Standpunkt: Grenzüberschreitende Verlustverrechnung
Von Dipl.-Kffr. Nina Lavrelashvili, European Business School, Oestrich-Winkel
Im Oktober hat der EuGH kurz aufeinander zwei Urteile zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung gefällt. Die Rechtsprechung des EuGH auf diesem Gebiet ist ambivalent und schwer vorhersehbar. Die beiden Urteile stellen weitere Mosaiksteine dar, die sich in das komplexe Bild des für die Mitgliedstaaten hoch sensiblen Themas der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung einfügen. So grundverschieden die Sachverhalte der beiden Urteile sind – das Urteil in der Rs. Renneberg (EuGH, 16.10.2008 – C-527/06) beschäftigt sich mit der Berücksichtigung von Verlusten aus einer belgischen, selbst genutzten Immobilie in den Niederlanden, wohingegen sich das Urteil in der Rs. Krankenheim Ruhesitz am Wannsee (EuGH, 23.2.2008 – C-157/07) mit österreichischen Betriebstättenverlusten eines deutschen Stammhauses aus dem Jahr 1994 auseinandersetzt – haben beide Urteile gemeinsam, dass es im Grunde nicht wie in vielen der prominenten vorherigen Fälle um die Auslegung der Freistellungsmethode und damit einhergehend der Symmetrietheorie geht, sondern nunmehr die gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen bei der Anrechnungsmethode näher beleuchtetwerden.
Dabei birgt das zweite Urteil eine besondere Überraschung: Die Beschränkung bei der Verlustverrechnung wurde durch die Kohärenz des deutschen Steuersystems gerechtfertigt. Diesen legendären Rechtfertigungsgrund hat der EuGH vor knapp 15 Jahren im Urteil zur Rs. Bachmann (EuGH, 28.1.1992 – C-204/90) eingeführt und anerkannt. Seitdem hatten die Regierungen bei fast jeder passenden wie unpassenden Gelegenheit dieses Argument bemüht – stets vergeblich. Nach den misslichen Versuchen konzentrierte sich die Argumentation in Folge der Rs. Marks&Spencer (EuGH, 13.12. 2005 – C-446/03) auf die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse als den neuen Rechtfertigungsgrund. Sehr wahrscheinlich wird die Kohärenz jedoch wieder eine Renaissance erleben.