BB VOR ORT Deutscher Steuerberaterkongress 2010 in Berlin: Die schwäbische Hausfrau als Maßstab
BStBK-Präsident Dr. Horst Vinken konnte am 3./4.5.2010 mehr als 1300 Kongressteilnehmer im Berliner Maritim Hotel begrüßen – ein neuer Teilnehmerrekord. In seiner Begrüßung sprach er sich strikt dafür aus, Steuerhinterziehung zu bekämpfen – aber mit rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Die BStBK hält den Ankauf illegal erworbener Steuersünderdaten durch den Staat daher für rechtsstaatlich äußerst bedenklich. Eine Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige lehnt die BStBK ab. Sie habe sich uneingeschränkt bewährt. Ohne sie könnte der Staat bisher verheimlichte Steuerquellen kaum entdecken. Zudem erhalte der auf Abwege geratene Bürger durch sie die Chance, in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Die Selbstanzeige sei damit auch Ausdruck des Rechtsstaates. Ferner tritt die BStBK für die Wiedereinführung der Abzugsfähigkeit von privaten Steuerberatungskosten ein, was auch im Koalitionsvertrag so vereinbart, bislang aber noch nicht umgesetzt sei. Als eine Kernforderung nannte Vinken die Abschaffung der Substanzbesteuerung im Rahmen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen. Denn diese leistungsunabhängige Besteuerung belaste gerade eigenkapitalschwache und von der Krise betroffene Unternehmen. Sie gefährde Arbeitsplätze und konterkariere die Wirkung des im Jahr 2008 gesenkten Körperschaftssteuersatzes.
Ein Highlight setzte Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble mit seinem Einführungsvortrag. Seine Mutter, eine typisch schwäbische Hausfrau, hatte an einer Parkuhr geparkt, aber keine Münzen dabei. Am nächsten Tag ist sie nochmal hin und hat die Groschen eingeworfen. Das habe ihn – so Schäuble – ebenso geprägt wie die Arbeit seines Vaters, eines Steuerberaters, der ihm die elementare Wichtigkeit eines freien Berufs nahegebracht habe. Gewissenhaftigkeit und ein abwägendes Urteilsvermögen seien Grundvoraussetzungen. Auch heute müsse Fairness wieder im Steuersystem beachtet werden. Geld, das eingenommen werde, könne nur einmal ausgegeben werden. Konkret: Für eine Einkommensteuersenkung fehle das Geld. Schäuble will sich in der laufenden Legislaturperiode vor allem der Gemeindefinanzreform und der Steuervereinfachung widmen. Das Steuersystem müsse wieder als gerecht empfunden werden. Auch gehöre das Stöhnen über die Steuerbelastung zum Alltag, aber in Europa hätten nur Griechenland und Spanien eine niedrigere Steuerquote. Die Neuverschuldung müsse abgebaut werden. Man könne nicht ständig über seine Verhältnisse leben, wie sich erst jüngst am Beispiel Griechenland gezeigt habe.
Das Fachprogramm des Kongresses war gewohnt vielfältig, höchst aktuell und äußerst praxisorientiert: Sanierung und Steuern, die neue Erbschaftsteuer, Umsatzsteuerfragen infolge des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes (das auch andere Themen stark beherrschte) und das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher EU-Vorgaben, das BilMoG, versteckte Risiken und Chancen bei Zöllen und Verbrauchsteuern, Schwerpunkte der Betriebsprüfung (z. B. Rechnungslegung, Mitunternehmerschaft, Auslandsbeziehungen, Vorsteuerabzug), Probleme im Zusammenhang mit dem Erscheinen der Steuerfahndung sowie Gestaltungschancen und -risiken im internationalen Steuerrecht. Aber auch die Kanzleiorganisation und das Kanzleimanagement einschl. des Qualitätsmanagements fanden eine interessierte Zuhörerschaft. Controlling, Marketing, Mitarbeiterführung wurden als maßgebende Eckpunkte dargestellt.
Kurz: Eine Veranstaltung, von der jeder Teilnehmer profitieren konnte. Als „roter Faden“ ließ sich ausmachen, dass man bei Gestaltungen „die Kirche im Dorf lassen“ sollte. Hier schließt sich der Kreis zu den Ausführungen von Schäuble, auf allen Seiten im Steuerrecht Fairness gelten zu lassen. Das müsste dann auch z. B. für die Praxis der Finanzverwaltung, Nichtanwendungsschreiben zu BFH-Entscheidungen zu erlassen, gelten. Der Präsident des BFH, Dr. Wolfgang Spindler, mahnte die Beachtung dreier Grundelemente im Steuerrecht an: Steuergerechtigkeit, Planungssicherheit und Praktikabilität – klare Grundpfeiler, aber im Detail doch äußerst schwer umzusetzen. Der Steuerberater darf sich nicht als Vehikel eines Lenkungsrechts missbrauchen lassen. Dem ist nichts hinzuzufügen.