FG Hamburg: Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist durch Antrag des Steuerpflichtigen
FG Hamburg, Urteil vom 13.5.2014 – 6 K 54/13
Sachverhalt
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger aufgrund einer am 29.12.2010 abgegebenen Einkommensteuererklärung für 2003 noch veranlagt werden können.
Die Kläger haben die österreichische Staatsangehörigkeit und ihren Wohnsitz in Österreich. Diesen hatten sie auch im Streitjahr 2003 inne. Sie erzielten u. a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG).
Der Kläger ist ... und ist seit ... bei der A als ... beschäftigt. Die Klägerin ist seit ... als ... bei der B tätig. Die Kläger sind seit ... miteinander verheiratet.
Am 24.03.2003 stellten die Kläger den Antrag, als unbeschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 EStG behandelt zu werden. Am 05.05.2003 erteilte der Beklagte als Betriebsstättenfinanzamt für die jeweiligen Arbeitgeber der Kläger eine Bescheinigung gemäß § 39 c Abs. 4 EStG. Die Arbeitgeber behandelten die Kläger daraufhin als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und unterwarfen ihren Arbeitslohn dem Lohnsteuerabzug.
In 2003 betrugen die sog. Inlandsanteile der Arbeitseinkünfte des Klägers 13,1 % und der Klägerin 12,06 %. Der Lohnsteuereinbehalt durch die Arbeitgeber erfolgte indes auf den gesamten Arbeitslohn.
Am 02.05.2009 beantragten die Kläger die Erstattung zuviel entrichteter Lohnsteuer gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung in der für das Streitjahr geltenden Fassung (AO) für den Veranlagungszeitraum 2003. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19.05.2009 mit der Begründung ab (Blatt 150 Einkommensteuerakte Band II), dass Festsetzungsverjährung gemäß § 169 ff. AO eingetreten sei. Die dagegen eingelegten Einsprüche vom 19.06.2003 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung jeweils vom 21.10.2009 zurück (Blatt 192 Einkommensteuerakte Band II).
Mit Schriftsatz vom 21.07.2009 wies der Beklagte auf die Möglichkeit einer eventuell noch durchzuführenden Einkommensteuerveranlagung für 2003 hin. Die den Klägern erteilte Bescheinigung gemäß § 39 c Abs. 4 EStG könne zu Unrecht ausgestellt worden sein, da die Kläger offensichtlich nicht zum Personenkreis des § 1 Abs. 3 oder des § 1 a EStG gehörten. Denn ihre Einkünfte hätten in 2003 nicht zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterlegen bzw. die nicht der deutschen Steuer unterliegenden Einkünfte hätten mehr als 6.136 € betragen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 EStG).
Die Kläger wurden zudem darauf hingewiesen, dass bei ihnen offensichtlich als an und für sich beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer eine Veranlagung nach § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStG nur unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG in Betracht komme. Zwar müsse wegen der 2-Jahres-Frist ein Antrag für 2003 abgelehnt werden, weil die Einreichungsfrist bereits am 31.12.2005 abgelaufen sei. Eine entsprechende Antragstellung werde dennoch anheimgestellt, da die Fristberechnung bei einer Antragsveranlagung noch einer höchstrichterlichen Prüfung unterzogen werde (beim Bundesfinanzhof damals anhängige Revisionsverfahren zum Aktenzeichen VI R 1/09 und VI R 2/09). Vor dem Hintergrund dieser anhängigen Revisionsverfahren würde ein gegen die Ablehnung der Veranlagung eingelegter Einspruch gemäß § 363 Abs. 2 AO zum Ruhen gebracht werden.
Daraufhin beantragten die Kläger mit Schreiben vom 02.10.2009 hilfsweise die Durchführung der Veranlagung gemäß § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG. Im gleichen Schriftsatz legten die Kläger Einspruch gegen die Lohnsteueranmeldungen Januar bis Dezember 2003 ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 21.10.2009 verwarf der Beklagte die Einsprüche gegen die Lohnsteueranmeldungen Januar bis Dezember 2003 der A und der B als unzulässig, weil die Einsprüche erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingelegt worden seien.
Mit Schreiben vom 21.10.2009 (Blatt 204 Einkommensteuerakte Band II) wurde den Klägern nochmals anheimgestellt, die entsprechenden Steuererklärungen zur Wahrung der nach den beim BFH anhängigen Revisionsverfahren gegebenenfalls verlängerten Abgabefrist möglichst umgehend beim Beklagten einzureichen.
Unter dem 29.12.2010 reichten die Kläger die unterzeichnete Einkommensteuererklärung für 2003 in Kopie ein.
Mit Bescheid vom 31.08.2011 lehnte der Beklagte die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 2003 ab und wies darauf hin, dass der Antrag spätestens am 31.12.2007 zu stellen gewesen wäre (§ 169 AO i. V. m. § 170 Abs. 1 AO). Wiedereinsetzungsgründe seien nicht erkennbar. Mit Urteil vom 14.04.2011 habe der Bundesfinanzhof (Az. VI R 86/10) entschieden, dass die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO in den Fällen der Antragsveranlagung nicht greife.
Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 30.09.2011 beim Beklagten Einspruch ein und führten zur Begründung aus, dass vorliegend keine Antragsveranlagung, sondern eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 7 b EStG beantragt worden sei.
Mit Schreiben vom 24.04.2012 (Rechtsbehelfsakten - Rb-A. - Bl. 66) teilte der Beklagte mit, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 7 b EStG nicht vorlägen. Allenfalls komme eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in Frage.
Mit weiterem Schreiben vom 07.06.2012 wies der Beklagte darauf hin, dass entgegen der vorher geäußerten Auffassung auch eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht in Betracht komme. § 46 EStG gelte unmittelbar nur für unbeschränkt Steuerpflichtige. Bei beschränkt Steuerpflichtigen komme nur eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG in Frage. Mangels Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sei der durch Erklärungsabgabe gestellte Antrag vom 29.12.2010 auf Veranlagung zur Einkommensteuer verfristet; dem Einspruch könne nicht abgeholfen werden.
Unter dem 20.12.2012 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass die Kläger auch nicht durch die Bescheinigung nach § 39 c EStG unbeschränkt steuerpflichtig geworden seien. Die Bescheinigung habe lediglich Auswirkung auf den vom Arbeitgeber vorzunehmenden Lohnsteuerabzug, stelle aber selbst keinen Grundlagenbescheid mit der Folge dar, dass nach Ausstellung der Bescheinigung der jeweilige Steuerpflichtige als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig anzusehen wäre. Die Kläger seien gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG verpflichtet gewesen, eine Steuererklärung als beschränkt Steuerpflichtige abzugeben. Die Festsetzungsfrist betrage gemäß § 169 Abs. 3 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginne mit Ablauf des Jahres 2006 und ende mit Ablauf des Jahres 2010. Gleichwohl sei mit Ablauf des 31.12.2010 Festsetzungsverjährung eingetreten, da bis zum 31.12.2010 keine Steuerfestsetzung erfolgt sei und auch kein den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmender Grund nach § 171 AO (insbesondere nicht § 171 Abs. 3 AO) vorliege. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stelle die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung keinen den Ablauf der Festsetzung hemmenden Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO dar. Insoweit hätte der Steuerbescheid bis spätestens 31.12.2010 erstellt und abgesandt worden sein müssen. Dies sei nicht erfolgt und sei, weil lediglich zwei Tage Zeit geblieben wären, bereits aus technischen Gründen nicht möglich. Den daraus resultierenden Eintritt der Festsetzungsverjährung hätten sich die Steuerpflichtigen zuzurechnen, da sie mit Abgabe der Erklärung bis kurz vor Eintritt der Festsetzungsverjährung gewartet hätten. Wiedereinsetzung sei nicht möglich, da der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht unter die in § 110 AO geregelten Fristen falle.
Mit Einspruchsentscheidung vom 13.02.2013 wies der Beklagte den Einspruch vom 30.09.2011 als unbegründet zurück.
Hiergegen haben die Kläger mit Schreiben vom 12.03.2013, beim Finanzgericht eingegangen am gleichen Tage, Klage erhoben.
Zur Begründung führen sie aus, nach ihrer Auffassung sei keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs greife hier nicht. Der Beklagte habe ausreichend Zeit gehabt, über die Anträge zu entscheiden. Bereits am 02.05.2009 sei die Erstattung zu viel entrichteter Lohnsteuer beantragt worden. Dieser Antrag sei abgelehnt worden. Der Beklagte hätte darauf hinwirken müssen, dass eine entsprechende Erklärung eingereicht würde, da ein Antrag gestellt gewesen sei, ohne dass eine ordnungsgemäße Steuererklärung vorgelegen hätte. Im Übrigen habe sich auch die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung geändert. Die Amtsermittlungspflicht sei dadurch vernachlässigt worden, dass man entweder eine Pflichtveranlagung vorgesehen habe oder aber eine Antragsveranlagung; damit habe man zwei Hinweise gegeben, die auch in ihrer Rechtsfolge divergierten. Infolgedessen könne sich in entsprechender Anwendung der rechtsstaatlichen Grundsätze und des Grundsatzes der Amtsermittlung die Pflichtwidrigkeit der Finanzverwaltung nicht auf den Ablauf der Festsetzungsfrist auswirken. Insoweit sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in welchem die Finanzverwaltung darauf hätte hinwirken müssen, von Amts wegen eine Veranlagung vorzunehmen. Dies wäre in 2009 gewesen nach Antragstellung und Hinweis des Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt wäre auch ausreichend Zeit zur behördlichen Entscheidung gewesen.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 31.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.02.2013 zu verpflichten, eine Veranlagung zur Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2003 vorzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unbegründet und weist darauf hin, dass die Einreichung der Steuererklärung am 29.12.2010 nicht ausreichend sei, wenn der Bescheid nicht mehr erlassen werden könne. Da die Verjährung bereits Ende 2010 eingetreten sei, sei es unerheblich, dass sich der Beklagte im Einspruchsverfahren in 2012 teilweise abweichend zugunsten der Kläger geäußert habe. Entscheidend sei, dass gesetzlich vorgeschriebene Steuererklärungen bzw. Antragsveranlagungen nach ständiger Rechtsprechung nicht unter § 171 Abs. 3 AO fielen.
Auf das Sitzungsprotokoll des Erörterungstermins vom 12.09.2013 wird verwiesen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten und Rechtsbehelfsakten zu der Steuernummer .../.../... vorgelegen.
Aus den Gründen
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil die Beteiligten hierauf verzichtet haben (§ 90 Absatz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO-).
I.
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Der Ablehnungsbescheid vom 31.08.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.02.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, weil der Beklagte die beantragte Steuerveranlagung zur Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2003 nicht durchgeführt hat. Der Beklagte hat zu Unrecht die Veranlagung zur Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2003 wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist abgelehnt, denn dieser war gemäß § 171 Abs. 3 AO gehemmt.
1. Im Streitjahr war für die Kläger eine Pflichtveranlagung gemäß §§ 49 Abs. 1 Nr. 4a, 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG durchzuführen.
a) Die Kläger, die ihren Wohnsitz in Österreich haben und auch im Streitjahr diesen dort innehatten, sind im Inland beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG). Sie erzielten als ... bzw. ... an Bord von im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugen inländischer Luftfahrtgesellschaften mit den sog. Inlandsanteilen ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG inländische Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4a EStG. Die Höhe dieser Inlandsanteile von 13,1 % für den Kläger und von 12,06 % für die Klägerin schlossen eine antragsgemäße Behandlung als unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 3 EStG aus, da ihre Einkünfte im Streitjahr nicht mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterlagen und die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte mehr als 6.136 € im Streitjahr betrugen.
b) Die Einkommensteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug von Arbeitslohn unterliegen, gilt nach § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG durch den Steuerabzug als abgegolten. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn - wie hier im Fall der Kläger - nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht im Sinne des § 1 Abs. 3 EStG nicht vorgelegen haben (§ 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG). Die Abgeltungswirkung durch die abgezogene Einkommensteuer tritt dann nicht ein mit der Folge, dass die abzugspflichtigen Einkünfte zu veranlagen sind. Bei dieser Veranlagung handelt es sich um ein Pflichtveranlagung (vgl. FG Köln Urteil vom 22.01.2014 4 K 2001/13, BB 2014, 663, Revision eingelegt Az. des BFH I R 18/14; Kube in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff EStG 104. Akt. § 50 Rz E61; Gosch in Kirchhof EStG 11. Aufl. § 50 Rz 20; Heinicke in Schmidt EStG 22. Aufl. § 50 Rz. 11; a. A. Ramakers in Littmann/Bitz/Pust EStG 50 (Lfg. 2002, § 50 Rz 54, der in den Fällen einer Steuernachforderung auch ohne Veranlagung die Rechtsgrundlage für einen Nachforderungsbescheid sieht). Da die Frage, ob die Voraussetzungen einer unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht vorliegen, oft erst nachträglich beantwortet werden kann, ist eine Veranlagung nach § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG erforderlich, um eine Einkommensteuerfestsetzung nach den Maßstäben der beschränkten Steuerpflicht zu ermöglichen.
Die besondere Antragsveranlagung gemäß § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG, deren Voraussetzungen die Kläger ebenfalls erfüllen (beschränkte Steuerpflicht, Wohnsitz und Staatsangehörigkeit in einem EU-Staat), tritt insoweit zurück, wenn - wie im Streitfall - bisher eine antragsgemäße Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht nicht stattgefunden hat und die Voraussetzungen des § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG vorliegen.
2. Die Kläger haben auch eine wirksame Einkommensteuererklärung für 2003 eingereicht. Sie konnten zudem eine gemeinsame Steuerklärung nach § 25 Abs. 3 Satz 2 EStG abgeben, da sie die Zusammenveranlagung gewählt haben und die Steuererklärung von beiden Eheleuten eigenhändig unterschrieben war.
a) Gemäß § 25 Abs. 3 S. 4 und 5 EStG hat der Steuerpflichtige die Einkommensteuererklärung eigenhändig zu unterschreiben; eine gemeinsame Einkommensteuererklärung ist von beiden Ehegatten eigenhändig zu unterschreiben. Eine Steuererklärung, die die gesetzlich vorgeschriebene Unterschrift nicht enthält, ist unwirksam (vgl. BFH-Urteile vom 14.01.1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; vom 28.02.2002 V R 42/01, BFHE 198, 27, BStBl II 2002, 642; BFH-Beschluss vom 26.03.1999 X B 196/98, BFH/NV 1999, 1309).
Die Unterschrift soll gewährleisten, dass der Inhalt der Erklärung und die erklärende Person hinreichend zuverlässig festgestellt werden können. Des Weiteren soll dadurch sichergestellt werden, dass die Erklärung mit Wissen und Wollen des Erklärenden erfolgt ist (vgl. für die eigenhändig zu unterzeichnende Klagschrift BFH Urteil vom 22.06.2010 VIII R 38/08, BStBl II 2010, 1017).
Darüber hinaus soll die eigenhändige Unterschrift neben der Identifizierung des Urhebers auch dazu dienen, den Steuerpflichtigen dazu anzuhalten, sich die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung bewusst zu machen und neben der Überprüfung auf Richtigkeit seiner Angaben die Verantwortung für die Erklärung zu übernehmen (vgl. BFH Urteile vom 08.07.1983 VI R 80/81, BFHE 139, 158, BStBl II 1984,13; vom 17.12.1998 III R 87/96, BFHE 188,182, BStBl II 1999, 313).
b) Zwar liegt die Einkommensteuererklärung einschließlich der Unterschriften der Kläger nur in Kopie vor, jedoch entspricht diese Kopie zusammen mit dem eigenhändig unterschriebenen Anschreiben des Steuerbevollmächtigten vom 29.12.2010 dem Formerfordernis "eigenhändige Unterschrift", denn auch eine Übermittlung per Telefax reicht nach Ansicht des Senats aus, wenn - wie hier - das Original handschriftlich unterzeichnet ist (so auch FG Schleswig-Holstein Urteil vom 19.09.2013 1 K 166/12, EFG 2013, 2017, beim BFH anhängig unter Az. VI R 82/13; Seer in Tipke-Kruse AO und FGO § 150 AO Rz 6; Seeger in Schmidt EStG 33. Aufl. § 25 Rz 6).
Die o. a. Zwecke werden auch dadurch erreicht, dass der Steuerpflichtige die Erklärung unterschreibt und anschließend über seinen Bevollmächtigten eine (Tele-) Kopie der unterschriebenen Erklärung vorlegen lässt. Denn die Art der Übermittlung einer Steuererklärung auf den amtlichen Vordrucken erfüllt keine weitere Schutzfunktion (BFH Urteil vom 08.06.2010 VII R 39/09, BFHE 229, 482, BStBl II 2010, 839). Auch ermöglicht eine kopierte Unterschrift die Zuordnung der Erklärung zu einer bestimmten Person bzw. die Identifizierung des Erklärenden.
3. Im Streitfall steht der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 2003 auch nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen.
a) Eine Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Frist dafür ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat (§ 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO).
Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Der Beginn der Festsetzungsfrist war im Streitfall nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt, weil eine Steuererklärung einzureichen war (I.1.). Danach beginnt die Festsetzungsfrist vorbehaltlich eines späteren Beginns nach § 170 Abs. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
Im Streitfall lief danach die reguläre Festsetzungsfrist mangels Einreichens der Steuererklärung bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Jahr des Entstehens der Einkommensteuer 2003 folgte, mit Ablauf des 31.12.2010 ab. Die Kläger haben ihre Einkommensteuererklärung zwar am 29.12.2010 eingereicht, jedoch ist bis zum 31.12.2010 kein ESt-Bescheid ergangen.
b) Der Ablauf der regulären Festsetzungsfrist war vorliegend gemäß § 171 Abs. 3 AO gehemmt. Danach läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, als vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klagverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt wird, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.
aa) Als Antrag in diesem Sinne sind nur solche Willensbekundungen zu verstehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörden außerhalb des in Folge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandelns auslösen sollen. Die Abgabe von gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärungen gehört hierzu nicht; sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteile vom 18.06.1991 VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl. II 1992, 124; vom 10.07.2008 IX R 90/07, BStBl. II 2009, 816; vom 17.02.1998 VIII R 21/95, BFH/NV 1998, 1356; vom 25.05.2011 IX R 36/10, BFHE 233, 314, BStBl. II 2011,807; vom 22.01.2013 IX R 1/12, BFHE 239, 385, BStBl. II 2013, 663; vom 15.05.2013 IX R 5/11, BFHE 241, 310, BStBl II 2014, 143), der sich der Senat anschließt, grundsätzlich keinen den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmenden Antrag auf Steuerfestsetzung im Sinne des § 171 Abs. 3 AO dar. Denn sie erfolgt in Erfüllung der allgemeinen Mitwirkungspflicht der Betroffenen und dient nur der Durchführung der regulären Steuerfestsetzungstätigkeit der Finanzbehörden, die diese auch ohne Erklärungsabgabe - wenn auch unter erschwerten Bedingungen - vorzunehmen hätten. Im Gegensatz zu Anträgen auf Steuerfestsetzung im Sinne des § 170 Abs. 3 AO sind die Auswirkungen des Einreichungszeitpunktes von Steuererklärungen auf die Festsetzungsfrist abschließend in § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO geregelt. Den zeitlichen Rahmen für die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung umschreibt § 149 Abs. 2 Satz 1 AO (5 Monate nach Ablauf des Veranlagungsjahres). Wer mit der Abgabe der Steuererklärung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist wartet, muss deshalb grundsätzlich den Nachteil davon tragen, wenn ein Steuerbescheid nicht mehr in der gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO notwendigen Weise erlassen wird.
bb) Im Streitfall liegen jedoch die Voraussetzungen des § 171 Abs. 3 AO vor.
aaa) Diese Vorschrift erfasst alle - ausdrücklich oder stillschweigend - vorgetragenen Begehren oder Bitten an die Finanzbehörde auf ein die Steuerfestsetzung herbeiführendes Verwaltungshandeln (BFH Urteil vom 22.01.2013 IX R 1/12, a. a. O; Paetsch in Beermann/Gosch AO § 171 Rz 23). Dies gilt auch dann, wenn der Antrag auf Maßnahmen abzielt, die die Behörde - wie eine Steuerfestsetzung - von Amts wegen vornehmen muss (BFH Urteil vom 24.06.2008 IX R 64/06, BFH/NV 2008, 1676 mit weiteren Nachweisen). Maßgebend ist der objektive Erklärungsinhalt des Antrags; er muss hinreichend konkretisiert sein und seinen sachlichen Inhalt zumindest in groben Zügen zu erkennen geben.
Ob und mit welcher Reichweite ein Antrag i. S. von § 171 Abs. 3 AO vorliegt, ist im Wege der Auslegung (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu ermitteln (vgl. BFH-Urteile vom 05.02.1992 I R 76/91, BFHE 168, 1, BStBl II 1992, 995; vom 10.03.1993 I R 93/92, BFHE 175, 481, BStBl II 1995, 165; vom 23.04.2003 IX R 28/00, BFH/NV 2003, 1140; vom 15.05.2013 IX R 5/11, a. a. O.).
bbb) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist im Fall der Kläger im Schreiben vom 02.10.2009, spätestens aber in dem zeitgleich mit der Einkommensteuererklärung am 29.12.2010 beim Beklagten vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingegangenen Schreiben des Bevollmächtigten der Kläger ein Antrag i. S. d. § 171 Abs. 3 AO zu sehen.
Im anhängigen Fall war für den Beklagten ohne Zweifel erkennbar, dass es den Klägern darauf ankam, die zuvor zu hoch abgeführte Lohnsteuer rückerstattet zu bekommen. Dem Beklagten waren insoweit die Zahlen bereits bekannt. Bereits aus dem mit Schreiben vom 02.10.2009 hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung der Veranlagung gemäß § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG konnte der Beklagte das konkrete Begehren erkennen. Auch wenn üblicherweise ein Antrag auf § 171 Abs. 3 AO erst nach Vorlage einer Steuererklärung gestellt werden wird, so würde gleichwohl ein bereits vor Erklärungseinreichung gestellter Antrag den Ablauf der Festsetzungsfrist so lange hemmen, bis über diesen Antrag unanfechtbar entschieden worden ist (vgl. Tipke/Kruse, AO und FGO, § 171 AO Rz 14). In Anbetracht der durch die wechselnde Rechtsauffassung auf Beklagtenseite bei den Klägern entstandenen Verunsicherung ist auch nachvollziehbar, dass die Kläger die Entscheidungen des BFH in den o. g. Revisionsverfahren (Az: VI R 1/09 und VI R 2/09) abwarten wollten und deshalb mit der Vorlage ihrer Steuererklärungen bis kurz vor Fristablauf gewartet haben. Spätestens in dem Anschreiben des Bevollmächtigten der Kläger vom 29.12.2010, dem die Einkommensteuererklärung beigefügt war, war unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ein bezifferter Antrag nach § 171 Abs. 3 AO zu sehen.
Der angegriffene Ablehnungsbescheid war deshalb aufzuheben und der Beklagte zu verpflichten, die beantragte Veranlagung zur Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2003 durchzuführen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 - 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
III.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, da das Erfordernis "eigenhändige Unterschrift" bei einer Steuererklärung bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und diesbezüglich beim Bundesfinanzhof ein Revisionsverfahren anhängig ist (BFH VI R 82/13).