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Steuerrecht
27.11.2014
Steuerrecht
FG Köln: 20 Jahre verlustträchtiger Gartenbaubetrieb ist Liebhaberei

FG Köln, Urteil vom 3.9.2014 – 2 K 2875/09

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin ihren Gartenbaubetrieb mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat.

Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Die 1958 geborene Klägerin gründete 1993 einen Betrieb zur Zucht und zum Verkauf von Pflanzen. Bis 1996 wurden die Pflanzen in einem Gewächshaus in A gezüchtet. Ende 1996 wurde die Pflanzenkultivierung in die Niederlande verlegt, wo entsprechende Flächen angemietet wurden. In dieser Zeit wurde auch ein Stammtisch für Liebhaber von Pflanzen initiiert. Ab 2005 wurde die Pflanzenproduktion wieder nach Deutschland zurückverlegt. Dies geschah vor dem Hintergrund gestiegener Energiepreise in den Niederlanden. Die Klägerin erwarb 2005 in B eine ehemalige Gärtnerei und züchtete dort nach Umbaumaßnahmen Pflanzen. Die Gewächshausfläche betrug 700 m². Auf dieser Fläche waren 20.000 Pflanzen untergebracht. Auf dem Gelände befindet sich auch ein Wohnhaus, in welchem die Kläger nach Umbaumaßnahmen wohnen. Das Wohnhaus gehört nicht zum Betriebsvermögen. Ausweislich des Anlageverzeichnisses, welches der Einkommensteuererklärung 2007 beigefügt war, gehörte das Grundstück ebenfalls nicht zum Betriebsvermögen. Mietaufwendungen wurden nicht erklärt.

Die Klägerin erwirtschaftete in den Jahren 1993-2012 folgende Ergebnisse:

 

       

Jahr

Gewinn

   

1993

- 18.564,00 DEM

   

1994

- 19.351,23 DEM

   

1995

- 23.038,55 DEM

   

1996

- 15.983,00 DEM

   

1997

    4.010,00 DEM

   

1998

- 26.819,00 DEM

   

1999

- 16.957,00 DEM

   

2000

- 27.203,00 DEM

   

2001

- 35.619,00 DEM

= - 179.524,78 DEM

= - 91.789,56 €

2002

-       17.128,00 €

   

2003

-       17.856,00 €

   

2004

-       30.928,00 €

   

2005

-       50.994,00 €

   

2006

-       67.874,00 €

   

2007

-       54.570,00 €

   

2008

-       66.684,37 €

   

2009

-       34.870,34 €

   

2010

-       35.385,07 €

   

2011

-         2.807,29 €

   

2012

              516,45 €

= 378.580,62 €

 
       

Gesamtverlust:

-     470.370,18 €

   

In sämtlichen Jahren erzielte der Ehemann der Klägerin Einkünfte, welche die Verluste aus der gewerblichen Tätigkeit überstiegen. Bis zum Jahr 1995 erzielte die Klägerin darüber hinaus eigene Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. In sämtlichen Jahren erzielten die Kläger darüber hinaus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Diese waren jedoch bis zum Jahr 1999 negativ.

Mit Bescheid vom 24.06.2008 für den Veranlagungszeitraum 2007 veranlagte der Beklagte die Kläger ohne Berücksichtigung des Verlustes aus dem Gärtnereibetrieb.

Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 17.07.2008.

Zur Begründung trugen die Kläger vor, dass sie im Zusammenhang mit dem Umzug nach B 2005 erhebliche Aufwendungen für Umbauten zu tragen gehabt hätten. Des Weiteren habe der Sturm Kyrill erhebliche Schäden angerichtet. Die Werbung sei durch neue Visitenkarten, Flyer und Briefpapier intensiviert worden. Darüber hinaus würden seit dem Frühjahr 2008 Seniorenresidenzen etc. als potentielle Kunden direkt angeschrieben. Zu berücksichtigen sei, dass eine Pflanzenkultur nur über viele Jahre hinweg zu betrachten sei. Die Dauer der Entwicklung einer Pflanze bis zur ersten Blüte könne je nach Sorte 5 bis 12 Jahre betragen. Im Übrigen habe man sich im Detail bemüht, Kosteneinsparungen durchzuführen. Dazu sei ein Fahrzeug verkauft und ein Anhänger abgemeldet worden. Weiterhin sei der Personalbestand reduziert worden und die Telefonkosten seien durch einen neuen Telefonvertrag gesenkt worden. Dem Einspruch beigefügt war ein Schreiben der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen vom ....2008. Aus diesem ergibt sich, dass die Klägerin 2005 die übernommene Gewächshausanlage für 211.000 € umgebaut und erweitert hat. Danach stehe eine Betriebseinheit zur Verfügung, die eine wirtschaftliche Produktion ermögliche. Zwar verfüge die Klägerin nur über eine unterdurchschnittliche Produktionsfläche. Die preislich hochwertigen Pflanzenkulturen würden jedoch den Anforderungen an eine nachhaltig wirtschaftliche Betriebsweise standhalten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das in der Verwaltungsakte enthaltende Schreiben der Landwirtschaftskammer Bezug genommen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.06.2009 als unbegründet zurück.

Zur Begründung führte er aus, dass die Klägerin ihren Betrieb nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betreibe. Die Klägerin habe 15 Jahre mit einer Ausnahme (1997) Verluste erwirtschaftet. Sämtliche Prognosen und Einschätzungen, die im Laufe der Zeit hinsichtlich der Gewinnentwicklung abgegeben worden seien, seien nicht eingetreten. Es sei zweifelhaft, inwieweit das Werbeverhalten und die Öffnungszeiten marktgerecht seien. Nachdem die Klägerin zunächst nur gelegentliche Lagerverkäufe durchgeführt habe, habe sie inzwischen ihre Öffnungszeiten auf Mittwoch bis Freitag von 15:00 bis 18:00 Uhr und an den Wochenenden erweitert. Dies stelle jedoch eine sehr eingeschränkte Erreichbarkeit dar. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Betrieb der Klägerin außerhalb eines belebten Umfelds bestehe. Soweit die Kunden aus Weiterverkäufen und Großhändlern bestünden, seien offensichtlich die Produktionskosten zu hoch und die Produktionsflächen zu klein. Die von der Klägerin dargestellten Maßnahmen zur Kostensenkung seien nur als „Tropfen auf den heißen Stein“ zu bewerten. In Anbetracht des Lebensalters der Klägerin (51 Jahre im Streitjahr) sei nicht ersichtlich, wie angesichts der derzeitigen Betriebsstruktur die aufgelaufenen Verluste ausgeglichen werden sollten. Zudem weise das Unternehmen völlig unberechenbare Rohgewinnaufschlagsätze auf, die sich mit ihrem durchschnittlichen Wert von 44 % nicht mit denen der amtlichen Richtwertsammlung von 96 % in Einklang bringen ließen. Das vorgelegte Gutachten der Landwirtschaftskammer sei nicht zu berücksichtigen, da die Landwirtschaftskammer ihre Prognose auf statistischen Werten aufgebaut habe, statt mit den Zahlen aus den Jahresabschlüssen der Klägerin zu arbeiten. Somit könne der von der Landwirtschaftskammer prognostizierte Gewinn von 10.000 € pro Jahr nicht als realistisch angesehen werden. Darüber hinaus würde es angesichts der bisher aufgelaufenen Verluste noch 21 Jahre dauern, um die Gewinnzone zu erreichen. Vor dem Hintergrund des Alters der Klägerin sei somit ein Verlustausgleich vor dem Eintritt ins Rentenalter nicht mehr zu erwarten. Die unterschiedlichen Maßnahmen, bestehend aus Umzügen nach Holland sowie wieder zurück nach Deutschland, stellten keine Umstrukturierungsmaßnahmen dar, die geeignet seien, den Betrieb in die Gewinnzone zu führen. Darüber hinaus sei nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin den Pflanzenzuchtbetrieb im Wesentlichen aus privaten Neigungen aufgebaut habe. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Lebenshaltung aus ausreichenden anderen Einkünften sichergestellt werden konnte. Die Verluste aus dem Gartenbetrieb hätten auch steuerlich zu einer Minderung der Belastung geführt.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 07.09.2009.

Die Klägerin wiederholt ihre Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren. Nach dem Umzug im Jahr 2005 habe sich der Betrieb im Wesentlichen auf die Direktvermarktung verlegt. Er liege an einer belebten Bundesstraße und sei durch entsprechende Reklame gut einsehbar. Es sei ein ansprechender Verkaufsraum eingerichtet worden, weiterhin seien Parkplätze geschaffen worden und feste Öffnungszeiten vorgegeben worden. Die Klägerin sei Diplomkauffrau und daran interessiert, den Betrieb mit Gewinn zu betreiben. Dass bislang Verluste erzielt worden seien, liege daran, dass die Klägerin erst habe herausfinden müssen, welche Sorten sich an dem jeweiligen Produktionsstandort am besten produzieren ließen. Um Kosten zu sparen, sei man zwischenzeitlich nach Holland ausgewichen. Diese Maßnahme habe jedoch zu höheren Fahrtkosten geführt. Darüber hinaus hätten diverse externe Einflüsse (Stilllegung von Gewächshäusern, Steigerung der Energiepreise) die Planung konterkariert. Der notwendige Umzug nach Deutschland habe im Zusammenhang mit erheblichen und kostenintensiven Umbaumaßnahmen bei dem erworbenen Gärtnereibetrieb gestanden. Außerdem habe sich herausgestellt, dass die in den Niederlanden kultivierten Pflanzen nicht nahtlos in das deutsche Gewächshaus hätten überführt werden können. Die Klägerin habe zahlreiche verkaufsfördernde Maßnahmen ergriffen. So habe sie mehrfach Auftritte im Fernsehen gehabt sowie Annoncen in den lokalen Zeitungen geschaltet. Sie habe ein Treffen für Pflanzenliebhaber ins Leben gerufen und diverse Fachmessen besucht. Private Interessen würden mit dem Pflanzenbetrieb nicht verfolgt. In dem Betrieb seien 20.000 Pflanzen untergebracht, deren Schönheit in der großen Masse völlig untergehe.

Anders als von dem Beklagten angenommen sei das Ziel der Klägerin der Verkauf an Endkunden. Nur soweit dies nicht möglich sei, sei der Warenabsatz an Großhändler lohnend.

Mit Schriftsatz vom 02.09.2014 trugen die Kläger vor, dass in der Vergangenheit die Rentabilität des Betriebes nicht habe gefördert werden können, da die erforderlichen behördlichen Baugenehmigungen nicht erteilt worden seien. Die Gewinnsituation habe sich inzwischen deutlich gebessert. Der Gewinn des Kalenderjahres 2013 betrage 6744,71 €. Diese Gewinnsteigerung resultiere daraus, dass die Klägerin nun einen größeren Anteil der verkauften Ware aus eigener Produktion gewinne und dadurch die Kosten für den Wareneinkauf halbiert worden seien. Unglücklicherweise seien jedoch die Preise für Pflanzen auf dem Markt gesunken. Der Betrieb befinde sich gleichwohl nachhaltig in der Gewinnphase. So sei mit durchschnittlichen Gewinnen von etwa 20.000 € jährlich zu rechnen. Die Klägerin wolle den Betrieb noch viele Jahre erfolgreich fortführen, daher seien Gewinne zwischen 25.000 € und 30.000 € realistisch. In den nächsten 15 Jahren würde daher der bisher aufgelaufenen Verlust um 375.000 € reduziert werden. Weiterhin seien die stillen Reserven zu erfassen. Seit dem Kauf des Betriebes im Jahr 2005 seien die Preise für Grundstücke und Gebäude deutlich gestiegen. Hinzu komme, dass die Klägerin in die Gebäude und in die Außenanlagen viel investiert habe. Für die Totalgewinnprognose könne man davon ausgehen, dass stille Reserven i.H.v. 440.000 € gegeben seien. Der Gesamtwert des Betriebes betrage mindestens 500.000 € inklusive Anlage– und Umlaufvermögen. Dem stehe ein Buchwert von ca. 60.000 € entgegen. Zu dem Betrieb gehörten 18.000 m² betrieblicher Grund und Boden. Inklusive der Aufbauten betrage allein der Versicherungswert 442.810 €. Darüber hinaus sei es wahrscheinlich, dass in den nächsten 15 Jahren die stillen Reserven noch nennenswert steigen würden.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid vom 25.06.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.08.2009 dahingehend abzuändern, dass ein gewerblicher Verlust aus dem Pflanzenhandel i.H.v. 54.570 € berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Betriebsverlegung von Holland nach Deutschland nicht einmal aus eigenem Antrieb durchgeführt habe, sondern lediglich weil sie durch die Stilllegung der Gärtnerei in Holland hierzu gezwungen worden sei. Auch rechtfertige die Erprobungsphase hinsichtlich der Pflanzensorten keine stetig steigenden Verluste. Im Übrigen habe die Klägerin 2003 noch mitgeteilt, dass ihr Betrieb im Wesentlichen ein Handelsbetrieb sei, der nicht die Laufkundschaft beliefere.

Am 03.09.2014 hat das Gericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt und den Sachverhalt mit den Beteiligten ausgiebig erörtert. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

1. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Der Senat ist nicht hinreichend davon überzeugt, dass die

a. Klägerin den Geschäftsbetrieb im Streitjahr mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat. Die Verluste waren daher steuerlich nicht zu berücksichtigen.

aa. Eine einkommensteuerlich relevante Betätigung ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur gegeben, wenn die Absicht besteht, auf Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse zu erzielen (BFH vom 31. Mai 2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382; BStBl II 2002, 276). Das ist dann der Fall, wenn ein betrieblicher Totalgewinn erstrebt wird (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).

bb. Die Gewinnerzielungsabsicht ist eine innere Tatsache, die - wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge - nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder das Fehlen der Absicht zur Gewinnerzielung geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis liefern können (BFH vom 14. November 2004 XI R 6/02, BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392).

Ein für eine Gewinnerzielungsabsicht sprechender Anscheinsbeweis entfällt bereits dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im konkreten Einzelfall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Beweggründe des Steuerpflichtigen für die Fortführung des verlustbringenden Unternehmens bestimmend waren (BFH vom 14. November 2004 XI R 6/02, BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392 m.w.N.).

Persönliche Gründe sind alle einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motive (BFH‑Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, m.w.N.). Hierzu zählt auch die Absicht, Steuern zu sparen (vgl. BFH vom 2. Juni 1999 X R 149/95, BFH/NV 2000, 23, m.w.N.). Als Indiz für die Weiterführung des Verlustbetriebs aus persönlichen Gründen kann auch der Umstand gewertet werden, dass es der Steuerpflichtige trotz ständiger und nachhaltiger Verluste unterlassen hat, Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität des Betriebs zu ergreifen (vgl. BFH vom 29. Juni 1995 VIII R 68/93, BFHE 178, 160, BStBl II 1995, 722, m.w.N.).

cc. Soweit es sich um eine Tätigkeit handelt, die üblicherweise nicht aus persönlichen Neigungen ausgeübt wird, müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden (BFH vom 14. November 2004 XI R 6/02, BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392.). Der BFH hat jedoch mehrfach bestätigt, dass die Tätigkeit eines Steuerberaters, Rechtsanwalts oder Architekten als Liebhaberei zu qualifizieren ist, wenn über Jahre hinweg lediglich Erlöse auf geringem Niveau erzielt werden, auf der anderen Seite aber steuerlich Verluste aus der Tätigkeit erklärt werden und diese mit Einkünften aus anderen Quellen verrechnet werden (BFH vom 31.05.2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276 (Steuerberater); BFH vom 14.11.2004 XI R 6/02, BFHE 208, 557, BStBl II 2005, 392 (Rechtsanwalt); BFH vom 22.04.1998 XI R 10/97, BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663 (Rechtsanwalt); BFH vom 12.09.2002 IV R 60/01, BFHE 200, 284, BStBl II 2003, 85 (Architekt); vgl. auch FG München vom 11.07.2007 1 K 567/07, juris (Rechtsanwalt))

dd. Bzgl. der Frage der Liebhaberei bei einem Weinbaubetrieb hat der BFH entschieden, dass wenn einem Steuerpflichtigen anderweitige hohe positive Einkünfte zur Verfügung stehen, die ihn in die Lage versetzen, einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb trotz andauernder hoher Verluste über einen längeren Zeitraum zu führen, dies regelmäßig eine vom wirtschaftlichen Erfolg unabhängige persönliche Passion einer gehobenen Lebenshaltung zum Ausdruck bringt. Dass der Betrieb der Erholung und Freizeitgestaltung dient, ist insoweit nicht erforderlich (BFH Beschluss vom 14. Juli 2003 IV B 81/01, BFHE 202, 553, BStBl II 2003, 804).

ee. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung können die Reaktionen des Steuerpflichtigen auf die Verluste im Falle einer längeren Verlustperiode die Bedeutung wichtiger äußerer Beweisanzeichen erlangen (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1989 X R 109/87, BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278; vom 17. November 2004 X R 62/01, BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336). Darüber hinaus kann der Beweis, dass ein über Jahre hin mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird und der Steuerpflichtige vielmehr aus nicht wirtschaftlichen, persönlichen Gründen diese ständige finanzielle Belastung trägt, in der Regel dann als erbracht gelten, wenn feststeht, dass der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird und nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinnen arbeiten kann (BFH, Beschluss vom 04. Juni 2009 IV B 69/08, BFH/NV 2009, 1644).

ff. Ein Steuerpflichtiger, der neben der Ausübung seines Berufes als Kaufmann noch auf einem von ihm erworbenen Anwesen mit Hilfe fremder Arbeitskräfte eine Landwirtschaft betreibt, kann, wenn die Landwirtschaft 14 Jahre lang ausschließlich Verluste erbracht hat, gegenüber der Annahme einer landwirtschaftlichen Liebhaberei in der Regel nicht mit Erfolg einwenden, es habe sich nur um Anlaufverluste gehandelt (BFH, Urteil vom 18. März 1976 IV R 113/73, BFHE 118, 447, BStBl II 1976, 485).

gg. In Anwendung dieser Grundsätze ist das Gericht nicht hinreichend davon überzeugt, dass der Zuchtbetrieb der Klägerin auf Dauer dazu geeignet ist, einen Totalgewinn zu erzielen. Dementsprechend sind die aus dem Betrieb erzielten negativen Einkünfte einkommensteuerlich nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin hat in 20 Jahren (1993 bis 2012) einen Gesamtverlust von 470.170,18 € erwirtschaftet. Unter Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin müsste sie innerhalb von 11 Jahren diese Verluste durch Gewinne ausgleichen, wenn sie bis zum 66. Lebensjahr einen Totalgewinn erzielen wollte. In der mündlichen Verhandlung hat sie deutlich gemacht, mit 66 Jahren in Rente gehen zu wollen.

Ausweislich des durch die Klägerin vorgelegten Gutachtens der Landwirtschaftskammer Nordrhein Westfalen vom ....2008 steht der Klägerin seit 2005 ein Betrieb mit einer unterdurchschnittlich großen Produktionsfläche zur Verfügung. Die Verkehrslage ist ausweislich des Gutachtens als ungünstig einzuordnen. Die Ertragssituation habe in der Vergangenheit in einem für die Pflanzenkultur sehr niedrigen Bereich gelegen, was an dem notwendigen Neuaufbau der Kulturen nach der Bauphase gelegen habe. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass Pflanzenkulturen sehr kostenintensiv seien. In der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer wird unter Berücksichtigung der Betriebsstruktur davon ausgegangen, dass die Klägerin jährlich einen Gewinn von 9.500 € erwirtschaften könne. Dabei sei von einem jährlichen Umsatz i.H.v. 95.000 € auszugehen. Unterstellt, die in dem Gutachten verwendeten statistischen Angaben zu Gewinnermittlung wären zutreffend, so kann die Klägerin mit ihrem Betrieb innerhalb von 11 Jahren immer noch keinen Totalgewinn erwirtschaften. Ausweislich der eingereichten Steuererklärungen erzielte die Klägerin in den Jahren 2010 Betriebseinnahmen i.H.v. 70.516 €, 2011 i.H.v. 101.385 € und 2012 i.H.v. 101.904 €. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Jahre 2010-2012 hinsichtlich der Betriebseinnahmen repräsentativ sind, da zu diesem Zeitpunkt die im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Betriebs entstandenen Probleme der Neuaufzucht der Pflanzen überwunden gewesen sein dürften. Die erklärten Betriebseinnahmen decken sich näherungsweise mit den Prognosewerten aus der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer. Vor diesem Hintergrund ist es jedoch auch unter Berücksichtigung der Prognosewerte ausgeschlossen, bei kontinuierlicher Entwicklung des Betriebes innerhalb von 11 Jahren einen Totalgewinn zu erzielen. Das Gericht ist damit nicht hinreichend davon überzeugt, dass der seit 1993 nicht rentabel zu führende Betrieb auch durch die Umstrukturierung im Jahr 2005 zu einem Betrieb umgebaut werden konnte, der geeignet gewesen wäre, einen Totalgewinn zu generieren.

Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht mit hinreichender Überzeugung ausschließen, dass es sich bei dem Betrieb der Klägerin um einen so genannten Liebhabereibetrieb handelt. Ob die Klägerin die Pflanzenzucht möglicherweise ausschließlich aufgrund ihrer persönlichen Neigungen betreibt, kann das Gericht offen lassen, auch wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass der Betrieb aus einem Hobby entstanden sei. Es steht für das Gericht fest, dass die Verluste aus dem Betrieb geeignet waren, die Steuerlast der Kläger nachhaltig zu senken, da die Verluste mit den übrigen nicht unerheblichen Einkünften verrechnet werden konnten. Die Absicht, Steuern zu sparen, stellt jedoch auch einkommensteuerlich einen unbeachtlichen persönlichen Beweggrund dar, um einen verlustbringenden Betrieb fortzuführen. Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin – hätte sie ausschließlich von ihrem Pflanzenzuchtbetrieb ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen – diesen nicht 20 Jahre hätte betreiben können. Nur die übrigen positiven Einkünfte versetzten die Klägerin in die Lage, ihren Pflanzenbetrieb verlustbringend weiter zu betreiben.

Auch die von der Klägerin skizzierten Maßnahmen zur Kostensenkung lassen das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangen, dass hierdurch ein Totalgewinn ermöglicht würde. Die Abschaffung eines Pkw und die Umstellung eines Telefonvertrages führen nicht zu solchen signifikanten Änderungen in der Kostenstruktur des Betriebes, dass sich der Gewinn erheblich erhöhen würde.

Die kurz vor der mündlichen Verhandlung vorgelegte Gewinnprognose ist weiterhin völlig unsubstantiiert. Nicht ersichtlich ist, woher die ermittelten Gewinne stammen sollen. So wird ohne weitere Erläuterung behauptet, dass mit durchschnittlichen Gewinnen von „20.000 € jährlich“ gerechnet werden könne. Weiterhin wird ausgeführt, dass ein Gewinn zwischen „25.000 € und 30.000 €“ realistisch sei. Die Gewinnprognose bewege sich also in einer Spanne zwischen 20.000 € und 30.000 € jährlich. Weshalb vor dem Hintergrund der bisherigen Verluste plötzlich eine solche Gewinnsituation realistisch sein sollte, wird nicht erläutert und ist nicht für das Gericht nachvollziehbar.

Erst recht nicht ersichtlich ist, wie die stillen Reserven des Betriebes generiert werden sollen, welche einen Totalgewinn erklären sollen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den Steuererklärungen weder Grund und Boden noch Gebäude als Betriebsvermögen angegeben wurden. Aber selbst wenn unterstellt würde, dass Grund und Boden sowie die aufstehenden betrieblich genutzten Gewächshäuser zum Betriebsvermögen gehören, erschließt sich dem Gericht nicht, wie sich innerhalb von 15 Jahren stille Reserven in einem Umfang von 440.000 € ergeben sollen. Bei dem Grundstück handelt es sich um eine landwirtschaftliche Fläche, deren Wert sich erfahrungsgemäß innerhalb des genannten Zeitraumes nicht signifikant steigern wird. Die Kläger haben jedenfalls nicht plausibel dargelegt, dass eine erhebliche Steigerung zu erwarten ist. Die pauschale Behauptung, dass sich die Grundstückspreise allgemein in den vergangenen Jahren nach oben entwickelt hätten, reicht jedenfalls nicht aus. Hier hätte es einer besonderen Bezugnahme auf die spezifische Lage des Grundstücks im ländlichen Bereich des .... bedurft. Weiterhin geht das Gericht davon aus, dass die aufstehenden Gebäude nicht dazu geeignet sind, um signifikante stille Reserven zu bilden. Vielmehr dürfte erfahrungsgemäß davon auszugehen sein, dass Gewächshäuser durch konstante Nutzung und durch Wettereinflüsse auf die Dauer an Wert verlieren. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Vortrag der Kläger zu den stillen Reserven auch deshalb nicht nachvollziehbar ist, da sie von einem dem tatsächlichen Wert des Unternehmens i.H.v. 500.000 € gegenüberstehenden Buchwert des Vermögens i.H.v. 60.000 € ausgehen. Offensichtlich sind die Werte für Grund und Boden sowie der Aufbauten hierin nicht enthalten. Damit fehlt es bereits an einer ordnungsgemäßen Ermittlung des Wertes des betrieblichen Vermögens.

Soweit die Kläger in der mündlichen Verhandlung zum Wert des Betriebes auf die Betriebsversicherung verwiesen haben, ergibt sich für das Gericht nicht, dass sich hieraus perspektivisch ein Totalgewinn des Betriebes ableiten ließe. Die in der Versicherungspolice genannten Beträge beinhalten lediglich die Bewertung der versicherten Gegenstände zum Zeitpunkt des Versicherungsbeginns im Jahr 2005. Hieraus lässt sich nicht ableiten, dass zu einem späteren Zeitpunkt die dort genannten Gegenstände noch denselben Wert hätten oder höher zu bewerten wären.

Im Ergebnis konnten die Kläger das Gericht nicht davon überzeugen, dass der in der Vergangenheit mit erheblichen Verlusten geführte Betrieb innerhalb eines Zeitraums bis zur Vollendung des 66. Lebensjahres der Klägerin in die Totalgewinnzone geführt werden könnte. Das Gericht ist nicht hinreichend davon überzeugt, dass der Betrieb aus außersteuerlichen Gründen trotz der weiter aufgelaufenen Verluste weiter betrieben wurde.

b. Damit war die Klage abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Absatz 1 FGO.

 

 

 

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