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Steuerrecht
01.08.2011
Steuerrecht
Sächsisches FG: § 8c KStG Abs. 1 S. 2 verfassungsgemäß

Sächsisches FG, Urteil vom 16.3.2011 - 2 K 1869/10, Rev. Eingelegt (Az. BFH I R 31/11)

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Verlusten nach Maßgabe von § 8c Abs. 1 KStG.

Die Klägerin wurde am 29. Dezember 1995 von K S mit einem Stammkapital von DM 50.000 gegründet. Die Anteile der Klägerin wurden in den Folgejahren wie folgt veräußert:

10. Januar 1997                 Anteil von DM 50.000 an C S (= Tochter)

20. Februar 1998                               Anteil von DM 50.000 an K S

22. April 1999                                      Anteil von DM 50.000 an R S (= Schwester)

30. Mai 2006                                       Anteil von DM 16.500 (= € 8.450) an A T

10. September 2008                         Anteil von DM 33.500 (€ 17.150) an H T (= Vater)

Zunächst war K S alleiniger Geschäftsführer, ab August 2003 H T und seit Juni 2005 A T.

Am 9. September 2009 reichte die Klägerin die streitgegenständlichen Steuerbescheide ein, wobei sie laut Bilanz einen Gewinn von € 27.837,24 erzielte. Bei der Festsetzung wich der Beklagte insoweit ab, als er die zum 31. Dezember 2007 bestehenden Verlustvorträge von € 184.101 nicht berücksichtigte. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2010 als unbegründet zurückwies.

Die Klägerin trägt vor, dass der Fünf-Jahres-Zeitraum noch nicht abgelaufen sei, da R S ihren Anteil mehr als neun Jahre gehalten habe. Im Übrigen bestehe sie seit 1996, ohne dass sich in der produktiven Tätigkeit Veränderungen ergeben hätten. Auch werde der Betrieb in seiner wirtschaftlichen Ausrichtung fortgeführt. R S habe sich schon länger von ihren Anteilen trennen wollen. H T habe von Anfang an bei der Klägerin gearbeitet. Ihm sei es auch möglich gewesen, den Banken die erforderlichen Sicherheiten zu bestellen.

Die gesetzliche Regelung des § 8c KStG bewirke einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip, weswegen die Regelung verfassungswidrig sei. Allein durch die Veräußerung der Anteile ergäben sich keine steuerlichen Vor- oder Nachteile bei ihr.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008, die Körperschaftsteuer für 2008, die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31. Dezember 2008, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 und die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2008, jeweils vom 26. April 2010, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2010 dahingehend zu ändern, dass der zum 31. Dezember 2007 bestehende Verlustvortrag verrechnet wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass die Voraussetzungen für die Nichtberücksichtigung der bisherigen Verluste gemäß § 8c KStG erfüllt seien, da im Fünf-Jahres-Zeitraum, nämlich im September 2008 ein Anteil von mehr als 50% veräußert worden sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung seien nicht ersichtlich.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die dem Gericht übersandten Steuerakten sowie das Protokoll vom 16. März 2011 Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 hat der Gesetzgeber nicht nur das Unternehmenssteuerrecht im Hinblick auf die Marktfähigkeit deutscher Unternehmen geändert, sondern auch in das Körperschaftsteuergesetz § 8c KStG neu eingeführt. Das Ziel war dabei u.a., die geltende Mantelkaufregelung, die die ungerechtfertigte Nutzung und den Handel mit Verlustvorträgen verhindern soll, zu ersetzen, da diese nach Auffassung des Gesetzgebers kompliziert und gestaltungsanfällig sei. Es solle daher nur noch darauf abgestellt werden, ob ein Erwerber von Anteilen maßgebend auf die Geschicke der Kapitalgesellschaft einwirken kann und es so prinzipiell in der Hand hätte, die Verwertung der Verluste zu steuern (BT-Drucksache 16/4841, S. 34f.).

Die Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, da H T zum 10. September 2008 mehr als 50%, nämlich 67%, der Anteile der Klägerin nach dem 1. Januar 2008 erwarb. Die Schädlichkeitsgrenze des § 8c Abs. 1 Satz 1 und 2 KStG kann auch mit einem Erwerbsvorgang überschritten werden (Blümich, KStG, 108. Auflage, § 8c KStG, Rdnr. 48).

Durch die Einführung von § 8c Abs. 1 KStG ist der Gesetzgeber von einer rechtlichen Betrachtung - die Körperschaft existiert unabhängig von der Zusammensetzung ihrer Mitglieder - zu einer wirtschaftlichen Betrachtung - die Mitglieder bestimmen die wirtschaftliche Ausrichtung - übergegangen. Die aus früherer Zeit erwirtschafteten Verluste sollen unberücksichtigt bleiben, soweit sie auf das neue wirtschaftliche Engagement entfallen (BT-Drucksache 16/4841, 76). Die Vorschrift dient daher der Angleichung der Verlustabzugsbeschränkung an die Rechtslage bei natürlichen Personen und Mitunternehmerschaften, wo eine Übertragung von Verlustabzugspotenzial auf eine andere Person weder unmittelbar noch mittelbar möglich ist. Dabei verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, die missbräuchliche Verwendung von Verlustvorträgen zu erschweren bzw. zu verhindern. Die gesetzliche Regelung birgt, insbesondere im Fall des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG und dann wenn kein Sanierungsfall vorliegt, die Gefahr, dass ein Verlustausgleich versagt wird. Dies betrifft dann auch die - soweit vorhanden - bisherigen und verbleibenden Anteilseigner, wie hier den Gesellschafter A T. Der Gesetzgeber hat in der nachfolgenden Zeit die Norm an Anforderungen der Praxis angepasst und u.a. in     § 8c Abs. 1 Satz 6 bis 8 KStG geregelt, dass ein noch nicht genutzter Verlust insoweit berücksichtigt werden kann, soweit stille Reserven vorhanden sind. Diese Regelung ist gemäß          § 34 Abs. 7b KStG erstmals auf schädliche Beteiligungserwerbe anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2009 erfolgt sind.

Der Senat hat nicht die für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG erforderliche Überzeugung zu gewinnen vermocht, dass § 8c Abs. 1 KStG - soweit er die Klägerin betrifft - verfassungswidrig ist. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/07, BGBl I 2010, 1295).

Der Bundesfinanzhof hat sich in seinem Beschluss vom 26. August 2010 (I B 49/10, BFHE 230, 445, BFH/NV 2010, 2356) mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 10d Absatz 2 Satz 2 EStG auseinandergesetzt. Er vertritt die Auffassung, dass es einen sogenannten Kernbereich des Verlustabzuges geben müsse. Dabei kam er zu der Auffassung, dass § 10d Abs. 2 EStG zwar nicht wegen der zeitlichen Streckung der Verlustvorträge, sondern im Zusammenwirken mit § 8c KStG verfassungswidrig sein könnte, weil dieser bewirken könne, dass Verlustvorträge endgültig untergehen.

Andererseits trägt der Steuerpflichtige auch das Risiko, dass bei einer Verluststreckung wegen der Gewinnentwicklung diese Verluste keine Auswirkung haben. Geht man dann mit dem Gesetzgeber davon aus, dass die Übertragung von mehr als 50% der Anteile einer Körperschaft ihr eine neue wirtschaftliche Identität geben kann und es im Einzelfall schwierig ist, dies zu kontrollieren, so erscheint es noch als sachgerecht und nicht verfassungswidrig, wenn dieser Identitätswechsel dazu führt, dass die „neue" Gesellschaft ähnlich wie im Fall der Verlustvorträge eines Erblassers auf die neuen Gewinne nicht die alten Verluste verrechnen kann (Beschluss des Großen Senats vom 17. Dezember 2007, GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608). Auch die Absicht des Gesetzgebers, den Handel mit Verlusten bei Mantelkaufverträgen zu erschweren, ist ein Gesichtspunkt, der sachgerecht ist. Zwar führt die vorgenommene Regelung dazu, dass davon auch Firmen wie die Klägerin betroffen sind, die kein leerer Mantel, sondern eine aktive Gesellschaft sind. Der Gesetzgeber darf aber im Rahmen der Steuergesetzgebung Sachverhalte typisieren und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Jedoch müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Eine gesetzliche Typisierung darf zudem keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009, I BvL 8/05, BVerfGE 123, 1). Danach ist der Ansatzpunkt des Gesetzgebers, dass ein Anteilseigner, der über 50% der Anteile an einer Gesellschaft hält, über deren wirtschaftliche Ausrichtung entscheidet, noch vertretbar. Die Frage, wann noch eine wirtschaftliche Identität vorliegt bzw. sie verlorengegangen ist, ist oft schwer durch die Finanzverwaltung zu beurteilen. Auch werden Sanierungsfälle durch die Weitergeltung von § 8 Abs. 4 KStG von der Regelung ausgenommen.

Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt nicht vor, da zwar der Anteil des einzelnen Gesellschafters, der nicht am Anteilserwerb beteiligt ist, an Wert verlieren kann. Dieser Gesellschafter ist aber nicht Adressat der Regelung des § 8c Abs. 1 KStG, d.h. die Vorschrift enthält keinen direkten Eingriff in seine vermögenswerten Positionen. Es handelt sich vielmehr um einen Reflex eines gegen die Körperschaft gerichteten Eingriffs (Frotscher/Maas, KStG-Kommentar, § 8 c, Rdnr. 11a).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

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