BB vor Ort: Münchener Steuerfachtagung am 24./25.3.2010 fordert einfacheres Steuerrecht
Am 24. und 25.3.2010 fand in München die 49. Münchener Steuerfachtagung mit über 400 Teilnehmern im Münchener Park Hilton Hotel statt. Unter dem Patronat der Steuerberaterkammer München mit seinem Präsidenten Dr. Hartmut Schwab zog sich die Forderung nach einem einfacheren und klareren Steuerrecht wie ein „roter Faden“ durch. Die Politik müsse sich „am Abbau des Paragraphendschungels“ im Steuerrecht messen lassen. Steuerregeln, die sich pausenlos änderten,nützten niemandem.BayernsFinanzminister Georg Fahrenschon machte in seinem Eröffnungsvortrag deutlich, dass sich Konsolidierungspolitik und Wachstumspolitik nicht ausschließen, sondern „Hand in Hand“ gingen. Patentrezepte gebe es allerdings nicht. Eine große Steuerstrukturreformseiderzeit nicht finanzierbar.
In einem temperamentvollen Vortrag zeigte Dipl.-Kffr. Andrea Jost, WP/StB, auf, dass die Rechtslage aufgrund der Erbschaftsteuerreform verfassungsrechtlich zweifelhaft ist, es lägen bereits Verfassungsbeschwerden dagegen vor (vgl. dazu auch Wachter, BB 2010, 667). In der Praxis erwiesen sich z. B. Regeln zur Zuordnung begünstigter Vermögenswerte bei Nachlassteilung als problematisch; es könne zum Verlust von Steuerbefreiungen kommen. Bei der Anteilsbewertung werde die Rechtsform der Personengesellschaft gegenüber derjenigen der Kapitalgesellschaft benachteiligt.
Das Ziel internationaler Entwicklungen im Umsatzsteuerrecht sollte eigentlich sein, den Warenverkehr insbesondere in Europa zu vereinfachen. Dies soll dadurch sichergestellt werden, dass der Warenverkauf von der heimischen Steuer freigestellt ist und die Besteuerung im Bestimmungsland erfolgt. Wie RA/FAStR/WP/StB Prof. Dr. Thomas Küffner darlegte, haben Finanzbehörden neue Hürden aufgebaut. Denn der Unternehmer habe zahlreiche Nachweispflichten zu erfüllen, was sich insbesondere in Abholfällen als außerordentlich problematisch erweise. Er bot Lösungsansätze durch „Anleihe“ im Zollrecht in Form eines „zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten“ an und plädierte für die Einführung des Status eines „vertrauenswürdigen Unternehmers“.
Neben Themen zum internationalen Steuerecht (Dr. Gerhard Ege zur beschränkten Steuerpflicht und MR Manfred Naumann zur Funktionsverlagerung) referierten Ltd. MR Hermann Bernwart Brandenberg zu Personenunternehmen unter besonderer Berücksichtigung der Gewerbesteuer. Er ging dabei v. a. auf Probleme des Gewerbeverlusts gem. § 10a GewStG (Unternehmens- bzw. Unternehmeridentität, Neuregelung des Mantelkaufs) sowie auf die Ermäßigung nach § 35a EStG ein und widmete sich abschließend Zweifelsfragen personengesellschaftsrechtlicher Konten.
Dipl.-Kfm./Dipl.-Fw. (FH) Jörg Schwenker, StB, trug praktische Fragestellungen im Rahmen der Gesellschafterdarlehen vor und ging dabei auf die Änderungen durch das MoMiG und auf die Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen ein; die Rechtslage ab 2008 sei noch unklar.
Der zweite Tag begann mit dem Vortrag von Prof. Dr. Michael Schaden, RA/StB, LL.M., Attorney at Law (NewYork) zu praktischen Erfahrungen mit der Zinsschranke. Ziel sei die Bekämpfung von Missbrauchsgestaltungen. Der Missbrauchsgedanke sei aber nicht im Tatbestand der Zinsschranke enthalten. Unternehmen in schlechter wirtschaftlicher Verfassung würden durch die Zinsschranke zusätzlich „bestraft“, da sie aufgrund gesunkener EBITDA ihren tatsächlichen Zinsaufwand steuerlich nicht geltend machen können. Die Zinsschranke wirke krisenverschärfend.
Prof. Martina Ortmann-Babel, StB, ging auf das Thema Verlustvortrag und Sanierung von Unternehmen ein. Sehr anschaulich verdeutlichte sie u. a., dass von der Grundregel der Verlustabzugsbeschränkung auch unmittelbare oder mittelbare Anteilseignerwechsel innerhalb eines Konzerns erfasst werden. Das könne bei Umstrukturierungen zu einem vollständigen Verlustuntergang innerhalb des Konzerns führen. Der Vortrag zeigte die Chancen, aber auch die Risiken auf, die sich in der Praxis auftun. Die Neuregelung sei dem Grund nach zu begrüßen, enthalte aber auch noch etliche Unsicherheiten.
Prof. Dr. Dirk Meyer-Scharenberg, StB, stellte die provokante Frage: Pensionsverpflichtungen ein Damoklesschwert? Kein Erwerber eines Betriebs möchte für die noch unentdeckten Steuerrisiken haften, die sein Vorgänger vor dem Erwerb eingegangen ist. Die Abfindung von Pensionsansprüchen sei zu kompliziert und insbesondere für Gesellschafter-Geschäftsführer noch ungeklärt. Nicht akzeptabel sei es, dass der Verzicht auf werthaltige Ansprüche auch noch als fiktive Lohnzahlung angesehen würde.
Am Nachmittag folgte der Vortrag von Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer, VRiBFH, zur Besteuerung der freien Berufe, eine der „abenteuerlichsten Baustellen“ des Einkommensteuerrechts. Das Hauptproblem bestehe in der Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit, z. B. im Hinblick auf die Belastung mit Gewerbesteuer. Die ungleiche Belastung von Gewerbetreibenden und Freiberuflern sei aber verfassungsgemäß.
Mit der Besteuerung von Personengesellschaften setzte sich Michael Wendt, RiBFH,auseinander. Es gingumFragen der Mitunternehmerschaft (u. a. stille Beteiligung, Einkünfteerzielungsabsicht, angemessene Gewinnverteilung), des Sonderbetriebsvermögens (mitunternehmerische Betriebsaufspaltung, Beteiligung an Kapitalgesellschaft bzw. Vorratsgrundstück als Sonderbetriebsvermögen) und um Sondervergütungen (Geschäftsführer-Abfindung bei GmbH & Co.KG, ErgebnisverteilungbeiPensionszusagen).
Die Tagung schloss mit dem Referat von Dr. Klaus Buciek, RiBFH, zu aktuellen Fragen des Bilanzsteuerrechts (Teilwertabschreibung bei zu klein gewordenem Grundstück, erhöhter Kurs von Fremdwährungen, Abzinsung von unbefristeten Darlehensschulden einer GmbH, Abschreibung für ein Gebäude, das zunächst fremdvermietet war und doch für den eigenen Betrieb genutzt wurde, Falschberechnung von Pensionsverpflichtungen).
Fazit: Viele offene Fragen, aber auch etliche Lösungsansätze – eine für den Praktiker jedenfalls gewinnbringende Veranstaltung.