BB vor Ort: Haarmann Steuerkonferenz 2011
Am 24./25.2.2011 fand im Adlon Hotel in Berlin die Haarmann Steuerkonferenz 2011 mit über 200 Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik, Rechtsprechung, Steuerverwaltung und Lehre sowie aus der Beratung statt. Anhand praktischer Fälle wurden aktuelle Problembereiche des Steuerrechts als Diskussionsforum aufgezeigt. Themen der Unternehmenssteuerpolitik, der Besteuerung von Kapital- bzw. Personengesellschaften, Umwandlungs( steuer)recht, Steuerverfahrensrecht, Nachfolgeplanung, Umsatzsteuer, europarechtliche Entwicklungen des Steuerrechts, DBA-Entwicklungen, Gewinnermittlung, Bilanzsteuerrecht (insb. E-Bilanz), Gewinnermittlung bei Betriebsstätten und Verrechnungspreisen sowie Termingeschäfte, Funds, und Finanzierungsgestaltungen boten einen tour d’horizont durch das aktuelle Steuerrecht. Beispielhaft sei dies am Beispiel des sog. Virtual Office verdeutlicht: Streitig ist die Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung. Der I. Senat des BFH ist mit Teilen der Literatur der Auffassung, dass es bei der Kapitalgesellschaft mehrere Orte der Geschäftsleitung geben kann – gerade im Zeitalter moderner Telekommunikationstechniken, die eine Abstimmung gleichgewichtiger und -berechtigter Geschäftsführer von verschiedenen Orten aus ermögliche. Anderer Auffassung ist der IV. Senat des BFH, wonach es „naturgemäß“ nur einen Ort der Geschäftsleitung geben kann. Die Lösung könnte in einer Schwerpunktbetrachtung liegen, die auf das Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht abstellt. Am sichersten ist es, wenn der Ort der Geschäftsleitung festgeschrieben, also dokumentiert wird.
Unvereinbar bleiben die Standpunkte u. a. bei der körperschaftsteuerlichen Behandlung von Erstattungszinsen nach § 233a AO. Dafür ist letztlich entscheidend, ob der Körperschaft eine Art Privatsphäre zugestanden wird oder nicht. So hat der VIII. Senat des BFH entschieden; die Regelung des § 10 Nr. 2 KStG entspreche derjenigen des § 12 Nr. 3 EStG. Sie nehme bestimmte Steuerarten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage dahingehend aus, dass diese – obwohl sie anfallen – sich nicht auf das zu versteuernde Einkommen auswirken. Der I. Senat des BFH hat entschieden, dass das Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen aus § 10 Nr. 2 KStG verfassungsgemäß sei. Diese Position unterstrich Prof. Dr. Dietmar Gosch, VRiBFH, der dem I. Senat des BFH vorsitzt. RD Ewald Dötsch hingegen will der Kapitalgesellschaft keine „Privatsphäre“ zubilligen und beruft sich dafür auf § 8 Abs. 2 KStG.
Kurz: Lebhafte Diskussionen zeigten das aus der Gewaltenteilung resultierende Spannungsverhältnis zwischen Finanzverwaltung, Gesetzgebung und Judikative auf, deren Grundlagenwohl nicht immer beachtet werden.