18. September 2007 I R 44/06, BStBl II 2008, 319).
44 Für die Auslegung des Senates, dass der Gewinn bzw. der Verlust nach Beendigung der Abwicklung für den gesamten Abwicklungszeitraum zu ermitteln ist, spricht außerdem auch, dass gesetzlich nicht eindeutig geregelt und daher immer noch ungeklärt ist, wie lang die Besteuerungszeiträume im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG zu sein haben. Der Besteuerungszeitraum im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG kann auch länger als 3 Jahre sein (BFH-Urteil vom 18.9.2007 I R 44/06, BStBl II 2008, 319 zu einem Besteuerungszeitraum von 1991 bis 1997). Die Finanzverwaltung (R 51 Abs. 1 Satz 6 KStR 2008; inzwischen R 11 Abs. 1 Satz 7 KStR 2015) und Teile der Literatur (Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 11 KStG Rz. 38a) vertreten die Auffassung, dass nach dem ersten Drei-Jahres-Zeitraum in den Folgejahren wieder zu normalen jährlichen Veranlagungen überzugehen ist. Vom FG Brandenburg (Urteil vom 23.1.2002 2 K 2272/98 K,U,F, EFG 2002, 432) und in der Literatur (Stalbold in Gosch, KStG, 3. Aufl., § 11 Rz. 50; Pfirrmann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 11 KStG Rz. 44; Hageböke in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 11 Rz. 146 ff.) wird die Auffassung vertreten, dass in diesen Fällen mehrere aufeinanderfolgende selbständige Liquidationszeiträume - also Drei-Jahres-Zeiträume - gebildet werden müssten. Ferner wird die Auffassung vertreten, dass Zwischenveranlagungen sich nicht nur auf den Zeitraum seit der letzten Zwischenveranlagung, sondern immer auf den Zeitraum seit Beginn der Liquidation beziehen. Dies hat zur Folge, dass mit jeder neuen Zwischenveranlagung die vorangegangene Zwischenveranlagung aufzuheben wäre (sogenannte rollierende Veranlagung, vgl. Bergmann, GmbHR 2012, 943, 946; derselbe, Liquidationsbesteuerung von Kapitalgesellschaften, S. 90 ff.; Hageböke in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 11 Rz. 151).
45 § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG stellt die Bestimmung des Besteuerungszeitraumes in das Ermessen des Finanzamtes. Regelungen, wie dieses Ermessen auszuüben ist, enthält § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG aber nicht. Dies führt dazu, dass die Finanzverwaltung, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Entscheidung trifft (§ 102 FGO), welche Länge der Besteuerungszeitraum hat, und damit unter Umständen wie hoch Gewinn oder Verlust sind (vgl. Bareis, DB 2013, 1265 mit Modellrechnungen). Je nach Entscheidung der Finanzverwaltung über die Länge des Besteuerungszeitraumes können sich unterschiedliche Totalgewinne oder Verluste für den Abwicklungszeitraum ergeben. Die Höhe der entstehenden Steuer für den Abwicklungszeitraum in das Ermessen der Finanzverwaltung zu stellen, entspricht nach Auffassung des Senates nicht den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeít und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (a. A. Pfirrmann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, KStG § 11 Rz. 43).
46 Die Auffassung von Pfirrmann (in Blümich, EStG/KStG/GewStG, KStG § 11 Rz. 43), dass es ein Gebot der Rechtssicherheit sei, die Körperschaftsteuer durch die Zwischenveranlagungen für den jeweiligen Zeitraum abschließend festzusetzen, teilt der Senat nicht. Zwar ist der Abwicklungsgewinn nach dem am Schluss des Abwicklungszeitraumes geltenden Recht zu ermitteln und die Körperschaftsteuer nach dem am Schluss des Abwicklungszeitraumes geltenden Recht festzusetzen. Dies war im Streitfall trotz eines Abwicklungszeitraumes von 2003 bis 2015 kein Problem und dürfte auch in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle kein Problem sein. Etwaige Probleme sind im Hinblick auf eine gesetzmäßige und gleichmäßige Besteuerung nach Auffassung des Senates hinzunehmen (vgl. auch Hageböke in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 11 Rz. 125 ff.).
47 2. Der Abwicklungsgewinn ist gemäß § 11 Abs. 2 KStG durch Gegenüberstellung von Abwicklungs-Anfangsvermögen und Abwicklungs-Endvermögen zu ermitteln. Die Höhe des Abwicklungsgewinns und des Verlustvortrages ist vorliegend unstreitig. Zwar ist nach Auffassung des Senates grundsätzlich der unstreitige Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2002 in Höhe von 17.501.688 € zu berücksichtigen. Da der Kläger jedoch nicht auch die Aufhebung der Zwischenveranlagungen über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12. 2005 bis 31.12.2015 beantragt hat und der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2015 in Höhe von 11.641.157 € den Abwicklungsgewinn weit übersteigt hat der Kläger seinen Antrag auf diesen Betrag beschränkt.
48 Das Ende der Abwicklung ist nach Auffassung des Senates in dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem das zur Verteilung kommende Vermögen i. S. des § 11 Abs. 3 KStG feststeht. Denn zur Ermittlung des Gewinns, der im Abwicklungszeitraum erzielt wurde, ist gemäß § 11 Abs. 2 KStG das Abwicklungs-Endvermögen dem Abwicklungs-Anfangsvermögen gegenüber zu stellen (vgl. auch FG Hamburg, Urteil vom 25.8.2016 5 K 53/15, EFG 2016, 1971). Die Rechtsauffassung, dass der Abwicklungszeitraum als steuerrechtlicher Gewinnermittlungszeitraum der handelsrechtliche Liquidationszeitraum sei, so dass dieser mit dem Tag ende, an dem die Abwicklung rechtsgültig abgeschlossen werde (so Pfirrmann in Blümich, KStG, § 11 Rz 36), hält der Senat nicht für zutreffend. § 11 KStG fordert nur, dass das Vermögen, das zur Verteilung kommt, feststeht. Es ist nicht erforderlich, dass dieses Vermögen bereits verteilt worden ist. Außerdem weist das FG Hamburg zu Recht darauf hin, dass gegen einen Gleichlauf des handelsrechtlichen und des steuerrechtlichen Abwicklungszeitraums spricht, dass bei einem Gleichlauf steuerrechtlich kein Ende des Abwicklungszeitraums absehbar wäre, da handelsrechtlich auf den Abschluss des steuerrechtlichen Verfahrens zu warten ist. Im Streitfall wurde die Schlussbilanz am 5.3.2015 erstellt, so dass zu diesem Zeitpunkt der Abwicklungszeitraum beendet ist und in diesem Zeitpunkt feststeht, in welchem Umfang Verluste nicht verrechnet werden können.
49 3. Nach Auffassung des Senates ist es nicht sachgerecht, die Verlustabzugsbeschränkung des § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG im Rahmen einer endgültigen Abwicklungsbesteuerung anzuwenden.
50 Gemäß § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG sind aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen stammende nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 1 Million € unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des 1 Million € übersteigenden Gesamtbetrages der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen. Im Ergebnis werden 40 % des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. € überschreiten.
51 Diese durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2004 (vgl. § 52 Abs. 25 Satz 3 EStG) eingeführte Beschränkung des Verlustabzuges wurde im Regierungsentwurf damit begründet, dass "der Grund für die Beschränkung ... in dem gewaltigen Verlustvortragspotenzial der Unternehmen zu sehen (sei), das diese vor sich herschieben. Um das Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte kalkulierbarer zu machen, ist es geboten, den Verlustvortrag zu strecken. Nur so ist auf Dauer eine Verstetigung der Staatseinnahmen gewährleistet." Darüber hinaus wird ausgeführt, dass durch die sog. Mindestbesteuerung "keine Verluste endgültig verloren" gehen würden (BT-Drucks. 15/1518, S. 13).
52 In der Literatur wird die sog. Mindestbesteuerung wegen der durch die "Deckelung" des Abzugsbetrages bewirkten zeitlichen Streckung des Verlustvortrages für verfassungswidrig gehalten (Lang/Englisch, StuW 2005, 3; Eckhoff, DStJG 28 (2005), S. 11, 34; Hey, StuW 2011, 131, 140; Rödder, StuW 2012, 18, 21). Der BFH und andere Literaturstimmen nehmen einen Verfassungsverstoß nur in den Fällen an, in denen ein Verlust nicht nur zeitlich gestreckt, sondern von einer Wirkung auf die Ermittlung des Einkommens endgültig ausgeschlossen wird (BFH-Beschluss vom 26.2.2014 I R 59/12, BStB II 2014, 1016, Az. des BVerfG: 2 BvL 19/14; Wendt, DStJG 28 (2005), S. 41, 77; Orth, FR 2005, 515, 530; Geist, GmbHR 2008, 969, 975).
53 Der Senat hält die durch die "Deckelung" des Abzugsbetrages bewirkte zeitliche Streckung des Verlustvortrages - ebenso wie der BFH - nicht generell für verfassungswidrig (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.3.2012 6 K 2199/09 K, EFG 2012, 1387 m. w. N.). Der BFH hat aber mehrfach entschieden, dass die Abzugsfähigkeit von Verlusten nicht in ihrem Kernbereich betroffen und gänzlich ausgeschlossen sein dürfe. Die Grenze zum Kernbereich der Gewährleistung eines Verlustausgleichs ist nach Auffassung des BFH überschritten, wenn auf der Grundlage eines inneren Sachzusammenhangs bzw. einer Ursachenidentität der sog. Mindestbesteuerung ("konkret") die Wirkung zukommt, den Verlustabzug gänzlich auszuschließen. Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor, denn mit Abschluss der Liquidation der insolventen Kapitalgesellschaft steht der endgültige Wegfall der Verlustnutzungsmöglichkeit fest (BFH-Beschluss vom 26.2.2014 I R 59/12, BStB II 2014, 1016, Az. des BVerfG: 2 BvL 19/14; BFH-Urteile vom 11.2.1998 I R 81/97, BStBl II 1998, 485; vom 5.6.2002 I R 115/00, HFR 2003, 9; BFH-Beschluss vom 26.8.2010 I B 49/10, HFR 2010, 1289).
54 Entgegen der Ansicht des BFH (Beschluss vom 26.2.2014 I R 59/12, BStB II 2014, 1016, Az. des BVerfG: 2 BvL 19/14) ist der Senat der Auffassung, dass eine verfassungskonforme Auslegung des § 10d Abs. 2 EStG in der Situation sog. Definitiveffekte möglich ist. Da sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, dass durch die sog. Mindestbesteuerung "keine Verluste endgültig verloren" gehen sollen und Gesetzeszweck nur ist, das Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte kalkulierbarer zu machen und eine Verstetigung der Staatseinnahmen zu gewährleisten (BT-Drucks. 15/1518, S. 13), kann man nach Auffassung des Senates im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 10 d Abs. 2 Satz 1 EStG den Tatbestand um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass die Mindestbesteuerung nur eingreift, soweit sie keine definitive Besteuerung auslöst, ergänzen (vgl. schon FG Düsseldorf, Urteil vom 12.3.2012 6 K 2199/09 K, EFG 2012, 1387; Fischer, FR 2007, 281, 285).
55 4. Die Zwischenveranlagungsbescheide für 2003-2015 sind nach Auffassung des Senates, soweit sie nicht nach § 165 AO (Bescheid 2003-2005), wegen des anhängigen Klageverfahrens (2011) oder wegen des Vorbehalts der Nachprüfung (2015) aufgehoben werden können, gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben (Gosch, BFH/PR 2014, 390, 392; Kläschen, KStG, § 11 Rz. 16; Fischer, FR 2007, 281, 286; Micker in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 11 KStG Rz. 37), wenn sie sich nicht auf Grund ihres Regelungsgehaltes als vorläufige Regelung bis zum Ende der Abwicklung durch das Ende der Abwicklung auf andere Weise im Sinne des § 124 Abs. 2 AO erledigen und damit ihre Wirksamkeit verlieren (BFH-Urteil vom 7.5.2014 I R 81/12, BFH/NV 2014, 1593; Pfirrmann in Blümich, EStG/KStG/GewStG, KStG § 11 Rz. 41).
56 Nach § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
57 Der Begriff Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO umfasst nach der Rechtsprechung des BFH alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge. Dazu rechnen nicht nur solche mit ausschließlich rechtlichem Bezug, sondern auch tatsächliche Lebensvorgänge. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfordert nach der Rechtsprechung des BFH, dass die Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalts sich - ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen - steuerlich in die Vergangenheit auswirkt, und zwar in der Weise, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (BFH, Beschluss vom 19.7.1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897).
58 Ein solches rückwirkendes Ereignis liegt im Streitfall mit dem Ende des Abwicklungszeitraumes vor, wenn man - wie der Senat - Veranlagungen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG als nur vorläufige Zwischenveranlagungen ansieht, die am Ende des Abwicklungszeitraums durch einen Bescheid zu ersetzen sind, in dem der Gewinn bzw. der Verlust für den gesamten Abwicklungszeitraum ermittelt wird.
59 Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
60 Die Übertragung der Steuerberechnung auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
61 Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
62 Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.