BFH: Regelmäßige Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsstätten
Der BFH hat im Urteil vom 19.1.2012 – VI R 32/11 – entschieden: Regelmäßige Arbeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG ist (nur) der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht (BFH, 22.9.2010 – VI R 54/09, BFHE 231, 127, BStBl. II 2011, 354, BB 2011, 485 Ls, m. w. N.). Allerdings ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer dort seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit nachgeht. Der Betriebssitz des Arbeitgebers, den der Arbeitnehmer lediglich regelmäßig nur zu Kontrollzwecken aufsucht, ist nicht die regelmäßige Arbeitsstätte (BFH, 9.6.2011 – VI R 58/09, BFHE 234, 155, BStBl. II 2012, 34). Liegen diese Voraussetzungen vor, so konnte ein Arbeitnehmer nach früherer Rechtsprechung des BFH auch mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander innehaben. Diese Rechtsprechung hat der Senat jedoch zwischenzeitlich aufgegeben (Urteile vom 9.6.2011 – VI R 36/10, BFHE 234, 160, BStBl. II 2012, 36; VI R 55/10, BFHE 234, 164, BStBl. II 2012, 38, BB 2011, 2661 m. BB-Komm. Rindelaub; s. dazu Schreiben des BMF, 15.12.2011 – IV C 5 – S 2353/11/10010). Denn der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers kann nur an einem Ort liegen. Nur insoweit kann sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Damit stellt sich § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG auch nur insoweit als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip dar. Übt der Arbeitnehmer hingegen anmehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers seinen Beruf aus, ist es ihm regelmäßig nicht möglich, die anfallenden Wegekosten durch derartige Maßnahmen gering zu halten. Denn die u. U. nicht verlässlich vorhersehbare Notwendigkeit, verschiedene Tätigkeitsstätten aufsuchen zu müssen, erlaubt es dem Arbeitnehmer nicht, sich immer auf die gleichen Wege und eine kostengünstige Verpflegungssituation einzustellen (vgl. dazu BFH, 18.6.2009 – VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl. II 2010, 564). In einem solchen Fall lässt sich die Einschränkung der Steuererheblichkeit von Wegekosten durch die Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG) nicht rechtfertigen.
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