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Steuerrecht
13.09.2010
Steuerrecht
: Ablaufhemmung bei gesonderter Verlustfeststellung zur Einkommensteuer

FG Düsseldorf, Urteil 3.3.2010 - 7 K 3657/09 F

Leitsätze

1. Als Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO sind nur solche Willensbekundungen zu verstehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörde außerhalb des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandels auslösen sollen. Die Abgabe von gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärungen gehört nicht dazu (vgl. BFH-Urteil vom 18.6.1991- VIII R 54/89, BB 1992, 57 Ls; hier: keine Hemmung des Ablaufs der Feststellungsfrist durch die Abgabe einer gesonderten Erklärung zum Verlustabzug nach § 181 Abs. 2 S. 1 AO) (Rn.10).


2. Die Vorschrift des § 171 Abs. 3a AO setzt voraus, dass der angefochtene Steuerbescheid zu einem noch nicht verjährten Zeitpunkt erlassen wurde. Für den Fall einer Feststellungserklärung bedeutet dies, dass der Feststellungsbescheid noch innerhalb der Feststellungsfrist erlassen worden sein muss (Rn.11).


3. Ein pflichtwidriges Unterlassen der Feststellung des Verlustvortrags durch die Finanzbehörde i. S. des § 10d Abs. 4 S. 6 EStG i. d. F. vom 13.12.2006 kann nicht darin erblickt werden, dass die Finanzbehörde die in einer bei ihr am 30.12. eines Jahres eingegangenen Erklärung geltend gemachten Verluste nicht vor dem Ende der am folgenden Tag ablaufenden Feststellungsfrist feststellt (Rn.12).


4. Die Revision wurde zugelassen. Das Beschwerdeverfahren wird unter dem Az. IX R 36/10 als Revisionsverfahren fortgeführt (BFH-Beschluss vom 22.7.2010 - IX B 53/10, nicht dokumentiert).


§ 181 Abs. 2 S. 1 AO; § 171 Abs. 3 AO; § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO; § 171 Abs. 3a AO; § 10d Abs. 4 S. 6 EStG 2002 vom 13.12.2006; § 181 Abs. 5 AO


Tatbestand

1          Dem Kläger entstanden im Streitjahr 2001 Aufwendungen für Medizinstudium. Am 30.12.2008 ging beim Finanzamt „E-Stadt" eine Einkommensteuererklärung sowie eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für das Streitjahr ein. Hierin machte der Kläger vorweggenommene Werbungskosten in Höhe von 9.620,10 DM geltend. Mit Bescheid vom 7.5.2009 lehnte der Beklagte die Verlustfeststellung ab, weil die Feststellungsfrist abgelaufen sei. Der hiergegen erhobenen Einspruch vom 2.6.2009 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 2.10.2009 zurückgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, die Feststellungsfrist habe gem. § 169 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO am 31.12.2008 geendet. Die Abgabe der Steuererklärung habe den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht gehemmt. § 171 Abs. 3 AO sei nicht anwendbar, da die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Erklärung kein Antrag i.S. dieser Vorschrift darstelle. Die Feststellung könne auch nicht nach § 181 Abs. 5 AO nach Ablauf der Feststellungsfrist ergehen. Diese Vorschrift sei nach § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG nicht anwendbar. Das Finanzamt habe die Feststellung der Verlustvorträge nicht pflichtwidrig unterlassen.


2          Der Kläger hat am 14.10.2009 Klage erhoben und trägt im Wesentlichen vor, der Ablauf der Feststellungsfrist sei bereits durch den am 2.6.2009 erhobenen Einspruch gem. § 171 Abs. 3a AO gehemmt. Jedenfalls sei die Verlustfeststellung auch noch nach Ablauf der Feststellungsfrist gem. § 181 Abs. 5 AO zulässig. Der Beklagte habe vor Ablauf der Feststellungsfrist die Verluste gekannt und es pflichtwidrig unterlassen, diese Verluste festzustellen. Andere Finanzämter seien durchaus in der Lage, über einen Sachverhalt auch in kürzester Zeit zu entscheiden. Das Finanzamt „E-Stadt" sei auf Grund des Umstandes, dass er in dessen Bezirk eine Wohnung unterhalten habe, auch zuständiges Wohnsitzfinanzamt gewesen.


3          Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, unter Aufhebung des Bescheides vom 7.5.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.10.2009 den Beklagten zu verpflichten, verbleibende Verluste zum 31.12.2001 in Höhe von 9.620,10 DM festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.


4          Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen, und wiederholt im Wesentlichen die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.


5          Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
 

6          Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten.
 

Entscheidungsgründe

7          Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Beklagte ist nicht verpflichtet einen verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.2001 gesondert festzustellen. Zum einen ist die Feststellungsfrist abgelaufen, zum anderen scheidet eine Feststellung nach § 181 Abs. 5 AO aus.


8          Die Beteiligten gehen übereinstimmend und zu Recht davon aus, dass auf Grund des Umstandes, dass der Kläger zunächst keine Steuererklärungen abgegeben hatte, die reguläre Feststellungsfrist nach §§ 169 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO am 31.12.2008 endete.


9          Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass er die Feststellungserklärung noch innerhalb der Feststellungsfrist bei dem für ihn damals zuständigen Wohnsitzfinanzamt rechtzeitig abgegeben hat, war der Ablauf der Feststellungsfrist nicht gehemmt.


10        Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO scheidet aus. Nach dieser Vorschrift läuft eine Festsetzungsfrist vor unanfechtbarer Entscheidung nicht ab, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt wird. Diese Vorschrift gilt nach § 181 Abs. 1 AO im Verfahren über die gesonderte Feststellung entsprechend (vgl. BFH Urteil vom 10.7.2008, IX R 90/07, BFHE 222, 32, BStBl II 2009, 816). Als Antrag im Sinne dieser Vorschrift sind jedoch nur solche Willensbekundungen zu verstehen, die ein Tätigwerden der Finanzbehörde außerhalb des infolge der Amtsmaxime ohnehin gebotenen Verwaltungshandels auslösen soll. Die Abgabe von gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärungen gehört nicht dazu (vgl. BFH Urteil vom 18.6.1991, VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124, und vom 10.7.2008, IX R 90/07, a.a.O.). Da die Abgabe einer gesonderten Erklärung zum Verlustabzug nach § 181 Abs. 2 Satz 1 AO gesetzlich vorgeschrieben ist, hemmte der Erklärungseingang am 30.12.2008 den Ablauf der Feststellungsfrist nicht.


11        Auch eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO kommt nicht in Betracht. Hiernach läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, wenn ein Steuerbescheid mit dem Einspruch oder der Klage angefochten ist, solange nicht über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Dies gilt nach Halbsatz 2 derselben Vorschrift selbst dann, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wurde. Sinn und Zweck dieser Regelung besteht darin, ein Rechtsbehelfsverfahren nicht durch den Eintritt der Festsetzungsverjährung sinnlos werden zu lassen. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass der Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ausnahmsweise auch nach Ablauf der Festsetzungsverjährung eintreten kann (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung Tz.24 zu § 171 AO). Sie setzt daher voraus, dass der angefochtene Steuerbescheid zu einem noch nicht verjährten Zeitpunkt erlassen wurde. Für den Fall einer Feststellungserklärung bedeutet dies, dass der Feststellungsbescheid noch innerhalb der Feststellungsfrist erlassen sein muss. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die gegenteilige Ansicht des Klägers zu dem absurden und vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen würde, dass es nach Ablauf der Feststellungsfrist nur der Erhebung eines Einspruchs gegen einen ablehnenden Bescheid bedürfte, damit der Ablauf der Feststellungsfrist gehemmt wäre.


12        Die gesonderte Feststellung ist auch nicht nach § 181 Abs. 5 AO zulässig. Hiernach kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist erfolgen, soweit die Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG ist § 181 Abs. 5 AO nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustabzugs pflichtwidrig unterlassen hat. § 10d Abs. 4 Satz 6 gilt gem. § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 für alle bei Inkrafttreten des JStG 2007 noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen. Das JStG 2007 ist am 19.12.2006 in Kraft getreten (vgl. Art. 20 Abs. 1 JStG 2007; BFH Urteil vom 10.7.2008, IX R 90/07, a.a.O.). Da die Feststellungsfrist erst am 31.12.2008 endete, ist § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG anwendbar. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass ein pflichtwidriges Unterlassen der gesonderten Verlustfeststellung vor Ablauf der Feststellungsfrist angesichts der Kürze der Dauer zwischen dem Eingang der Erklärung am 30.12.2008 und dem Ablauf der Feststellungsfrist am folgenden Tag nicht angenommen werden kann.


13        Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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