Hessisches Ministerium der Finanzen: Neue Bundesratsinitiative setzt auf nationale Lizenzschranke gegen Steuerschlupflöcher
„Viele große multinationale Konzerne zahlen auf ihre Gewinne in Deutschland kaum Steuern. Ganz legal, durch geschicktes Verschieben von Geldern ins Ausland. Diese aggressive Steuerpraxis untergräbt massiv das Steuersystem in unserem Land und führt zu einer Steuerungerechtigkeit, die wir nicht länger hinnehmen dürfen. Der Steuertourismus internationaler Großkonzerne muss endlich beendet werden“, sagte der Hessische Finanzminister Dr. Thomas Schäfer in Berlin. Hessen hat deshalb heute eine neue Initiative in den Bundesrat eingebracht. Diese sieht die Einführung einer nationalen Lizenzschranke vor. Die hieraus resultierenden Steuermehreinnahmen sollen kleineren und mittleren Unternehmen in Deutschland für Forschung und Entwicklung zur Verfügung gestellt werden.
Mit einer nationalen Abwehrgesetzgebung möchte die Hessische Landesregierung dafür sorgen, dass es für internationale Großkonzerne in Zukunft deutlich weniger attraktiv ist, ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer zu transferieren. „Wir haben es hier mit ausgeklügelten Steuertricks großer Konzerne zu tun, die auf legalem Weg ihre Gewinne ins Ausland verlagern und damit ihre Steuern nicht in Hessen und anderswo in Deutschland zahlen“, berichtete Dr. Thomas Schäfer am Rande des Bundesrates. In einem sehr häufig angewendeten Steuersparmodell werden Gewinne mithilfe von Lizenz- und Patentgebühren in ausgewählte Länder mit sogenannten Lizenzboxen verlagert, die im Ergebnis zu einer Niedrigbesteuerung führen. „Lizenzboxen, die von immer mehr Staaten mit einem niedrigen Steuersatz geschaffen werden, sind nichts anderes als ein staatlicher Steuerrabatt auf Einnahmen aus Lizenzen und Patenten. Mit diesen Steuerdumping-Angeboten kämpfen zahlreiche Staaten vor allem um Steuersubstrat. Große Konzerne folgen dem Lockruf nur zu gerne, denn dadurch können diese ihre Gewinne gezielt dorthin verlagern, wo sie im Ergebnis am niedrigsten besteuert werden“, machte der Finanzminister deutlich. In der Praxis werden in Ländern mit Lizenzboxen Tochter- und Schwesterfirmen – zumeist als reine Briefkastenfirmen – gegründet. Die Einnahmen der Konzerne aus Lizenz- und Patentrechten werden dann konzernintern an die ausländischen Gesellschaften entrichtet. Durch diese Form der Gewinnverlagerung ins Ausland werden die in Deutschland erwirtschafteten Gewinne kleingerechnet und die Steuerlast der Unternehmen in Deutschland minimiert. Und im Ausland fallen auf die Einnahmen aus Lizenzen und Patenten aufgrund der Lizenzboxen kaum Steuern an.
„Am Ende schaden die Folgen, die konsequente Steuervermeidungsstrategien nach sich ziehen, allen: Dem Staat, der Steuerausfälle zu beklagen hat, aber auch dem einzelnen Bürger genauso wie den mittelständischen und großen Unternehmen, die für ihr wirtschaftliches Handeln klare politische Verhältnisse, Rechtssicherheit und eine entsprechende Infrastruktur benötigen“, so Schäfer. Dies gewährleiste nur ein Gemeinwesen, das sich auf gesicherte staatliche Einnahmen verlassen könne. „Steuern gehören dem Staat, in dem sie erwirtschaftet werden, und nicht dem Staat, der den höchsten Steuerrabatt bietet. Deshalb müssen wir dieses moderne Raubrittertum schnellstmöglich beenden!“, forderte der Finanzminister.
Der Plan der Hessischen Landesregierung: Unternehmen sollen zukünftig Lizenzgebühren in Deutschland nur noch dann von der Steuer absetzen dürfen, wenn sie im Rahmen ihrer Gewinnverlagerung ins Ausland mindestens genauso viel Steuern bezahlen, wie sie hierzulande müssten. „Nach unserem Willen sollen konzerninterne Lizenz- und Patentzahlungen ins Ausland nur dann ganz abzugsfähig sein, wenn sie im Empfängerstaat einer angemessenen Besteuerung unterliegen. Ansonsten gilt ein (Teil-)abzugsverbot. Durch diese Schranke wäre dann eine Besteuerung in Höhe des deutschen Besteuerungsniveaus sichergestellt“, erklärte Hessens Finanzminister, der zugleich auch auf die positiven Konsequenzen einging: Die Sicherung des deutschen Steuersubstrats und die Schließung von internationalen Steuerschlupflöchern für Lizenz- und Patentgebühren der Großkonzerne wären die Folge. Allein Hessen rechnet bei Einführung einer Lizenzschranke in deutsches Recht mit Mehreinnahmen von jährlich einer Milliarde Euro.
„Fair-Play ist auch in der Wirtschaft wichtig. Multinationale Konzerne, die auf Steuervermeidungsmodelle setzen, verschaffen sich unlautere Vorteile vor allem gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen, die komplexe grenzüberschreitende Steuergestaltungen nicht nutzen können oder wollen, sondern ehrlich vor Ort ihre Steuern zahlen. Das bedeutet eine Schwächung unseres Mittelstandes“, stellte Dr. Thomas Schäfer klar. Deshalb möchte die Hessische Landesregierung mit den zu erwartenden Mehreinnahmen aus der Lizenzschranke den Mittelstand stärken. „Das Geld, das wir den Tricksern mit der Lizenzschranke aus der Hand nehmen, soll denen zur Verfügung gestellt werden, die ehrlich in Deutschland investieren. Dies soll durch die Einführung einer nicht an konkrete Projekte gebundene, technologieoffene Forschungsprämie insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen geschehen“, begründete Schäfer die Verknüpfung beider Themenbereiche in einem Entschließungsantrag.
Ein weiterer Grund hierfür: Auf internationaler Ebene hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einen Aktionsplan gegen Gewinnverlagerung erarbeitet. Dieser sieht unter anderem vor, dass zukünftig Einnahmen nur noch dann durch Lizenzboxen steuerlich gefördert werden dürfen, wenn die Unternehmen in dem Land, in dem sie eine Lizenzbox nutzen, auch wirklich Forschung und Entwicklung betreiben. „Dieser sogenannte Nexus-Approach ist aber nicht nur administrativ extrem aufwendig. Bei unveränderter nationaler Rechtslage besteht auch die Gefahr, dass Unternehmen ihre Aktivitäten im Bereich von Forschung und Entwicklung in Länder mit Lizenzboxen verlagern, um weiterhin von den Steuervergünstigungen profitieren zu können“, so der Finanzminister, der weiter erklärte: „Dies hätte für den Hochtechnologiestandort Deutschland negative Auswirkungen. Aufgabe von Politik ist es Rahmenbedingungen zu schaffen, damit in Deutschland weiterhin intensiv Forschung und Entwicklung betrieben wird. Auch vor diesem Hintergrund wollen wir die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in Deutschland durch eine zusätzliche Forschungsprämie für kleine und mittlere Unternehmen stärken.“
Hessens Finanzminister begrüßte die jüngsten Bemühungen auf EU- und OECD-Ebene zur Eindämmung der Gewinnverlagerung. Er gab aber auch zu bedenken: „Noch bis ins Jahr 2021 dürfen Lizenzboxen, die über den neuen OECD-Standard hinausgehen, beibehalten werden. Auch hier wird noch einmal deutlich, warum wir jetzt eine nationale Regelung brauchen, die der aggressiven Steuergestaltung Einhalt gebietet. Gewinnverlagerungen sind letztendlich in dem gleichen Maße gesellschaftsschädlich wie Steuerhinterziehung. Hier wird aus Wettbewerb unfaires Spiel. Diese Ungerechtigkeit möchte die Hessische Landesregierung beenden. Wir laden alle Bundesländer und auch die Bundesregierung ein, mit uns gemeinsam aktiv zu werden. Nur gemeinsam können wir erfolgreich gegen den Steuertourismus der Großkonzerne vorgehen “, so Finanzminister Dr. Thomas Schäfer im Vorfeld der Einbringung der hessischen Bundesratsinitiative „zur Förderung von Forschung und Entwicklung im Mittelstand sowie Einschränkung von Gewinnverlagerung mithilfe von Lizenzzahlungen“.
(PM vom 10.7.2015)