EuGH: Immobilienfonds können als Sondervermögen umsatzsteuerbefreit sein
EuGH, Urteil vom 9.12.2015 – C-595/13, Staatssecretaris van Financiën gegen Fiscale Eenheid X NV cs, ECLI:EU:C:2015:801
Tenor
1. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern − Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Kapitalanlagegesellschaften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften, in denen Kapital von mehreren Anlegern gesammelt wird, die das Risiko tragen, das mit der Verwaltung des Vermögens verbunden ist, das in diesen Gesellschaften für den Ankauf, den Besitz, die Verwaltung und den Verkauf von Immobilien zur Erzielung eines Gewinns gesammelt wird, der an sämtliche Anteilsinhaber in Form einer Dividende auszuschütten ist, wobei diesen Anteilsinhabern auch aus der Wertsteigerung ihres Anteils ein Vorteil erwächst, unter der Voraussetzung als „Sondervermögen“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden können, dass der betroffene Mitgliedstaat diese Gesellschaften einer besonderen staatlichen Aufsicht unterworfen hat.
2. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff der „Verwaltung“ die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien eines Sondervermögens nicht umfasst.
Aus den Gründen
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern − Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 (ABl. L 376, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Finanzstaatssekretär) und der Fiscale Eenheid X NV cs (im Folgenden: X) wegen eines an diese gerichteten Bescheids über die Nacherhebung von Umsatzsteuer für das Jahr 1996.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Mehrwertsteuerrecht
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Gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer u. a. „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
4
Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie „steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln“.
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Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie lautet wie folgt:
„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:
d) die folgenden Umsätze:
6. die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften.“
6
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie hat im Wesentlichen denselben Wortlaut wie Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), die die Sechste Richtlinie ab dem 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt hat.
Regelung im Bereich der Investmentaufsicht
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In der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 375, S. 3, im Folgenden: OGAW-Richtlinie) heißt es in den Erwägungsgründen 1 und 2:
„Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren unterscheiden sich in erheblichem Maße voneinander, insbesondere hinsichtlich der Pflichten, die diesen Organismen auferlegt, sowie der Kontrollen, denen sie unterworfen werden. Diese Unterschiede verursachen Wettbewerbsstörungen zwischen diesen Organismen und gewährleisten nicht einen angemessenen Schutz der Anteilinhaber.
Eine Koordinierung der nationalen Rechtsvorschriften betreffend die Organismen für gemeinsame Anlagen dürfte sich im Hinblick auf eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen auf Gemeinschaftsebene als zweckmäßig erweisen, um so einen wirksameren und einheitlicheren Schutz der Anteilinhaber sicherzustellen. Eine derartige Koordinierung erscheint zweckmäßig, um den in einem Mitgliedstaat ansässigen Organismen für gemeinsame Anlagen den Vertrieb ihrer Anteile im Gebiet der anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern.“
8
Der Geltungsbereich der OGAW-Richtlinie wird durch ihren sechsten Erwägungsgrund folgendermaßen festgelegt:
„Die Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sollte zunächst auf Organismen für gemeinsame Anlagen des nicht geschlossenen Typs beschränkt werden, die ihre Anteile beim Publikum in der Gemeinschaft vertreiben und deren einziges Ziel die Anlage in Wertpapieren ist …; die Regelung für Organismen für gemeinsame Anlagen, die nicht unter diese Richtlinie fallen, wirft verschiedene Probleme auf, die durch unterschiedliche Bestimmungen behandelt werden müssen; daher sollten solche Organismen Gegenstand einer späteren Koordinierung sein; …“
9
In ihrer durch die Richtlinie 2001/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 (ABl. L 41, S. 35) geänderten und zu dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitpunkt nicht anwendbaren Fassung sieht die OGAW-Richtlinie in Art. 1 Abs. 1 und 2 vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten unterwerfen die in ihrem Gebiet ansässigen Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) dieser Richtlinie.
(2) Vorbehaltlich des Artikels 2 sind im Sinne dieser Richtlinie als OGAW diejenigen Organismen anzusehen,
– deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen in Artikel 19 Absatz 1 genannten liquiden Finanzanlagen zu investieren, und
– deren Anteilscheine auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Diesen Rücknahmen oder Auszahlungen gleichgestellt sind Handlungen, mit denen ein OGAW sicherstellen will, dass der Kurs seiner Anteile nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht.“
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Gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 der OGAW-Richtlinie in ihrer durch die Richtlinie 2001/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 (ABl. L 41, S. 20) geänderten und zu dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitpunkt nicht anwendbaren Fassung schließt „die Tätigkeit der Verwaltung von Investmentfonds und Investmentgesellschaften für die Zwecke dieser Richtlinie die Aufgaben ein, die in Anhang II in nicht erschöpfender Weise genannt sind“.
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In diesem Anhang II werden als „Aufgaben, die in die gemeinsame Portfolioverwaltung einbezogen sind“, genannt:
„–
Anlageverwaltung
– Administrative Tätigkeiten:
a) gesetzlich vorgeschriebene und im Rahmen der Fondsverwaltung vorgeschriebene Rechnungslegungsdienstleistungen
b) Kundenanfragen
c) Bewertung und Preisfestsetzung (einschließlich Steuererklärungen)
d) Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften
e) Führung des Anteilinhaberregisters
f) Gewinnausschüttung
g) Ausgabe und Rücknahme von Anteilen
h) Kontraktabrechnungen (einschließlich Versand der Zertifikate)
i) Führung von Aufzeichnungen
– Vertrieb.“
12
Die Investmentaufsicht wurde durch den Erlass der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. L 174, S. 1) verstärkt, die jedoch nicht auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist. Den Erwägungsgründen 34 und 58 dieser Richtlinie ist zu entnehmen, dass diese auch auf Immobilienfonds anwendbar ist.
Niederländisches Recht
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Nach Art. 7 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1968 (Wet op de omzetbelasting 1968) in der auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: UStG) werden „[n]atürliche Personen und Körperschaften im Sinne der Algemene wet inzake rijksbelastingen [Abgabenordnung], die nach diesem Artikel Unternehmen sind, die in den Niederlanden wohnhaft oder ansässig sind oder dort über eine feste Niederlassung verfügen und die in finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht so miteinander verbunden sind, dass sie eine Einheit bilden, … auf Antrag einer oder mehrerer dieser natürlichen Personen oder Körperschaften oder auch ohne Antrag durch rechtsmittelfähigen Bescheid des Inspektor (Inspecteur) von dem ersten Tag des Monats an, der auf den Monat folgt, in dem der Inspektor den Bescheid erlassen hat, als ein Unternehmer angesehen. Durch Ministerialverordnung können nähere Vorschriften zur Bildung, Änderung und Auflösung der steuerlichen Einheit erlassen werden.“
14
Art. 11 Abs. 1 Buchst. i Nr. 3 UStG sieht im Wesentlichen vor, dass die Verwaltung eines von Investmentfonds und Kapitalanlagegesellschaften für gemeinsame Anlagen angesammelten Vermögens von der Umsatzsteuer befreit ist.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
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X ist eine steuerliche Einheit im Sinne von Art. 7 Abs. 4 UStG, d. h. ein Steuerpflichtiger nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie.
16
Die A Beheer N.V. (im Folgenden: A) gehört zu dieser steuerlichen Einheit.
17
Im Jahr 1996 schloss A mit drei in den Niederlanden ansässigen Gesellschaften Verträge über die Erbringung verschiedener Dienstleistungen. Diese Gesellschaften gehören nicht zu X. Sie wurden durch mehrere Pensionsfonds gegründet. Nach ihrer Gründung gaben sie Anteile und Aktienzertifikate an Dritte aus. Die Tätigkeiten der Gesellschaften bestehen in der Akquisition von Anteilseignern bzw. Aktionären, dem An- und Verkauf von Immobilien und deren Bewirtschaftung. Sie beschäftigen kein Personal. Die Aktionäre fordern von diesen Gesellschaften Ergebnisse in Form von Dividendenzahlungen.
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Nach diesen Verträgen führte A für diese Gesellschaften gegen Entgelt folgende Tätigkeiten aus:
a) alle Tätigkeiten, die A aufgrund ihrer Funktion als satzungsmäßige Geschäftsführerin des Auftraggebers auszuführen hat;
b) alle vollziehenden Tätigkeiten, die der Auftraggeber nach den Rechtsvorschriften, Gesellschaftsverträgen, Satzungen und Verwaltungsentscheidungen auszuführen hat;
c) die Verwaltung des Vermögens des Auftraggebers, wie sie in Anhang I des Vertrags beschrieben ist;
d) die Rechnungslegung, die automatisierte Datenverarbeitung und die interne Buchprüfung;
e) Verfügungen über das Vermögen des Auftraggebers, einschließlich des Erwerbs und des Verkaufs von Immobilien;
f) die Akquisition von Anteilseignern bzw. Aktionären.
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In dem oben unter Buchst. c genannten Anhang I ist Folgendes vereinbart:
„Die Dienstleistungen hinsichtlich der Verwaltung … umfassen:
A. Verwaltung von Immobilien
1. die Aufsicht über die Immobilie und deren Nutzung sowie das Unterhalten von Kontakten mit Mietern zu diesem Zweck;
2. das Einschalten von Maklern auf Rechnung des Auftraggebers bei Leerstand; die Einschätzung der Mieter;
3. die Überprüfung eventuell freiwerdender Räumlichkeiten und die Erstellung einer Bestandsaufnahme;
4. Mietinkasso … und Schuldnerverwaltung; Bearbeitung von Mietbeihilfen;
5. das Budgetieren und das Veranlassen größerer Instandsetzungsmaßnahmen sowie die technische Einschätzung und die Überprüfung der Ausführung der Arbeiten …;
6. das Veranlassen kleinerer Instandsetzungsmaßnahmen und die Überprüfung davon;
7. das Veranlassen zusätzlicher Lieferungen und Dienstleistungen; die Überprüfung ihrer Qualität sowie die Inrechnungstellung des dafür Geschuldeten an die Mieter;
8. die administrative Bearbeitung des Vorstehenden
und
9. alltägliche juristische Tätigkeiten; die Durchführung von Mieterhöhungen und das Verlängern von Mietverträgen;
…“
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Alle Tätigkeiten, die A nach den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen auszuführen hat, werden von ihr selbst oder in ihrem Auftrag und unter ihrer Verantwortung von Dritten verrichtet. Für diese Tätigkeiten hat A von jeder der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften eine Vergütung erhalten, die mit 8 % der theoretischen Jahresmiete der zum Vermögen der betreffenden Gesellschaft gehörenden Immobilien bestimmt wurde.
21
X entrichtete für die von diesen drei Immobiliengesellschaften empfangenen Vergütungen keine Umsatzsteuer, da ihrer Ansicht nach alle entweder von ihr selbst oder von Dritten unter ihrer Verantwortung ausgeführten Tätigkeiten unter die Steuerbefreiung nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. i Nr. 3 UStG fielen.
22
Der Inspektor der nationalen Steuerbehörde vertrat jedoch den Standpunkt, dass bloß die unter den Buchst. e und f der in Rede stehenden Verwaltungsverträge genannten Tätigkeiten, d. h. Erwerb und Verkauf von Immobilien sowie die Akquisition von Anteilseignern bzw. Aktionären, unter diese Befreiung fielen. Daher erließ er gegen X einen Bescheid über die Nacherhebung von Umsatzsteuer betreffend den Zeitraum vom 1. Januar bis einschließlich 31. Dezember 1996.
23
Auf den hiergegen bei ihm eingelegten Einspruch setzte der Inspektor der nationalen Steuerbehörde die Höhe der Nacherhebung herab, vertrat jedoch die Auffassung, dass ein Teil der von A erbrachten Dienstleistungen nicht unter die Steuerbefreiung falle. X hielt diese Herabsetzung für unzureichend und erhob gegen die Entscheidung des Inspektors der nationalen Steuerbehörde bei der Rechtbank Breda (Gericht Breda) Klage. Dieses Gericht gab der Klage statt, hob diese Entscheidung auf und setzte die Nacherhebung weiter herab.
24
Der Inspektor der nationalen Steuerbehörde legte sodann gegen die Entscheidung der Rechtbank Breda (Gericht Breda) beim Gerechtshof te ’s Hertogenbosch (Gerichtshof Herzogenbusch) ein Rechtsmittel ein, der die in erster Instanz ergangene Entscheidung bestätigte.
25
Der Finanzstaatssekretär hat gegen die Entscheidung des Gerechtshof te ’s Hertogenbosch (Gerichtshof Herzogenbusch) Kassationsbeschwerde vor dem Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) eingelegt. In ihren Schlussanträgen hat die Generalanwältin beim Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) dieses Gericht aufgefordert, die Beschwerde für unbegründet zu erklären.
26
Der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) fragt sich, ob Kapitalanlagegesellschaften wie die in Rede stehenden Gesellschaften, bei denen durch mehr als einen Anleger Kapital für den Ankauf, den Besitz, die Verwaltung und den Verkauf von Immobilien gesammelt wird, um einen Gewinn zu erzielen, der an sämtliche Anteilsinhaber in Form einer Dividende ausgeschüttet werden soll, wobei diesen Anteilsinhabern auch aus der Wertsteigerung ihres Anteils ein Vorteil erwächst, als „Sondervermögen“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie anzusehen sind. Insbesondere stellt er sich dabei die Frage, ob der Umstand, dass das Vermögen in Immobilien angelegt wird, der Anwendung dieser Bestimmung im Weg steht.
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Für den Fall, dass die fraglichen Gesellschaften als „Sondervermögen“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie betrachtet werden können, fragt sich der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande), ob die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien, die alles umfasst, was mit der Vermietung dieser Immobilien und deren Instandhaltung zu tun hat, und mit der diese Gesellschaften einen Dritten, nämlich A, beauftragt haben, eine Tätigkeit der „Verwaltung“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
28
Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass eine Gesellschaft, die durch mehr als einen Anleger mit dem alleinigen Ziel errichtet wurde, das angesammelte Vermögen in Immobilien anzulegen, als Sondervermögen im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann?
2. Falls Frage 1 bejaht wird: Ist Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass unter dem Begriff „Verwaltung“ auch die von der Gesellschaft einem Dritten übertragene tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien der Gesellschaft zu verstehen ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Vorlagefrage: der Begriff „Sondervermögen“
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Mit seiner ersten Frage, wie sie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Kapitalanlagegesellschaften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften, in denen Kapital von mehreren Anlegern für den Ankauf, den Besitz, die Verwaltung und den Verkauf von Immobilien gesammelt wird, um daraus einen Gewinn zu erzielen, der an sämtliche Anteilsinhaber in Form einer Dividende auszuschütten ist, wobei diesen Anteilsinhabern auch aus der Wertsteigerung ihres Anteils ein Vorteil erwächst, als „Sondervermögen“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden können.
30
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die u. a. in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen nach ständiger Rechtsprechung zwar autonome unionsrechtliche Begriffe sind, die grundsätzlich eine gemeinsame Definition erfordern, um eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems zu verhindern, weshalb die Mitgliedstaaten ihren Inhalt nicht verändern können. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Gesetzgeber der Europäischen Union die Mitgliedstaaten mit der Bestimmung einiger Begriffe einer Befreiungsvorschrift betraut hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Abbey National, C‑169/04, EU:C:2006:289, Rn. 38 und 39, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, C‑363/05, EU:C:2007:391, Rn. 19 und 20, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 16, und ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 40).
31
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie ermächtigt die Mitgliedstaaten, den Begriff „Sondervermögen“ zu definieren (vgl. Urteile Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 16, und ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 40).
32
Diese den Mitgliedstaaten somit übertragene Definitionsbefugnis ist jedoch durch das Verbot begrenzt, der vom Unionsgesetzgeber verwendeten Formulierung der Befreiungsvorschrift zuwiderzuhandeln. Ein Mitgliedstaat kann insbesondere nicht, ohne den Wortlaut des Begriffs „Sondervermögen“ zu missachten, auswählen, welchen von den Sondervermögen die Befreiung gewährt wird und welchen nicht. Die genannten Bestimmungen räumen ihm somit lediglich die Befugnis ein, in seinem innerstaatlichen Recht die Fonds zu definieren, die unter den Begriff „Sondervermögen“ fallen (vgl. in diesem Sinne Urteile JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, C‑363/05, EU:C:2007:391, Rn. 41 bis 43, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 17, sowie ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 41).
33
Bei der den Mitgliedstaaten eingeräumten Befugnis, den Begriff „Sondervermögen“ zu definieren, sind auch die mit der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziele sowie der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewohnende Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, C‑363/05, EU:C:2007:391, Rn. 22 und 43, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 18, und ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 42).
34
Insoweit ist festzustellen, dass mit der Befreiung von Umsätzen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Sondervermögen u. a. bezweckt wird, den Anlegern die Anlage in Wertpapiere über Organismen für Anlagen dadurch zu erleichtern, dass die Mehrwertsteuerkosten wegfallen und somit die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems hinsichtlich der Wahl zwischen unmittelbarer Anlage in Wertpapiere und derjenigen, die durch Einschaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen erfolgt, gewährleistet bleibt (vgl. Urteile JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, C‑363/05, EU:C:2007:391, Rn. 45, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 19, sowie ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 43).
35
Es ist daher für Zwecke der Anwendung der Sechsten Richtlinie zu bestimmen, ob Gesellschaften, die Merkmale wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften aufweisen, die von mehreren Anlegern zum alleinigen Zweck der Vermögensanlage in Immobilien errichtet wurden, als „Sondervermögen“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 dieser Richtlinie angesehen werden können.
36
Es ist darauf hinzuweisen, dass Fonds, die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Sinne der OGAW‑Richtlinie darstellen, Sondervermögen sind (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Deutsche Bank, C‑44/11, EU:C:2012:484, Rn. 32, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 23, und ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 46). Wie Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie zu entnehmen ist, sind Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Organismen, deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren zu investieren, und deren Anteilscheine auf Verlangen der Anteilsinhaber unmittelbar oder mittelbar zulasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden.
37
Als Sondervermögen sind darüber hinaus auch Fonds anzusehen, die zwar keine Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne der OGAW‑Richtlinie darstellen, jedoch dieselben Merkmale aufweisen wie diese und somit dieselben Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile Abbey National, C‑169/04, EU:C:2006:289, Rn. 53 bis 56, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, C‑363/05, EU:C:2007:391, Rn. 48 bis 51, Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 24, und ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 47).
38
Es ist festzustellen, dass Gesellschaften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die von mehreren Anlegern zum alleinigen Zweck der Vermögensanlage in Immobilien errichtet wurden, nicht als Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne der OGAW-Richtlinie angesehen werden können. Eine ausschließlich in Immobilien bestehende Anlage unterliegt nämlich nicht der OGAW-Richtlinie, da diese Richtlinie gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 und 2 nur für Anlagen in Wertpapieren gilt.
39
Damit Gesellschaften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als steuerbefreites Sondervermögen im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie angesehen werden können, müssen sie folglich dieselben Merkmale aufweisen wie die in der OGAW-Richtlinie definierten Organismen für gemeinsame Anlagen und dieselben Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sein, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen.
40
Insoweit ist einleitend festzuhalten, dass die in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie genannte Steuerbefreiung, wie die Generalanwältin in den Nrn. 22 bis 29 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, für Anlageorganismen gilt, die auf nationaler Ebene einer besonderen Aufsicht unterliegen.
41
Wie der Gerichtshof mehrmals im Rahmen der Auslegung der Steuerbefreiung der Verwaltung von Sondervermögen im Sinne dieser Bestimmung ausgeführt hat, fand die Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts statt, bevor die Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der Zulassung von und Aufsicht über Anlagevermögen erlassen wurden, und insbesondere vor Erlass der OGAW-Richtlinie (Urteile Abbey National, C‑169/04, EU:C:2006:289, Rn. 55, sowie JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, C‑363/05, EU:C:2007:391, Rn. 32).
42
Wie die Generalanwältin in Nr. 21 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, bestimmten ursprünglich die Mitgliedstaaten, welche Anlagevermögen national reguliert werden, also Zulassungs- und Überwachungsvorschriften, d. h. einer Zulassung durch die Behörden und einer Kontrolle insbesondere zum Schutz der Anleger, unterliegen. Dadurch, dass für die Definition des Begriffs „Sondervermögen“ auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten verwiesen wurde, konnte man die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie Anlagen vorbehalten, die einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen.
43
Den Erwägungsgründen 1 und 2 der OGAW-Richtlinie ist zu entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber wegen der Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Organismen für gemeinsame Anlagen regeln, insbesondere hinsichtlich der Pflichten, die diesen Organismen auferlegt, sowie der Kontrollen, denen sie unterworfen werden, diese Rechtsvorschriften koordinieren wollte, um die Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen auf Unionsebene anzugleichen und einen wirksameren und einheitlicheren Schutz der Anteilsinhaber sicherzustellen sowie den in einem Mitgliedstaat ansässigen Organismen für gemeinsame Anlagen den Vertrieb ihrer Anteile im Gebiet der anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern.
44
Die OGAW-Richtlinie hat deshalb für die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Organismen für gemeinsame Anlagen gemeinsame Mindestregelungen für die Zulassung, Struktur, Geschäftstätigkeit sowie hinsichtlich der zu veröffentlichenden Informationen festgelegt.
45
Die Einführung erster Schritte zur Regelung der Aufsicht über Anlagevermögen auf Unionsebene durch die OGAW-Richtlinie hat den Ermessensspielraum, über den die Mitgliedstaaten für die Definition des Sondervermögens im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie verfügen, eingeschränkt.
46
Die Definitionsbefugnis der Mitgliedstaaten wurde somit durch die Koordinierung der Rechtsvorschriften im Bereich der Investmentaufsicht auf Unionsebene überlagert. Der Begriff des „Sondervermögens“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie wird daher gleichzeitig durch Unionsrecht und durch nationales Recht bestimmt.
47
So hat der Gerichtshof entschieden, dass als steuerbefreites Sondervermögen im Sinne dieser Richtlinie zum einen Anlagen, die unter die OGAW-Richtlinie fallen und in diesem Rahmen einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen, und zum anderen Fonds anzusehen sind, die zwar keine Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne dieser Richtlinie darstellen, jedoch dieselben Merkmale aufweisen wie diese und somit dieselben Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen (Urteile Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 23 und 24, sowie ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 46 und 47).
48
Wie die Generalanwältin in Nr. 27 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, können nur Anlagevermögen, die besonderer staatlicher Aufsicht unterstehen, den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen und den gleichen Anlegerkreis ansprechen. Diese anderen Arten von Anlagevermögen können daher grundsätzlich unter die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie fallen, wenn die Mitgliedstaaten auch für sie eine besondere staatliche Aufsicht vorsehen.
49
Daraus ergibt sich in Bezug auf das Ausgangsverfahren, dass eine Anlage, die ausschließlich in Immobilien besteht und nicht den Aufsichtsregeln des im Jahr 1996 geltenden Unionsrechts, d. h. der OGAW-Richtlinie, unterliegt, nur dann ein Sondervermögen im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie darstellen kann, wenn das nationale Recht eine besondere staatliche Aufsicht für ein solches Vermögen vorsieht.
50
Da den Angaben des vorlegenden Gerichts nicht entnommen werden kann, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, obliegt eine solche Beurteilung diesem Gericht.
51
Sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass die drei Gesellschaften, für die A verschiedene Dienstleistungen erbracht hat, einer besonderen staatlichen Aufsicht unterlagen, ist noch zu prüfen, ob diese Gesellschaften die anderen Merkmale aufweisen, die erforderlich sind, um als Sondervermögen angesehen werden zu können, das im Licht des Ziels von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie und des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität von der Steuer befreit werden kann.
52
Insoweit sind X und die Europäische Kommission der Ansicht, dass die Merkmale der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften den Merkmalen eines Sondervermögens entsprechen, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben. Ein Investmentfonds wäre somit vergleichbar mit Organismen für gemeinsame Anlagen, wie sie durch die OGAW-Richtlinie definiert werden, wenn bestimmte Personen Anteilsrechte an einem solchen Fonds gekauft haben, wenn der Ertrag dieser Anlage von den Ergebnissen der Anlagen abhängt, die die Verwalter des Fonds im Laufe des Zeitraums, in dem die betreffenden Personen diese Anteilsrechte innehaben, getätigt haben, und wenn die Anteilsinhaber Anrecht auf die Gewinne haben oder das Risiko im Zusammenhang mit der Verwaltung des Fonds tragen (vgl. in diesem Sinne Urteil Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 27). In diesem Sinne hat der Gerichtshof entschieden, dass Rentenkassen der betrieblichen Altersvorsorge als Sondervermögen angesehen werden können, wenn sie von den Personen finanziert werden, denen die Renten ausgezahlt werden, die Ersparnisse nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt werden und das Anlagerisiko von den Versicherten getragen wird (Urteil ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 59).
53
Dies scheint im Hinblick auf die Angaben des vorlegenden Gerichts und die beim Gerichtshof eingereichten Akten bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften der Fall zu sein.
54
Diese Gesellschaften sammeln Kapital aus verschiedenen Pensionsfonds und haben den Ankauf, den Besitz, die Verwaltung und den Verkauf von Immobilien zur Erzielung eines möglichst hohen Gewinns zum Gegenstand. Die genannten Gesellschaften haben Aktienzertifikate ausgegeben, die deren Inhabern ein Anrecht auf einen proportionalen Anteil am Gewinn der Gesellschaften in Form von Dividenden verleihen. Die Inhaber dieser Aktienzertifikate haben auch ein Anrecht auf den Gewinn der betroffenen Gesellschaft infolge einer Wertsteigerung ihres Anteils. Das Anlegerisiko tragen die Anteilsinhaber. Die Anleger, die ihr Vermögen in das Kapital einer dieser Gesellschaften investiert haben, tragen das Risiko, das mit der Verwaltung des darin gesammelten Vermögens einhergeht. Der Gewinn dieser Anleger in Form von Dividenden hängt vom Ertrag der Aktiva der betroffenen Gesellschaft ab. Das Kapital der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften steht verschiedenen Anlegern offen, die je nach Wunsch die Möglichkeit haben, ihre Aktienzertifikate an Dritte abzutreten. Außerdem können sich neue Anleger registrieren und neues Kapital in die betroffene Gesellschaft einbringen.
55
Es ist darauf hinzuweisen, dass dem Vorbringen der schwedischen Regierung, es gebe bei einem Immobilienfonds keine Risikostreuung, nicht gefolgt werden kann.
56
Insoweit scheint in Bezug auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften den im Rahmen der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben und der dem Gerichtshof vorliegenden Akte zu entnehmen sein, dass das gesammelte Vermögen nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt wird. Das Vermögen wird in verschiedene Kategorien von Immobilien, sowohl Wohn- als auch Geschäftsimmobilien, und auch in verschiedenen geografischen Regionen angelegt.
57
Wie die Kommission hervorhebt, hat der Umstand, dass es sich hier um Anlagen in Immobilien handelt, keine Auswirkung auf die Art der Tätigkeiten der drei im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften, d. h. die gemeinsame Verwaltung von Vermögen. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie erfasst nämlich allgemein „Sondervermögen“, ohne eine bestimmte Anlageform zu nennen oder nach den Aktiva zu unterscheiden, in die das Vermögen angelegt wird. Nichts deutet daher darauf hin, dass die Steuerbefreiung nach dieser Bestimmung nur für die Anlage in Wertpapiere gelten würde und andere Anlageformen von dieser Befreiung ausgeschlossen wären. Denn weder dem Kontext noch dem Wortlaut des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie noch dem Ziel dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass es die Absicht des Unionsgesetzgebers gewesen wäre, die Anwendung dieser Bestimmung auf die Organismen für gemeinsame Anlagen zu beschränken, die in Wertpapiere investieren.
58
Das vorlegende Gericht stellt jedoch die Frage, ob das Ziel der in eben dieser Bestimmung vorgesehenen Steuerbefreiung, wie es der Gerichtshof formuliert hat, erreicht werden könne, wenn es sich um Immobilien handle, und führt u. a. aus, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs hinsichtlich dieser Befreiung nur auf Anlagen in Wertpapiere Bezug nehme.
59
Hierzu ist festzustellen, dass es, wie X ausführt, auf den Gegenstand der bisher vor dem Gerichtshof anhängig gemachten Verfahren zurückzuführen ist, wenn die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs auf Fälle Bezug nimmt, in denen das gemeinsame Vermögen in Wertpapiere angelegt wurde, da er nicht ersucht wurde, Sachverhalte zu beurteilen, die Anlagen in andere Aktiva betreffen.
60
Wie der sechste Erwägungsgrund und Art. 24 der OGAW-Richtlinie zeigen und wie sich aus Art. 19 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie in ihrer durch die Richtlinie 2001/108 geänderten und zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt nicht anwendbaren Fassung ergibt, soll die Koordinierung des Aufsichtsrechts nicht nur die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren erfassen, sondern auch sonstige Organismen für gemeinsame Anlagen (vgl. in diesem Sinne Urteil JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, C‑363/05, EU:C:2007:391, Rn. 32 und 34). Die Anlage in Wertpapieren stellt somit nur eine besondere Form der regulierten Anlagen dar.
61
Dass die Richtlinie 2011/61, die auf Unionsebene einen weiteren Harmonisierungsschritt hinsichtlich der besonderen staatlichen Aufsicht über Anlagevermögen darstellt, auch auf Immobilienfonds anwendbar ist, wie sich insbesondere aus ihrem 34. Erwägungsgrund ergibt, spricht für eine solche Auslegung.
62
Vor diesem Hintergrund liefe es dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zuwider, Immobiliengesellschaften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit der Begründung, dass die Vermögensverwaltung Immobilien betreffe, nicht zu gestatten, die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie in Anspruch zu nehmen.
63
Denn soweit Anlagevermögen unabhängig davon, ob sie aus Wertpapieren oder aus Immobilien bestehen, einer vergleichbaren besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen, besteht zwischen diesen Anlageformen ein unmittelbarer Wettbewerb. Dem Anleger kommt es nämlich in beiden Fällen auf die Zinsen an, die ihm diese Anlagen bringen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität lässt es nach ständiger Rechtsprechung aber nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. Urteil Wheels Common Investment Fund Trustees u. a., C‑424/11, EU:C:2013:144, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
64
Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Kapitalanlagegesellschaften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften, in denen Kapital von mehreren Anlegern gesammelt wird, die das Risiko tragen, das mit der Verwaltung des Vermögens verbunden ist, das in diesen Gesellschaften für den Ankauf, den Besitz, die Verwaltung und den Verkauf von Immobilien zur Erzielung eines Gewinns gesammelt wird, der an sämtliche Anteilsinhaber in Form einer Dividende auszuschütten ist, wobei diesen Anteilsinhabern auch aus der Wertsteigerung ihres Anteils ein Vorteil erwächst, unter der Voraussetzung als „Sondervermögen“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden können, dass der betroffene Mitgliedstaat diese Gesellschaften einer besonderen staatlichen Aufsicht unterworfen hat.
Zur zweiten Frage: der Begriff der „Verwaltung“
65
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass unter dem in dieser Bestimmung enthaltenen Begriff der „Verwaltung“ auch die von einem Investmentfonds einem Dritten übertragene tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien dieses Investmentfonds zu verstehen ist.
66
Der Begründung der Vorlageentscheidung ist zum einen zu entnehmen, dass unter dem „Dritten“ A zu verstehen ist, die sämtliche Verwaltungstätigkeiten einschließlich der Geschäftsführung für die drei im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften übernommen hat, und zum anderen, dass die tatsächliche Bewirtschaftung einer Immobilie insbesondere ihre Vermietung, die Verwaltung der bestehenden Mietverhältnisse sowie die Beauftragung Dritter mit Instandhaltungsmaßnahmen und deren Überprüfung umfasst.
67
Es ist daher zu bestimmen, ob die Verwaltung im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie nur auf den An- und Verkauf der betroffenen Immobilien Bezug nimmt oder auch auf deren tatsächliche Bewirtschaftung.
68
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe, mit denen die in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen umschrieben sind, nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen sind. Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Diese Regel einer engen Auslegung bedeutet also nicht, dass die zur Definition der Steuerbefreiungen im Sinne von Art. 13 verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre Wirkung nähme (vgl. u. a. Urteile Zimmermann, C‑174/11, EU:C:2012:716, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Mapfre asistencia und Mapfre warranty, C‑584/13, EU:C:2015:488, Rn. 26).
69
Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, stellt der Begriff der „Verwaltung“ von Sondervermögen im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie einen autonomen Begriff des Unionsrechts dar, dessen Inhalt die Mitgliedstaaten nicht verändern können (Urteil Abbey National, C‑169/04, EU:C:2006:289, Rn. 43).
70
Dieser Begriff wird durch den Unionsgesetzgeber nicht definiert.
71
Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass es sich bei den Umsätzen, für die die Befreiung der Verwaltung von Sondervermögen gilt, um diejenigen handelt, die für die Tätigkeit der Organismen für gemeinsame Anlagen spezifisch sind (Urteile Abbey National, C‑169/04, EU:C:2006:289, Rn. 63, Deutsche Bank, C‑44/11, EU:C:2012:484, Rn. 31, und ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 65). In Bezug auf insbesondere die von einem außenstehenden Verwalter erbrachten Verwaltungsdienstleistungen hat er ausgeführt, dass diese ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften spezifisch und wesentlich sein müssen (Urteil ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 65).
72
Neben den Aufgaben der Portefeuilleverwaltung stellen die administrativen Aufgaben der Organismen für gemeinsame Anlagen selbst, wie sie in Anhang II der OGAW-Richtlinie unter der Überschrift „Administrative Tätigkeiten“ aufgeführt sind, spezifische Aufgaben dieser Organismen dar (Urteil ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 66).
73
So hat der Gerichtshof entschieden, dass nicht nur die Anlagenverwaltung, zu der auch die Wahl und die Abtretung der Aktiva gehören, die Gegenstand dieser Verwaltung sind, sondern auch die Aufgaben der Verwaltung und des Rechnungswesens, insbesondere Leistungen wie die Ermittlung des Betrags der Einkünfte und des Preises der Anteile oder Aktien an dem Fonds, die Bewertung des Vermögens, die Buchführung, die Vorbereitung der Erklärungen über die Verteilung der Einkünfte, die Lieferung von Angaben und Unterlagen für die regelmäßig zu veröffentlichenden Abschlüsse und die Steuererklärungen, Statistiken und Mehrwertsteuererklärungen sowie die Vorbereitung der Voraussagen über die Erträge unter den Begriff der „Verwaltung“ eines Sondervermögens im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie fallen (vgl. Urteile Abbey National, C‑169/04, EU:C:2006:289, Rn. 26, 63 und 64, sowie ATP PensionService, C‑464/12, EU:C:2014:139, Rn. 68).
74
Der Gerichtshof hat hingegen auch entschieden, dass die Aufgaben der Verwahrstellen von Organismen für gemeinsame Anlagen sowie die rein materiellen oder technischen Dienstleistungen wie z. B. die Zurverfügungstellung eines Datenverarbeitungssystems von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie nicht erfasst werden (Urteil Abbey National, C‑169/04, EU:C:2006:289, Rn. 65 und 71).
75
Die Regierungen, die Erklärungen eingereicht haben, sind der Auffassung, dass für den Fall, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Immobiliengesellschaften als Sondervermögen im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie anzusehen seien, der Begriff der „Verwaltung“ im Sinne dieser Bestimmung die Verwaltung der Anlagen, insbesondere die Entscheidung und Beratung in Bezug auf den An- und Verkauf dieser Wertanlagen, sowie die in Anhang II der OGAW-Richtlinie unter der Überschrift „Administrative Tätigkeiten“ aufgeführten Dienstleistungen umfasse. Rein materielle oder technische Dienstleistungen wie z. B. die Zurverfügungstellung eines Datenverarbeitungssystems oder die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien der betroffenen Gesellschaft fielen jedoch nicht unter diesen Begriff.
76
X und die Kommission tragen dagegen vor, dass die in Rn. 19 des vorliegenden Urteils beschriebenen Tätigkeiten, die von A zugunsten ihrer drei Vertragspartner erbracht würden, unter den Begriff der „Verwaltung“ eines Sondervermögens fielen. Alle diese Tätigkeiten bezweckten eine Optimierung der Verwaltung der Immobilien, aus denen sich das Kapital der drei Vertragspartnergesellschaften von A zusammensetze, und folglich eine Wertsteigerung der Anteile derjenigen, die in die Sondervermögen angelegt hätten.
77
Insoweit ist festzustellen, dass die spezifische Tätigkeit eines Fonds, mit dem Sondervermögen verwaltet wird, darin besteht, die beschafften Gelder für gemeinsame Rechnung anzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil GfBk, C‑275/11, EU:C:2013:141, Rn. 22 und 24). Da nun die Aktiva eines solchen Fonds in Immobilien bestehen, umfasst seine spezifische Tätigkeit zum einen Tätigkeiten in Bezug auf die Wahl sowie den An- und Verkauf der Immobilien und zum anderen Tätigkeiten der Verwaltung und des Rechnungswesens, wie sie in Rn. 73 des vorliegenden Urteils genannt werden.
78
Dagegen ist die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien für die Bewirtschaftung eines Sondervermögens insoweit nicht spezifisch, als sie über die verschiedenen Tätigkeiten hinausgehen, die mit der Anlage der beschafften Gelder auf gemeinsame Rechnung verbunden sind. Soweit die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien die Erhaltung und Vermehrung des angelegten Vermögens bezweckt, ist ihr Zweck nicht spezifisch für die Tätigkeit eines Fonds, mit dem Sondervermögen verwaltet wird, sondern gilt für jede Anlageart.
79
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff der „Verwaltung“ die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien eines Sondervermögens nicht umfasst.
Kosten
80
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.