FG Münster: Abfindung aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Nachfolgeklausel
FG Münster, Urteil vom 8.11.2018 – 3 K 1118/16 Erb
ECLI:DE:FGMS:2018:1108.3K1118.16ERB.00
Volltext:BB-ONLINE BBL2019-150-6
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten, ob ein negativer Erwerb von Todes wegen zu erfassen ist.
Der Kläger ist neben seinen Geschwistern zu ¼ Miterbe nach seiner am 00.00.2012 verstorbenen Mutter.
Die Erblasserin war neben ihren Kindern Kommanditistin der E GmbH & Co. KG. Alle Gesellschafter waren mit einer Quote in Höhe von jeweils 20 % beteiligt. Für den Fall des Todes eines Gesellschafters enthielt der Gesellschaftsvertrag der KG folgende Regelungen:
Nach § 17 des Gesellschaftsvertrages scheidet der Gesellschafter mit dem Tod aus der Gesellschaft aus, die ohne dessen Erben fortgesetzt wird. Den Erben steht ein Abfindungsanspruch nach Maßgabe des § 20 des Gesellschaftsvertrages zu. Danach ist das Auseinandersetzungsguthaben anhand einer Auseinandersetzungsbilanz auf den dem Ausscheiden vorausgegangenen Bilanzstichtag zu ermitteln. Dabei sind Aktiva und Passiva mit Ausnahme von Grundbesitz zu Buchwerten anzusetzen und Grundbesitz mit 60 % des 12-fachen des arithmetischen Mittels der in den letzten drei Jahren vor dem Ausscheiden des Gesellschafters tatsächlich erzielten Mieten ohne Nebenkosten. Zu den Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag (Blatt 19 bis 27 R der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Nach dem Tod der Erblasserin wurde die Gesellschaft von den Kindern fortgesetzt, deren Anteilsquote sich durch die anteilige Anwachsung des Anteils der Mutter auf jeweils 25 % erhöht hat. Das nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen berechnete Abfindungsguthaben betrug X Euro. Es wurde nicht an die Erben ausgezahlt, sondern ist in der E GmbH & Co. KG als feste Kapitalrücklage bilanziert, die verzinst wird. In der Erbschaftsteuererklärung der Erbengemeinschaft ist das Abfindungsguthaben als sonstige Forderung erklärt.
Durch Feststellungsbescheid vom 16.05.2013 stellte das dafür zuständige Finanzamt den Wert des Anteils der Erblasserin am Betriebsvermögen auf X Euro fest; auf den Kläger entfiel danach ein Anteil in Höhe von X Euro (vgl. Blatt 165, 166 der Erbschaftsteuerakte I).
Der Beklagte änderte daraufhin den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Erbschaftsteuerbescheid vom 12.02.2013, setzte die Erbschaftsteuer durch Bescheid vom 03.07.2013 weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf X Euro fest und erfasste dabei einen Erwerb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) in Höhe des anteiligen Anteilswertes von X Euro abzüglich des auf den Kläger entfallenden Abfindungsanspruchs in Höhe von X Euro. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid, Blatt 255 bis 260 der Erbschaftsteuerakte II, Bezug genommen.
Die Feststellung des Anteilswerts wurde durch Bescheide vom 05.08.2013 und vom 29.04.2014 geändert. Der Anteilswert betrug ausweislich des letztgenannten Bescheides X Euro (vgl. Blatt 525 Erbschaftsteuerakte III).
Daraufhin beantragte der Kläger am 30.05.2014 die Änderung der Erbschaftsteuerfestsetzung, weil bezüglich des Anteils an der E GmbH & Co. KG und der damit zusammenhängenden Abfindungsansprüche der Erben aufgrund der veränderten Wertfeststellungen ein negativer Erwerb im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG zu berücksichtigen sei. Den auf ihn entfallenden Erwerb berechnete der Kläger mit ./. X Euro (Wert des Anteils laut Feststellungsbescheid vom 29.04.2014 in Höhe von X Euro abzüglich Abfindungsanspruch in Höhe von X Euro; von der Differenz in Höhe von ./. X Euro ein Viertel).
Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 10.06.2014 ab. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG sei als Ausnahmeregelung abschließend und erfasse die Bereicherung der Mitgesellschafter nach dem todesbedingten Ausscheiden eines Gesellschafters, die sich infolge der Anwachsung bei den Mitgesellschaftern ergebe, wenn der Anteilswert die Abfindungsansprüche der Erben übersteige. Es werde damit ausnahmsweise eine nicht aus dem Vermögen des Zuwendenden stammende Bereicherung besteuert.
Nach dem dagegen am 26.06.2014 erhobenen Einspruch setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer durch weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 28.07.2014 auf X Euro fest, ohne dass er einen Erwerb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG erfasste (vgl. Bescheid, Erbschaftsteuerakte IV). Durch Einspruchsentscheidung vom 10.03.2016 setzte er die Steuer aus hier nicht streitigen Gründen anderweitig fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Mit seiner am 13.04.2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Erfassung eines negativen Erwerbs gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG weiter. Er vertritt die Auffassung, nach der steuerrechtlichen Wertung und auch bei einer wirtschaftlichen und bereicherungsrechtlichen Betrachtungsweise sei die Berücksichtigung einer negativen Schenkung geboten. So sehe das Gesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG den Abzug der Abfindung als Verbindlichkeit vor. Dabei ergebe sich aus der Formulierung „soweit der Wert … Abfindungsansprüche Dritter übersteigt“ kein zwingender Rückschluss dahingehend, dass der Abzug der Abfindung auf den Wert des Anteils begrenzt sei. Das Gesetz und auch die Richtlinien sähen Erwerbe mit negativem Steuerwert ausdrücklich vor, wie zum Beispiel in § 14 Abs. 1 Satz 5 ErbStG (Zusammenrechnungsverbot von negativen und positiven Erwerben in einer Schenkungskette) oder im Beispiel in H E 13b.7 Erbschaftsteuerhandbuch (ErbStH), nach dem eine Verrechnung möglich sei, wenn ein Kommanditanteil und ein Gewerbebetrieb durch Erbanfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen zu erfassen seien, wobei der eine einen negativen und der andere einen positiven Wert auswiesen. Im vorliegenden Fall treffe ein negativer Erwerb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG mit einem positiven Erwerb durch Erbanfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zusammen. Es handele sich jeweils um Erwerbe von Todes wegen auf denselben Stichtag und mit demselben Steuerentstehungszeitpunkt, die lediglich der Erwerbsgrund unterscheide. Eine Verrechnung sei deshalb möglich.
Auch sei nur mit einer Verrechnung die Besonderheit des vorliegenden Falles bereicherungsrechtlich zutreffend abzubilden, die darin bestehe, dass Personen- und Quotenidentität hinsichtlich des Abfindungsanspruchs und hinsichtlich der Anwachsung der Gesellschaftsanteile an der E GmbH& Co. KG nach dem todesbedingten Ausscheiden der Erblasserin auf die verbliebenen Gesellschafter und gleichzeitigen Erben bestehe.
Da die Erben als Inhaber des Abfindungsanspruchs wegen ihrer Gesellschafterstellung in der E GmbH & Co. KG gleichzeitig mit der Abfindungsverpflichtung belastet seien, seien sie auch nur um den festgestellten Anteilswert bereichert. Das werde zutreffend nur durch die Erfassung eines negativen Erwerbs gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG abgebildet. Dazu sei die Norm erweiternd auszulegen. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesbegründung mit dieser Norm die objektive Bereicherung erfassen wollen, die ein Gesellschafter beim Tod eines Mitgesellschafters unmittelbar oder mittelbar aufgrund entsprechender gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen auf Kosten eines verstorbenen Gesellschafters erfährt. Seien wie im vorliegenden Fall verbleibende Gesellschafter und Erben personenidentisch und bleibe der Anteilswert hinter dem Abfindungsanspruch zurück, seien die Gesellschaftererben objektiv lediglich um den Anteilswert bereichert.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten unter Änderung der Erbschaftsteuerfestsetzung laut Einspruchsentscheidung vom 10.03.2016 die Erbschaftsteuer auf X Euro herabzusetzen,
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung und betont, sowohl bei § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG als auch bei § 7 Abs. 7 ErbStG handele es sich um Ausnahmeregelungen, deren Anwendung im umgekehrten Fall vom Gesetzgeber nicht vorgesehen sei.
Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 23.03.2018 erörtert (vgl. Protokoll, Blatt 103 der Gerichtsakte).
Die Abfindungshöhe wird von den Beteiligten nicht in Frage gestellt.
Der Senat hat in der Sache am 08.11.2018 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 10.03.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Beklagte ist zu einer Änderung der Erbschaftsteuerfestsetzung nicht verpflichtet (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO).
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG gilt als Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall u. a. auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft bei dessen Tod auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Todes nach § 12 BewG ergibt, Abfindungsansprüche Dritter übersteigt. Gemessen am Wortlaut der Vorschrift hat der Kläger keinen Erwerb i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG erhalten, da der Wert der E GmbH & Co. KG die Abfindungsansprüche der Erben nicht überschritten hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers kann die Vorschrift auch nicht im Wege erweiternder Auslegung Fälle erfassen, in denen der Wert des Abfindungsanspruchs den Anteilswert übersteigt und sich somit ein negativer Wert des Erwerbs ergeben würde.
§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG wurde durch das Gesetz zur Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts vom 17.04.1974 anknüpfend an eine entsprechende reichsgerichtliche Rechtsprechung eingeführt. Nach den Begründungen zum Gesetzentwurf sollte der auf einem Gesellschaftsvertrag beruhende Übergang eines Anteils eines Gesellschafters bei dessen Tod auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft als Schenkung auf den Todesfall gelten. Es erscheine aus Gründen der Steuergerechtigkeit geboten, die objektive Bereicherung, die ein Gesellschafter beim Tode eines Mitgesellschafters unmittelbar oder mittelbar aufgrund entsprechender gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen auf Kosten des Verstorbenen erfahre, den Erwerben durch Schenkung auf den Todesfall zuzuordnen.
Aufgrund des seit dem 01.01.2009 geltenden Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht wird in vielen Fällen der Steuerwert des nach Ausscheiden eines Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern anwachsenden Anteils höher als der Abfindungsanspruch der Erben bzw. des ausscheidenden Gesellschafters sein und deshalb die Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 (bzw. § 7 Abs. 7) ErbStG auslösen, was vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen wurde (vgl. Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Kommentar 6. Auflage 2017, § 3 Rz. 431 mit Hinweis auf BT-Drs. 16/11107).
§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG enthält eine gesetzliche Fiktion (vgl. BFH, Urteil vom 01.07.1992 II R 20/90, BStBl. 1992 II, 912; Moench in Moench/Weinmann ErbStG Kommentar, § 3 ErbStG Rz. 133/134; Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, § 3 Rz. 259; Geck in Kapp/Ebeling Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, § 3 Rz. § 242). Die Fiktion betrifft den Anteilsübergang, der als Schenkung auf den Todesfall behandelt wird, und bestimmt zugleich den Umfang des steuerbaren Vermögenszuwachses (so Gottschalk § 7 Abs. 7 ErbStG in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, § 7 Rz. 398; Fischer in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Kommentar 6. Auflage 2017, § 3 Rz. 431).
Die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und § 7 Abs. 7 ErbStG geregelten Besteuerungstatbestände erfassen danach Vorgänge, in denen ein Erwerb von Todes wegen oder durch Schenkung gerade nicht stattfindet, die aber nach Auffassung des Gesetzgebers besteuerungswürdig sind. Es handelt sich danach um Ausnahme- bzw. Sonderregelungen, bei denen der Senat keinen Ansatzpunkt für eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung sieht. Der Gesetzgeber wollte bestimmte, nicht nach Erbrecht oder Schenkungsrecht, sondern nach Gesellschaftsrecht zu beurteilende Vorgänge gleichwohl aus Gründen der Steuergerechtigkeit (s. o.) steuerlich erfassen und hat dabei in den getroffenen Regelungen ausdrücklich darauf abgestellt, dass tatsächlich eine Bereicherung in der Weise stattfindet, dass der Steuerwert des dem verbleibenden Gesellschafter anwachsenden Anteils den Abfindungsanspruch des Ausscheidenden übersteigt. Nur in diesem Fall liegt überhaupt ein steuerbarer Vorgang vor. Ob tatsächlich Erbschaft- oder Schenkungsteuer anfällt, richtet sich dann danach, ob ggfs. Steuerbefreiungstatbestände, insbesondere §§ 13a, 13b ErbStG, greifen. Hätte der Gesetzgeber auch negative Erwerbe erfassen wollen, hätte eine Formulierung näher gelegen, die auf die Differenz (die sowohl positiv als auch negativ sein kann) zwischen Abfindung und Steuerwert des Anteils abstellt.
Bei dieser Sachlage kann es nach Auffassung des Senats keinen Unterschied machen, ob der Gesellschafter, dem der Gesellschaftsanteil des Ausscheidenden anwächst, gleichzeitig Erbe ist oder nicht. Denn die Anwachsung bleibt auch für den erbenden Gesellschafter ein gesellschaftsrechtlicher Vorgang, der als solcher der spezialgesetzlichen Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG unterliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen. Höchstrichterliche Entscheidungen zur Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Fällen, in denen die dem Ausscheidenden bzw. dessen Erben zustehende Abfindung den Anteilswert übersteigt, sind nicht ersichtlich.