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Steuerrecht
30.03.2011
Steuerrecht
BFH: Keine Aufrechnung gegen in kritischer Zeit vor Insolvenzverfahren erworbenen Vorsteuervergütungsanspruch

Der BFH hat im Urteil vom 2.11.2010 – VII R 62/10 – entschieden: Die Verrechnung von Insolvenzforderungen des FA mit einem Vorsteuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners ist, sofern bei Erbringung  der diesem Anspruch zugrunde liegenden Leistungen die Voraussetzungen des § 130 InsO oder des § 131InsO vorgelegen haben, unzulässig (Änderung der Rechtsprechung gem. BFH, 16.11.2004 – VII R 75/03, BStBl. II 2006, 193, BB 2005,1321). Der BFH schließt sich nunmehr der Rechtsprechung des BGH an (BGH, 22.10.2009–IX ZR 147/06, HFR 2010, 413). Dieser hatte darin darauf hingewiesen, dass Steuertatbestände in der Regel an Rechtshandlungen des Steuerpflichtigen oder Dritter anknüpfen und hieraus die Steuerpflicht ableiten, so wie es auch bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der Fall sei, die zum Entstehen einer Steuerforderung des FA führen. Das ändert aber nach Auffassung des BGH nichts daran, dass die betreffenden (umsatzsteuerpflichtigen) Leistungen, die zum Entstehen der Steuerforderung führen, eine Rechtshandlung i. S. des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO darstellen. Dass die (unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 130 ff. InsO anfechtbare) Rechtshandlung unmittelbar und unabhängig vom Hinzutreten etwaiger weiterer Umstände (hier insbesondere der späteren Abgabe einer Umsatzsteueranmeldung bzw. der abweichenden Berechnung der maßgeblichen Vergütung durch das FA) eine Aufrechnungslage zum Entstehen bringen müsste, setzt § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht voraus. Er verlangt lediglich, dass die Rechtshandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, dass sie irgendeine Voraussetzung für die Aufrechnungsmöglichkeit des Insolvenzschuldners geschaffen hat und dass die Rechtshandlung die Insolvenzgläubiger benachteiligt. Hat eine (an sich einheitliche) Rechtshandlung in solcher Weise mehrere, abtrennbare Rechtswirkungen, darf deren anfechtungsweise Rückgewähr nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass die Handlung auch sonstige, für sich nicht anfechtbare Folgen ausgelöst habe (BGH, 5.4.2001 – IX ZR 216/98, BGHZ 147, 233, BB 2001, 1062). Denn Gegenstand der Anfechtung ist nicht die Rechtshandlung selbst, sondern angefochten wird eine bestimmte gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch eine Rechtshandlung ausgelöst wird (BGH, 21.1.1999 – IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406 m. w. N.). Es ist folglich belanglos, ob die Eingangsumsätze, aus denen die betroffenen Vorsteuerbeträge herrühren, im Interesse der Masse lagen und insofern als solche nicht anfechtbar sind. Einen Rechtsgrundsatz, dass mehrere durch eine Handlung ausgelöste Rechtswirkungen nur ganz oder gar nicht anfechtbar sind, gibt es nicht.

--> Volltext des Urteils: // BB-ONLINE BBL2011-856-1 unter www.betriebs-berater.de

--> Fazit: Der Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners ist nicht durch Verrechnung mit den gegen ihn gerichteten Forderungen des FA erloschen, sofern die dem Vergütungsanspruch zugrunde liegenden Umsätze unter den Voraussetzungen des § 130 oder § 131 InsO von dem Insolvenzschuldner getätigt worden sind. Die Aufrechnungserklärung des FA wäre dann insoweit gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam.

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