Regelungsvorschlag von Broer/Jarass zum Grundsteuerurteil des BVerfG: Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer verfassungswidrig (BVerfG, 10.04.2018 - 1 BvL 11/14 u.a.), BB 2018, 919 ff.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 10.4.2018 durch Urteil die derzeitige Erhebung der Grundsteuer in den alten Bundesländern für verfassungswidrig erklärt und Frist für eine Neuregelung bis 31.12.2019 gesetzt (BVerfG, 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12).
Die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen seien in den alten Bundesländern jedenfalls seit 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Zwar lasse der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber Spielraum bei der Ausgestaltung der Bewertungsvorschriften, das Bewertungssystem müsse jedoch in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht sein. Zentral für das vom Gesetzgeber selbst so gestaltete System der Einheitsbewertung für Grundbesitz sei die periodische Wiederholung der allgemeinen Wertfeststellung (Hauptfeststellung); gemäß § 21 Abs. 1 BewG sollte sie alle sechs Jahre erfolgen. Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 habe zu flächendeckenden, zahlreichen und erheblichen Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung und zu entsprechenden Ungleichbehandlungen bei der Grundsteuererhebung geführt. Eine ausreichende Rechtfertigung dafür ergebe sich weder allgemein aus dem Ziel der Vermeidung allzu großen Verwaltungsaufwands noch aus Gründen der Typisierung und Pauschalierung.
Entgegen der Auffassung der Bundesregierung könnten die Wertverzerrungen auch weder durch Nachfeststellungen oder Wertfortschreibungen noch durch Anpassungen der Grundsteuerhöhe über die Hebesätze verfassungsrechtlich kompensiert werden.
Sobald der Gesetzgeber die Neuregelung getroffen hat, für die ihm das Gericht Frist bis zum 31.12.2019 einräumt, gelten die beanstandeten Bewertungsregeln noch für weitere fünf Jahre fort, aber nicht länger als bis zum 31.12.2024. Diese ungewöhnliche Anordnung sei, so das BVerfG, durch die besonderen Sachgesetzlichkeiten der Grundsteuer geboten und von daher ausnahmsweise gerechtfertigt. Zur bundesweiten Neubewertung aller Grundstücke bedürfe es eines außergewöhnlichen Umsetzungsaufwandes (siehe BVerfG, PM Nr. 21/2018 vom 10.4.2018).
Da der 2016 vorgelegte Gesetzentwurf des Bundesrates für eine verfassungsfeste Erhebung der Grundsteuer nach Regierungsangaben 6-10 Jahre Vorlauf benötigt hätte, besteht das große Risiko, dass ein entsprechender neuer Entwurf nicht rechtzeitig umgesetzt werden kann. Nach Auffassung von Prof. Dr. Michael Broer und Prof. Dr. Lorenz J. Jarass, die zu den Folgen des BVerfG-Urteils in Heft 17 des Betriebs-Berater Stellung nehmen (BB 2018, 919 ff.), gibt es jedoch eine naheliegende Alternative, die ausreichend schnell umgesetzt werden könnte, nämlich eine Grundsteuererklärung durch Selbsterklärung des jeweiligen Grundsteuerpflichtigen, die u. a. Angaben zu Grundstücksgröße und Bodenrichtwert sowie zu Nutzfläche und Baujahr des Gebäudes enthält. Auf der Basis der vom Grundsteuerpflichtigen gemachten Angaben könnte sehr verwaltungsarm ein Grundsteuerbescheid erstellt werden, im Regelfall halbautomatisch wie derzeit schon bei der Einkommensteuerklärung üblich.
Link zum Aufsatz Broer/Jarass, BB 2018, 919
Über die Autoren
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Prof. Dr. Michael Broer ist seit 2010 Professor für Volkswirtschaftslehre an Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Zuvor war er Referent im Bundesministerium der Finanzen in Berlin. |
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Prof. Dr. Lorenz J. Jarass, M. S. (Engineering, Stanford Univ.), Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule RheinMain (Wiesbaden), Mitglied der Unternehmensteuerreformkommission. Basierend auf seinen Ideen wurde bei der Unternehmensteuerreform 2008 die Zinsschranke und die beschränkte Abzugsfähigkeit von Zins- und Lizenzgebührenzahlungen bei der Gewerbesteuer eingeführt. |
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