R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
17.03.2016
Steuerrecht
Niedersächsisches FG: Abgeltungsteuer und Werbungskostenabzugsverbot bei Geschäftsführung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 22.06.2015 – 7 K 19/13

Volltext: //BB-ONLINE BBL2015-726-2

unter www.betriebs-berater.de

Nichtamtliche Leitsätze

Werbungskosten, die nach dem 31.12.2008 abfließen, jedoch mit Einnahmen aus Kapitalvermögen, die vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind, in einem Veranlassungszusammenhang stehen, sind bei wortlautgetreuer Auslegung der Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG abziehbar, weil § 20 Abs. 9 EStG nicht anwendbar ist.

Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG ist entgegen der Rechtsprechung des BFH auf solche Fälle aus steuersystematischen und verfassungsrechtlichen Gründen nicht anzuwenden.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Kläger Schuldzinsen, die auf eine untergegangene Beteiligung entfallen, nach Einführung der Abgeltungsteuer noch als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Einkommensteuergesetz (EStG) abziehen können.

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2010 antragsgemäß zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielt als Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG, während die Klägerin im Rahmen einer Grundstücksgemeinschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG bezieht.

Der Kläger war zu 50 % an der X-GmbH (GmbH) beteiligt, über deren Vermögen am 1. Dezember 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Einnahmen, die dem Halbeinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG unterlegen hatten, hat der Kläger nie erzielt. Die Kläger hatten für die Verbindlichkeiten der GmbH Bürgschaften übernommen, aus denen sie von den Banken in Anspruch genommen wurden.

Der Beklagte erkannte in diesem Zusammenhang im Jahre 2005 einen Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG an. Dabei erkannte der Beklagte an, dass nachträgliche Anschaffungskosten dadurch entstanden waren, dass die Kläger von der Raiffeisen-Volksbank, der Deutschen Bank und der Bremer Landesbank für Verbindlichkeiten der GmbH als Bürgen in Anspruch genommen wurden. Der Beklagte berücksichtigte die für die Darlehen gezahlten Schuldzinsen in den Jahren 2005 bis 2008 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

Mit der Einkommensteuererklärung 2010 machten die Kläger Zinszahlungen von insgesamt 4.506 € für die Darlehensverbindlichkeiten, die mit der aufgelösten GmbH im Zusammenhang stehen, als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte erkannte die Zinszahlungen mit Hinweis auf das ab dem Veranlagungszeitraum 2009 geltende Werbungskostenabzugsverbot gem. § 20 Abs. 9 EStG nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an. Den von den Klägern erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Kläger sind der Auffassung, dass die in 2010 gezahlten Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzuerkennen seien. § 20 Abs. 9 EStG sei nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. Es seien den Klägern aber nach dem 31. Dezember 2008 keine Kapitalerträge aus der Beteiligung an der GmbH zugeflossen und es sei auch nicht mal theoretisch möglich, dass solche Erträge zukünftig noch zufließen könnten. Bei den gezahlten Schuldzinsen handele es sich um nachträgliche Werbungskosten zu Kapitaleinkünften aus der Zeit vor dem 1. Januar 2009. § 20 Abs. 9 EStG sei nach dem klaren Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG nicht anzuwenden, so dass die nachträglichen Werbungskosten die Einkünfte der Kläger nach den allgemeinen Vorschriften des EStG in voller Höhe minderten. Die gezahlten Schuldzinsen stünden in einem für den Werbungskostenabzug notwendigen Veranlassungszusammenhang. Die Veräußerung oder Aufgabe einer wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 17 EStG ändere daran nichts, weil es nach der Rechtsprechung des BFH ausreichend sei, dass die nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen ausgelöst seien und dementsprechend an die frühere Absicht zur Erzielung von Kapitaleinkünften angeknüpft werde. Und ebenso wie der BFH für die nachträglichen Werbungskosten bezüglich der Berücksichtigung als abzugsfähig an die frühere Kapitalerzielung(sabsicht) anknüpfe, so knüpfe auch § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG, der die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 9 EStG regele, nicht an den Zeitpunkt des Abflusses der zu beurteilenden Werbungskosten, sondern an die Einnahmeseite und zwar an den Zufluss der Kapitalerträge an. Da die hier zu beurteilenden Werbungskosten sicher nicht mit den nach dem 31. Dezember 2008 zufließenden Kapitalerträgen in Zusammenhang stünden, sei auch § 20 Abs. 9 EStG auf sie nicht anwendbar. Da sie auch nicht mit Kapitaleinkünften, auf die das Halb-/Teileinkünfteverfahren anzuwenden sei, im Zusammenhang stünden, seien sie in voller Höhe abziehbar. Die Systemumstellung zur Abgeltungsteuer greife nicht auf Sachverhalte, deren Ertragsseite sich ausschließlich in der Zeit vor Einführung der Abgeltungsteuer abgespielt habe. Dies sei auch sachgerecht. Es sei nicht zu vermitteln, dass jemand, der die Vorteile einer Systemumstellung unter keinen denkbaren Umständen erlangen könne, die nachteiligen Folgen der Systemumstellung zu tragen habe. Dass dies Ergebnis so vom Gesetzgeber gewollt sei, ergebe sich auch daraus, dass er die Übergangsregelung eben für diese spezielle Norm bzw. diesen Normenkomplex der Abgeltungsteuer so getroffen habe, wie er sie getroffen habe. Ansonsten hätte es des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG nicht bedurft und es hätte bei der allgemeinen Anwendungsnorm des § 52 Abs. 1 EStG verbleiben können. Die anders lautende Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 1. Juli 2014 VIII R 53/12, BStBl. II 2014, 975) könne dagegen nicht überzeugen. Für die Abzugsfähigkeit sei nicht auf den Zeitpunkt des Abflusses der Werbungskosten, sondern auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge abzustellen. Die Schuldzinsen, die zunächst von der Klägerin gezahlt worden seien, habe der Kläger dieser nach einer schriftlichen Vereinbarung erstatten müssen. Es handele sich daher um abzugsfähigen Aufwand des Klägers.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die in 2010 gezahlten Zinsen für die Finanzierung der Anschaffungskosten der GmbH in Höhe von 4.506,00 € als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die im Jahre 2010 gezahlten Schuldzinsen stünden zwar in geltend gemachter Höhe mit nachträglichen Anschaffungskosten im Zusammenhang und stellten dem Grunde nach daher Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen dar. Jedoch seien sie nicht als Werbungskosten abzugsfähig, weil sie dem Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG unterlägen und eine Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht zulässig sei. Denn ab dem Veranlagungszeitraum 2009 sei der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeschlossen. Der Gesetzgeber habe mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG eine Option zur Anwendung der tariflichen Einkommensteuer eingeräumt. Bei einer Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung vor dem 1. Januar 2009 scheide die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG und damit auch der Werbungskostenabzug aus. Die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG setze voraus, dass der Anleger tatsächlich noch an der Gesellschaft beteiligt sei. Da die GmbH bereits vor dem 1. Januar 2009 aufgelöst worden sei, scheide somit  im Streitfall eine Option zur Regelbesteuerung aus.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die im Jahre 2010 gezahlten Schuldzinsen sind als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 EStG steuermindernd zu berücksichtigen, weil das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG dem Abzug nicht entgegensteht. Die negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen der Kläger unterliegen auch nicht der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG.

I. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, können Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht werden (BFH-Urteile vom 16. März 2010 VIII R 20/08, BStBl. II 2010, 787; vom 29. Oktober 2013 VIII R 13/11, BStBl. II 2014, 251). Im Streitfall stellen die geltend gemachten Schuldzinsen von 4.506 € dem Grunde nach (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar, weil sie im Zusammenhang mit nach der Auflösung der GmbH bestehen gebliebenen Verbindlichkeiten zur Finanzierung der nachträglichen Anschaffungskosten stehen. Der Kläger war an der GmbH zu 50% beteiligt, so dass die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt sind. Die Kredite wurden auch zur Finanzierung von Anschaffungskosten der Beteiligung eingesetzt. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Somit stehen die nach Auflösung der GmbH in späteren Jahren anfallenden Schuldzinsen nach wie vor in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Beteiligung und sind demgemäß vom Beklagten zutreffend für die Jahre 2005 bis 2008 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden.

II. Der Abzug der geltend gemachten Schuldzinsen von 4.506 € im Veranlagungszeitraum 2010 ist auch nicht durch das Werbungskostenabzugsverbot der § 20 Abs. 9 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ausgeschlossen. § 20 Abs. 6 EStG steht einer Verrechnung der so entstehenden negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen mit anderen Einkünften nicht entgegen.

1. Nach § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG können Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 grundsätzlich nicht mehr abgezogen werden. Abziehbar ist lediglich ein Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 €, der bei Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, auf 1.602 € verdoppelt wird. Nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG ist § 20 Abs. 3 bis 9 in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 19.12.2008 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I; 2794, geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 BGBl I, 1768), erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden.

2. Nach Auffassung des Senats ist die Anwendungsregel des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG dahingehend zu verstehen, dass § 20 Abs. 3 bis 9 EStG nur anzuwenden ist, wenn die geltend gemachten Werbungskosten mit Einnahmen in einem Veranlassungszusammenhang stehen, die nach dem 31. Dezember 2008 zufließen. Stehen die geltend gemachten Werbungskosten jedoch ausschließlich mit Einnahmen in einem Veranlassungszusammenhang, die vor dem 1. Januar 2009 zugeflossen sind, so dass sie der Besteuerung nach dem individuellen progressiven Steuersatz (§ 32a EStG) unterlegen hatten, sind diese auch unbeschränkt abzugsfähig, wenn sie nach dem 31. Dezember 2008 beim Steuerpflichtigen abgeflossen sind.

3. Die Anwendung des Werbungskostenabzugsverbots des § 20 Abs. 9 EStG ist umstritten, wenn beim Steuerpflichtigen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG anfallen, die mit einer wesentlichen Beteiligung in einem Veranlassungszusammenhang stehen, die bereits vor dem 1. Januar 2009 veräußert oder aufgelöst wurde.

a. Nach der Rechtsprechung des BFH können ab dem Veranlagungszeitraum 2009 tatsächlich entstandenen Schuldzinsen nicht mehr als Werbungskosten im Rahmen des § 20 EStG geltend machen werden (BFH-Urteil vom 1. Juli 2014 VIII R 53/12, BStBl. II 2014, 975). Denn mit der Einführung einer Abgeltungsteuer für private Kapitalerträge hat der Gesetzgeber ein umfassendes Abzugsverbot für Werbungskosten angeordnet: Nach § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG können Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 grundsätzlich nicht mehr abgezogen werden. Abziehbar ist lediglich ein Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 €, der bei Ehegatten, die zusammen veranlagt werden, auf 1.602 € verdoppelt wird (Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 Anm. 680; Schmidt/Weber-Grellet, § 20 Rz. 204; von Beckerath in Kirchhof, § 20 Rz. 186; Moritz/Strohm in Frotscher, § 20 n.F. Rz. 43 f.).

An der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung hat der BFH keine Zweifel. Zwar könne das Abzugsverbot für Werbungskosten i.S. des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG unter Umständen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beinhalten. Mit der Gewährung des Sparer-Pauschbetrags in Höhe von 801 € habe der Gesetzgeber jedoch eine verfassungsrechtlich grundsätzlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern niedriger Kapitaleinkünfte sowie mit der Senkung des Steuertarifs von bisher bis zu 45 % auf nunmehr 25 % zugleich eine verfassungsrechtlich anzuerkennende Typisierung der Werbungskosten bei den Beziehern höherer Kapitaleinkünfte vorgenommen (vgl. dazu Moritz/Strohm in Frotscher, § 20 n.F. Rz 44 f., m.w.N.; ebenso Schmidt/Weber-Grellet, § 20 Rz 205; kritisch Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 Anm. 8).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne wegen der damit im Einzelfall verbundenen Härten gegen die Belastungsgleichheit zu verstoßen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. Oktober 1991  1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348; vom 11. November 1998  2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502; vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481). Zusätzliche Typisierungsspielräume könnten sich aus der Verfolgung verfassungsrechtlich anzuerkennender und von der gesetzgeberischen Entscheidung umfasster wirtschaftspolitischer Förderungs- und Lenkungsziele ergeben (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481). Dabei sei auch zu gewichten, dass das BVerfG bereits in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Zinsbesteuerung gerade die Möglichkeit der Typisierung der Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen durch die Einräumung eines Freibetrags und die Senkung des Steuertarifs anerkannt habe (BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991  2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654; mittelbar bestätigt durch BVerfG-Urteil vom 9. März 2004  2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, BFH/NV 2004, Beilage 3, 293).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe halte der Ausschluss des Werbungskostenabzugs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG verfassungsrechtlichen Anforderungen stand. Zum einen sei eine hinreichend realitätsgerechte Regelung zu bejahen, da bei der überwiegenden Zahl der Kleinanleger i.d.R. nicht mehr als 801 € an Werbungskosten im Kalenderjahr anfallen (so auch Schmidt/Weber-Grellet, § 20 Rz 205; Wernsmann in Brandt, Deutscher Finanzgerichtstag 2008, 107, 108; Philipowski, Deutsches Steuerrecht --DStR- 2009, 353, 356; Eckhoff, Finanz-Rundschau --FR-- 2007, 989, 997 f.; Musil, FR 2010, 149, 154; a.A. Englisch, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 2007, 221, 239; Wenzel, DStR 2009, 1182, 1183 f.); zum andern dürfe bei der kleinen Gruppe der Spitzeninvestoren die Auswirkungen des Abzugsverbots für Werbungskosten durch die Senkung des Steuertarifs von bisher bis zu 45 % auf nunmehr 25 % hinreichend ausgeglichen sein (ebenso Moritz/ Strohm in Frotscher, § 20 n.F. Rz 45; Schmidt/ Weber-Grellet, § 20 Rz 206; Wernsmann in Brandt, Deutscher Finanzgerichtstag 2008, 107, 108; Philipowski, DStR 2009, 353, 356; Axer, Die Steuerberatung --Stbg-- 2007, 201, 202; Strunk, Stbg 2007, 101, 103; a.A. Eckhoff, FR 2007, 989, 998; Roser/Will/Mendel, FR 2008, 953, 956 f.). Nicht außer Acht zu lassen sei ferner, dass insbesondere die Fremdfinanzierung von Kapitalanlagen, welche zu erheblichen Werbungskosten führen könne, weder im unteren noch im oberen Einkommensbereich mit einer derartigen Häufigkeit vorkomme, dass sie als geradezu typischer Fall betrachtet werden müsse, der bei einer Typisierung der Werbungskosten stets in Rechnung zu stellen wäre (so auch Eckhoff, FR 2007, 989, 998; Englisch, StuW 2007, 221, 227 f.; Musil, FR 2010, 149, 154; Moritz/Strohm in Frotscher, § 20 n.F. Rz. 45).

Insgesamt betrachtet sei das Abzugsverbot für Werbungskosten i.S. des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen danach verfassungsgemäß (gl.A. von Beckerath in Kirchhof, § 20 Rz. 14; Wernsmann in Brandt, Deutscher Finanzgerichtstag 2008, 107, 108 ff.; Eckhoff, FR 2007, 989, 997 f.; Musil, FR 2010, 149, 152 ff.; Weber-Grellet, Neue Juristische Wochenschrift 2008, 545, 548 f.; s. auch BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654; mittelbar bestätigt durch BVerfG-Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl. II 2005, 56, BFH/NV 2004, Beilage 3, 293; a.A. Englisch, StuW 2007, 221, 238 f.; Jochum, Deutsche Steuer-Zeitung 2010, 309, 312 ff.).

Damit seien Schuldzinsen, die nach der Veräußerung oder der Aufgabe einer wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG anfallen, ab dem Veranlagungszeitraum 2009 grundsätzlich nicht mehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar.

Dem Ausschluss des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG stehe § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG 2009 nicht entgegen. Danach sei § 20 Abs. 9 EStG erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anwendbar (vgl. FG München, Urteil vom 23. September 2013  7 K 3206/12, EFG 2013, 1915; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 20 Rz K 38 und K 77; Niedersächsisches FG, Urteil vom 12. September 2012  4 K 316/10, juris). Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass in Fällen fremdfinanzierter Kapitalanlagen bzw. Beteiligungen oder damit in Zusammenhang stehender Aufwendungen, die ebenfalls kreditfinanziert seien, die damit zusammenhängenden Schuldzinsen unabhängig von der Regelung des § 20 Abs. 9 EStG stets vollständig als Werbungskosten abziehbar seien, sofern aus der Kapitalanlage --jedenfalls nach 2009-- keine Erträge fließen würden. Eine solche einschränkende Betrachtung auf den Zufluss von Kapitalerträgen erst nach dem 31. Dezember 2008 entspräche weder dem Wortlaut der Regelung noch den Besonderheiten der Abgeltungsteuer.

Nach dem Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG 2009 sei § 20 Abs. 9 EStG erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. Zu Fallkonstellationen, in denen nach dem 31. Dezember 2008 --wie auch im Streitfall-- keine Kapitalerträge zufließen, treffe die Regelung indes keine Aussage. Für diese Konstellationen gelte folglich die gesetzliche Grundregelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG. Danach stelle bei den Überschusseinkünften --wie z.B. bei den Einkünften aus Kapitalvermögen-- der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten die Einkünfte dar. Für Kapitaleinkünfte werde der Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten mit § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG indes ausgeschlossen, wenn es dort heißt: "Bei Einkünften aus Kapitalvermögen tritt § 20 Absatz 9 vorbehaltlich der Regelung in § 32d Absatz 2 an die Stelle der §§ 9 und 9a." Diese Regelung, welche gemäß § 52a Abs. 2 EStG 2009 erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden sei, schließe damit ab dem Jahr 2009 den Werbungskostenabzug für nachträglichen Schuldzinsen aus.

Im Übrigen gehe mit dem Ausschluss des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten nicht nur das Verbot einher, Verluste aus Kapitalvermögen mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten auszugleichen (vgl. § 20 Abs. 6 EStG) bzw. nach § 10d EStG abzuziehen. Vielmehr habe der Gesetzgeber in § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG für die Einkünfte aus Kapitalvermögen auch einen gesonderten Steuertarif von nur 25 % angeordnet, während die Einkünfte aus anderen Einkunftsarten wie bisher dem allgemeinen progressiven Tarif in Höhe von bis zu 45 % unterlägen (vgl. § 32a EStG). Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs zum UntStRefG 2008 wolle der Gesetzgeber mit dem relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 % die Werbungskosten in den oberen Einkommensgruppen mit abgelten und gleichzeitig für die unteren Einkommensgruppen eine Typisierung der Höhe der Werbungskosten vornehmen (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 57). Diese Überlegungen machten nicht nur deutlich, dass der Gesetzgeber mit Einführung der Abgeltungsteuer die Einkünfte aus Kapitalvermögen insgesamt neu beurteilen wolle. Vielmehr verfolge er mit § 20 Abs. 9 EStG vor allem auch das Ziel, den Abzug von in Zusammenhang mit Kapitaleinnahmen stehenden und im jeweiligen Veranlagungszeitraum abgeflossenen Aufwendungen --anders als bisher bei den Überschusseinkünften üblich-- neu zu regeln. Dabei sei zu berücksichtigen, dass § 20 Abs. 9 EStG sich nicht auf zufließende Kapitalerträge beziehe, sondern bestimme, dass angefallene, d.h. abgeflossene Werbungskosten --abgesehen vom Sparer-Pauschbetrag-- bei Ermittlung der Kapitaleinkünfte nicht abgezogen werden dürften.

Eine andere Auslegung der Übergangsvorschrift führe außerdem zu Ungleichbehandlungen und Systembrüchen. Steuerpflichtige z.B., welche vor Einführung der Abgeltungsteuer eine fremdfinanzierte Kapitalanlage erworben und behalten hätten, müssten nach Einführung der Abgeltungsteuer die Erträge in vollem Umfang versteuern und seien gemäß § 20 Abs. 9 EStG vom Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ausgeschlossen. Steuerpflichtige, welche die nämliche Kapitalanlage vor Einführung der Abgeltungsteuer mit Verlust veräußert hätten und bei denen der Veräußerungserlös nicht ausgereicht habe, die Finanzierungskosten abzulösen, könnten indes nach dem 31. Dezember 2008 weiterhin den vollen Werbungskostenabzug beanspruchen; nämliches würde für den Anfang 2009 erfolgten Verkauf einer fremdfinanzierten Kapitalanlage gelten, sofern diese für 2009 keine Erträge mehr abgeworfen hätte. Derartige Verkomplizierungen seien mit der mit Einführung der Abgeltungsteuer bezweckten Vereinfachung indes unvereinbar (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 9. Oktober 2012 IV C 1 - S 2252/10/10013, BStBl. I 2012, 953, Rz. 322; Jochum, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz. K 38 und K 77; ähnlich Niedersächsisches FG, Urteil vom 12. September 2012  4 K 316/10, juris; offengelassen FG München, Urteil in EFG 2013, 1915; a.A. FG Köln, Urteil vom 17. April 2013  7 K 244/12, EFG 2013, 1328).

Im Übrigen sei ein solches Ergebnis mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht vereinbar. Danach gelte der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen von lediglich 25 % auf Antrag für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt werde, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt sei oder zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig sei. Gemäß Satz 2 der Vorschrift finde § 20 Abs. 6 und Abs. 9 EStG keine Anwendung. Für sog. unternehmerische Beteiligungen eröffne der Gesetzgeber Steuerpflichtigen damit die Möglichkeit, zwischen dem gesonderten Steuertarif mit pauschalem Werbungskostenabzug (Steuer 25 %, abzugsfähig nur der Sparer-Pauschbetrag) und der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (progressiver Tarif verbunden mit der Möglichkeit, Finanzierungsaufwendungen in voller Höhe auch oberhalb des Sparer-Pauschbetrags geltend zu machen) zu wählen (vgl. dazu Moritz/Strohm, Betriebs-Berater --BB-- 2012, 3107, m.w.N.). Diese Regelung gelte gemäß § 52a Abs. 15 EStG 2009 erstmals für den Veranlagungszeitraum 2009. Mit ihr wolle der Gesetzgeber die Gefahr abwenden, dass das Werbungskostenabzugsverbot i.R. der Abgeltungsteuer bei aus unternehmerischen Motiven erworbenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu einer Übermaßbesteuerung führe (Storg in Frotscher, § 32d Rz. 37, m.w.N.). Dass der Gesetzgeber diese Regelung an das Vorhandensein einer Beteiligung knüpfe, mache indes deutlich, dass er bei nicht mehr existenter Beteiligung und nachlaufenden Schuldzinsen keine Option zur Anwendung des progressiven Tarifs bewilligen wolle, sondern an den allgemeinen Regeln der Abgeltungsteuer und damit auch am Ausschluss des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten festzuhalten gedenke (vgl. Moritz/Strohm, BB 2012, 3107). Sofern eine Beteiligung i.S. des § 17 EStG fünf Jahre nach Antragstellung gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht mehr vorhanden sei, könne demnach ein erneuter Antrag auf Option zur progressiven Besteuerung gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht mehr gestellt werden, sodass ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ausscheide (Moritz/Strohm, BB 2012, 3107).

b. Dementsprechend hat der BFH auch entschieden, dass das Optionsrecht des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht mehr ausgeübt werden könne, wenn ein Veräußerungs- oder Auflösungsgewinn/-verlust bereits vor dem 1. Januar 2009 realisiert worden sei (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2014 VIII R 34/13, BStBl. II 2015, 387).

4. Dagegen haben einige Finanzgerichte entschieden, dass das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 in der hier fraglichen Fallkonstellation nicht anzuwenden sei (Urteile des FG Düsseldorf vom 14. November 2012  2 K 3893/11 E, EFG 2013, 926; des FG Köln vom 17. April 2013 7 K 244/12, EFG 2013, 1328; des Nds. FG vom 18. Februar 2014 3 K 433/13, EFG 2014, 1479; des FG Köln vom 22. Juli 2014 8 K 1937/11, EFG 2014, 1880).

a. Das FG Düsseldorf hat dies wie folgt begründet:

Die Nichtanwendbarkeit des § 20 Abs. 9 EStG folge aus der eindeutig formulierten Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG. Hiernach sei § 20 Abs. 3 bis 9 in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 19.12.2008 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I; 2794, geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 BGBl I, 1768), erstmals auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. Der Gesetzgeber habe für die Anwendung des § 20 Abs. 9 EStG nicht auf das Jahr des Abflusses der Aufwendungen beim Steuerpflichtigen abgestellt. Entscheidend sei, in welchem Jahr die den Aufwendungen zuzuordnenden Kapitaleinnahmen zufließen, ggf. ab wann diese zufließen können (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Dezember 2011 2 K 1176/11, EFG 2012, 1146; Findeis/Karlstedt, Betriebsberater –BB- 2011, 2075 unter V.; Eggers, Neue Wirtschaftsbriefe –NWB- 2011, 646; a. A. Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, Loseblatt, § 20 Rdnr. K 77; Bundesministerium der Finanzen vom 09.10.2012 IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, BStBl. I 2012, 953 Rz. 322). Sei die wesentliche Beteiligung vor dem 1. Januar 2009 veräußert oder aufgelöst worden, scheide die Anwendung des § 20 Abs. 9 EStG mangels Zuflusses von Einnahmen nach dem 31. Dezember 2008 aus.

Dieses Ergebnis stehe auch im Einklang mit der Begründung des Ausschlusses des Abzugs von tatsächlichen Aufwendungen durch § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG. Der Gesetzgeber rechtfertige dieses Abzugsverbot mit der Typisierung hinsichtlich der Höhe der Werbungskosten in Höhe von 801 € bzw. 1.602 € in den unteren Einkommensgruppen. In den oberen Einkommensgruppen sollten die Werbungskosten durch den relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 v. H. mit abgegolten sein (Bundestags-Drucksache 16/4841, 57). Hierdurch habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass das Abzugsverbot gerechtfertigt sei, wenn Einnahmen zufließen, für welche die Besonderheiten des Abgeltungsverfahrens, nämlich der einheitliche Sparer-Pauschbetrag bzw. die Abgeltungsteuer von 25 v. H., zu beachten seien. Das gelte in der hier fraglichen Fallkonstellation nicht.

Angesichts dieser Gesetzesbegründung könne auch eine mögliche Gesetzeslücke, welche dadurch entstanden sein könnte, dass der Gesetzgeber bei der Einführung der Abgeltungsteuer die Rechtsprechungsänderung zur Anerkennung von nachträglichen Werbungskosten nicht berücksichtigt habe, nicht dahin geschlossen werden, dass auf den Zeitpunkt des Abflusses der Aufwendungen beim Steuerpflichtigen abgestellt werde. Einer solchen Auslegung stehe zudem der eindeutige Gesetzeswortlaut der besonderen Anwendungsvorschrift für § 20 Abs. 9 EStG entgegen (Urteil des FG Düsseldorf vom 14. November 2012  2 K 3893/11 E, EFG 2013, 926).

b. Auch das FG Köln legt die Anwendungsregel des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG dahingehend aus, dass § 20 Abs. 9 EStG nur anzuwenden sei, wenn dem Steuerpflichtigen nach dem 31. Dezember 2008 Einnahmen aus der Kapitalanlage zufließen (Urteil des FG Köln vom 17. April 2013 7 K 244/12, EFG 2013, 1328). Über die Abziehbarkeit von tatsächlichen Werbungskosten i. S. von § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG entscheide nach dem Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG nicht der Zeitpunkt des Abflusses der betreffenden Aufwendungen. Maßgeblich sei vielmehr, wann die den Aufwendungen zuzuordnenden Kapitalerträge zufließen. Sei dies ein Zeitpunkt vor dem 31. Dezember 2008, könnten Aufwendungen, die in einem objektiven Zusammenhang mit den Kapitalerträgen stünden und subjektiv zu deren Förderung erfolgten, auch dann als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie nach dem 1. Januar 2009 geleistet werden würden. § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG schränke insofern nach seinem eindeutigen Wortlaut die Möglichkeit des Abzugs nachträglicher Werbungskosten nicht ein (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 14. November 2012 2 K 3893/11 E, juris; Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Dezember 2011, 2 K 1176/11, EFG 2012, 1146; Hamacher/Dahm in Corn/Carlé/Stahl/Strahl, EStG, § 20 Rz. 464). § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG wähle als Anknüpfungspunkt für die zeitliche Geltung der Absätze drei bis neun des § 20 EStG ausdrücklich den Zufluss der Kapitalerträge und nicht den Abfluss der (tatsächlichen) Werbungskosten. Ob (tatsächliche) Werbungskosten gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 HS 2 EStG vom Abzug ausgeschlossen werden würden, richte sich daher entscheidend danach, wann die Kapitalerträge zugeflossen seien, zu deren Erwerb die Kosten aufgewendet worden seien. Dementsprechend werde auch in der Literatur im Wesentlichen übereinstimmend und unproblematisch davon ausgegangen, dass für Werbungskosten, die Kapitalerträge der Jahre vor 2009 beträfen, weiterhin die bisherigen Regelungen in Bezug auf die Abzugsfähigkeit gelten (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 20 Rz. 211; Findeis/Karlstedt, BB 2011, 2075, 2078 f.; Eggers, NWB 8/2011, 646, 647 f.; a. A. Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz. K 77). Die Regelung des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG lasse sich nicht über den Wortlaut hinaus dahin auslegen, dass nach dem 31. Dezember 2008 abgeflossene Ausgaben auch dann unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG fielen, wenn sie mit Kapitalerträgen der Vorjahre zusammenhängen würden.

Diese Überzeugung des Senats ergebe sich insbesondere auch unter Heranziehung der Gesetzesbegründung. Darin werde zur Einführung der Abgeltungssteuer ausgeführt, der Gesetzgeber wolle – im Hinblick auf die guten Erfahrungen mit einer Abgeltungssteuer in anderen Ländern der Europäischen Union – mit der Reform den Transfer von Kapitalvermögen der privaten Haushalte ins Ausland verhindern und eine moderne Besteuerung der privaten Kapitaleinkommen einführen (BT-Drs. 16/4841, S. 30). Zu diesem Zweck wäre es zwar auch erklärtes Ziel der Abgeltungssteuer, neben einer erheblichen steuerlichen Entlastung auch eine drastische Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens von Kapitaleinkünften herbeizuführen (BT-Drs. 16/4841, Seite 35). Aus der Gesetzesbegründung zu § 20 Abs. 9 EStG ergebe sich allerdings deutlich, dass diese Vereinfachung erst dort greifen solle, wo Kapitalerträge tatsächlich bereits der Abgeltungssteuer unterlegen hätten. Der Gesetzgeber rechtfertige das grundsätzliche Verbot des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten nämlich damit, dass durch die Einführung des Sparer-Pauschbetrages zum einen eine Typisierung hinsichtlich der Höhe der Werbungskosten in den unteren Einkommensgruppen vorgenommen werde. In den oberen Einkommensgruppen würden die Werbungskosten dagegen durch den relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 % mit abgegolten (BT-Drs. 16/4841, 57). Hierdurch habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass das Abzugsverbot (nur) dann gerechtfertigt sei, wenn Einnahmen zufließen, für welche die Besonderheiten des Abgeltungsverfahrens, nämlich der einheitliche Sparer-Pauschbetrag bzw. die Abgeltungsteuer von 25 v. H., zu beachten seien (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 14. November 2012 2 K 3893/11 E, juris; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2012, 9 K 1637/10, juris). In diesem Sinne habe er in § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 9 EStG folgerichtig auf Kapitalerträge beschränkt, die nach dem 31. Dezember 2008 zuflössen. Die bis einschließlich 2008 zugeflossenen Einnahmen aus Kapitalvermögen unterlägen nämlich nicht dem niedrigen Abgeltungssteuersatz von 25 %, sondern der regulären Steuerprogression. Dementsprechend habe der Gesetzgeber mit seiner Anwendungsregelung - sachgerecht - zugelassen, dass die hiermit in Zusammenhang stehenden Ausgaben auch in den Veranlagungszeiträumen ab 2009 steuermindernd und progressionswirksam berücksichtigt werden könnten. Dadurch trage er auch dem im Einkommensteuerrecht zu beachtenden objektiven Nettoprinzip Rechnung (vgl. hierzu Beschluss des BVerfG vom 06. Juli 2010 2 BvL 13/09, BGBl I 2010, 1157; Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2012, 9 K 1637/10, juris; Eggers, NWB 8/2011, 646, 648 f.).

Dieses Ergebnis werde letztlich auch durch die Gesetzesbegründung zu der Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 10 (ursprünglich Satz 8) bestätigt (BT-Drs. 16/4841, Seite 73). Darin heiße es lediglich: „(§ 52a Abs. 10) Satz 8 enthält die Anwendungsregelung für die neuen oder teilweise neu gefassten Absätze 3 bis 9 des § 20 (Anwendung auf nach dem 31. Dezember 2008 zufließenden Kapitalerträge)“.

c. Das Nds. FG begründet seine Entscheidung damit, dass die Formulierung des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG nicht etwa sprachlich verunglückt sei, sondern der Gesetzgeber diese sehr bewusst gewählt habe. Dies zeige der Vergleich mit der anders gefassten Übergangsvorschrift zu § 9a EStG in § 52a Abs. 6 EStG, der die Neufassung uneingeschränkt ab dem 1. Januar 2009 für anwendbar erkläre. Es hätte für den Gesetzgeber nahegelegen, eine analoge Formulierung auch für § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG zu wählen, wenn er tatsächlich den individuellen Werbungskostenabzug bereits ab dem Veranlagungszeitraum hätte generell ausschließen wollen. Der durch § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG bewirkte „gleitende Übergang“ von der Altfassung in die Neufassung sei im Übrigen auch inhaltlich sachgerecht, weil dadurch Brüche beim Übergang zum System der Abgeltungssteuer vermieden würden, die entstünden, wenn nämlich die Versteuerung von Kapitaleinnahmen sich nach dem alten, der Abzug auf diese Kapitaleinnahmen bezogener nachträglicher Werbungskostenabzug indes nach dem neuen System richteten. Unabhängig von der Frage, wie der generelle Werbungskostenausschluss in § 20 Abs. 9 EStG verfassungsrechtlich zu würdigen sei, würde die Gesetzesauslegung durch den Beklagten in jedem Fall einen nicht folgerichtigen Eingriff in das objektive Nettoprinzip darstellen, weil dem Steuerpflichtigen der Werbungskostenabzug verwehrt würde, ohne dass er für die Einnahmen, auf die die Werbungskosten bezogen seien, in den Genuss des niedrigeren Abgeltungssteuersatzes gelangen könne (Urteil des Nds. FG vom 18. Februar 2014 3 K 433/13, EFG 2014, 1479).

5. Der Senat schließt sich der oben dargestellten Meinung der Finanzgerichte an.

Die Finanzgerichte weisen zu Recht darauf hin, dass nach dem Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG für die Anwendung der Neuregelungen des § 20 Abs. 3 bis 9 EStG nicht auf den Abfluss der Werbungskosten, sondern auf den Zufluss der Kapitalerträge abzustellen ist. Zutreffend weisen die Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es einer eigenständigen Regelung für die zeitliche Anwendung gem. § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG nicht bedurft hätte, wenn der Gesetzgeber generell von der Anwendung des § 20 EStG n.F. ab dem Veranlagungszeitraum 2009 ausgegangen wäre. Denn in diesem Fall wäre die Anwendung des § 20 EStG n.F. schon durch die Grundregel des § 52 Abs. 1 EStG hinreichend gewährleistet gewesen. Dies spricht nach Auffassung des Senats dafür, dass der Gesetzgeber bewusst als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des § 20 EStG n.F. auf den tatsächlichen Zufluss der Kapitalerträge abstellen wollte. Schon aus steuersystematischer Sicht ist es geboten, die nachträglichen Werbungskosten in den im Streitfall vorliegenden Fallkonstellationen nicht dem Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG zu unterwerfen, weil die Einnahmen noch uneingeschränkt der Regelbesteuerung zum individuellen progressiven Steuertarif unterlegen hatten und wegen der Auflösung der GmbH es auch faktisch ausgeschlossen ist, dass den Klägern noch Kapitalerträge aus der Beteiligung zufließen, die dem niedrigen Abgeltungssteuersatz unterliegen werden. Da die Kläger nicht mehr in den Genuss des niedrigen Abgeltungssteuersatzes kommen können, ist es aus steuersystematischer Sicht auch nicht gerechtfertigt, den Abzug der tatsächlichen Werbungskosten auszuschließen. Diesen Überlegungen trägt die von den Finanzgerichten und dem Senat vorgenommene Auslegung des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG hinreichend Rechnung. Der Wortlaut der Norm steht dieser Auslegung nicht entgegen; vielmehr liegt nach Auffassung des Senats gerade eine am Wortlaut der Norm orientierte Auslegung vor, die durch die oben dargestellten steuersystematischen Überlegungen gestützt wird.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass die vom BFH vorgenommene Auslegung den Gesetzesvollzug erleichtert. Dabei ist aber zu bedenken, dass der Gesetzgeber selbst ein Nebeneinander von Abgeltungsteuer und Regelbesteuerung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 vorgesehen hat. Beteiligungserträge, die im betrieblichen Bereich erzielt werden, unterliegen nach § 20 Abs. 8 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG ebenso dem Teileinkünfteverfahren, wie die Kapitalerträge, für die der Steuerpflichtige nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 EStG zur Regelbesteuerung optieren kann. Da der Gesetzgeber selbst ein Nebeneinander beider Besteuerungsregime vorgesehen hat, kann das Argument des BFH, der Steuervollzug werde vereinfacht, nicht überzeugen.

Nach Auffassung des Senats gebietet auch die Beachtung verfassungsrechtlicher Grundsätze eine entsprechende Auslegung der Anwendungsregel des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG. Das Konzept der Abgeltungsteuer führt wegen des Werbungskostenabzugsverbots gem. § 20 Abs. 9 EStG zu einer Bruttobesteuerung, weil die Bruttoerträge, nur gemildert um den Sparer-Pauschbetrag, der Besteuerung unterworfen werden. Eine Bruttobesteuerung ist dem Einkommensteuerrecht bisher fremd gewesen. Vielmehr wird die Einkommensbesteuerung vom objektiven Nettoprinzip beherrscht, nach welchem nur die Differenz zwischen Einnahmen und Betriebsausgaben/Werbungskosten der Besteuerung unterworfen wird. Eine Bruttobesteuerung verstößt gegen das objektive Nettoprinzip. Ob das objektive Nettoprinzip Verfassungsrang hat, hat das BVerfG zwar bisher offen gelassen. Als tragendes Prinzip der Einkommensbesteuerung ist es aber zumindest bei der Prüfung der folgerichtigen Ausgestaltung einer einmal vom Gesetzgeber getroffenen Belastungsentscheidung als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab zu berücksichtigen (z.B. BVerfG vom 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1-2/07, 1-2/08, BFH/NV 2009, 338). Zwar darf der Gesetzgeber das objektive Nettoprinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich generalisierender, typisierender oder pauschalierender Regelungen bedienen (BVerfG vom 7. Dezember 1999 - 2 BvR 301/98, BStBl. II 2000, 162). Dementsprechend könnte das Werbungskostenabzugsverbot verfassungsrechtlich ausreichend gerechtfertigt sein, weil der Nachteil des Werbungskostenabzugsverbots bei besser verdienenden Steuerpflichtigen durch den Vorteil des niedrigen Abgeltungssteuersatzes von 25% ausreichend kompensiert wird (so BFH-Urteil vom 1. Juli 2014 VIII R 53/12, BStBl. II 2014, 975; Jachmann, DStJG 34, 252; Musil, FR 2010, 149; Weber-Grellet, NJW 2008, 545; Ratschow in Blümich, § 20 EStG Rn. 28; a.A. Englisch, StuW 2007, 221, 238 f.; Jochum, Deutsche Steuer-Zeitung 2010, 309, 312 ff.; kritisch Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Anm. 8; Buge in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Anm. 682). Im Streitfall trägt dieser Rechtfertigungsgrund aber gerade nicht den Ausschluss des Werbungskostenabzugs, weil die Kläger nicht in den Genuss des niedrigen Abgeltungssteuersatzes gelangen können. Mangels ausreichender Rechtfertigung würde sich bei der vom BFH vorgenommenen Auslegung die Frage stellen, ob der mit dem Werbungskostenabzugsverbot verbundene Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten würde. Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber daher bewusst für die Anwendung des § 20 EStG n.F. auf den Zufluss der Kapitalerträge abgestellt und wollte die nachträglichen Werbungskosten, die ausschließlich mit voll besteuerten Einnahmen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2009 im Zusammenhang stehen, nicht den Regeln der Abgeltungsteuer unterwerfen.

III. Die geltend gemachten Werbungskosten sind auch in voller Höhe und nicht nur zur Hälfte steuermindernd zu berücksichtigen, weil der Kläger aus der Beteiligung an der GmbH nie Einnahmen erzielt hatte, auf die das Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG anzuwenden war. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat insoweit anschließt, findet § 3c Abs. 2 in der im Streitjahr geltenden Fassung auf Werbungskosten, die im Zusammenhang mit Einkünften gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG keine Anwendung, wenn dem Steuerpflichtigen keine nach § 3 Nr. 40 EStG steuerbefreite Einnahmen zugeflossen sind (BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BStBl. II 2010, 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 339; vom 9. Juni 2010 IX R 52/09, BStBl. II 2010, 1102). Die Neuregelung des § 3c Abs. 2 Satz 2 durch das JStG vom 8. Dezember 2010 (BStBl. I 2010, 1394) gilt nach § 52 Abs. 8a Satz 3 EStG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2011.

IV. Die negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen der Kläger unterliegen auch nicht der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG, da für die Anwendung dieser Vorschrift die obigen Ausführungen zu § 20 Abs. 9 EStG entsprechend gelten.

V. Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuer auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

VII. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

VII. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

stats